Fühle mich unfähig :-(

  • Hallo ihr Lieben,


    Endlich finde ich den Mut, meine Sorgen hier anzusprechen. Es ist zwar etwas länger geworden, ich hoffe dennoch, dass der ein oder andere ein paar Momente Zeit hat, es durchzulesen.


    Ich habe nach Absolvieren meines ersten Staatsexamens eine Stelle als Feuerwehrlehrerin an einer Grundschule angenommen. Dort unterrichte ich v.a. Sport. Obwohl ich mir fest vornahm, auf die Einhaltung klarer Regeln zu bestehen, wie z.B. Ruhe und Disziplin auf dem Weg zur Sporthalle, merkte ich schon bald, dass ich innerlich schwankte, was die Schüler auch schnell raushatten. So berichtete mir nach den ersten Stunden ein Mädchen in der Umkleidekabine: "Einige Kinder haben gesagt, dass Sie doof wären." Ich fühlte mich sofort verunsichert und fragte mich, ob ich so schlecht bei den Kindern ankomme. Ich berichtete der Klassenlehrerin davon. Als diese es bei ihren Schülern ansprach, stellte sich heraus, dass einige Kinder Mitleid mit mir haben (mich somit als "dumm" im Sinne von "nachgiebig" empfinden), da ich Störenfriede öfter ermahnte, aber letztendlich keine Konsequenzen zog. Auch auf dem Weg zur Turnhalle habe ich nicht das nötige Durchsetzungsvermögen. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, für Ruhe und Disziplin zu sorgen, schaffte ich es selten, wirklich zurückzugehen, wenn die Kinder zu laut waren. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und endete darin, dass ich die Schüler immer wenn sie zwischendurch an den Türen auf den Rest der Gruppe warteten wieder ermahnte leise zu sein und auch erst dann weiterging, doch beim Weitergehen wurde es sofort wieder laut. Ich glaube, einige Kinder haben es schon als Regel verinnerlicht: "Auf dem Weg können wir schwätzen, ich bin nur kurz an den Türen leise, die Frau X lässt es ja doch durchgehen." Kurzum: mich plagen jetzt schon Selbstzweifel und ich fühle mich wie der letzte Fußabtreter und Volltrottel. Meine Gedanken kreisen ständig darum, ich fühle mich als würde ich einen riesigen Sorgenkloß mit mir herumtragen, den ich nicht mehr loswerde. Die Tatsache, dass ich mich jetzt schon als miese, nicht durchsetzungsfähige Lehrerin sehe, bereitet mir viel Kopfzerbrechen. Ich nehme mir zwar immer wieder vor: "Heute bist du mal strenger", aber es klappt nie so richtig, was für mich umso zermürbender ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass wenn der Ruf einmal versaut ist, es einfach nicht mehr klappen kann- denn eine Kollegin meinte direkt zu Beginn: "Die ersten Stunden sind entscheidend; wenn das Bild dann erst einmal gekippt ist, kriegen Sie es auch nicht wieder aufgerichtet". Dieser Satz spukt mir nun im Kopf herum, v.a. im Hinblick aufs Ref. Das muss doch total demotivierend sein: Wenn du von Anfang an keine gute Lehrerpersönlichkeit hast, kannst du auch keine mehr entwickeln. Wenn von Anfang an bei dir keine Disziplin herrscht, kriegst du sie auch nicht mehr rein. Das würde ja heißen, man kann sich gar nicht weiterentwickeln. Wenn du von Anfang an nicht streng genug bist, bist du zum Scheitern verurteilt.


    Ist das wirklich so? Wie habt ihr das im Ref erlebt? Kann man lernen, streng zu sein? Ich bin wirklich für jeden Ratschlag, Tipp oder aufmunternde Worte dankbar.


    Liebe Grüße


    Euer Zitronenfalter

    • Offizieller Beitrag

    Meine Erfahrung ist, dass man die (Lehrer)persönlichkeit nur geringfügig ändern kann. Aber natürlich gibt es Handwerkszeug, auch solches, das Konsequenz erleichtert. Manche - nicht alle - lernen das anzuwenden.
    Nur: wenn sich jemand so dermaßen unglücklich in seinem Beruf fühlt wie du, noch bevor er ihn angefangen hat - macht das dann Sinn?

