Schule für Kranke

  • Liebe Forenmitglieder,


    mein Ref. ist jetzt endlich bald zu Ende und ich überlege, wie es weiter geht. Eigentlich würde mich die Schule für Kranke interessieren, weiß aber gar nicht so genau, wie es da so ist.


    Ich habe Hauptschullehramt studiert und bin ein wenig gefrustet, weil die Schüler so wenig motiviert sind und man nur bedingt individuell auf sie eingehen kann. Ich verspreche mir vom Unterrichten am Krankenhaus eine bessere Passung Bedürfnis/Lernangebot , persönlicheren Kontakt und mehr Freiheit in der Stoffauswahl.


    Andererseits radle ich zu meiner Schule im Moment ne viertel Stunde, ins Krankenhaus muss ich mit der U bahn und womöglich auch innerhalb eines Vormittags wechseln, oder?


    Hat man Kontakt mit den anderen Lehrern? Vielleicht gibt es ja jemand unter Euch, der Erfahrungen hat mit dem Lehrersein im Krankenhaus?


    Danke, Lupa

  • Persönlich Erfahrungen habe ich keine, aber aus zweiter Hand habe ich schon einige Dinge gehört.


    Dadurch, dass an einer Patientenschule kein so ausdifferenziertes Kollegium wie an einer Regelschule zur Verfügung steht, ist es Alltag, dass man sich mit fachfremden Inhalten und auch anderen Schulformen beschäftigt.
    So wie ich es kenne, haben die Schüler nur wenig Unterricht am Tag (Behandlungen gehen natürlich vor) und sind ja auch meistens nicht soo lange da, so dass ich nciht weiß, wie ausgeprägt der persönliche Kontakt ist.
    Schulferien gibt es im Krankenhaus nicht. Man hat Urlaub, den man irgendwann nimmt. Andererseits ist die Korrekturbelastung natürlich eine ganz andere als in einer regulären Schule. Nämlich gar nicht oder fast nicht vorhanden.

  • Ich kann nur aus privater Sicht berichten. Es ist schon eine besondere Aufgabe, kranke Kinder zu unterrichten, die haben ja nicht alle nur ein Bein gebrochen, und da finde ich deine Motivation, nun ja, nicht sehr überzeugend.


    Für Kinder, die lange im Krankenhaus sind, heißt der Unterricht weniger, dass sie etwas lernen, sondern vor allem, dass da Leute sind, die an ihre Gesundung glauben. Ich weiß nicht, ob du schon mal auf einer kinderonkologischen Station warst. Sich zwischen Chemo und Bluttransfusion auf Bruchrechnen zu konzentrieren ist nicht so einfach, da ist "wenig motiviert" oft noch geschmeichelt. Zuversicht ausstrahlen, wenn wirklich alles zum Erbrechen ist, das muss man auch erst mal können. Ja, du hast viel persönlichen Kontakt - auch z. B. zu Eltern in Ausnahmesituationen - aber ob dich das weniger belastet als eine unruhige Hauptschulklasse, das wage ich zu bezweifeln. Die Kinder wechseln natürlich auch sehr rasch, du musst also sehr flexibel sein. Das ist nicht dasselbe wie Freiheit.


    Es gibt auch Hausunterricht; heißt natürlich: Fahrerei. Wobei ich auch das ein merkwürdiges Argument finde. Nun denke ich aber auch, dass es in dem Bereich nicht so furchtbar viele Stellen gibt und da sehr genau geschaut wird, wen man nimmt. Und ohne Unterrichtserfahrung oder Zusatzausbildung? Ich kenne mich, wie gesagt, nicht aus, aber da kann ich mir nicht vorstellen, dass du gute Chancen hast.


    Schau auch mal hier.

