Arbeitsunwilliger Mathe Grundkurs 8

  • Hallo,


    die Leistungsträger meines Mathe Grundkurses Jg. 8 sind zum Halbjahr in den Erweiterungskurs gewechselt. Seitdem ist es echt stressig in meinem Kurs (Aufbauschen von Kleinigkeiten, Hickhack unter den Schülern, extreme Faulheit usw.) Als ich mein Leid der Parallelklassenkollegin klagte, erzählt sie mir von ihrer "Methode".


    Sie lässt die Schüler, die nicht mitarbeiten wollen, hinten im Klassenraum. Vorne macht sie mit den Schülern, die wollen, Unterricht. Sie meint das klappt super und es würden jetzt mehr Schüler als vorher mitarbeiten.


    Wie seht ihr das? Und wie sieht das rechtlich aus? Müssen wir die Schüler nicht zur Mitarbeit zwingen? Müssen wir die Eltern dann informieren, wenn sich ein Schüler enschließt, nicht mehr mit zu arbeiten?


    LG M.

  • Hmm ... schwierig. Bevor ich jetzt antworte noch eine Frage: Mir ist der Begriff "Grundkurs" eigentlich vom Gymnasium bekannt, bei Dir steht aber im Profil "Hauptschule". Handelt es sich also um minderjährige Schüler, die noch der gesetzlichen Schulpflicht unterliegen?

  • Wollsocken: In der Hauptschule werden die Schüler in einigen Fächern in zwei Leistungsstufen differenziert. Der sogenannte Grundkurs (die schwachen Schüler) und der Erweiterungskurs (die stärkeren Schüler). In der Jgst. 8 sind die Schüler ca. 14 Jahre alt.


    Mit meiner Klasse (10er Abschlussklasse) kämpfe ich auch gerade gegen die Trägheit und die Unlust. hier will auch immer alles diskutiert sein. Momentan fahre ich die Schiene, dass ich für jeden Arbeitsauftrag exakte Zeitvorgaben gebe. Diese werden von mir strikt eingehalten. Dann werden die Lösungen kurz und knapp vorgestellt und ggf. erklärt. Dann der nächste Auftrag, ...
    Langsam klappt es.
    Dass mit dem einfach nach hinten setzen, sehe ich etwas problematisch. Ich (als Mutter eines schulpflichtigen Kindes) hätte ich das dann schon gern gewusst.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

  • OK, Danke für die Erklärung. Schliesse mich der Meinung von Ruhe an - einfach in die letzte Reihe setzen und nichts machen, ist ja die Kapitulation, das geht nur im äussersten Notfall.


    Ich habe noch mehr Fragen an die Thread-Erstellerin: Wie viele Schüler sind es im Kurs und wie viele davon machen Ärger? Hast Du mit dem Klassenlehrer bzw. dem Klassenteam schon gesprochen? Sind die nur in Mathe so oder ist das ein allgemeines Phänomen? Wenn die immer so sind, was machen die Kollegen aus dem Klassenteam mit denen?


    Mit präzisen Zeitvorgaben für Arbeitsaufträge habe ich bei Trödel-Klassen auch schon gute Erfahrungen gemacht. Setzt aber, glaube ich, voraus, dass die grundsätzlich schon noch arbeitswillig sind. Wenn es einzelne Schüler sind, drohe ich auch schon mal damit, sie aus dem Schulzimmer zu schmeissen, mit dem klaren Auftrag, bis zum Ende der Stunde das und das erledigt zu haben, was sie mir dann zeigen müssen. Bisher blieb es immer bei der Androhung ... plötzlich können die ganz schnell werden! Vermutlich geht Rausschmeissen bei euch aber wegen der Aufsichtspflicht wieder nicht so einfach.


    Ich schildere mal kurz die Situation, in der er es bei mir tatsächlich zu dem Zustand kommt, dass einzelne SuS nur noch physisch anwesend sind und die Zeit absitzen: Ein Kurs endet zum Semester und die Noten sind schon alle gesetzt. Dann und nur dann erlaube ich so ein Verhalten und auch nur, wenn die betreffenden SuS absolut ruhig sind, so dass die, die noch zuhören wollen, das auch können. Meine SuS sind alle freiwillig bei uns an der Schule - trotzdem, Mitarbeit verweigern akzeptiere ich nicht. Punkt. Im Falle von schulpflichtigen Kindern müsste da nach meinem Empfinden auf jeden Fall auch ein Elterngespräch stattfinden, bevor man für den Regelunterricht so eine Vereinbarung trifft.

