Hilfe, ich kann nicht streng sein

  • Ich hab gerade mit dem Ref angefangen und merke jetzt schon, das größte Problem, das ich in der Schule habe, ist, dass ich nicht wirklich streng sein kann. Ich bin zu nett und das kriegen die S ganz schnell raus und haben dann keinen Respekt (oder Ehrfurcht was auch immer) vor mir. Ich bin auch einfach nicht der Typ der rumschreit, ich bin eher ein ruhiger Typ, der keine Lust auf ständige Konfrontationen hat. Wenn ich da andere Lehrer sehe die ständig irgendwas rumbrüllen á la „…WEIL ICH ES SO GESAGT HABE!“ oder so was – das bin einfach nicht ich. Ich weiß jetzt nicht, ob ich mir das aneignen muss, oder ob man sich auch als ruhiger Typ durchsetzen kann. Ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht ob ich das überhaupt lernen könnte. Ich meine, ich kann schon ermahnen und sagen sie sollen damit aufhören, aber einen Effekt hat das bei manchen S keinen großen.
    Ich komme mit den ruhigen Schülern gut klar, insbesondere die Oberstufe macht mir Spaß, ich hab auch keine Angst vor der Klasse zu stehen, ich denke ich kann ganz gut erklären, hab ganz gute Ideen für Unterricht etc. etc. – alles in allem denke ich, könnte ich ein ganz guter Lehrer sein, aber im Moment ist es einfach noch so, dass ein, zwei rebellische Schüler in der Klasse die Stunde an sich reißen können – wenn der eigentliche Fachlehrer nicht hintendrin sitzt. Ich bin immer mordsfroh, wenn noch ein strenger „echter“ Lehrer dabei ist (ich hab noch keine eigenen Klassen) – sobald ich alleine in der Klasse bin, wird’s laut. Einige wenige S nehmen mich null Ernst, machen nur Quatsch oder wollen mich gar verarschen wenn ich alleine drin bin.
    Ich hab jedenfalls echte Angst (so dass ich nachts nicht gut schlafe), dass ich das nicht hinkriegen werde und dieses Problem mir meinen Beruf (und damit auch mein Leben) versauen wird. Ich hab auch Panik vor meinen ersten eigenen Klassen, hab Angst dass es da drunter und drüber gehen wird. Habt ihr einen Tipp für mich oder könnt mir Mut machen, dass das bei Euch anfangs auch so war und ihr es irgendwann gelernt habt? Kann man es schaffen auch als freundlicher, ruhiger (eventuell sogar zurückhaltender) Lehrer Disziplin zu erreichen? Ich will nicht (und kann wahrscheinlich auch nicht) meine ganze Persönlichkeit umstellen, ich bin nunmal eher ein Softie.


    p.s. Ich hab das mal in „allgemein“ gepostet, weil mich auch die Meinung der erfahrenen L interessiert. Falls es hier falsch ist, bitte einfach verschieben.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Zahlen-Miller ! ;)


    ich glaube, was du meinst, ist weniger eine Frage des Rumbrüllens als vielmehr der Konsequenz.


    Auch als ruhiger Lehrer kann man eine Klasse im Griff haben, wahrscheinlich eher denn als rumzeternder Choleriker :D.


    Meine Tipps:
    Bevor du deine eigene Klassen bekommst, mach dir einen Plan.Auf dem notierst du alles, was dir wichtig ist, welches Verhalten du duldest und welches nicht.
    Dann erstellst du dazu Regeln.


    Z.B. Thema Hausaufgaben: ob du eher oder mündliche schriftliche HA aufgibst, ob und wie du die Erledigung der HA kontrollieren wirst, wie die Abfragen ablaufen, wie häufig du Stegreifaufgaben schreibst, ob du essen oder trinken im Unterricht duldest, wie du auf verschiedene Unterrichtsstörungen reagieren wirst. Wie deine mündlichen Noten zustande kommen werden.