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Meine Erfahrung ist, dass es einfach superanstrengend ist, konsequent zu sein. Das kostet Kraft und ja, manchmal fühlt man sich danach hin und hergerissen zwischen der Freude, es gewesen zu sein und der Frage, ob man nicht doch zu "hart" war. Das ist jedenfalls mein Eindruck.


    Für mich hat sich auch gezeigt, dass es oft schon reicht, einmal richtig durchzugreifen. Beispiel: dein Problem, mit den Kindern zur Turnhalle zu gehen.
    Ziehe es wenigstens einmal durch und geh zurück. Ich hatte mal eine Klasse, bei der das schon den gewünschten Erfolg brachte.
    Mit anderen Klassen bin ich 3-4mal hin und hergegangen, so lange, bis klar war, was ich von ihnen erwarte.
    Beim nächsten Mal haben sie ihren Sportunterricht dafür nicht geopfert. :D


    Ich sehe es wie Meike., völlig ändern kann man eine Lehrerpersönlichkeit nicht, aber daran arbeiten, was - wie schon gesagt - anstrengend ist.
    Aber jeder von uns, muss sich immer wieder fragen, wie er mit Problemen, Störungen.. umgehen und darauf reagieren kann. Da sind jeden Tag neue Lösungen und Ansätze gefragt.


    Durchbrich einmal diesen Teufelskreis, zu denken: Ich bin schwach, ich mach nichts, ich schaffe es nicht konsequent zu sein, vielleicht fühlst Du Dich dann schon besser.


    Übrigens hatte ich einmal eine Referendarin, der es wohl ähnlich ging. Sie hat es geschafft, ihr Verhalten zu ändern und ist heute, zufrieden und anerkannt bei den Schülern.

  • Es ist tatsächlich so, dass die ersten Stunden ganz entscheidend sind.
    Bei Klassen, in denen ich am Anfang zu lasch war, habe ich es jetzt schwerer als bei Klassen, in denen ich gleich zu Beginn eine für meine Verhältnisse harte Schiene gefahren bin - obwohl ich jetzt bei beiden Klassen den gleichen Ton anschlage.


    Ich nutze gerne Vertretungsstunden bei Klassen, die ich nicht kenne, um das Strengsein zu üben.
    Ist wirklich witzig - böser Blick, strenger Ton, das ganze Drumherum.
    Das bin eigentlich gar nicht ich, ich spiele da schon eine Rolle, von der viele andere Schüler, die mich kennen, sagen würden, dass sie nicht zu mir passt.


    Und es klappt tatsächlich :)

    • Offizieller Beitrag

    Erstmal: mit den Zweifeln und dem Stress und der Unentschlossenheit - das dürfte doch normal sein in der Anfangsphase. Und man fühlt sich überfordert und es ist abartig anstrengend.


    Und dann kommt der Satz mit "am Anfang streng sein, damit man später locker lassen kann...". Damit konnte ich wenig anfangen, bis heute nicht.


    Du fragst, wie man lernen kann, "streng zu sein". Meiner Meinung nach hat das nichts mit streng sein zu tun - ich verwende eher den Begriff "Authentizität". Die Schüler merken nämlich auch recht schnell, ob du eine Rolle spielst. Du musst deinen eigenen Weg finden, der mit deinem inneren Erleben übereinstimmt.


    Athentisch würde in deinem Fall heißen, dass du nach außen das transportierst, was die quer liegt. Es nervt dich, wenn die Regeln nicht eingehalten werden, also mach klar, dass es dich nervt ("Es macht mich wütend, wenn ihr.....). Es macht dich fertig, wenn du jedes Mal ermahnst, ohne weitere Konsequenzen folgen zu lassen - also lass Konsequenzen folgen.


    Die Schüler werden dir nicht nachtragen, wenn du authentisch und konsequent bist - das merkst du ja selbst.
    Naja, und der Rest ist ein ständiges Bohren desselben Brettes...


    Und Stichwort "Lehrerpersönlichkeit": Es gibt keinen geborenen Lehrer, wie man so oft sagt. Dein Reflektieren gerade, dein Mühen um den richtigen Weg...das kann auch eine gute Lehrerpersönlichkeit ausmachen. Da draußen laufen genug rum, die Unheilstiften, aber sich nie Gedanken darüber machen...so lange du noch darüber nachdenkst, kannst du nicht allzu falsch liegen.

