Antipathie ggü. Schülerin

  • Hallo und guten Abend!


    Mich würde interessieren, wie ihr mit Schülern umgeht, die euch einfach nicht (mehr) sympathisch sind. Grundsätzlich komme ich mit fast allen meiner "Schützlinge" gut zurecht. Selbst die "schwierigen" Fälle bereiten mir zwar ab und an ein wenig Kopfschmerzen, aber ich spüre bei den meisten eine - wie auch immer geartete - "Bindung", d.h. gegenseitige Wertschätzung und Respekt, trotz evtl. schlechter Noten.


    Nun gibt es da aber diese eine Schülerin, die eigentlich recht intelligent ist, seitdem ich die Klasse unterrichtete aber nur noch das tut, was sie tun muss. Grundsätzlich "in Ordnung", Schüler durchleben verschiedene Phasen. Phase dauert aber schon recht lange an (über ein Schuljahr) und hatte einen ziemlichen Leistungsabfall zur Folge. Mittlerweile: Tendenz 5.


    Was mich vor allem stört, ist ihre Haltung:
    - was auch immer schief läuft, "ich", also der Lehrer, ist schuld
    - angeblich notiere ich die vergessenen Hausaufgaben falsch
    - der Unterricht macht keinen Spaß
    - andere Schüler würden das auch so sehen
    usw.


    Die Schülerin zeigt keinerlei Reflexion des eigenen Verhaltens, beschuldigt in letzter Konsequenz mich, für ihre mangelhafte Leistungsbereitschaft verantwortlich zu sein. Und ganz ehrlich (das geht jetzt schon über ein Jahr - mit Höhen und Tiefen -) ES NERVT MICH!!!


    Wenn ich in ruhigem und sachlichen Ton die Note begründe, versuche, ihr Verbesseurngsmöglichkeiten aufzuzeigen und ähnliches, werde ich unterbrochen, angemault, beschuldigt ...


    Seit neustem (Tendenz 5) werden auch die Eltern mit ins Boot geholt, die auf eben jenen Zug "Der Lehrer als Entertainer" anspringen.


    ES NERVT!!! Vor allem, weil ich mir selber den dargebotenen Schuh anziehe ... warum, weiß ich auch nicht. ??? Vielleicht, weil ich tatsächlich von Anfang an eine gewisse "Antipathie" gespürt habe; wobei ich eigentlich, dachte ich, Profi genug bin, das entsprechend zu handhaben.



    Danke für eure Kommentare!



    Beste Grüße


    Auct


  • ES NERVT!!! Vor allem, weil ich mir selber den dargebotenen Schuh anziehe ...


    Ich glaube, da hast du schon deine Lösung. Sie ist ein Kind. Sie könnte deine kleine Schwester
    sein ;) : Versuche, das nächste Mal anders zu reagieren. Auf jeden Fall keine Mecker-Rechtfertigungs-Diskussionen...


    Ignorieren:
    Kind: "öööh, das stimmt gar nicht, die Hausaufgaben hab ich wooohl gemacht!"
    Lehrer: *Augebrauenhochzieh* Weiter im Unterricht.


    Gegenangriff/ ein bisschen auf die Schippe nehmen:
    Kind: "der Unterricht bei Ihnen ist voll langweilig!"
    Lehrer: "Langweilig, wenn man die Hausaufgaben nicht macht und dann nicht mitkommt, stimmts XY?" Weiter im Unterricht.


    Klarheit:
    Kind: "Boah laaaaangweiiiliiiig!"
    Lehrer: "Du störst. Wenn du hier noch einmal reinplärrst, holst du die Stunde Mittwoch 14 Uhr nach"


    Aktiv zuhören:
    Kind: "Oh mann, so`n Scheiß, ich hab doch gar nicht... das war ganz anders, Hans und Grete sehn das genauso, stimmts? Sie denken wohl, Sie können mir jedes Mal ne 5 reindrücken, nur weil Sie mich nicht leiden können!"
    Lehrer: "Du denkst, du stehst auf 5, weil ich dich nicht mag?"


    Knappheit:
    Kind: "Lass mich in Ruhe, ey"
    Lehrer: "Falscher Ton!" (scharfer Blickkontakt, länger als nötig)


    Loben:
    "Klasse, XY, ich sehe, du hast die Vokabeln geübt"/ "...strengst dich heute besonders an, das gibt eine mündliche 2 für die Stunde"/ "Weißt du, XY, du bist so eine starke und intelligente junge Frau und ich sehe, wie gut du dich ausdrücken kannst (oder sonst irgendeine Stärke). Ich würde mich freuen, wenn du dich auch so benimmst."