  • Sagen wir mal so. Das ist ja leider mittlerweile Alltag in der Haupt-/Werkrealschule, dass man hauptsächlich arbeitsunwillige SchülerInnen vor sich sitzen hat. Leider.
    Ich habe auch noch nicht den Königsweg gefunden. Zeitdruck hat bei meinen Schülern leider gar nichts gebracht. Wie denn auch?
    Nach Zeit X saßen sie dann da und haben immer noch nichts gemacht. Was tun? Note 6 für Mitarbeit? Kann man machen. Dann sammeln Schüler 6en ohne Ende, da sie auch keine Hausaufgaben machen, schriftlich auch nicht gut sind und dann... Die Klasse wiederholen lassen? Ändert auch nichts (da ich/ wir auch da schon alles ausprobiert haben).


    Mittlerweile mache ich es eben so, dass ich eine Einführung (ich rede jetzt hauptsächlich vom Fach Englisch, mache es in anderen Fächern aber ähnlich) für die ganze Klasse mache und in den Folgestunden die Schüler ihre Aufgaben bekommen, die sie dann eben machen oder auch nicht. Lösungsblätter etc. hänge ich immer an die Tafel. Zwischendrin gibt es immer mal wieder Aufgaben (z.B. Listening), die dann im Klassenverband gemacht werden.


    Extrem nervige und störende Schüler setze ich vor die Tür und lasse diese offen, so dass ich sie im Blick habe.
    Somit habe ich Zeit, lernwilligen Schülern zu helfen und sie zu unterstützen. Denn die gibt es auch noch und gehen sonst gerne unter. Zusätzlich sammel ich dann eben ca. 2-3 mal die Hausaufgaben oder Schularbeit ein und benote diese. Am Ende der Einheit logischerweise eine Arbeit.
    Da sieht man dann recht deutlich, wer etwas gearbeitet hat und wer nicht. Wie geschrieben. Sicher ist das nicht die beste Lösung, allerdings für mich auch eine nervenschonende Methode, mit der ich auch den leistungswilligen Schülern gerecht werden kann.
    Bei Schülern, die gar nichts machen informiere ich die Eltern und gut ist.

  • Hallo,


    danke für eure Ratschläge. Ich werde mich auf jeden Fall an die Eltern wenden. (Bei den Schlimmsten hatte ich das auch schon). Ich bin eine der Klassenlehrerinnen. In anderen Fächern ist es auch ähnlich. Im Klassenverband sind auch immer die Leistungsträger unserer Klasse dabei, da läuft es etwas besser. Die Schüler, die nichts tun sind überall die gleichen.


    Ich habe nur 14 Schüler in dem Kurs und die sind so schwach und dann auch noch faul. Die lassen sich nicht auf den Stoff ein (Wahrscheinlichkeitsrechnung) und blockieren von vornherein. "Ich verstehe das sowieso nicht." "Ich habe eine Matheschwäche" (hat gefühlt die Hälfte) "Ich kann schon alles" (5 Wiederholer)


    Selbstständig Aufgaben lösen können fünf. Bei dem Rest muss ich eigentlich immer helfen.


    Rausschmeißen geht, denn wir haben einen Trainingsraum. Leider können sie dann immer noch kein Mathe.


    LG

  • Was machst du denn in meinem Mathekurs? :-D


    Ist bei mir genau so. Selbst wenn sie nicht stören, sitzen sie halt nur ihre Zeit ab. Die machen nichts.
    Mir gehen auch die Ideen aus. Ich sammle jetzt vieles ein, benote alles...Dann habe ich es zumindest dokumentiert.
    Stimmt, Mathe lernen sie so nicht. Bei einigen muss ich wohl damit leben. Die haben auch bisher kein Mathe gelernt.
    Heute scheiterten einige (Klasse 8! )am Eintragen von Punkten in ein Koordinatensystem. Sie könnennauch keine schriftliche Rechenverfahren..


