Das Dorfschulmeisterlein

  • Das Dorfschulmeisterlein
    (Eine etwas unbekanntere Version)
    Quelle, Melodie


    Willst wissen du, mein lieber Christ,
    Wer das geplagteste Männchen ist?
    Die Antwort lautet allgemein:
    Ein armes Dorfschulmeisterlein.


    Bei einem kargen Stückchen Brot,
    Umringt von Sorgen, Müh und Not,
    Soll es dem Staate nützlich sein,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Noch eh der Hahn den Tag begrüßt,
    Und alles noch der Ruh genießt,
    Hängt's schon am Morgenglöckelein,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Geendigt hat die Uhr den Lauf,
    Es zieht dieselbe wieder auf,
    Wälzt kräftig an dem Treibestein,
    Das schwache Dorfschulmeisterlein.


    Von diesem Frühgeschäfte matt,
    Was wunder, wenn es Grimmen hat.
    Drum schluckt's ein Tröpfchen Branntewein,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Der Tag steht nun in hellem Licht.
    Das Weibchen hat auch angericht'
    Nun schlingt's die Morgensuppe ein,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Jetzt erst beginnt die größte Plag':
    Sein Ämtchen sperrt den ganzen Tag
    Zu Kindern in die Schul' hinein,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Hier ist es nun, das eine brummt,
    Das andre lacht, das dritte summt
    Mutwillig in das Ohr hinein
    Dem armen Dorfschulmeisterlein.


    Wenn's liebevoll den Kindern wehrt,
    Und keines die Ermahnung hört,
    So schlägt es öfters hitzig drein,
    Das gähe Dorfschulmeisterlein.


    Ein Kind zeigt dies dem Vater an,
    Und der, ein ungeschliffner Mann,
    Macht ihm die größten Flegelein,
    Dem armen Dorfschulmeisterlein.


    So wird die Speise ihm vergällt,
    Die es auf den Mittag erhält.
    Nie darf sich's eines bessern freun,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Was ist denn wohl des Männchens Kost?
    Nur leer Gemüs' und saurer Most.
    Höchst selten Fleisch von einem Schwein.
    O armes Dorfschulmeisterlein.


    So es mittags nicht Schule hält,
    Geht's mit der Haue in das Feld,
    Und schafft, weil der Gehalt so klein.
    O armes Dorfschulmeisterlein.


    Nachts macht sich's, wenn es Hunger hat,
    Mit Suppe und Kartoffeln satt.
    Sonst gibt es nichts? Ach, leider, NEIN.
    O armes Dorfschulmeisterlein.


    Von Sorgen wird es aufgeschreckt,
    Wenn alles noch in Federn steckt.
    Und voller Kummer schläft es ein,
    O armes Dorfschulmeisterlein.


    In diesem Zirkel dreht es sich,
    Die ganze Woch' bedauerlich.
    Kein Tag ist ohne Kreuz und Pein.
    O armes Dorfschulmeisterlein.


    Valliret oft die Kirchenuhr,
    Verfehlt sich oft der Zeiger nur,
    Da schimpft der Schulz und die Gemein'
    Auf's arme Dorfschulmeisterlein.


    Anfänglich nahm man gern vorlieb,
    Wenn es den Unterricht betrieb.
    Jetzt sollt's ein halb Gelehrter sein,
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Befindet sich's bei einem Schmaus,
    So heißt's, wenns kaum zur Tür hinaus:
    "Es ißt, es trinkt, es stinkt auch ein,
    Das grobe Dorfschulmeisterlein.


    Hat's einmal etlich Stückchen Geld,
    Und kommt es müd und matt vom Feld,
    Trinkt's auch beim Wirt ein Gläschen Wein,
    Das durst'ge Dorfschulmeisterlein.


    Wenn nun allda der Fall geschieht,
    Daß es wie Noah sich versieht,
    So will es ihm kein Mensch verzeihn,
    Dem guten Dorfschulmeisterlein.


