Totale Lebenskrise momentan, Existenz- und Versagensängste

  • Hallo liebes Forum,


    Hilfesuchend in meinem Dilemma wende ich mich hier an euch aber zunächst einmal ein Wort der Warnung: Es tut mir sehr Leid, euch diesen echt monströs-langen Text zumuten zu müssen, aber es musste alles raus und dennoch habe ich nicht das Gefühl, alles im Detail erläutert zu haben. Lasst euch nicht abschrecken von der Länge, lest ihn vielleicht mit Pausen, aber kommt bitte unten an und gebt eure Meinungen, Kommentare, Ratschläge!


    Ich weiß überhaupt nicht mehr, wo ich überhaupt anfangen soll; es ist so vieles zusammengekommen, so vieles kommt immer noch dazu und so vieles geht mir durch den Kopf, verursacht psychosomatische Reaktionen meines Körpers und Schlaflosigkeit in der Nacht.


    Ich fange einfach mal mit einem Teilbereich von ganz vielen an, der aber gerade der aktuellste zu sein scheint:


    Ich bin gerade 23 Jahre alt, männlich und Student. Abiturjahrgang 2010, momentanes Studium Englisch und Deutsch auf Gymnasiallehramt.


    Während meiner Schulzeit und bis zum Abitur war mein Leben eigentlich "im großen und ganzen" noch sorgenfrei und in Ordnung. Ich hatte die tägliche schulische Routine und trotz einiger Schulfächer, die man halt nicht unbedingt so gemocht hat, hat man sich damit arrangiert, denn man hatte ja das weit entfernte Ziel "Abitur" vor Augen, von dem einem immer von allen Seiten, besonders der elternlichen Seite stolz verkündet wurde, dass einem damit ja nachher so gut wie alle Türen offen ständen. Der Wunsch, maximal breitgefächert aufgebaut zu sein, um also später die "Qual der Wahl" zu bekommen, hat sich also bereits dort manifestiert.
    Die Mittelstufe der Schule hat sich, wie vielleicht bei den meisten Jugendlichen, nicht unbedingt immer von der allerbesten Notenseite gezeigt, besonders Naturwissenschaftliche Fächer waren mein Manko und ich hatte in der Mittelstufe durchaus schon mal einen Gesamtzeugnisschnitt von 2,8 oder 2,9. Allerdings hat sich das Ganze mit Eintritt in die Oberstufe dann drastisch verbessert, denn da ging es dann um das Abitur und die Abitursnote ist ja schließlich "Lebens- und Richtungsweisend", so meine Vorstellung damals.


    Abitur habe ich jedenfalls mit einer 2,1 bestanden, sowohl in Fächern wie Mathematik in denen ich sonst immer 5en und 6en gewohnt war, habe ich im Abitur den 2er-Notenbereich berührt zur Verwunderung aller.


    Nach dem Abitur brach dann aber plötzlich diese schöne alltägliche Routine allmählich weg, dieses "Ich arbeite auf dieses Ziel hin, das mir gesetzt worden ist und ich akzeptiere das so" war dann plötzlich erledigt mit dem Erlangen des Abiturs. Dann ging die große Fragerei los, was nun danach kommen sollte und ich realisierte und realisiere bis zum heutigen Tage immer noch mehr und mehr, dass ich wohl ein Mensch bin, der sich äußerst schwer mit Entscheidungen tut, besonders wenn die "Qual der Wahl" gegeben ist.


    Um mir mehr Zeit zu geben, über den späteren Werdegang Klarheit zu bekommen, trat ich also direkt nach dem Abitur ein FSJ im sozialpädagogischen Bereich in einem Jugendheim an, was auch soweit richtig gut lief; man war mit meiner Arbeit dort sehr zu frieden, derart, dass man mir dort ein Duales Studium anbot, wonach ich später in der Einrichtung wohl übernommen worden wäre.


    Da mir aber geregelte Arbeitszeiten (In der Einrichtung war Schichtarbeit Gang und Gebe, da es eine vollstationäre Einrichtung war) aber auch ein geregeltes gutes Einkommen wichtig sind (der Maximalverdienst dort hätte man erst nach 20 Jahren Arbeitszeit erreicht und der war auch gerade mal bei knappen 2000 Euro monatlich) und ich zudem eine Leidenschaft für die Englische Sprache habe, generell für die englisch/amerikanische Kultur, entschied ich mich, auch basierend auf den positiven Rückmeldungen im sozialpädagogischen Bereich, für ein Lehramtsstudium. Damit wäre die sprachliche Komponente, aber auch die geregelten Dienstzeiten und das Gehalt abgedeckt.


    Das war dann nun auch der Moment, wo sich bis heute ein ellenlanger Rattenschwanz hinterhergezogen hat.
    War ich natürlich von meinem Erstfach Englisch unangefochten leidenschaftlich überzeugt, braucht Lehramt aber dennoch mindestens 2 Hauptfächer. D.h. Englisch alleine würde nicht ausreichen. Da ging dann bereits die große Sucherei nach einem Zweitfach los, aber die ganzen Angebote der Studienliste waren für mich wenig bis kaum ansprechend (der Naturwissenschaftliche Bereich flog ja von vorneherein schonmal weg und die restlichen Fächer, die dann noch blieben, waren wirklich nicht gerade, was ich freiwillig studieren würde, wenn ich die Wahl hätte, auch mangels Interesse).


    Um aber ein Studium überhaupt beginnen zu können, schrieb ich mich also neben Englisch in ein zulassungsfreies naturwissenschaftliches Fach ein, wo ich niemandem den Platz wegnehmen würde, wenn ich dieses Fach ausnutzen würde, um einfach eingeschrieben sein zu können. In dieses Zweitfach bin ich natürlich nie hingegangen, habe auch nie eine Prüfung angemeldet o.ä.