    In meiner eigenen 7. ist es nicht sehr viel besser. Da sind Schüler, die beherrschen das kleine 1x1 nicht! Ich habe sehr deutlich gesagt, dass wir als Schule dafür jetzt nichtmehr zuständig sind und sie das gefälligst zu Hause lernen müssen.
    Rückmeldung an die Eltern bringt bei uns nicht viel. Die paar wo es was bringt sind (welch Überraschung) die Leisungsträger.


    Ich kann nunmal kein Wissen oben reinschütten.

  • Ich kann nunmal kein Wissen oben reinschütten.

    Nee ... so ist es leider *seufz" Mann Mann Mann ... wie kann man mit 14 Jahren nur schon so abgelöscht sein bzw. wer redet denen eigentlich ein, dass sie nix können? Ich frag mich das ehrlich, woher sowas kommt. Warum denkt ein 14jähriger "kann ich eh nicht"? Meine Güte ... @Mamimama: Hast Du's in so nem Fall schon mal mit penetranter Widerrede versucht? Bei meiner Kundschaft hilft das in der Regel - "Kann ich nicht ..." - "Doch, Stift in die Hand nehmen und machen. Los!" Ich weiss, ich habe Luxusprobleme, meine SuS sind ja grundsätzlich alle lernwillig. Ich weigere mich nur (noch) mich dem Defätismus hinzugeben. Die müssen doch was tun, wenn man sie nur penetrant genug nervt. ;)



    Rausschmeißen geht, denn wir haben einen Trainingsraum. Leider können sie dann immer noch kein Mathe.


    Klar ist Rausschmeissen eine Scheissmassnahme, die denen, die nicht wollen, effektiv nichts bringt. Trotzdem finde ich es wichtig, dass man gegenüber den Lernwilligen ein Statement setzt - "schaut her, ich akzeptiere dieses Verhalten NICHT!!".

  • Eine meiner Matheklassen ist genauso. Ich habe zum Glück eine zweite, in der es gut läuft. Aber mit der schwachen Klasse habe Probleme. Sie waren von Beginn des Schuljahres an gegen Mathe eingestellt, leisten nichts und sitzen nur ihre Zeit ab. Schularbeiten (in Deutschland Klassenarbeiten) verweigern sie, sodass sie wiederholt werden müssen. Das Beste kommt noch: Eine Mutter einer, zudem noch sehr auffälligen Schülerin beschwert sich noch bei meinen Vorgesetzten.


    Wie macht ihr das mit der Beurteilung? Die Hälfte muss ja positiv sein.

  • Hallo,


    ein bis zwei Stunden vor der Klassenarbeit fangen die Schüler dann doch noch an zu arbeiten. Bis zu diesem Halbjahr hatte ich ja auch noch drei Leistungsträger. Bei der letzten Arbeit gab es 7 fünfen, 1 vier, 4 dreien und 3 zweien. Ich weiß nicht, ob es vorgaben gibt, wie die Arbeiten ausfallen sollen.


    Es tröstet mich ja etwas, dass es bei anderen auch nicht besser läuft.
    Ich habe mir jetzt überlegt, dass der Weg meiner Kollegin nicht der Richtige für mich ist.
    Deshalb habe und werde ich die Eltern der betroffenen Schüler informieren und Chaoten in den Trainingsraum schicken.


    Heute habe ich auch mit dem Kurs gesprochen und mich beschwert, dass nur noch fünf Schüler mitarbeiten. Da sagte Chaot Nr. 1 gleich: "Aber ich arbeite doch gut mit oder Frau xyz?" Da fällt einem nichts mehr ein ;) Ich habe ihn dann darüber aufgeklärt, dass er nicht zu den fünf gehört.


    LG

  • Ich könnte mir mehrere Wege vorstellen:


    Wenn du die Zeit aufbringen kannst, wie wäre es mit einem persönlichen Coaching?
    Mit jedem S ein Gespräch führen- wo will er beruflich hin?
    Dann Ziele in Mathe vereinbaren - Aufgaben im Wochenplan geben, die abgegeben werden müssen - das gibt dann im Idealfall Lob.
    Und immer wieder Gespräche, Lob verbeiten für kleine Fortschritte, ernst nehmen, aber auch zeigen, was du willst und dass du darauf bestehst, dass eine ruhige Lernatmosphäre herrscht.