  • Was Freiheiten in der Stoffauswahl betrifft, wäre ich - zusätzlich zu allem was bereits gesagt wurde - auch vorsichtig. Ich kenne den Fall nur so, dass ein Kind meiner Klasse für längere Zeit zur Kur gefahren ist und ich wurde gebeten sämtlichen Stoff, den wir in dieser Zeit durchnehmen würden, dem Kind mitzugeben. Klar kann man nicht für mehrere Wochen alles bereits Wochen vorher fertig haben, aber Arbeitsblätter, Übungsaufgaben aus Büchern und eine möglichst genaue Eingrenzung des Stoff war schon möglich. Da hatte die dortige Lehrerin nicht mehr viel Auswahl, weil das Kind ja nach seiner Rückkehr an der gleichen Stelle stehen soll,wie die Klassenkameraden.

  • In vielen Bundesländern ist die Schule für Kranke den Förderschulen zugewiesen, dh. es unterrichten dort Förderschullehrer.

  • Hmm, vielen Dank. Das hilft schon mal sehr viel weiter und gibt Denkanstöße in viele Richtungen. Meine innere Motivation möchte ich hier nicht ausbreiten: ist ja kein Vorstellungsgespräch. Nur: Ich habe sehr wohl eine onkologische Kinderstation schon von innen gesehen und -vor meinem Lehrerdasein- 10 Jahre mit schwerbehinderten Kindern gearbeitet.


    Es interessieren mich also vor allem die arbeitsspezifischen Unterschiede zum Lehrerberuf an der Regelschule...


    Lupa

  • Es ist wohl auch die Frage was für eine Schule für Kranke... Ich habe mich an einer Schule für Krank beworben, die war einer Kinder- und Jegendpsychiatrie zugehörig. Das ist etwas anderes als Kinder im Krankenhaus zu unterrichten.


    Zweite Frage ist: "Schule für Krank" wird hier eigentlich der Sonderpädagogik zugeordnet. Wie ist das bei Euch?

  • Ich bin mir nicht sicher- aber ich glaub, da arbeiten Lehrer aller Arten. Ich hab dort mal angerufen (die Sekretärin hat mir aber nicht so richtig weitergeholfen) und gesagt, dass ich Hauptschullehrerin bin. Daraufhin hat sie gesagt, ich solle mich einfach mit nem Mail an den Chef wenden.


    Ich trau mich aber nicht, weil ich nicht will, dass die Schulrätin erfährt, dass ich mich für eine andere Schule interessiere als die jetzige, an der sie mich auf jeden Fall versuchen wird, unterzubringen.


    Deshalb wollte ich hier fragen. Ich finde, Urlaub und nicht Schulferien, immer wechselnde Kinder (ist ja eigentlich logisch) und keine Möglichkeit zu Unterrichtsgängen oder gar Schullandheim nicht so erstrebenswert...


    Hier ist es so, dass an der Schule für Kranke ca. 40 Lehrer arbeiten, die an 13 verschiedenen Kliniken eingesetzt sind. Teilweise wird in Kleingruppen unterrichtet, teilweise per Video, und sonst halt einzeln.


    Ich finde es schon eine ganz besondere Herausforderung und würde am liebsten mal einen Tag hospitieren, aber das geht nicht, weil ich nicht aus dem Seminar weg darf...


    Es gibt ja auch noch die Schule für jugendliche Straftäter.... wie ist das eigentlich?


    Sorry für diese Erstsemester Fragen..


    Lupa

  • Es gibt ja auch noch die Schule für jugendliche Straftäter.... wie ist das eigentlich?


    Ein Freund von mir hat sich mal für eine Stelle in einer JVA interessiert. Ziel des Unterrichts sollte da vor allem sein, die Inasassen darauf vorzubereiten, ihren Hauptschulabschluss nachzumachen. Er wäre da nicht nur Lehrer, sondern auch noch Betreuer für sonstige Angelegenheiten (Details weiß ich nicht mehr) gewesen.
    Er hat es dann gelassen, weil die Klientel da natürlich auch nicht gerade nur aus Musterschülern besteht. Die SAche mit den Ferien ist da übrigens so wie im Krankenhaus.

  • Vielleicht sind die Jugendlichen da eher motiviert, wirklich was zu tun. Weiß bloß nicht, wie ich das finde, nach der Schule raus zu gehen und die Schüler müssen drin bleiben...

