Zweifle ernsthaft am langersehnten Wunsch Lehrer

  • Hallo liebe Community!


    Es folgt ein kleiner Aufsatz in der Hoffnung, etwas Unterstützung von "echten" Lehrern zu finden.


    Seit jeher hege ich den Wunsch in der Informatik zu arbeiten und noch besser, in der Informatik zu unterrichten. Der Lehrerberuf war von vorneherein ein klares Ziel für mich, welches eine gute Balance zwischen "aktiver" Zeit, also dem Unterrichten, und Büroarbeit, Arbeit in einer ruhigen Umgebung, verbindet. Ein 9-18 Job in einem Büro in irgendeinem Unternehmen war nie wirklich etwas für mich, nach einem Jahr in so einer Sparte war es mir auch ziemlich klar.


    Nach einer kaufm. Ausbildung mit hohem Info-Anteil habe ich wie gesagt ein Jahr gearbeitet und nun studiere ich im ersten Semester Informatik und Biologie, zwei Fächer, die mich ungemein interessieren und mit Informatik werden mir exzellente Chancen, speziell am Land (Salzburg/Tirol), meinem Wunschgebiet, vorhergesagt. Wohlgemerkt LAND, in einer Stadt könnte ich niemals wohnen bzw. unterrichten! Das erste Unterrichtspraktikum werde ich im Sommersemester haben.


    Das Problem: Egal wo ich mich genauer über mein späteres Ziel informiere, egal von welcher Quelle, sei es aus Foren wie diesem hier, sei es von Dozenten oder im Fernsehen, überall werden die extrem schlechten Arbeitsbedingungen des Lehrers regelrecht "angepriesen". Von dauerhaften 60 Stunden Wochen, hin zum schlechten Image (verrückt eigentlich) bis zu den katastrophalen Zuständen im Klassenraum (Verhalten der Schüler, Respektlosigkeit). Niemand hat mir auch nur jemals empfohlen, diesen Weg weiterzumachen. Ich solle mein Leben nicht "wegschmeißen". Von Lehrern mit Burnout lese ich auch hier auf jeder zweiten Seite etwas.


    Ich bin mittlerweile so weit, dass ich überlege, das Lehramt direkt wieder zu schmeißen. Ich selbst habe eigentlich eine dicke Haut, persönliche Angriffe winke ich ab, bin auch mit meinem 24 Jahren schon etwas zynisch geworden, sicher kein Idealist mehr und kann mir eigentlich nicht mehr vorstellen, in einem Klassenzimmer mit all diesen Bedingungen zu arbeiten. Doch die Alternative? Sie fehlt mir jetzt. Einzig die Selbstständigkeit im Bereich der Webentwicklung würde mir ähnlich zusagen, wie einst der Wunsch des Lehrers.


    Ist es wirklich so schlimm? Seid ihr wirklich am Rande der totalen Erschöpfung und torkelt von einem Klassenraum in den nächsten? Wie sind die Arbeitsbedingungen denn für euch? Speziell von Informatiklehrern würde es mich interessieren, wie ihre Arbeit aussieht. Es wäre hier auch Netzwerkadministration etc inkludiert. Stimmt das? An der Uni erhalte ich dbzgl. äußerst spärliche Informationen, wie denn die Arbeit in diesem Fach tatsächlich aussieht.


    Vielen Dank für das Durchlesen und eventuelle Hilfestellungen!


    Liebe Grüße, Matthias

  • Die Antwort, die ich dir geben kann: es kommt drauf an, an welcher Schule du landest und welches Klientel dort vorzufinden ist. Ich habe die Erfahrung gemacht: je schlimmer die Schüler, desto mehr Zusammenhalt im Kollegium und andersrum.


    Ich wüsste nicht, wo ich als Geisteswissenschaftler so viel Geld verdienen würde, wie heute. Würde ich das als MINT- Mensch auch so sehen? Nein.


    Der Lehrerberuf ist halt Arbeitsplatzsicherheit, die es so heute eigentlich nirgends gibt.