    Wenn dieser Plan steht, teilst du das in der ersten Stunde den Schülern mit.
    Und dann musst du unbedingt konsequent auf die Einhaltung achten. Ganz wichtig !
    Drohen allein ist Mist. Dann testen die Schüler immer stärker, wie weit sie gehen können. Konsequenz ist ganzn wichtig (wie immer in der Erziehung :D)
    Auch ganz wichtig: keine Diskussionen mit den Schülern über diese Regeln!
    Du bist der Chef.
    Dazu braucht es keine Brüllerei ! ;)
    Ich glaube, zu diesem Thema gibt es hier diverse Threads, vielleicht schaust du mal in die Suchfunktion.

  • und vor allem steh das zu, was Du willst. So lange Du innerlich selber schwankst, merken auch dies die Schüler.


    Das ist wirklich etwas ganz Schweres am Lehrerberuf, wie ich finde, aber es ist die Basis für guten Unterricht.


    Und wenn in den ersten Stunden viel Zeit damit drauf geht, dass du konsequent bist und nicht eher weiter machst, bis es ruhig ist etc, dann ist das so, Du wirst aber später davon profitieren.



    Da muss man gar nicht rumschreien oder so. Einfach ganz klar und deutlich formulieren was Sache ist und was die Konsequenz ist wenns nicht klappt (den Stoff, den sie in der Stunde nicht geschafft haben wegen Schwätzen gibt es als HA). Und das dann auch durchziehen und am nächsten Tag kontrollieren.


    Wovor hast Du Angst, wenn Du streng bist?

  • streng heißt nicht gleich laut, da schließe ich mich meinen vorschreibern an.
    du musst für dich klar haben "was will ich - was will ich nicht" und das konsequent durchziehen.
    das kannst du jetzt am anfang noch nicht raus haben, du stehst am anfang deiner arbeit mit den schülern und das ref ist ja eigentlich auch dazu da, eine lehrerpersönlichkeit zu entwickeln.
    die kannst du ja nicht von heute auf morgen herzaubern, das braucht zeit.
    und probleme mit schwierigen schülern hatten wir alle im ref (wer meint, er hätte das nicht gehabt, der lügt entweder oder war auf einer schule voller gedopter kinder) und die meisten haben das konsequent sein auch erst einmal die mentoren machen lassen.
    alle haben auch mal herumgeschrien und gemerkt "oh, das ist nicht meins".
    learning by doing.


    du wirst sehen, mit jedem monat wird es besser werden. sei geduldig mit dir selbst und penetrant bei den schülern. wenn die merken, du "sitzt" ihr fehlverhalten aus und lässt dich davon gar nicht beeindrucken, dann wird es besser.

  • Zitat

    Original von Miller181717
    Ich bin zu nett und das kriegen die S ganz schnell raus und haben dann keinen Respekt (oder Ehrfurcht was auch immer) vor mir. Ich bin auch einfach nicht der Typ der rumschreit, ich bin eher ein ruhiger Typ, der keine Lust auf ständige Konfrontationen hat. Wenn ich da andere Lehrer sehe die ständig irgendwas rumbrüllen á la „…WEIL ICH ES SO GESAGT HABE!“ oder so was – das bin einfach nicht ich.


    Die meisten Leute sind zu Beginn "zu nett". Das bedeutet ja nicht, dass man deswegen gleich vollstaendig in die andere Richtung rennen und zum Monster mutieren muss. :D
    Ich hatte am Anfang wahnsinnige Probleme, und die haben sich erst mit der Zeit (und mit Hilfe) gebessert. Inzwischen laufen die meisten Dinge ziemlich reibungslos. Ich schrei nicht gerne, denn dann fuehl ich mich als hab ich total die Kontrolle verloren. 8o
    Allerdings kann ich schon mal laut werden. Das kommt sehr selten vor, ist normalerweise auf wenige Sekunden begrenzt und sehr kontrolliert. Dann kling ich auch keineswegs so piepsig, wie das beim Schreien der Fall waere. :D
    Generell halten mich meine Schueler aber fuer sehr nett und lustig (wenn sie auch irgendwoher die komische Idee bekommen haben, dass ich streng bin...lassen wir sie mal in dem Glauben).
    Ich denke, beides geht. Man kann nett sein, und dennoch seine Ansprueche durchsetzen. Dazu musst du dir aber selbst klar darueber sein, was du willst/nicht willst...und dann auch konsequent dazu stehen.
    Gibt es an deiner Schule ein System, wie bei Fehlverhalten gehandelt wird und welche Sanktionen es gibt? Halt dich konsequent dran, ohne einen grossen Aufriss drum zu machen. Wenn es das nicht gibt, setz dich mit deinem Mentor hin und arbeite gestaffelte Sanktionen aus, die du in deinem Unterricht einsetzen kannst.