    In der Hoffnung, schon noch ein zweites Fach zu finden, studierte ich also erstmal Englisch "alleine" und es lief alles in allem recht ordentlich für Univerhältnisse und ich merkte, dass einfach die unterschwellige Leidenschaft für diese Sprache und Kultur mich auch über trögere Sachen wie Literaturschinken, etc hinweg trugen.


    Da dieser Zustand so allerdings nicht weitergehen konnte, dachte ich dann an ein künstlerisches Fach als Zweitfach. Ich war immer musikalisch, spiele privat seit dem 5ten Lebensjahr ein Instrument und hatte auch sogar im Abitur den Musik-Zweig, dennoch: Musik erfordert eine unverhältnismäßig schwere Aufnahmeprüfung an so ziemlich allen deutschen Musikhochschulen und ein privater "Check" meines musikalischen Stands durch einen Musikdozenten offentbarte, dass die Chancen für eine Aufnahmeprüfung mit der momentanen "Verfassung" eigentlich nicht realistisch seien. Zwar könnte man das mit viel Fleiß und harter Arbeit etwas verbessern, aber ein kurzer Vergleich seinerseits, dass selbst die berühmt-berüchtigten Asiaten, die von morgens bis abends nur ihr Instrument üben, nicht unbedingt eine 100%ige Chance auf ein Reinkommen hätten, verdeutlichten mir meine eigenen Chancen, der ich mein Instrument eigentlich immer nur nach Lust und Laune gespielt habe und auch immer nur die Stücke, die mir gefielen und weniger die traditionelle Klassik, die dort erwartet wird. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Voraussetzungen dafür, waren nicht sehr vielversprechend und 2 Jahre Zeit in die Vorbereitung zu stecken, nur um nachher von irgendwelchen Roboter-Asiaten, die auf 24h-Übungszeit gedrillt wurden, geschlagen zu werden, schien mir zu riskant. In 2 Jahren würde ich dann also genau an dem gleichen Punkt stehen wie jetzt: Welches Zweitfach?


    Nun sind seit meiner Unieinschreibung im Herbst 2011 2 Jahre vergangen und ich habe mich diesen Winter (2013) dazu entschlossen, als Zweitfach Deutsch zu wählen. Englisch bereits 5tes Fachsemester, wo laut Verlaufsplan eigentlich im 5ten Fachsemester bereits das Schulpraxissemester anstehen würde, um in einer Schule 1 Semester lang zu unterrichten und herauszufinden, ob einem der Beruf liegt, Deutsch 1tes Semester und daher kein Schulpraxisseemster möglich.


    Als ich angefangen habe zu studieren, war das Fach Deutsch auf Lehramt nie eine Option, die ich von mir aus je durchgedacht hätte, mittlerweile überkommt mich mehr und mehr das stille leise Gefühl, es war halt einfach "das kleinste Übel" und aus der Not heraus, ein Zweitfach zu brauchen, da sonst das Lehramtsstudium eh vorbei sein würde.


    Oftmals habe ich daran gedacht, dann eben nicht auf Lehramt zu studieren, aber nur der Gedanke, eine Allerweltssprache wie Englisch und irgendein Nebenfach dazu NICHT auf Lehramt, sondern auf Bachelor, oder Master zu studieren, ist ein Himmelfahrtskommando. Vom Studium in die Arbeitslosigkeit.
    Der deutsche Arbeitsmarkt ist eben für die Geisteswissenschaften nicht sonderlich ergiebig.

  • In der Zwischenzeit hat sich allerdings ein anderer Gedanke in meinem Hinterkopf manifestiert: Da ich meine Vorliebe für Englisch und englisch-sprachiges Ausland habe, wäre da so eine Idee, Deutsch im englisch-sprachigen Ausland als "Fremdsprache" zu unterrichten, schon keine unschöne Vorstellung. In meiner Unwissenheit heraus, dafür sei es wohl am besten, komplett Germanistik studiert zu haben und da ich ja sowieso ein zweites Fach fürs Lehramt brauchte, entschied ich mich also für Deutsch neben Englisch.


    Ich bin aber nach wie vor nicht wirklich glücklich - ich war zwar in Deutsch in der Schule nie sonderlich schlecht, aber jetzt auch nicht gerade im 1er Bereich. Eher zwischen 2 und 3. Bücher habe ich früher zwar privat viel gelesen, aber eben Unterhaltungslektüre - nie wäre und ist mir von mir aus eingefallen, mal einen deutschen Klassikerschinken wie Goethe oder Kafka privat zu lesen. Dafür war ja der Deutschunterricht in der Schule da, wo man da halt durch musste. Genau diese Haltung und diese Prädisposition ist es auch, die mich furchtbar unsicher werden lassen, wenn ich mir gedanklich vorstelle, wie ich später einer Klasse Literatur bzw. Literaturinterpretation näher bringen soll, wo ich mir meinerseits während der Schulzeit doch zu jedem Pflichtlektürewerk mehrere Lektürehilfen gekauft habe, um mich dort interpretationstechnisch abzusichern und zu bereichern. Noch dazu habe ich gerade im ersten Semester einen Mediävistikkurs, sprich mittelalterliche Literatur und Sprachtgeschichte.


    Die Sprachgeschichte und Grammatik finde ich ihrerseits ganz interessant, auch die Linguistik allgemein (da bin ich unter den Studenten alleine auf weiter Flur, die sich ja alle soo freuen, wenn endlich die klassische Literaturschinken kommen), aber eben die mittelalterliche Geschichte und Literatur sagt mir nicht so zu.