    Es gibt Zeiten, in denen sich das Arbeitspensum stark erhöht, sodass man eigentlich nichts anderes mehr macht als arbeiten nach der Schule und dann kaputt ins Bett fällt. Ja, sogar als Grundschullehrer. :) Ich habe aber auch keine Kinder. Es gibt ja Lehrer, die kümmern sich auch privat noch um Kinder und die kriegen das auch hin. Na gut, ich kenne nun dummerweise persönlich einen Lehrer, der das nicht hinkriegt, aber das gibt's überall.. ;)

  • Ist es wirklich so schlimm? Seid ihr wirklich am Rande der totalen Erschöpfung und torkelt von einem Klassenraum in den nächsten?

    Klare Antwort: nein. Ich schliesse mich Primarlehrerin an - es kommt drauf an, an welcher Schule Du landest. Die Arbeitsbelastung schwankt extrem. Im Moment habe ich Maturprüfungen (ein Expemlar hat 20 Seiten ...) zur Zweitkorrektur auf dem Tisch liegen, das ist nicht wirklich erfreulich. Die Zeiten zwischen den Prüfungsterminen sind aber deutlich entspannter, da gehe ich auch schon mal um 16 Uhr nach Hause und mach dann wirklich nichts mehr ausser Freizeit. Zwei Wochen später bereue ich es wieder, weil ich dann neue Unterlagen für den Unterricht vorbereiten muss und bis spät am Abend und am Wochenende sitze. ;)


    Mir ist schon häufiger zu Ohren gekommen, dass das mit der "Respektlosigkeit" der Schüler gegenüber den Lehrern in Österreich ähnlich wie hier in der Schweiz ein viel kleineres Problem sein soll, als in Deutschland. Obendrein hängt es sowieso stark von der Schulform ab, auf der Du unterrichtest. Gerade mit Informatik wirst Du wohl eher an einer Berufsschule oder einem Gymnasium landen, da sollten die Sitten nicht ganz so rau sein, wie an einer Hauptschule (oder wie immer das in Österreich heisst).

  • hey du :-)
    ich gebe den anderen recht! das ist von schule zu schule anders.
    der "info-mann" bei uns an der schule ist z.b. so ein bissl "depp für alles". das ist nicht böse gemeint, das sieht er sogar selbst so. er betreut unsere pcs, netzwerk,... und alles was damit zu tun hat. das frisst so viel zeit (er bekommt zwar eine anrechnungsstunde, aber das ist nicht der rede wert). unser sl erwartet, dass er sich um "alles was mit medien und internet zu tun hat" kümmert.... und das ist halt echt seeeehr viel.
    kurzer vergleich mit mir. ich liebe musik schon immer. hatte in der schule leistungskurs damals, hatte musik im studium als hauptfach und hab immer etwas mit musik gemacht. in der schule mag ich musik gar nicht mehr gerne, da ich diejenige bin, die immer alle feierlichkeiten mit den kindern und musik umrahmen muss. dass ich einmal gerne musik gemacht habe, bringt mir dabei jetzt nicht so viel, denn es geht in der schule ja um die kinder... aaaaalso, was ich eigentlich sagen will: ein fach, das man selbst liebt, muss nicht das absolute lieblingsfach bzw. idealfach sein als lehrer.
    dass du ein dickes fell hast bzgl. dummer bemerkungen von schülern, eltern,... ist eine sehr gute voraussetzung für den beruf (finde ich). daran arbeite ich seit jahren dran... :-/


  • Der Lehrerberuf war von vorneherein ein klares Ziel für mich, welches eine gute Balance zwischen "aktiver" Zeit, also dem Unterrichten, und Büroarbeit, Arbeit in einer ruhigen Umgebung, verbindet. Ein 9-18 Job in einem Büro in irgendeinem Unternehmen war nie wirklich etwas für mich, nach einem Jahr in so einer Sparte war es mir auch ziemlich klar.
    ...
    Doch die Alternative? Sie fehlt mir jetzt.