  • Hallo Auct,


    Du wirfst eine Frage auf, die mich einige Zeit auch ziemlich beschäftigt hat. In meinem Fall waren es AG-Schüler, mit denen ich gemeinsam musiziert habe; die unbewusste Erwartung, dass man sich eigentlich mögen muss, weil man ja (freiwillig) gemeinsam etwas Schönes erarbeitet, war viel höher als im regulären Unterricht.
    Trotzdem gab es ziemlichen Zoff, der mir zunächst auch ganz schön nah ging. Mir ist dann aber nach einer Weile auf drei Ebenen einiges klar geworden:


    Zum Einen der Einfluss von überheblichen Eltern, die die Schüler im schlimmsten Fall so richtig aufhetzen ("Lass Dir nichts bieten" usw.) oder mindestens abfällig über uns sprechen. (In meinem Fall vor Zeugen über mich: "Der hat ja eh keine Ahnung.") Wenn zu Hause eine solche Stimmung gegenüber der Schule oder einzelnen Kollegen herrscht, ist meiner Einschätzung nach die Messe schon gelesen. Da müssen die Kiddies schon echt gut drauf sein, um eine differenzierte Meinung über unsereins zu haben und uns anders zu bewerten, als es zu Hause der Fall ist.


    Zum Anderen ist es wichtig, nicht aus dem Auge zu verlieren, dass wir in der Schule nur einen Beruf ausüben und keinesfalls zu viel emotionale Energie in Fälle verpulvern, in denen wir möglicherweise ohnehin auf verlorenem Posten stehen. Du wirst die betreffende Schülerin sicherlich gerecht bewerten, gerade weil Du über die Antipathie ihr gegenüber reflektierst. Das ist eben professionelles Verhalten; Du hast einen Störfaktor erkannt, eine mögliche Ursache oder zumindest einen Verstärker gefunden (die Eltern) und gehst damit vernünftig um. Ich persönlich habe manchmal das Gefühl, dass ich Schüler, die ich nicht so sympathisch finde, besonders differenziert und "gerecht" bewerte, weil ich mich keinesfalls angreifbar machen möchte und sicher sein will, dass mich meine Emotionen bei der Bewertung nicht leiten.


    Das Dritte ist der einigermaßen banale Umstand, dass wir nicht in der Schule arbeiten, um gemocht zu werden. Wir üben über die Schulpflicht einen erheblichen Eingriff in das Leben von jungen Menschen und damit auch ihrer Familien aus; manchen stinkt das halt mehr als anderen und die sind dann womöglich auch über einen längeren Zeitraum so richtig mies drauf. Bei manchen Schülern macht man leider genau dann alles richtig, wenn man eben nicht gemocht wird; dasselbe gilt auch für manche Eltern.


    Keine Ahnung, ob Dir diese Gedanken helfen können; mir hat die Beschäftigung insbesondere mit dem Punkt "gemocht werden" viel gebracht und mir zu mehr "professioneller Distanz" verholfen. Ich genieße natürlich die Momente, wenn es mit Gruppen oder Klassen gut läuft; es darf aber auch mal anders sein ohne sich selbst sofort in Frage zu stellen...


    Herzliche Grüße von Brasstalavista

  • Das:

    nur noch das tut, was sie tun muss.

    ...widerspricht m.E. dem:

    Mittlerweile: Tendenz 5.


    Sie m.E. eben nicht mehr, was sie tun muß.


    Ansonsten... es ist ein Job; du bist Profi, du arbeitest für Geld.
    Versuche, eine angemessene Distanz zu wahren. Dein beruflicher Erfolg/berufliche Befriedigung muss nicht identisch sein mit dem Lernerfolg deiner Schüler.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    • Offizieller Beitrag

    Von den um die 2000 Schülern, die ich bisher unterrichtet habe, konnte ich mir genau 2 mit keinem Mittel der Welt über die ganze Zeit bis zum Abitur "schönreden". Bei allen anderen, auch wenn sie Eigenschaften aufwiesen, die mich reizen (Oberflächlichkeit) oder die bei mir "Knöpfchen drücken" (Arroganz), hat es geholfen über ein paar Wochen, manchmal Monate mit dem bewussten Ziel, Positives zu finden, draufzugucken, auch mal das persönliche Gespräch zu suchen, irgendeine Bindung herzustellen. Klappt eigentlich immer, es gibt wirklich wenige völlig hohle, empathielose Vollarmleuchter. Bis, wie gesagt, auf diese beiden, von denen (nicht nur) ich überzeugt bin, dass sie von ihren "Symptomen" ins Psychopathiespektrum fielen. Vermutlich sind sie heute Investmentbanker ;)


    Bei den besagten beiden habe ich noch genauer als sonst eh schon hingeguckt, dass ich ja keine Nasennoten (vermutlich sind sie deshalb auch noch mit 1 Punkt zu guten Noten rausgegangen, grrr) gebe und dass mein Verhalten überkorrekt und unangreifbar ist. Außerdem habe ich jeden Pups protokolliert, Klausuren fotografiert (sehr nützlich, wie sich rausstellte) und so weiter.


    Beim Abiball habe ich selten mit jemandem so fröhlich und von Herzen angestoßen :D :D Die waren ganz überrascht.


    Man muss sich im Gedächtnis behalten: in der Schule ist keine "Beziehung" für ewig - spätestens nach (setze Zahl bei Schulform ein) Jahren ist es vorbei. Damit kann man einiges gelassener sehen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

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