    Mittlerweile hat mich das alles in eine regelrechte Lebenskrise geworfen. Mein Studium war von Anfang an eine wilde Achterbahnfahrt, in Englisch bereits zur Hälfte durch, aber scheinbar kein optimales Zweitfach. Noch dazu bin ich mir recht unsicher, ob ich für den Beruf des Lehrers geeignet bin. Dass ich im Jugendheim bei sozialschwächeren Jugendlichen gutes Können als total unerfahrener frisch-gebackener Abiturient gezeigt habe, zeigt zwar, dass eine gewisse soziale Fähigkeit vorhanden sein muss, aber das macht eben das Unterrichten alleine auch nicht aus.


    Durch den Versatz in den Fächern, kann ich also auch noch kein Praxissemester antreten, was für dieses aktuelle Semester eigentlich schon anberaumt wäre, also vergeht weiterhin mehr und mehr Zeit, ohne zu wissen, ob ich dafür überhaupt geeignet bin. Im November war ich sogar mal kurz davor, abzubrechen und da ich in Englisch schon so weit war und damit das alles nicht umsonst gewesen wäre, wollte ich von Lehramt auf Bachelor wechseln, dort den Bachelor beenden und mit dem Wissen, dass mir ein Bachelorabschluss in Englisch so gut wie nichts bringen würde, mich nach einer Ausbildung oder ähnlichem umsehen.


    Da ich nach etwas Beruhigung diesen Schritt aber dennoch für etwas überstürzt hielt, bin ich also immer noch eingeschrieben. Wie damals im Abitur, strebe ich eine möglichst breitgefächerte Basis an, wo mir danach so viele Möglichkeiten wie möglich zur Verfügung stehen. Ich habe Angst davor, mich auf etwas festzulegen, aus Angst und Unsicherheit, es könnte nachher nicht das richtige sein und das Gerede, was man über das Lehramtsstudium immer so hört, Lehramt sei quasi eine Einbahnstraße, wer auf Lehramt studiere, wisse, worauf er sich einlasse und als was er später ende, macht die ganze Situation nicht besser für mich, sondern nur noch schlimmer.


    Mein inneres kämpft mit dem Dilemma, jetzt auf Lehramt fertig zu studieren, um zumindest den Abschluss in der Tasche zu haben (das Referendariat müsste ich ja nicht zwangsweise antreten) und danach dann eventuell in eine andere Richtung zu gehen und andererseits jetzt lieber die Notbremse ziehen und jetzt nach einer Ausbildung suchen. Mir geht dauernd durch den Kopf, dass ich ja sowieso bereits 1 Jahr später als Kind eingeschult worden bin, noch dazu habe ich nach dem Abitur 1 Jahr durch das FSJ "verschwendet", jetzt bin ich bereits 23, wenn ich auf Lehramt fertig studiere, würde ich Richtung 30 zu gehen. Mit Schrecken lese ich im Internet sogar von gewissen Altersbeschränkungen bei Ausbildungen, was bedeuten würde, ich könnte später nach dem Studium gar nicht mehr alle Ausbildungen
    antreten?


    Das löst Panik in mir aus!! Und zwar ziemlich gewaltige, ich bekomme Existensängste, ich sehe mich später mit Anfang 30 nach Ausbildungen suchen, die eigentlich 17-jährige antreten und sehe Absagen auf mich zukommen wegen meines Alters oder wegen Überqualifizierung durch mein Studium. Etwas anderes außer Lehramt lässt sich mit meiner Fachkombination auch nur schwer machen, oder sagen wir, es gibt sonst kaum etwas, was ich arbeitsmäßig machen wollen würde (Ich will nicht unbedingt Lektor in einem Verlag sein oder in einer Bücherei arbeiten müssen).


    Noch dazu stelle ich mir mehr und mehr die Frage, ob der Schritt Richtung Lehramt überhaupt der richtige war. Diese Entscheidung war noch dazu eine sehr kurzfristige!! Ich wollte etwas sicheres, mit geregelten Arbeitszeiten und gutem Einkommen - war Lehramt einfach nur eine Notoption, weil ich mir dadurch gutes Einkommen, Arbeitszeiten und Ferien inklusive Verbeamtung erhofft habe, genau die "Sicherheit", die mir eigentlich wichtig ist, denn ich bin kein Risikomensch?


    Selbst während der Zeit des FSJs nach dem Abitur war mir nicht klar und habe ich nie in Erwägung gezogen, je Lehramt machen zu wollen. Ich interessiere mich hobbymäßig sehr für den Medienbereich, Film/Fernsehen/Radio, habe während meiner Schulzeit ein Praktikum bei einem örtlichen bekannten Fernseh- und Radiohaus gemacht als Medientechniker in Bild und Ton und es hat mir ziemlich gefallen, aber auch da kam nach dem Praktikum die Mahnung der Ausbildungsleiterin, auf den Platz des Medientechnikers bewerben sich hunderte. Es herrsche ein totaler Überschuss an Bewerbern. Nach langer Recherche war das Bild,das ich vom Medienbereich bekam, ein eher ernüchterndes: Hohes Risiko wegen viel zu vieler Bewerber, nur befristete Jobverträge und das Gehalt ist auch eher ähnlich wie mit der Sozialarbeit im Jugendheim.


    Das Interesse für die Fernseh/Radiotechnik ist aber dennoch auf jeden Fall da und auch privat habe ich mir sehr viel Wissen in diesem Bereich autodidaktisch angeeignet. Aber es erfüllt eben nicht ganz so meine Vorstellungen von Jobsicherheit und geregeltem Einkommen, denn in manchen gewissen Medienjobs kann es sogar sein, dass im nächsten Monat keine Aufträge mehr ins Haus flattern und dann sieht's düster aus.