  • du stehst noch ganz am anfang und du bist noch in der entwicklung der lehrerpersönlichkeit und das darfst du auch.
    wie hat ein schüler meiner klasse letzlich so schön gesagt: es gibt keine fehler, es gibt nur erfahrungen.


    hawkeye hat von authenzität gesprochen, ich stimme dem zu und lege "verlässlichkeit" noch obendrauf. die schüler müssen wissen, woran sie mit dir sind. dafür musst du aber auch erst mal klar haben, was du als verhalten akzeptierst und was nicht und auch das muss sich erst entwickeln.


    nimm' dir kleine portionen vor und übe die.
    wie oben beschrieben, zieh' das durch, wann immer einer quatscht oder aus der reihe tanzt, zurück, neu aufstellen und losgehen.
    oder wenn ihr zu beginn der stunde im kreis sitzt und die kids dazwischenquatschen, aufhören zu sprechen, warten bis es ganz leise ist, satz von vorn beginnen.


    dadurch, dass du reflektierst und das gespräch mit kollegen suchst, hast du schon ein gutes handwerkszeug zur entwicklung DEINER lehrerpersönlichkeit, das braucht man nämlich beides.


    kopf hoch, bleib' am ball!

  • Meine Erfahrung ist, dass ich im Laufe der Zeit (bin jetzt incl Lehrauftrag und Ref 4,5 Jahre an der Schule) immer konsequenter geworden bin und dass mir das auch zunehmend leichter fällt. Ich denke auch, dass in diesem Punkt viel von der eigenen Persönlichkeit abhängt, die schwer zu ändern ist, aber etwas Lernen kann man das schon. Früher war es mir auch wichtiger, dass die SuS mich mögen, da bin ich heute viel unabhängiger. Gib Dir also etwas Zeit, auch konsequent sein kann man üben. Und, ja, es ist schwieriger, wenn man das in einer Klasse nicht von Anfang an war, aber das heißt doch nicht, dass dann für immer alles verloren ist.
    Gruß
    Albatros

  • Zitat

    Original von Zitronenfalter
    ...
    Vielleicht liegt es auch daran, dass wenn der Ruf einmal versaut ist, es einfach nicht mehr klappen kann- denn eine Kollegin meinte direkt zu Beginn: "Die ersten Stunden sind entscheidend; wenn das Bild dann erst einmal gekippt ist, kriegen Sie es auch nicht wieder aufgerichtet". Dieser Satz spukt mir nun im Kopf herum, v.a. im Hinblick aufs Ref. Das muss doch total demotivierend sein: Wenn du von Anfang an keine gute Lehrerpersönlichkeit hast, kannst du auch keine mehr entwickeln. Wenn von Anfang an bei dir keine Disziplin herrscht, kriegst du sie auch nicht mehr rein. Das würde ja heißen, man kann sich gar nicht weiterentwickeln. Wenn du von Anfang an nicht streng genug bist, bist du zum Scheitern verurteilt.


    Ist das wirklich so? Wie habt ihr das im Ref erlebt? Kann man lernen, streng zu sein?


    Hallo Zitronenfalter!
    Erstmal: Lass dich nicht entmutigen!


    An dem Satz (s.o.), den deine Kollegin gesagt hat, ist schon etwas Wahres dran. Wenn die Kinder erstmal raushaben, dass du nicht konsequent bist, ist es unheimlich schwer, das wieder hinzubekommen.
    Unmöglich ist es allerdings nicht, es ist nur mega anstrengend und kann ein durchaus langwieriger Prozess werden.
    Du bist aber nicht automatisch zum Scheitern verurteilt, nur wenn das jetzt anfangs nicht funktioniert.


    Wann fängst du denn mit dem Referendariat an?
    So gesehen ist es gar nicht verkehrt, wenn du die Erfahrung jetzt schon machst ;)
    Man kann definitiv lernen, streng zu sein!
    Bei mir war es auch so, dass ich im Ref. in einigen Klassen große Schwierigkeiten hatte, weil ich nicht konsequent genug war.
    Es war ein wirklich mühsamer Weg, bis es halbwegs funktionierte.
    Selbst am Ende der zwei Jahre war ich noch nicht zufrieden damit, wie es lief.
    Erst mit der ersten Vertretungsstelle wurde das deutlich besser und es gab kaum noch Schwierigkeiten in dieser Hinsicht.