  • In Bayern sind diese Schulen alle den Förderschulen unterstellt, die händeringend Leute suchen, da keine Sonderpädagogen mehr auf dem Markt sind. Gerade im Bereich der Lernbehinderten Pädagogik und Pädagogik bei Verhaltensstörungen (in diesen Bereich tendierst du ja) werden Leute gesucht. Allerdings auch in Haupt- und Mittelschulen. Da weiß ich leider nicht, ob sie dich so schnell gehen lassen.
    Meine (geringe) Erfahrung mit der "Schule für Kranke" ist, dass die Kollegen dort häufig Teilzeit arbeiten und die Schüler, zumindest die, die ich von dort bekommen habe, oft nur zwischen 2 bis 4 Stunden unterrichtet werden.
    Mir macht es grundsätzlich wesentlich mehr Spaß an einem Förderzentrum zu arbeiten, da ich hier mehr Freiheiten habe, dadurch auch die Schüler motivieren kann und vor allem eine kleine Klasse habe. Der persönliche Bezug ist da und man kann auch mal Lehrplan Lehrplan sein lassen.
    Mein Rat: Ruf doch mal bei der Regierung (Förderschulen!) an und frag nach, ob und welche offenen Stellen es gibt.

  • Ja genau-ich würde eigentlich gerne im Bereich Verhaltengestörtenpädagogik unterrichten. Soweit ich weiß, kann ich da aber als Hauptschullehrerin nur vorübergehend arbeiten, nach einiger Zeit muss ich zurück... Ich hab das halt erst im Ref. gemerkt. Und- wie gesagt- ich trau mich das nicht laut zu sagen, weil ich nicht möchte, dass die Schulrätin Wind bekommt, bevor es nicht sicher ist..

  • Lupa, schau mal in deinen Posteingang.


    Friesin, zu deiner Frage: Ja, verhaltensauffällige Schüler sind meiner Meinung nach einfacher zu motivieren als eine Hauptschulklasse.
    Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Klasse kleiner. In so einer Klasse arbeitet jeder an seinen eigenen Zielen. Wird einer auffällig, reagiert der Rest der Klasse in der Regel nicht. Auffälligkeiten können gleich angegangen werden und der Wind wird so aus den Segeln genommen.
    Da der Lehrplandruck nicht da ist, kann man auch an den Interessen der Schüler anknüpfen oder auch mal ein Thema, dass weniger motivierend ist dann anbringen, wenn die Klasse insgesamt motiviert arbeitet. Oder auch Themen aufgreifen, die gerade interessant sind.
    Motivation wird nicht nur durch die Inhalte geschaffen, sondern auch durch erreichbare Aufgabenstellungen, die individuell zusammengestellt werden. Und wenn gar nichts geht, weil die Schüler einfach durch den Wind sind, backt man eben einen Kuchen gemeinsam, spielt oder macht einen Ausflug. Auch so lassen sich Lerninhalte verpacken und es stärkt die persönliche Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. Da die Atmosphäre insgesamt entspannter ist, steigt auch die Motivation, die Leistungsfähigkeit und schlussendlich auch die Leistungsbereitschaft. Fehler werden zugelassen und keiner lacht. Auch das wirkt motivierend.
    Hinter den Störungen des Verhaltens steckt ja eine enorme Belastung des Einzelnen und meist auch die daraus resultierende Überforderung mit dem System Schule. Kann man da Entlastungen schaffen, stärkt es den Schüler.
    Das ganze Peer-Gehabe der Hauptschule ist auch nicht gegeben, durch den hohen Personalschlüssel. Der Personalschlüssel führt auch dazu, dass der Lehrer entspannter ist, was sich wieder auf die Klassenatmosphäre auswirkt und für alle motivierend wirkt.