    Deswegen führte mich das alles letztendlich Richtung Lehramt, aber hier sitze ich nun, in 3 Wochen Prüfungen in Deutsch. Eine Prüfung, die Mediävistikprüfung, werde ich vermutlich sogar schieben, da ich mich zu schlecht vorbereitet fühle; das Übersetzen mittelalterlicher Texte ins Neuhochdeutsche klappt nicht immer reibungslos und ich weiß gar nicht so recht, wie ich mich auf 2 Prüfungen mit einem rießigen stofflichen Lernumfang gleichzeitig vorbereiten soll, die nur eine Woche voneinander entfernt sind. Ich will nicht versagen und schlecht abschneiden, daher gedenke ich, die eine Prüfung zu schieben, dadurch habe ich die Semesterferien mehr Zeit, mich konzentriert darauf vorzubereiten. Habe das schon einmal in Englisch gemacht, weil ich oftmals so anfällig für Prüfungsangst bin, dass es reicht, wenn irgendein Themengebiet unklar ist und ich mich dann total schlecht vorbereitet fühle und Versagensängste habe. Ich denke dies resultiert auch daraus, dass ich bisher Englisch immer nur alleine studiert habe; ich bin es scheinbar nicht recht gewohnt, dass eben im Normalfall 2 Fächer im Studium dabei sind und das wirft mich jetzt total aus der Bahn. Noch dazu halt die immer wiederkehrenden Selbstzweifel wegen des Zweitfachs Deutsch.


    Ich weiß einfach nicht mehr weiter, ich bin monatelang depressiv, befinde mich in einer Abwärtsspirale, weiß nicht, welche Schritte nun die besten wären, lieber Lehramt durchziehen, damit eben wenigstens die "Möglichkeit" dazu bestünde und ich so breitgefächert wie möglich aufgestellt bin, dafür aber eventuell in Kauf nehmen müssen, dass ich mit Anfang 30 vielleicht wegen zu hohen Alters kaum noch eine Ausbildung in einem anderen Bereich kriegen kann, oder jetzt lieber Lehramt schmeißen, dann halt auf die Möglichkeit des Lehrens verzichten und sich vielleicht ewig vorwerfen, warum habe ich es nicht probiert, wäre ich damit besser dran gewesen?


    Ich weiß einfach nichts mehr! Das Studium empfinde ich zur Zeit nur noch als tägliche Last, weil ich gar keine Perspektive mehr habe, kein Ziel, das gründet in Versagens- und Existenzängsten, die mich dann nur noch mehr blockieren!


    Es tut mir so Leid, euch diese halbe "Doktorarbeit" vom Umfang her aufgetragen zu haben, aber wie oben angesprochen, ist dieser Bereich nur ein Bereich von vielen anderen, teils auch familären, die mich beschäftigen.


    Ich danke für Hilfe und Meinungen!!

  • Hallo Kreacher,


    niemand kann dir diese Entscheidung abnehmen oder ohne dich zu kennen via Ferndiagnose einen wirklich umfassenden Rat geben.


    Was wir tun können, ist dir zu deinen einzelnen Überlegungen etwas zu sagen oder aus unseren Erfahrungen, so dass du klarer siehst.


    Ein paar Punkte, die mir aufgefallen sind:


    Du wünschst geregelte Dienstzeiten. Damit kann der Beruf dienen: du hast einen Stundenplan und der liegt vor/nachmittags. Aber dann kommt nach der Dienstzeit die ARBEITSZEIT! Völlig ungeregelt, bei dir am Schreibtisch. Und ich kann dir verraten, dass die bei deinen Fächern zumindest in den ersten 3-5 Jahren ziemlich umwerfend sein werden. Mit 50 Stunden sind die meisten gymnasialien Junglehrer dieser Fächerkombination noch sehr gut dabei und sprechen von ruhigen Zeiten. 70 Stunden sind da auch überhaupt keine Seltenheit. Mit Routine, Erfahrung und einem soliden Materialpool sowie schnelleren und sichereren Korrekturen wird das besser, aber das dauert beim einen 3, beim nächsten 5 und beim übernächsten noch viel mehr Jahre. Du hast 2 Korrektur- und Hauptfächer gewählt. Hat man dich aufgeklärt, was das bedeutet?
    Ich bin nach 13 Jahren im Dienst bei 50 Stunden, mit den weniger Stunden in der unterrichtsfreien Zeit (aka "Ferien") macht das im Schnitt etwas über 40. Damit kann ich gut leben. Abitur, Hochkorrekturphasen und wenn ich Doppeltutorin bin bedeuten ganz andere Belastungen, diese Phasen sind echt hart.


    - Kennst du gestandene Lehrer, mit denen du mal sprechen und mitgehen (auch ohne reguläres Praktikum) kannst? Das wäre wichtig. Dein Bild vom Beruf ist sehr theoretisch.


    Du magst eines deiner Fächer nicht so, vor allem "Literaturschinken". Du musst dir darüber klar sein, dass dich dein Vorgesetzter auch nur in einem Fach einsetzen kann, wenn der Bedarf so ist. Und wenn du Pech hast, hast du dann einige Oberstufenkurse Deutsch - dann machst du fast nur noch "Literaturschinken". Und da sitzen dir dann die literarturschinkenbegeisterten (meist) Mädels drin, die jede Sekundärliteratur dazu verschlingen und auf echte Ahnung pochen. Schüler, vor allem der Oberstufe, riechen es und merken es schnell, ob man im Fach fit ist. Und ohne Begeisterung für die Inhalte etwas so zu vermitteln, dass sie dir nicht wegschnarchen oder lustig über dich bei facebook posten, wird schwer. Nochmal: ein gestandener, guter Kollege, mit dem du "live" über diese Fragen sprechen und dich nochmal im Unterricht sitzend und beim Betrachten des Jobs aus Kollegensicht mit diesen Fragen auseinandersetzen kannst, wäre hier hilfreich. Kann ich das? Will ich das 30 Jahre lang? Bzw. eher 40?