    Es ist schon ein richtiger Lernprozess, den man da durchmacht.
    Manche haben das sofort drauf, von Anfang an eben, andere lernen es halt im Laufe der Zeit. Und natürlich wird es auch LehrerInnen geben, die auch nach Jahren noch nicht konsequent genug sind.
    Aber du stehst erst am Anfang, du wirst es lernen! ;)
    Fang am besten direkt damit an, dann hast du es im Referendariat leichter.
    LG

  • Danke euch allen für die aufbauenden Worte und die guten Ratschläge- werde sie mir zu Herzen nehmen und weiter kämpfen :-)! Es ist gut zu wissen, dass es anderen ähnlich ging und man nicht automatisch zum Scheitern verurteilt ist...

  • Zitronenfalter, mir ging es am Anfang ähnlich. Ich hatte insbesondere im Refendariat immer wieder Zweifel, weil ich mich nicht durchsetzen konnte. In Klassen, in denen es von Anfang an nicht klappte, konnte ich es dann auch später nicht mehr ändern.
    Aber ich habe nach dem Ref die Schule gewechselt und bin immer sicherer geworden. Heute habe ich keine Schwierigkeiten mehr damit mich durchzusetzen.
    Ich denke nicht, dass es eine bestimmte Lehrerpersönlichkeit gibt. Es gibt aber Menschen, denen es nicht gelingt das nötige Handwerkszeug zu lernen. So wie du reflektierst, glaube ich aber nicht, dass du zu denen gehörst.


    Alles Gute!

  • Ich hab zwar das Ref noch vor mir, arbeite aber jetzt im zweiten Jahr als Vertretungskraft an einer Berufsschule und kenne die Disziplin- und Konsequenzprobleme gut.
    Meine Kollegen haben mir geraten lieber am Anfang etwas strenger (vielleicht auch zu streng) zu sein, um sich Respekt zu verschaffen und Regeln durchzusetzen. Meine Erfahrungen sind ähnlich mit den hier bereits beschriebenen. Im ersten Jahr hatte ich irgendwann mehr Probleme mit der Klasse in der ich zu Beginn nicht so streng war. Jetzt im zweiten Jahr hat es ca 2-3 Monate gedauert, Regeln durchzusetzen. In der Zeit hab ich jede angedrohte Konsequenz (z.B. 5 Minuten den Raum verlassen bei Unterrichtsstörung) auch umgesetzt und muss das seit kurz vor Weihnachten fast gar nicht mehr. Disziplinprobleme gibt es zwar noch, aber bei weitem nicht mehr so schlimm.

  • Erstmal stimme ich Meike zu: Ich hab auch die Erfahrung gemacht, dass man die Lehrerpersönlichkeit nur sehr schwer ändern kann. Aber: Zur Lehrerpersönlichkeit gehört ja noch viel mehr als Konsequenz und Autorität. Konsequenz ist letztlich auch viel Übungssache, das kann man schon lernen, denke ich. Lehrerpersönlichkeit hat aber auch viel mit der Ansprache der Kinder zu tun, wie man mit ihnen umgeht, ob man sie ernst nimmt - das alles muss definitiv vorher stimmen, diese Dinge muss man mitbringen. Disziplin zu halten hat hingegen für mich schon auch viel mit Handwerkszeug zu tun, diese Fähigkeit kann man zumindest verbessern. Klar ist es hilfreich, wenn an eine gewisse Autorität mitbringt, so ganz ohne geht es sicher nicht. Aber es ist auch nicht hoffnungslos, wenn das noch nicht so fluppt.


    Gruß
    Britta

  • Entschuldigung für die naive Frage, aber: warum sollten Grundschulkinder auf dem Wege zur Turnhalle, also 5 Minuten draussen, leise sein. Können sie sich nicht - auch akustisch - austoben, um dann im Unterricht wieder aufmerksam zu sein?

  • christophe: draußen mag es gehen, aber zumeist ist ja auch im gebäude eine strecke zurückzulegen und das vorbei an klassenräumen. und es gibt schulen, an denen es die feste regel gibt: in zweier-reihe stille und leise in der sporthalle wandern.

  • "Lehrerpersönlichkeit" klingt für mich immer wie nach dem Satz: "Lehrer - das ist kein Beruf, das ist eine Diagnose".