    So oft wie möglich klar machen, wo der Stoff Bezug zur Realität hat - bei Wahrscheinlichkeitsrechnung fallen mir da Spiele ein. Lass sie Lotto/Glücksrad/Roulette/Bingo spielen und dann rechnen. Vielleicht auch in vereinfachter Form. geht so was?


    Ich ködere Sus in der Mittelstufe gern damit, dass eine der Matheaufgaben in diesen zwei tagen auf jeden Fall in der KA drankommt - da tun dann schon ein paar mehr mit.


    Ich dene, dass Sus mit 14 oft noch nicht für sich lernen - sondern immer noch für die Erwachsenen. Stell eine Beziehung her, mach Mut.


    In den Berufsschulen haben wir oft Leute, die Probleme mit Dreisatz und Co haben - die sind, wenn man sich mit ihnen beschäftigt, dankbar, wenn sie es denn endlich verstehen. Sie haben auch meist nicht keine Lust, sondern so viel verpasst oder wirklich Probleme beim Verstehen.
    kannst du nicht in der HS vom lehrplan weg und wieder bei den Grundlagen einsteigen? Bei den Dingen, die klassische Grundkenntnisse sind, die sie wirklich brauchen?
    Vielen Sus macht eine einfache Projektarbeite (wir verkaufen Cocktails - wie viel brauchen wir von welchem Saft und wie berechnet man den Preis des Getränks) klar, wozu sie das brauchen.
    Kannst du so etas aufnehmen?


    Aufgeben würde ich sie nicht.

  • Ich dene, dass Sus mit 14 oft noch nicht für sich lernen - sondern immer noch für die Erwachsenen.

    Mich fragen 16 - 18jährige manchmal noch: "Sind Sie jetzt stolz auf mich?" ;)


    Ich glaube auch, wenn SuS sagen "das kann ich nicht", steckt wirklich mehr dahinter, als Faulheit. Die Idee muss ja irgendwo her kommen, dass die sich für zu doof halten.



    In den Berufsschulen haben wir oft Leute, die Probleme mit Dreisatz und Co haben - die sind, wenn man sich mit ihnen beschäftigt, dankbar, wenn sie es denn endlich verstehen.

    Die hab ich selbst am Gym. Ich sag meinen SuS immer, wir üben einfach so lange, bis sie es können. Sie können von mir aus 20 x nachfragen, wenn sie es nicht verstehen. Solange sie gewillt sind es zu lernen, erkläre ich. Dafür werde ich bezahlt. ;)

  • Ich habe früher auch an einer Hauptschule unterrichtet und dabei meist Grundkurse gehabt. Meiner Erfahrung nach sind die auffälligen Schüler häufig deshalb so auffällig, weil sie immer nur Misserfolge hatten (einhergehend mit Eltern, die sich null für sie interessierten). Oft kommen sie schon mit der Einstellung in die Schule: "Die da vorne (= Lehrerin) ist sowieso gegen mich. Ich kann sowieso nichts." Das auffällige, nervige und störende Verhalten ist dann nur ein Ablenkungsmanöver. Wenn sich das über mehrere Jahre hinzieht zusammen mit häufigem Blau-machen, sammeln sich natürlich tatsächlich fachliche Lücken/Defizite, die niemand wegreden kann. Man sollte auch den Schülern nicht einzureden versuchen, dass sie gute Leistungen zeigen. Aber ihnen die Zusammenhänge deutlich machen und ihnen einen Weg aufzeigen, doch noch etwas zu erreichen, ist auf jeden Fall grundlegend wichtig für eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung. Der "Weg aus dem Loch" sah dann in meinem Unterricht so aus, dass ich für einen absehbaren Zeitraum für gewisse Schüler den Lehrplan außer acht gelassen habe und kleinstschrittig wichtig Grundlagen aufgearbeitet habe. Nach jedem kleinsten Schritt habe ich jeweils einen kleinen Test schreiben lassen, der schwarz auf weiß die geleisteten Fortschritte dokumentierte. Nach einer gewissen Zeit habe ich die Schüler teilweise selbst Testaufgaben entwickeln lasse, die ich dann in die Tests eingebaut habe, so nach dem Motto "Aufgabe 1 (Kevin):"
    Ich weiß, das hört sich nach viel Arbeit an, ist es auch. Aber die Schüler sehen dies auch (Da strengt sich jemand für mich an.) und honorieren es. Und das ist doch der beste Lohn. Ich konnte in stressigen Zeiten auch mit ihnen über meinen Zeitdruck reden, und da kamen dann echt gute Vorschläge: "Korrigieren Sie den Test doch jetzt sofort im Unterricht. Wir machen dann Stillarbeit." Und diese Stillarbeit war dann auch immer STILL.