    Deutsch als Fremdsprache im Ausland stirbt aus. Das ist kein Markt mehr. Gute Freunde von mir im Ausland, former head of department of German und eine andere Deutschlehrerin, sind entlassen worden bzw mussten umlernen: es gibt den Markt nicht mehr. Es war auch keine andere Schule mehr zu finden, die sie nahm: deren Deutschlehrer mussten schon fachfremd unterrichten. Spanisch kommt. Chinesisch. Deutsch will kaum noch einer lernen. Viele general education centers (VHSen) bieten das Fach kaum mehr an und der Trend geht weiter. Das ist kaum eine Option. Zumal du im englischsprachigen Ausland als Englischlehrer nicht einsetzbar und folglich nur für ein Fach zu gebrauchen bist.


    Du sprichst von Panik: die halte ich in deinem Alter für völlig unangebracht. Da probieren ex-Abiturienten von mir wesentlich länger rum und bekommen es dann doch hin. Vertrau dir mal, 23 ist überhaupt noch kein Alter. Bist du ein bisschen ein Sicherheitsfreak? Nicht böse gemeint, nur eine Vermutung aus dem was du schreibst. Mach Praktika. Guck dich um.


    Viel wichtiger als ratzfatz nen Abschluss haben ist, dass du etwas findest, was du wirklich 35-40 Jahre lang gut machen möchtest/kannst. Und halbherziger Lehrer, der nur ein Fach mag ... ich kann dir sagen, dass das sehr, sehr anstrengend und nicht gesundheitsfördernd wird (für dich UND deine Schüler ;) ) wird. Der Job ist toll, aber schon mit voller Akzeptanz und Engagement ist er extrem anstrengend.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()


  • Deutsch als Fremdsprache im Ausland stirbt aus. Das ist kein Markt mehr. [...]


    Bezogen auf das englischsprachige Ausland, nach dem der TE fragte, mag das zutreffen, aber generell würde ich diese Tendenz aus meiner Erfahrung nicht bestätigen.

  • ich kann mich meike nur anschließen, dachte auch beim lesen immer wieder: schiebe die prüfung, wenn dich das erleichtert, und geh in die schule. schau dir an, wie schule aus dem blickwinkel des lehrers funktioniert. du brauchst denke ich ein rundes bild vom beruf, um die für dich richtigen entscheidungen treffen zu können.
    auch die empfehlung, sich mit einem erfahrenen kollegen auszutauschen kann ich nur befürworten.


    mir als sicherheitsliebendem entscheidungsneurotiker fiel es damals auch nicht so leicht, mich für fächer zu entscheiden, nachdem ich, eigentlich nach einem jahrelangen völlig anderen berufswunsch durch zufall kurz vor dem abi über den lehrerberuf gestolpert bin. im grunde habe ich mich am tag der einschreibung entschieden, relativ spontan, denn mir war irgendwie nicht klar, dass man sich bis dahin festgelegt haben sollte. ;) (nicht hauen, ja, ich war da etwas naiv. ;) ). ich dachte mir dann: deutsch und mathe kann so falsch nicht sein, probierst du mal. und das war gut so. (ich brauchte da wohl den druck, dass diese entscheidung genau JETZT fallen musste.)


    bei dir hakt es jetzt am zweiten fach. deutsch. ich muss sagen, mein leseverhalten entspricht deinem. ;) um die leseliste habe ich mich selbst in der uni erfolgreich drücken können, jedoch hatte ich als schwerpunkt auch den primarbereich, unterrichte jetzt bis zur 10. klasse an einer förderschule, bleibe also von den "literaturschinken" ziemlich verschont. aber die allein mit ihren zwanzigtausend interpretationsmöglichkeiten machen das fach ja nicht aus. vielleicht kannst du ja, wenn du ein bißchen in dich reinhorchst oder die fühler ausstreckst, etwas schönes finden an diesem fach. etwas das dich motiviert, dort am ball zu bleiben.


    wenn nicht schau dich um, was sonst eventuell noch in frage käme. wo (außer in der musik) noch interessen liegen. vielleich ist mathe ja doch eine option, so gut wie du angezogen hast zum abi. :)


    auf keinen fall solltest du dir wegen deines alters druck machen. mit 23 bist du zwar kein frischgebackener abiturient mehr, aber bis zur rente hast du noch sehr viel zeit. wie auch meike schon schrieb, es ist wichtig, dass du etwas findest, was DIR spaß macht.

  • Du hattest doch in einem FSJ auch mit schwierigeren Jugendlichen zu tun...Vielleicht könntest du dir auch vorstellen, eben nicht an einem Gymnasium zu unterrichten, sondern in der Sek. 1 an einer Haupt- oder Realschule bzw. Gemeinschaftsschule? Dann wäre das Problem mit deinem Zweitfach wohl deutlich kleiner...

  • Vielen lieben Dank an euch für die bisherigen Meinungen!!


    Meine "Panik" gründet halt darin, weil ich Angst habe und einfach generell vielleicht viel zu unaufgeklärt bin, was für Möglichkeiten ich momentan habe.
    Kann ich, wenn ich auf Gymnasiallehramt studiere, an einer späteren Schule angeben, dass ich bevorzugt eher keine Oberstufe mit Literatur unterrichten möchte? Kann ich mit Gymnasiallehramt problemlos auf andere Schulformen wechseln, z.B. Realschule? Ist es normal, dass man nicht immer beide seiner Fächer gleich gern macht, oder sich gleich stark begeistern kann? (Wie bereits erwähnt, habe ich mit Linguistik und Grammatik generell kein Problem, aber vor der Literatur habe ich halt etwas Bammel)


    Ich habe jetzt noch überhaupt gar keine Vorstellung vom Unterricht, wie soll ich überhaupt Literatur in der Klasse vermitteln, wie interpretiere ich sie richtig, wenn ich zu meiner Zeit in der Schule schon verstärkt Lektürehilfen für eine ordentliche Interpretation benutzt habe. Benutzt man die als Lehrer auch?