    Wozu bitteschön sollte man eine Ausbildung machen, wenn es keine Entwicklungsmöglichkeiten - auch und gerade für die Persönlichkeit - gäbe?


    Genau wie die Kinder, müssen auch die (angehenden) Lehrer ihre Erfahrungen sammeln und üben, üben, üben. Bis es klappt ;)

  • Zitat

    Original von christophe
    Entschuldigung für die naive Frage, aber: warum sollten Grundschulkinder auf dem Wege zur Turnhalle, also 5 Minuten draussen, leise sein. Können sie sich nicht - auch akustisch - austoben, um dann im Unterricht wieder aufmerksam zu sein?


    Ich würde mal vermuten, dass sie nicht leise, aber eben auch nicht laut sein sollten. Gegen Gespräche in normaler Lautstärke hat sicher niemand etwas. "Akustisch austoben" klingt nach Gebrüll, Schreierei, Gekreische und -> Chaos! Und das muss nicht sein.


    Ebenso beim Aufstellen...da müssen es keine Pärchen sein, die Hand halten...aber ich geh einfach nicht mit einer wilden und lauten Horde durch die Gegend.

  • Zitat

    Original von Zitronenfalter
    .... So berichtete mir nach den ersten Stunden ein Mädchen in der Umkleidekabine: "Einige Kinder haben gesagt, dass Sie doof wären." Ich fühlte mich sofort verunsichert und fragte mich, ob ich so schlecht bei den Kindern ankomme...


    Das Mädchen hat es wirklich drauf, dir gekonnt eins auszuwischen und sich gleichzeitig einzuschmeicheln. Leg` dir die CD der Ärzte auf "Lass die Leute reden..." Wenn es dir an die Nieren geht, dass Schüler dich als "doof" bezeichnen, darfst du diesen Beruf nicht ausüben. Sonst brauchst du bald einen Organspender ;)


    Zitat


    Ich berichtete der Klassenlehrerin davon. Als diese es bei ihren Schülern ansprach, stellte sich heraus, dass einige Kinder Mitleid mit mir haben (mich somit als "dumm" im Sinne von "nachgiebig" empfinden), da ich Störenfriede öfter ermahnte, aber letztendlich keine Konsequenzen zog.


    Wenn du jede Störung mit Konsequenzen belegst, kommst du nicht mehr zum Unterrichten. Andererseits darfst du für die Schüler nicht "berechenbar" werden. (nach dem Motto: viermal 'Arschloch' darf man, erst ab dem fünften gibt es etwas zum Abschreiben...)


    Zitat

    Auch auf dem Weg zur Turnhalle habe ich nicht das nötige Durchsetzungsvermögen. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, für Ruhe und Disziplin zu sorgen, schaffte ich es selten, wirklich zurückzugehen, wenn die Kinder zu laut waren. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und endete darin, dass ich die Schüler immer wenn sie zwischendurch an den Türen auf den Rest der Gruppe warteten wieder ermahnte leise zu sein und auch erst dann weiterging, doch beim Weitergehen wurde es sofort wieder laut. Ich glaube, einige Kinder haben es schon als Regel verinnerlicht: "Auf dem Weg können wir schwätzen, ich bin nur kurz an den Türen leise, die Frau X lässt es ja doch durchgehen."


    Wege durch das Schulhaus gelten für die Schüler nicht als Unterricht. Sie empfinden ihr Tun nicht als störend - die Türen sind ja zu. Hier kann man als Lehrer nur spontan reagieren und die Schüler sensibilisieren, wenn während einer Stillarbeitsphase oder Klassenarbeit im Klassenzimmer draussen auf dem Flur der Lärmpegel steigt. Dann kann man die Schüler auf diese Störung hinzuweisen: "Hört ihr, wie die da draußen euch stören? - Ich hoffe, das ihr euch ruhiger durch das Schulhaus bewegt"


    Zitat


    Kurzum: mich plagen jetzt schon Selbstzweifel und ich fühle mich wie der letzte Fußabtreter und Volltrottel.