    Bei Leichen und im Gotteshaus
    Brüllt oft ein Dummkopf nebennaus.
    Ach Gott: wie muß es da nicht schrei'n?
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Wenn's mit den Kindern sich nicht hält
    Zur Zeit, wo ein Präsentchen fällt,
    Da büßt es leider merklich ein.
    Das arme Dorfschulmeisterlein.


    Oft macht's der Pfarrer ihm zu bunt
    Und läßt ihm keine Ruhestund'
    Was will's, es muß gehoram sein,
    Das alte Dorfschulmeisterlein.


    Doch ist ihm noch DER Trost beschert,
    Daß seine Not nicht ewig währt.
    Im Grabe, Gott, wie wohl wird's sein,
    Dem armen Dorfschulmeisterlein.



    Samuel Friedrich Sauter, 1766 ~1845



    Und vom selben - passend zur Lehrergehalts-Diskussion:



    Das avancirte Dorfschulmeisterlein
    (Siehe Prenningers Landschulbibliothek 3 B. 4 St. S. 109,
    und Badisches Volksschulblatt No. 2 den 10.April 1843.)
    Quelle


    Zu einem Kaufmann in Hanover,
    Der, wie mein Buch sagt, Böttcher hieß,
    Den Armen sehr viel Guts erwies,
    Und sich besonders tausend Lober
    Dadurch erwarb, daß er voll Edelmuth
    Ein neues Lehrer-Institut
    Dort stiftete, — zu diesem Manne
    Kam scheu, als wäre es im Banne
    Ein armes Dorfschulmeisterlein!
    Sein Anblick ließ schon prophezeihn,
    Was es für ein Verlangen trage.


    Herr Böttcher that ganz mild die Frage:
    Was man in seinem Laden such'?
    Die Antwort war: drei Ellen schwarzes Tuch
    Zu einem neuen Sonntagskleide.
    Der Kaufmann machte ihm die Freude
    Und gabs ihm um den halben Preis,
    Sprach auch dazu: im Fall was Neu's
    Er ferner brauche, soll er lecklich
    Zu ihm nur kommen, wenn erklecklich
    Sein Geld auch nicht stets sollte seyn.
    Tief bückte hier das Männelein
    Vor diesem edeln Manne sich
    Und dankte ihm herzinniglich.


    Nach ein'gen Jahnen, als Herr Böttcher,
    Umringt von Männern, Weiber, Mädchen
    Umher in seinem Laden sah,
    War auch dieß Männchen wieder da;
    Allein, gesteckt in einen Kittel
    Von grobem Zwilch, womit der Titel:
    "Herr Lehrer" sich nicht reimen ließ.
    Hah! dacht er gleich, der darf gewiß
    Jetzt keine Schule mehr versehen,
    Und wollte schon das Männlein schmähen,
    Weil es so übel sich gethan,
    Als dieß ihn heilt von seinem Wahn:


    "Sie glauben, daß man mich kassirte?
    "O nein, mein Edler! Ich quittirte
    "Aus freien Stücken meinen Dienst.
    "Er trug mir nicht so viel Gewinnst,
    "Daß ich dabei mit Weib und Kinder
    "Könnt' leben. In dem vor'gen Winter
    "Starb unser Kuhhirt Hungersnoth
    "Litt dieser nie. Ich bat ums Brod
    "Des Hirten, und erhielt es auch.
    "Gott Lob! Nun kann ich meinen Bauch
    "Auch täglich zur Genüge füllen, —
    "Und meiner Kinder Hunger stillen.
    "Denn — glauben Sie, Herr, meinem Wort! -
    "Als Kuhhirt hab' ich in dem Ort
    "Zweimal so viel Besoldung, als
    "Ein mancher Lehrer — in der Pfalz.


    Friedrich Samuel Sauter, 1843

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    2 Mal editiert, zuletzt von alias ()

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