  • Ich finde jetzt nicht, dass es alleine etwas mit 'nicht verstehen' zu tun hat. Sicherlich haben manche oder viele Schüler in Mathematik ihre Schwierigkeiten und Probleme. Allerdings sind das ja zu einem größten Teil ebenso Schüler, die in vielen anderen Fächern ihre Probleme haben. Jetzt kann man überlegen woran das liegt.
    Das sind meiner Meinung nach eben mehrere Probleme.
    - mangelnde Deutschkenntnisse (einfachste Textaufgaben oder auch Texte (Kinderseite in der ZEitung) werden nicht mehr verstanden, da viele Wörter den Schülern fremd sind)
    - fehlende Intelligenz (viele Schüler sind teilweise an der Hauptschule überfordert - bei mir in der 8. Klasse könnnen Schüler 10:2 nur nach längerem Überlegen lösen --> kein Witz.)
    - generell fehlende Einstellung zur Schule (die Schüler lernen in anderen Fächern ebenso nichts. Auch in Fächern in denen man durch auswendig lernen von handgeschriebenen
    1-2 DIN A 4 Seiten eine 1 bekommen würde. Ebenso geben die Schüler keine Ordner etc. ab. Ich habe 4 von 17 Ordnern vor mir liegen und das obwohl man die Arbeit locker in der Schule hätte machen können.)


    Klar muss man diesen Schülern immer wieder Lernangebote machen und versuchen, die Schüler zu erreichen. Aber irgendwann muss nunmal auch was von den Schülern kommen und sie müssen BEREIT sein, etwas zu lernen. Denn ohne das geht es im Leben eben nicht und ihnen muss bewusst sein, dass eben nicht alles 'fun' ist. So manche Arbeiten müssen eben gemacht werden, ob es nun Spaß macht oder nicht.
    Viele Schüler kommen aus dem Praktikum in die Schule zurück und sind total enttäuscht. Warum? Hat keinen Spaß gemacht, den ganzen Tag zu stehen, beim Frisör die Haare zusammen zu kehren, beim REWE die Regale aufzufüllen oder bei C&A die Klamotten auszupacken.
    Klar soll Beruf und Schule in gewisser Weise Spaß machen, aber zum Großteil ist es eben Arbeit, die gemacht werden muss um Geld zu verdienen...

  • Liebe/r Chris,


    an den beruflichen Schulen ist es sehr wohl so, dass viele Schüler wissen, wofür sie arbeiten oder sie kommen im Laufe der Ausbildung dahinter.
    Für die Ausbildung bekommen sie ja auch Geld, das motiviert viele, und dass es das Echte ist (wie meine Schüler sagen würden), auch.
    Das macht uns Beruflern das Leben auch oft viel leichter als den Kollegen an den allgemeinbildenden Schulen (wenn es auch Bereiche gibt, die unangenehmer sind, zum Beispiel
    die ständige Prüferei).


    Aber hier reden wir über 14-jährige. Pubertierende Jugendliche, die zwar äußerlich sehr reif aussehen, aber oft noch nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen.
    Wer hier kein Theoretiker ist und bisher schon viel verpasst hat, weiß oft gar nicht, wie Motivation geht.
    Darum wünsche ich mir, dass gerade an der Hauptschule noch einmal praxisnahe Lernangebote gemacht werden und meine Erfahrung ist, dass man
    die Altersgruppe dann "einfängt", wenn man Interesse am Einzelnen zeigt.


    Du hast recht, wenn du sagst, dass das Leben kein Ponyhof ist. Das wollte ich auch keineswegs suggerieren. Aber was für Bindungen hat ein Jugendlicher, der sich gerade vom Elternhaus abnabelt in der heutigen Zeit? Wer eine stabile Peergroup hat, zählt oft nicht zu den Problemfällen.
    Meiner Meinung sollte die Schule hier Orientierungen anbieten.