  • also, ich kann dem von Alhimari gesagten Dingen nur bedingt zustimmen... Ich erlebe es durchaus auch oft so, dass ein verhaltensauffälliges Kind die anderen mit anstachelt - wenn ich da nicht schnell und konsequent reagiere, ist da in nullkommanix High Life in meiner Klasse und man kann die nächsten 20 min den Unterricht vergessen, weil man alles erstmal wieder in geordnete Bahnen lenken muss. Sicher ist der Personalschlüssel anders als an Regelschulen und den Unterricht kann man - muss man sogar- etwas flexibler gestalten, aber soweit ich informiert bin, hat doch die Vh-Schule (oder wie sie auch in den einzelnen BL heißen mag) auch den "normalen" Grundschullehrplan zu erfüllen. Der Unterschied sind halt die Lernformen auf dem Weg dahin, das Maß an Zuwendung und die Verhaltensmodifikationen etc.
    Die Motivation der Hauptschüler ist sicherlich von Fall zu Fall seeeehr unterschiedlich und hängt sicherlich auch mit dem Einzugsgebiet der Schule zusammen.



    Ich sehe grad nicht mehr, wer es gepostet hat, trotzdem: Danke für den Link zum Blog, der ist sehr interessant!

  • Ellah, bei uns ist ganz klar: der Lehrplan ist zweitrangig und die emotionale und soziale Stabilisierung wichtiger. In den Zeugnissen steht, dass die Schüler nach "ausgewählten" Inhalten des Lehrplans der Grundschule, der Hauptschule, unterrichtet werden.
    Meine Schulleitung hat mir ganz deutlich und mehrfach gesagt, dass ich bitte lieber nicht in den Lehrplan schauen soll, sondern das unterrichten soll, was möglich ist oder ich für bildungswirksam halte.
    Was du beschreibst ist das Dilemma unter Druck den Lehrplan durchdrücken zu müssen.... und das möglichst ohne Druck auf die Schüler. ... Ist das vernünftig machbar?
    Ich schließe mich dir an. Den Blog habe ich gestern auch lange gelesen. Ich bewundere die Frau, die es schafft, mit Elan und einer ständing wechselnden, schwierigsten Schülerschaft zu arbeiten. Wenn diese Kinder dann entlassen werden, landen sie bei uns. Da frage ich mich was wichtiger ist: Stabilität oder Lerninhalte??


    Und klar hast du recht, dass es mal "High Life" in der Klasse geben kann. Das ist nur dann für mich schwierig, wenn ich die Uhr ticken sehen würde und ich berechnen müsste, wieviel Unterrichtszeit es mich kostet. Durch meine Schulleitung become ich signalisiert, dass es eben jetzt Zeit für "High Life" ist ...
    und morgen ist ein neuer Tag. Wenn heute nichts geht, dann vielleicht morgen...


    Musst du den gesamten GS-Stoff durchbekommen? In jahrgangsgemischten Klassen? Das ist ja einen extreme Belastung.

  • Ich bin mittlerweile auch im Gemeinsamen Unterricht. Und ich finde es wirklich besser, die Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen zieldifferent zu unterrichten. Da muss man einfach nicht mehr den Lehrplan durchdrücken. Und in Englisch lasse ich die auch gelegentlich Texte mal abschreiben, damit sie Schreiben, Orthografie usw. üben, während die anderen, dann schon selbst einen Text schreiben müssen. Allerdings muss man sich klar sein, dass diese Kinder ihre Grenzen haben. Und als Lehrer reibt man sich unnötigerweise auf, wenn man sie unbedingt über diese Grenzen bringen will.

  • Um noch einmal auf die Frage der Motivation zurückzukommen: Ich denke, dass man es sicher bereits bei der Studiumwahl weiß, dass Schüler an Hauptschulen u.U. schwieriger zum Lernen zu motivieren sind. Allerdings glaube ich, dass man die Frage der Motivation bei Hauptschülern nicht verallgemeinern darf. Es gibt da sicher Unterschiede. Und als Lehrer hat man da sicher auch Möglichkeiten, die Einstellung der Schüler zu verändern. Das zähle ich zu den Hauptaufgaben eines Pädagogen.

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