    Nimm es nicht persönlich. Du bist nicht der Trottel. Die Schüler reden nicht mit dir. Sie reden mit dem Lehrer. Auf dieses schizophrene Spiel musst du dich einlassen und entscheiden: Meint der/die mich - oder meine Rolle als Lehrer? In >90% der Schüleräußerungen bist du als Lehrer gemeint, nicht als Person. Angegriffen wirst du meist als Lehrer, der vom Schüler (in seiner Rolle - nicht als Person) die Ausführung einer Tätigkeit verlangst, die dieser ablehnt.


    Zitat

    Meine Gedanken kreisen ständig darum, ich fühle mich als würde ich einen riesigen Sorgenkloß mit mir herumtragen, den ich nicht mehr loswerde. Die Tatsache, dass ich mich jetzt schon als miese, nicht durchsetzungsfähige Lehrerin sehe, bereitet mir viel Kopfzerbrechen. Ich nehme mir zwar immer wieder vor: "Heute bist du mal strenger", aber es klappt nie so richtig, was für mich umso zermürbender ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass wenn der Ruf einmal versaut ist, es einfach nicht mehr klappen kann- denn eine Kollegin meinte direkt zu Beginn: "Die ersten Stunden sind entscheidend; wenn das Bild dann erst einmal gekippt ist, kriegen Sie es auch nicht wieder aufgerichtet".
    Dieser Satz spukt mir nun im Kopf herum, v.a. im Hinblick aufs Ref. Das muss doch total demotivierend sein: Wenn du von Anfang an keine gute Lehrerpersönlichkeit hast, kannst du auch keine mehr entwickeln. Wenn von Anfang an bei dir keine Disziplin herrscht, kriegst du sie auch nicht mehr rein. Das würde ja heißen, man kann sich gar nicht weiterentwickeln. Wenn du von Anfang an nicht streng genug bist, bist du zum Scheitern verurteilt.
    Ist das wirklich so? Wie habt ihr das im Ref erlebt? Kann man lernen, streng zu sein? Ich bin wirklich für jeden Ratschlag, Tipp oder aufmunternde Worte dankbar.


    Jeder Tag ist ein neuer Tag. Das Schöne am Lehrerberuf ist, das du mehr Einflussmöglichkeiten auf den Fortgang hast, als dies in anderen Berufen der Fall ist.
    DU bist der Chef.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Vielleicht liegt mein Schwanken auch darin begründet, dass ich manchmal an meinen eigenen Regeln zweifle (so nach dem Motto: "Die Kinder reden doch nur ein bisschen, sei nicht so hart zu ihnen..."). Aber es ist doch nicht zuviel verlangt, leise und geordnet zur Halle zu gehen, oder?
    Es ärgert mich v.a., dass ich vor dem Los- und Zurückgehen oft mehrere Minuten warte und mir den Mund fusselig rede, bis mal alle zwei und zwei stehen, nach vorne sehen und leise sind- und dann ist mein "Ergebnis" nach wenigen Sekunden wieder zerstört...(und dass ich erst losgehe wenn alle leise sind ist für mich genauso ein Grundsatz wie erst anfangen zu sprechen wenn alle leise sind).
    Und einmal ist auch die ehemalige Sportlehrerin mitgegangen um sich das Ganze anzuschauen und da war es auf dem gesamten Weg und auch in der Halle so leise, dass man eine Nadel hätte fallen hören können. Also geht es doch auch...

  • Da ist natürlich auch die Frage, was genau erwartest du von den Kindern.
    Bzw. ist es überhaupt realistisch, wirklich zu erwarten, dass sie während des gesamten Weges mucksmäuschenstill sind?
    Wie weit ist der Weg bis zur Turnhalle? Geht es nur durchs Gebäude, wo andere Unterricht haben, oder musst du durch die halbe Stadt zur Halle laufen?
    Das spielt ja auch alles eine Rolle.


    Du solltest dir genau klar werden, was du erwartest.
    Geh die Regeln mit den Kindern nochmal durch!


    1) Aufstellen in 2er Reihen
    2) Du begrüßt die Kinder erst, wenn alle aufmerksam sind und keiner mehr redet.
    3) Du erwartest, dass IM Gebäude NICHT gesprochen wird, weil das den Unterricht der anderen Klassen stört.
    4) Es ist ggf. (?) erlaubt, sich auf dem Weg in die Turnhalle in normaler Lautstärke zu unterhalten. (fände ich ok)
    5) Alle gehen in Zweiereihen, niemand überholt dich.
    6) Wenn du ein Zeichen gibst und stehen bleibst, sind alle leise und aufmerksam.
    7) Werden die Regeln nicht eingehalten oder dauert es ewig, bis es leise ist, drehst du sofort um und gehst mit den Kindern in den Klassenraum zurück. Dort kannst du die Regeln nochmal aufschreiben lassen usw.