    Dann die Fragen, die mich nachts nicht schlafen lassen: Ich habe unglaubliche Angst vor einem lückenhaften schlechten Lebenslauf, der mich dann später beim Arbeitgeber stutzig werden lässt. Ich werde wohl eh schon länger fürs Studium brauchen, als der Verlaufsplan vorsieht, alleine wegen dem Versatz zwischen den Fächern. Ist das problematisch? Wie sieht es mit Ausbildungsmöglichkeiten aus, wenn ich nun die Fächer aufs erste Staatsexamen fertig studiere, aber dann kein Ref beginne. Könnte ich das Ref jederzeit beginnen, stünde mir die Tür zum Lehramt immer offen, oder gibt es zeitliche Einschränkungen, bis wann ein Ref gemacht und angefangen werden muss?


    Könnte man in dem Alter nach dem ersten Staatsexamen, oder gar nach dem Referendariat noch problemlos Ausbildungen beginnen, oder ist man da schon zu alt für? Und was mache ich dann, dann habe ich keinen Beruf, keiner will mich, falls ich dem Lehrerberuf den Rücken zukehren möchte.


    Deswegen gerade ein Dilemma: Was tun? Lieber gleich abbrechen und irgendeine Ausbildung suchen, oder es versuchen, da ich ja im Prinzip auch noch gar nicht weiß, wie dieser Beruf aussieht und wird?


    Eure Hinweise über meine Fächerkombination höre ich oft und überall und das beruhigt mich nicht gerade. Da ich eh anfälliger bin für Leistungsdruck und Stress, bin ich mir nun zusätzlich unsicher, ob ich mir damit nicht selbst ein Grab geschaufelt habe. :(


    Und ja, ich würde mich als Sicherheitsneurotiker einschätzen, ich bräuchte einfach etwas sicheres, geregeltes, routiniertes, was ich Tag für Tag machen und auch gerne machen könnte.

  • du studierst noch, oder? das studentenwerk vor ort hat normalerweise eine psychologische beratungsstelle. da arbeiten leute, die sich mit sowas auskennen. beratung ist anonym, kostenlos und es besteht schweigepflicht. sie vermitteln dich ggf. in passende angebote weiter, wenn du das nach dem gespräch möchtest. geh da mal hin, es hilft. ängste aller art sind bei studierenden wirklich nicht die ausnahme, sondern recht häufig und du bist nicht die/der einzige mit dem problem. lass dich unterstützen!

  • Ich weiß einfach nichts mehr! Das Studium empfinde ich zur Zeit nur noch als tägliche Last, weil ich gar keine Perspektive mehr habe, kein Ziel, das gründet in Versagens- und Existenzängsten, die mich dann nur noch mehr blockieren!

    Hallo, Du brauchst Hilfe! Bitte wende Dich an eine psychologische Beratungsstelle an Deiner Uni. Sonst grübelst Du nur weiter und und weiter und drehst Dich dabei nur immer im Kreis.
    Es gibt auch kostenlos (und anonyme) Online-Beratung im Internet, wie z.B. hier: Hier war mal ein Link, den man für Schleichwerbung halten könnte aber ich weiß nicht, ob Dir das hilft. Ich denke, eine Beratungsstelle wäre besser.


    Viel Grlück!


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    Edit vom Mod: Ich habe mal den Link entfernt, damit niemand glaubt, du wärest einer von diesen Usern, die sich hier bloß anmelden, um Werbung für immer die gleichen Vergleichsportale o.ä. zu machen. Wäre ja doof, wenn das wer glauben tät...

  • Hallo Kreacher,



    ich möchte dir antworten, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich dir damit wirklich behilflich sein kann. Ich selbst habe in meinem Studium auch schon eine ähnliche Krise erlebt, aber doch war sie irgendwie auch ganz anders. Was ich auf jeden Fall mit dir gemeinsam habe, ist dieses Bedürfnis nach Sicherheit...Ich wollte früher immer Lehrerin werden und habe Mathematik geliebt - also ganz einfach Mathelehrerin werden. Zweitfachsuche war für mich nicht so schwierig, weil ich einfach dachte, dass Physik ganz gut dazu passt - ob das die richtige Entscheidung war? Dazu später mehr.


    Ich hab vor mittlerweile 2 Jahren (viele Monate nach meinem Praxissemester) mit dem Gedanken gespielt einfach alles hinzuschmeißen. Ich hatte zwar gute Noten in Mathematik, aber in Physik ist es eben nicht so besonders gut gelaufen. Der Gedanke jahrelang fremde Kinder zu unterrichten, die nur noch verzogen und undankbar sind, hat mich so dermaßen abgeschreckt, dass ich erstmal alle Alternativen abgeklopft habe. Ich wollte in dieser Zeit alles mögliche werden, nur eben nicht Lehrerin. In dieser Zeit hatte ich natürlich auch einige Prüfungen. Mit einigen hat es gut geklappt, bei anderen stand ic mir selbst im Weg, was letztlich dazu führte, dass ich in meinem Lieblingsfach exmatrikuliert wurde. Jetzt stand ich erstrecht vor der Entscheidung: weitermachen mit einem neuen Fach oder gleich abbrechen? Nach langem Nachdenken habe ich mich gegen einen Abbruch entschieden, weil ich mir bei all den interessanten Jobmöglichkeiten bei keiner vorstellen konnte 35 Jahre oder mehr zu arbeiten.
    Und wieder stand ich vor der Zweitfachwahl. In Physik war ich zu diesem Zeitpunkt schon weit fortgeschritten, mit eher mittelmäßigen Noten. Letztlich hab ich die Liste gecheckt und einfach alles herausgestrichen was nicht in kurzer Zeit studierbar war, Sprachen erfordert hat oder mich nicht interessierte - hängen geblieben bin ich bei Wirtschaft.
    Darüber hab ich mir vorher natürlich nie Gedanken gemacht, mich aber auf Geratewohl doch eingeschrieben und siehe da: Was besseres hätte mir nicht passieren können. Es ist wahnsinnig interessant, logisch und ich empfinde die meisten Vorlesungen und Seminare als recht einfach.