    Das ist mit Sicherheit kein 100-Prozent-Erfolgsrezept. Soll es auch nicht sein.

  • an den beruflichen Schulen ist es sehr wohl so, dass viele Schüler wissen, wofür sie arbeiten oder sie kommen im Laufe der Ausbildung dahinter.

    Ja, das stimmt. Ich hab an der Berufsschule auch eine eher weniger intellektuelle Berufsgruppe unterrichtet und nie Probleme mit der Motivation erlebt. In der gymnasialen Oberstufe hab ich natürlich immer das finale Druckmittel "Tür" - wer keine Lust hat, kann diese gerne von aussen zu machen. Diese Karte ziehe ich allerdings nur bei den eigentlich Schlauen, die nur mal wieder zu cool zum Lernen sind und mit ostentativem Nichtstun kokettieren ;) Schlau oder nicht schlau - während der Arbeitszeit Luftlöcher starren oder in der Nase bohren ist einfach Steuergeldverschwendung, die ich auch schon mal als solche benenne.


    Ansonsten gehöre ich schon zu denen, die akute Sinnkrisen nach dem Motto "warum muss ich wissen, wie man Nikotin in der Skelettschreibweise darstellt?" mit den Schülern diskutiert. Ich habe genug Kollegen, die sich dann einfach auf den Standpunkt stellen, ein Gymnasiast soll sich mal gefälligst vorher überlegen, warum er zu uns an die Schule kommt. Aber welcher 15jährige weiss das schon so genau? Wie sollen die denn wissen, wozu das alles gut ist, was wir mit ihnen veranstalten, wenn sie 1. noch gar nicht wissen, ob und was sie mal studieren wollen und 2. selbst wenn sie wissen was, nicht wissen, was in diesem Studium dann so auf sie zukommt?


    Ich habe noch nicht final entschieden, welcher Gruppe es leichter ist zu erklären, wozu sie an der Schule hocken und mir zuhören sollen. Muss ein Berufslernender in der Chemiebranche wirklich selber ausrechnen können, wie viel Kühlwasser er für einen bestimmten Reaktionsansatz bereitstellen muss? Nein, muss er eben nicht. Dafür gibt der Betrieb ja eine entsprechende SOP raus, die derjenige, der die Anlage bedient, gefälligst 1 : 1 umzusetzen hat. Genauso wenig muss einer, der mal Jura studieren will, wissen, wie man Nikotin in der Skelettschreibweise darstellt. Dem potentiellen Jura-Studenten kann ich an der Stelle eigentlich nur noch mit der vermeintlichen intellektuellen Herausforderung dienen.


    Schlussendlich denke ich, man darf die Gruppendynamik in einer Klasse nicht unterschätzen. Wenn die Stimmung schlecht ist, kann man sich den Mund fusslig reden, dann nehmen die überhaupt keine Weisheiten mehr an. Faszinierend finde ich da immer wieder, dass oft nur 2 - 3 SuS pro Klasse ausreichen, um alles kaputt zu machen. Aus diesem Grund befürworte ich dann doch ein gewisses Mass an Intoleranz gegenüber einzelnen Miesmachern. Notfalls auch mit Disziplinierungsmassnahmen, die für den Lernfortschritt der betreffenden Individuen sinnlos sind. Um mit einer Gruppe produktiv arbeiten zu können, muss ja zumindest ein ansatzweise lernfreundliches Klima herrschen. Das schliesst nicht aus, dass man sich abseits der Gruppe weiterhin individuell um die besonders schwierigen Fälle kümmert.

  • Ich möchte hier keine Werbung machen. Aber ich möchte euch gerne die Mathe-Aufgaben aus dem Berufsalltag empfehlen, die man auch sehr gut abwandeln (vereinfachen) kann. Diese Hefte haben mir schon oft geholfen, den Schülern klarzumachen, dass man Mathe tatsächlich im Beruf braucht.

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei meinen helfen würde.
    "Hääää, was soll das denn? Ich will doch nicht Bäcker/Friseur, XY werden..." ('Hääääää' ist dss am häufigsten versendete Wort.)

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