    Wenn du v.a. Punkt 7) dann ein- zweimal durchgezogen hast, wirds funktionieren. ;)

  • Hallo Zitronenfalter!


    Ich kann dir auch nochmal bestätigen, dass deine Ängste am Anfang ganz normal sind. Ich hatte anfangs auch Probleme, den Schülern mit der nötigen Strenge und Konsequenz zu begegnen. Im Ref sagte mir meine eine Mentorin immer, dass ich viel zu lasch sei und das niemals in den Griff kriegen würde (ich weiß, sehr "ermutigend" ;) )
    Ich kann dir allerdings sagen: Man kann alles in den Griff bekommen. Ich habe heute (1 Jahr später) so gut wie gar keine Probleme mehr, mich durchzusetzen. Meine Kollegen staunen z.T. darüber, wie gut ich manche "Problemklassen" im Griff habe.
    Als Tipp für dich:
    Wichtig ist, keine Angst davor zu haben auch mal RICHTIG laut zu werden. Und zwar nicht nur kurz ein lautes "Ruhe", sondern die Kinder mal richtig "rundmachen". Ich weiß, das hört sich gemein an und man fühlt sich danach selber am Anfang nicht gerade toll, aber die Kinder (man glaubt es kaum) sind oft wirklich dankbar dafür. So habe ich eine Klasse in der GTS, die ich zu Beginn des SJ immer und immer wieder richtig anbrüllen musste, die aber nun jeden Tag fragen, ob ich denn heute wieder zu ihnen käme und sich immer freuen, wenn ich ja sage :)


    Kinder brauchen einfach Disziplin und Konstanz. Wenn du in deine Sportklasse gehst, mach den Kindern klar, was du von ihnen erwartest (z.B. Ich will, dass ihr euch jetzt leise in Zweierreihen an der Tür aufstellt.) Manchmal hilft es auch, die Kinder erstmal auf ihren Plätzen das Leisezeichen zeigen zu lassen und dann die Kids aufzurufen, die leise sind. Die dürfen sich dann zuerst aufstellen und es gibt kein Chaos, weil alle direkt zur Tür rennen.
    Wenn jemand zu früh losläuft oder Blödsinn macht, muss er sich nochmal hinsetzen und darf sich erst ganz zum Schluss aufstellen. Evtl. kannst du ihm dann noch klar machen, dass er damit wertvolle Sportminuten vertrödelt.
    Wenn die Kinder im Flur zu laut werden, bleib stehen und warte so lange, bis es leise ist. Wenn es dir zu lange dauert, geh zurück. Wichtig: Du darfst nicht lange überlegen, ob es zu laut ist oder noch im Rahmen. Bleib ruhig in den kommenden Stunden bei jedem Mucks stehen - bis es alle gelernt haben!
    Und scheue dich auch nicht davor, wirklich "harte" Konsequenzen zu ziehen: Wenn du dreimal zurück gehen musstest, wird den Rest der Stunde im Klassenraum abgeschrieben. Wenn sich Kinder weigern oder sich trotzdem keine Besserung einstellt, schreib eine Nachricht an die Eltern (Hausaufgabenheft) oder lass dir die abgeschriebenen Texte von den Eltern unterschreiben.
    Wenn du dieses "volle Programm" mal ein paar Stunden durchgezogen hast, wirst du merken dass es von Stunde zu Stunde leichter geht.


    Und nochmal ganz allgemein: Lass dich nicht entmutigen! Auch eine Lehrerpersönlichkeit kann man ändern. Ein Vorredner von mir sagte etwas von reflektieren und verbessern. Das ist wirklich wichtig im Ref. Wenn du deine Schwächen erkennen, Alternativen aufzeigen und diese umsetzen kannst, hast du nichts zu befürchten! Außerdem lernst du mit der Zeit viele Kniffe und Rituale, die dir dabei helfen, Struktur und Disziplin in deine Klassen zu bringen.


    Wünsche dir gute Nerven und Standhaftigkeit für die kommende Zeit!!!


    Viele Grüße
    MelS

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