    Mittlerweile freue ich mich auch wieder auf den Lehrer-Beruf und kann mir nichts schöneres vorstellen als zu unterrichten. Es war also nur eine Phase und ich bin wahnsinnig froh meine bisher erreichten Leistungen nicht weggeschmissen zu haben.




    Was hat das jetzt genau mit dir zu tun?


    Ich fasse es kurz zusammen:


    Wenn du dir unsicher bist über deinen Werdegang - schieb die Klausuren, sonst wirst du früher oder später geext, weil du dir selbst im Weg dabei stehst.
    Öffne dich für Sparten an die du bisher noch nie gedacht hast - z.B. Wirtschaft wäre in Verbindung mit Englisch doch eine gute Kombination um später einen Job zu bekommen - vielleicht auch im Ausland? Allerdings wäre wohl der soziale Anteil im Job eher gering.
    Geh in dich, mach pro-kontra-Listen, lies ein paar der Literaturklassiker - vielleicht gefallen sie dir heute - mit 23 - viel besser als früher.
    Und mach in den Ferien Praktika. In ALLEN Bereichen, die du halbwegs interessant findest. Bei den meisten wirst du feststellen, dass sie dich extrem langweilen auf Dauer.
    Der letzte Punkt - da möchte ich mich einem meiner Vorposter anschließen - geh zur psychologischen Beratung. Die sind auf genau solche Krisen spezialisiert und können dir sicherlich besser helfen, als Unbekannte aus einem Forum.



    Liebe Grüße


    Lilith

  • zu der frage, ob man ein fach lieber mag als das andere gibt es bei mir ein ganz klares ja. ich mag mathe so viel lieber als deutsch, einfach weil es logisch ist und es mir dort auch wesentlich leichter fällt, zu beurteilen, wo die schüler stehen und wie ich ihnen weiter helfen kann. in deutsch gelingt mir das noch nicht ganz so gut, aber ich arbeite dran. entscheidend bei der fächerwahl war bei mir damals: schwerpunkt primarstufe und dann die idee, dass man gerade deutsch und mathe auf dem kasten haben sollte, wenn man mit den kleinen mäusen arbeiten will. als sonderpädagogin wurde ja erwartet, dass man von kalsse 1 bis 10 alle fächer "irgendwie hin kriegt".... nun ja. ;) bei kunst gelingt mir das nur so mittelmäßig. ;)


    und ja, auch fertige lehrer benutzen hilfen, warum auch nicht? :)

  • Ich mag Geschichte viel lieber als Englisch, was auch meinen ganz privaten Interessen entspricht.


    Nele

  • Ich war während des Studiums absolut begeistert von Bio, mittlerweile bin ich um jede zusätzliche Matheklasse froh, in der ich mich austoben kann :)

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

    Einmal editiert, zuletzt von jotto-mit-schaf ()

  • Ich unterrichte lieber Geschichte als Englisch. Ich mochte als Schüler - und lange Zeit als Student - englische Klassiker (Shakespeare) oder Lyrik überhaupt nicht. Ich mag heute noch einen großen Teil der anspruchsvollen englischen Literatur nicht besonders, aber


    - mit einigen Werken habe ich mich arrangiert
    - einige Werke habe ich erst im zweiten Teil des Studiums oder auch erst als Lehrer schätzen ... sogar lieben gelernt (Je öfter ich ihn lese(n muss), desto mehr mag ich tatsächlich Shakespeare ... ich finde z.B. in Macbeth immer wieder neue Facetten - auch in der Diskussion mit Schülern)
    - es gibt so viel Auswahl, dass man immer etwas findet, mit dem man sich anfreunden kann (es gibt Lyrik, mit der kann ich aber auch nichts anfangen ... aber bei anderen Gedichten sehe ich sogar einen Zusammenhang mit meinem Leben und - noch schöner - dem der Schüler ... lies mal Robert Frost, The Road not Taken).


    Uni-Noten sind nicht besonders aussagekräftig was die Eignung als Lehrer betrifft. Klar, die Noten des 1. Staatsexamens bestimmen (zumindest in Bayern) die Chancen mit, eine Stelle zu bekommen. Aber als Lehrer sind neben Fachwissen ganz andere Bereiche wichtig und vieles von dem, was ich an der Uni ein Semester lang in allen Details gelernt habe, brauche ich nicht bzw. ich muss es in 45 Minuten behandeln (wie gesagt, ganz andere Kompetenz).

  • Dann die Fragen, die mich nachts nicht schlafen lassen: Ich habe unglaubliche Angst vor einem lückenhaften schlechten Lebenslauf, der mich dann später beim Arbeitgeber stutzig werden lässt. Ich werde wohl eh schon länger fürs Studium brauchen, als der Verlaufsplan vorsieht, alleine wegen dem Versatz zwischen den Fächern. Ist das problematisch? Wie sieht es mit Ausbildungsmöglichkeiten aus, wenn ich nun die Fächer aufs erste Staatsexamen fertig studiere, aber dann kein Ref beginne. Könnte ich das Ref jederzeit beginnen, stünde mir die Tür zum Lehramt immer offen, oder gibt es zeitliche Einschränkungen, bis wann ein Ref gemacht und angefangen werden muss?


    Wenn du das erste Staatsexamen hast, kannst du dich auch sehr viel später fürs Rf bewerben. Manche Menschen haben zwischen dieses Phasen 2 Kinder bekommen... Ein lückenhafter Lebenslauf ist im Beamtensystem ziemlich wurscht. Du wirst nach Note auf die Rangliste gesetzt (hier in Hessen) in anderen BL ist es ähnlich.