    Für mich liest sich dein Beitrag so, als ob du dich bereits entschieden hättest. Du wolltest nie wirklich Lehrer werden, sondern Informatiker, dabei aber nicht in einem Büro arbeiten. Jetzt stellst du fest, dass der Lehrerberuf anders ist, als gedacht und willst auf jeden Fall was anderes machen, einzig die Alternative fehlt dir.


    Insofern wäre eine Berufsberatung, das Blättern in Stellenanzeigen, die genaue Analyse deiner Stärken und Interessen jetzt dran.


    Natürlich sind Schulen unterschiedlich. Trotzdem bist du mit Lehren und Erziehen beschäftigt, dafür wirst du ausgebildet und darauf musst du richtig Lust haben, ansonsten wird dein Zynismus sicher nicht besser.


    Sagt eine, die durchaus auch gegen Zynismus ankämpft, wenns ganz mies läuft :D

  • Hallo Matthias,
    ein Vergleichsbeispiel:
    angenommen, Du wärst dabei, den Führerschein zu machen, weil du es schon immer wolltest. Du sitzt in der Fahrschule ohne jemals selbst eine Fahrstunde gehabt zu haben.
    Du liest aber in vielen Foren rum, und es wird dir regelrecht vor Augen geführt, wie schlimm und gefährlich Autofahren ist:
    dass man z.B. eine ganz furchtbare Gurke an Auto erwischen kann, die nicht durch den TÜV kommen,
    dass jedes Jahr soundsoviele Autofahrer beim Autofahren ums Leben kommen,
    dass Autofahren immens teuer ist und viel Zeit in Anspruch nimmt
    etc.pp.


    Würdest du dir dann überlegen, ob Du überhaupt den Führerschein machen solltest?



    Was ich damit sagen will: du musst selber (Unterrichts-) Erfahrungen sammeln, dann wirst Du merken, ob der Beruf für Dich schlimm werden könnte.


    Gruß!

  • Es wird sicher harte Phasen geben, z.B. den Berufsanfang, und es wird dauerhaft darauf ankommen, ob du an eine gut geführte Schule kommst, oder nicht.
    Viel arbeiten ist nicht schlimm, wenn man gut organisiert und mit Profis gut arbeitet. Wenn nicht, treibt einen das an den Rand der Belastbarkeit. Belastbar muss man sein, so oder so.


    Noch härter ist aber 40 Jahre in einem Beruf zu arbeiten, den ma nicht machen will.


    Ich bereue es auf jeden Fall nicht.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • unser sl erwartet, dass er sich um "alles was mit medien und internet zu tun hat" kümmert.... und das ist halt echt seeeehr viel.

    Ach, ich erwarte auch immer sooo viel... aber wenn der SL einen Deppen findet (und das ganz ohne Anführungszeichen!), der das mit sich machen lässt, kann er ja zufrieden sein.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Doch die Alternative? Sie fehlt mir jetzt.

    mit meinem 24 Jahren


    Ich kann es nicht verstehen, warum ein so junger Mensch wie du von "Alternativlosigkeit" spricht. Wenn der Lehrerberuf nichts wäre (was du ja noch nicht wissen kannst), hättest du noch alle Möglichkeiten was anderes zu machen.

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Mir gefällt es, Informatik zu unterrichten. Es gibt immer etwas Neues. Die Schüler sind prinzipiell interessiert. Das Korrigieren ist nicht schlimm (ich kriege selten was Handschriftliches :-)). Der Mix aus "einsamer" Vorbereitung und dem Trubel in der Schule ist für mich genau richtig.


    Bei uns sind die Zuständigkeiten für Netzwerk, Medien, Software, Homepagebetreuung etc. klar verteilt und man bekommt entsprechende Entlastungsstunden. Man darf sich nicht alles draufpacken lassen, aber das gilt doch überall.


    In deine Zukunft kann ich natürlich nicht schauen, Nihilentius, und ich fürchte, du auch nicht. Da sind so viele Variablen: Die Schulform, die Schule, die Klassen, die Kollegen ... und vor allem du selbst.


    Warum diesen Horrorvisionen glauben? Die werden hier in diesem Forum auch nicht verbreitet.

Werbung