    Neben Konsequenz ist Routine wohl noch sehr wichtig. Meine Klasse hat Routinen, und meine Mathegruppe weiss ebenfalls sehr genau, was von ihnen in den bestimmten Abschnitten der Stunde erwartet wird. Sie wissen alle, wie sie meinen Klassenraum zu betreten haben (und, dass sie gleich wieder rausfliegen, wenn sie es nicht gebacken bekommen). Ihnen ist die Staffelung der Konsequenzen inzwischen bewusst und sie wissen, was sie sich erlauben koennen und was nicht. Ich muss schon gar nichts mehr sagen, sondern nur grummelig gucken...die geben sich schon selbst ne Verwarnung. :D
    Aber das ist alles Uebung, und verlangt von dir, dass du am Ball bleibst. Bloss, weil sie etwas vielleicht verstanden haben, heisst nicht, dass sie es weiter machen werden wenn du aufhoerst darauf zu bestehen.
    (Meine Klasse darf z.B. am Montag erstmal ueben, wie man sich fuer die Schulversammlung aufstellt. Ist nicht so, als wuerden die das nicht schon seit 6 Jahren machen...aber sie gingen mir furchtbar auf den Keks am Freitag und waren ein kompletter Wuselhaufen. So laeuft das nun wirklich nicht. Dann ueben wir halt nochmal...wie in der Vorschule!)

    • Offizieller Beitrag

    Schreien ist immer ein Zeichen von Kontrollverlust. Und genau die möchte man ja behalten.


    Tipps hast du je schon genug bekommen, die Suchfunktion kann noch zusätzlich weiterhelfen. Und: du bist nicht allein: http://www.muensterschezeitung…ise-werden;art993,1077049 ;)


    und:


    http://www.klett.de/sixcms/lis…artikel&sv%5Bid%5D=123699

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Ich habe noch ein paar Tipps:


    Es ist wichtig, dass du dort in der Klasse als der Boss akzeptiert wirst, der Chef bist du. Das ist wichtig für die Ordnung, und auch, damit die Schüler Vertrauen zu dir aufbauen.


    Doch wie bekommt man das hin? Ich habe es hinbekommen, indem ich mir bestimmte Vorstellungen gemacht habe, und diese Wünsche und Vorstellungen Wirklichkeit werden ließ:
    Sag dir: "Ich bin ein 110 kg-Boss, und ich bin der Chef, sobald ich im Klassenzimmer bin. Ich bin ein Schwergewicht, und die Schüler haben zu tun, was ich sage." Mit dieser Vorstellung als Ziel verkörpert man das dann viel leichter, und man wird, was man werden will.


    Dieser Vorschlag (Auto-Suggestion?) war das, was ich eigentlich sagen wollte; aber mir fallen noch ein paar andere Sachen ein:

    Man sollte nicht konfrontativ auftreten, aber durchaus so bestimmt, dass die Schüler sehen, dass man keinem Konflikt aus dem Wege geht, wenn sie es denn drauf anlegen.


    Das meint natürlich nicht, dass man wie ein total alter, unpädagogischer Lehrer auftreten muss, sondern es ist nur wichtig für die Diziplin und dafür, dass die Rollen gut verteilt sind und der Rahmen abgsteckt ist. Was du innerhalb des vorgegebenen Rahmens den Schülern gestattest/vorgibst/erlaubst/ an Aufgaben gibst etc musst du dann jeweils entscheiden (siehe Beitrag von Friesin).