    Ausbildung nach dem ersten Staatsex: beim Arbeitsamt/Berater erfragen. Da gibt es mehr als man do sdenkt. Ich kenne Menschen mit 1. Staatsex. bei Schulbuchverlagen, in NGOs, als Selbstständige, bei der GTZ...


    Könnte man in dem Alter nach dem ersten Staatsexamen, oder gar nach dem Referendariat noch problemlos Ausbildungen beginnen, oder ist man da schon zu alt für? Und was mache ich dann, dann habe ich keinen Beruf, keiner will mich, falls ich dem Lehrerberuf den Rücken zukehren möchte.

    Man ist nie zu alt. Mehr kommt es auf die Motivation an. Gut, ein klassischer Lehrberuf könnte schwieriger werden, wenn die Mitbewerber 16 sind - aber Voluntariate und ähnliche Formen sind recht altersunabhängig.


    Deswegen gerade ein Dilemma: Was tun? Lieber gleich abbrechen und irgendeine Ausbildung suchen, oder es versuchen, da ich ja im Prinzip auch noch gar nicht weiß, wie dieser Beruf aussieht und wird?

    Deswegen sage ich ja: nimm Kontakt zu den Lehrern deiner Fächer in der Umgebung auf, oder die von früher. Du KANNST dir theoretisch kein Bild machen. Bitte diese Menschen, dich mal unterrichten zu alssen. Probier es. Vielleicht entdeckst du dein Talent?


    Eure Hinweise über meine Fächerkombination höre ich oft und überall und das beruhigt mich nicht gerade. Da ich eh anfälliger bin für Leistungsdruck und Stress, bin ich mir nun zusätzlich unsicher, ob ich mir damit nicht selbst ein Grab geschaufelt habe. :(


    Und ja, ich würde mich als Sicherheitsneurotiker einschätzen, ich bräuchte einfach etwas sicheres, geregeltes, routiniertes, was ich Tag für Tag machen und auch gerne machen könnte.


    Naja, Grab geschaufelt, ich bitte dich! Du bist 23, es gibt krummere Karrieren als die deine. Du bist doch wer/ kannst doch was. Warum solltest ausgerechnet du nicht unterkommen, wenn die größten Blödel...?? Du klingst nicht vollkommen unterbelichtet, kommst in deinen Fächern klar, kannst selbst reflektieren - irgendwas wirst du finden. Suchen ist erlaubt/wichtig.


    Routine ist allerdings mit dem Faktor Schüler nicht drin. Jeder Tag ist neu und immer ist was andres. Sogar an der Oberstufe, wo man meint, dass die die schhlimmsten Hormonschübe schon hinter sich haben. Man muss schon flexibel und für alles gewappnet sein. Zum Teil erlernbar, zum Teil nicht.


    Aber wir können hier viel erzählen: du musst es probieren. Anders wirst du es nicht wissen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Ich habe mein Referendariat überhaupt erst mit 34 Jahren angefangen und hatte nicht einmal auf Lehramt studiert. Mittlerweile bin ich glücklich und zufrieden im Job und verbeamtet.


    Nele

  • Wow, Leute!! Ihr habt mir gerade echt etwas Last von meiner Seele genommen durch eure Beiträge!! Ich danke recht herzlich!! Ich bin gerade schon wild dabei, Emails an sämtliche Schulen im Umkreis zu senden, mit der Bitte, mich doch privat etwas hospitieren zu lassen. Bisher kamen nur Absagen, dass dafür das studieninterne Orientierungspraktikum da sei, und nur solche Bewerber könnten sie nehmen (dieses OP habe ich allerdings bereits hinter mir, das ist erforderlich um in das 3te Fachsemester zu kommen) und eine Schule meinte direkt dafür sei das Praxissemester da.


    Nun kann ich aber das Praxissemester wegen meines Versatzes zwischen meinen Fächern aber erst antreten, wenn ich in Deutsch auch bereits die Zwischenprüfung hinter mir habe, und ich bin erst im ersten Fachsemester. Ewig lang Zeit geht da ins Land. Deswegen suche ich nach privaten, studiumsunabhängigen Hospitanzen, und selbst wenn es nur hinten drin sitzen ist. Einfach mehr Einblicke, das Studium ist sowas von theorielastig, ich finde das echt krausig!!


    Viel mehr Praxis gehört da her, vor allem auch Sprachpraxis in den Fremdsprachen. Dieses eine Semester "Speaking Course" was wir da in Englisch hatten ist ein Witz. Um das auszugleichen (und weil es mich ja sowieso ins englischsprachige Ausland zieht) wollte ich daher in den Sommersemesterferien einen Sprachkurs in California machen, da kann ich auch privat bei Bekannten unterkommen. Aber erst mal eins nach dem anderen.


    Ist die Fachkombination "Englisch Deutsch" wirklich so "tödlich", wie es von allen Seiten her tönt? Ich scheine eh immer etwas sensibler auf Leistungsdruck zu reagieren wie andere, das beunruhigt mich dann doch etwas... Und die Stories, die ich schon über das Ref gehört habe... Meine Güte, das war auch immer sehr abschreckend.

  • Deutsch und Englisch ist vom Korrekturaufwand her schon heftig. Das Referendariat ist anstrengend, aber viele von den Horror-Stories kann ich nicht bestätigen (obwohl ich meine eigenen anbieten könnte). Das empfindet auch jeder anders.

  • Bei der Fächerkombination ist die Arbeitsbelastung extrem hoch, das muss man schon abkönnen.


    Zu den emails noch ein Tipp: ich persönlich und viele andere Kollegen reagieren ja auf eine email ("nicht auch das noch!!") ablehnender als auf eine persönliche Vorstellung und die freundliche Frage. Vielleicht hast du die Zeit mal zur Pausenzeit zu ein, zwei der Schulen zu gehen und zu fragen, ob du dich im Kollegium mal vorstellen kannst?

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