    A propos Entscheidungen: Bekannterweise muss ein Lehrer pro Zeiteinheit mehr Entscheidungen treffen als ein Pilot, und das in Sekundenschnelle. Wie lernt man das? Da hilft fast nur die Zeit und die Erfahrung. Allerdings solltest du die Erfahrungen reflektieren, d.h. hinterher nochmal überlegen, warum etwas richtig oder falsch entschieden war. Wenn man das noch durchdenkt, sammelt man sich ein großes Handlungsrepertoire an, und mit der Zeit ist man für die allermeisten Situationen gut gerüstet, denn viele Situationen hat man (in ähnlicher Form) immer wieder. Mit der Zeit wird dir das intuitive Entscheiden auch schneller fallen.
    Und à propos Handlungsrepertoire: Das sammelt man sich auch durch Ausprobieren an. Habe keine Angst, einfach mal was auszuprobieren, mal so aufzutreten und/oder das zu sagen, womit die Schüler nicht rechnen. Nimm deine Schüler ruhig als "Versuchskaninchen", natürlich nur in dem Rahmen, wie es ethisch und menschlich nicht bedenklich ist.


    Begründungen à la "Weil ich es gesagt habe" finde ich auch nicht so gut, weil Entscheidungen ja nicht aus einer Laune heraus, sondern sinnvoll und überlegt getroffen werden. Aber hin und wieder darf man das Selbstbewusstsein ruhig mal haben und das sagen, denke ich.


    Also, es ist schon wichtig, dass du deine Leitfunktion wahrnimmst, denn du bist ja der Lehrer. Bei allem musst du natürlich nett, aber bestimmt vorgehen. Man sollte schon wissen, was man will, denn die Schüler wissen auch, was sie wollen, und setzen das auch durch, wenn Sie Möglichkeiten dazu sehen (Mittelstufe).


    Tja, ansonsten würde ich dir die Tips geben, die schon genannt wurden, sowie den Hinweis: Du bist nicht der erste und auch nicht der letzte Referendar, dem es so geht, und du wirst das schon machen!
    Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und auch kein Lehrer! Jeden Beruf muss man erstmal lernen, warum sollte das beim Lehrerberuf nicht so sein?


    Vielleicht war der eine oder andere hilfreiche Hinweis dabei.


    Hamilkar

  • Vielen lieben Dank für die Tipps und das gute Zureden. Das hat mir schonmal sehr geholfen. Ich werde mal ein paar Tipps davon ausprobieren und dann vielleicht mal berichten wie's gelaufen ist. Da waren auf jeden Fall gute Ideen dabei. Ein Satz Regeln werde ich mir mal zusammenbasteln bevor ich meine eigenen Klassen bekomme :)
    Es ist auf jeden Fall beruhigend zu hören, dass ich nicht der Einzige bin :)
    Tausend Dank für Eure Zeit!

  • Zitat

    Original von Miller181717
    Ein Satz Regeln werde ich mir mal zusammenbasteln bevor ich meine eigenen Klassen bekomme :)
    Es ist auf jeden Fall beruhigend zu hören, dass ich nicht der Einzige bin :)
    Tausend Dank für Eure Zeit!


    Ein weiterer Tipp: Nimm dir nicht zu viel vor!
    Unterrichten ist extrem komplex und du solltest Schwerpunkte setzen (oder auch eigene Lernziele ;) ). Soll heißen: bastel jetzt keinen Katalog mit 15 Regeln und versuch dann alle auf einmal einzuführen und konsequent zu ahnden. Das wird schief gehen. Nimm dir anfangs ein, zwei, die dir am wichtigsten sind und auf die achtest du dann. Wenn das für dich (und die Schüler) zur Routine geworden ist, kommen die nächsten.


    Viele Lehrer verzweifeln meiner Meinung an ihren viel zu hohen Ansprüchen und daran, dass sie nicht anerkennen, wie komplex dieser Beruf ist und dass man sich selber auch ausreichend Zeit geben muss, das zu lernen.


    Viel Erfolg!

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

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