Geld für gute Noten ?!

  • Hallo Zusammen,
    ich studiere Primare und elementare Bildung mit dem Nebenfach Philosophie. In einem sehr interessanten Philosophieseminar behandeln wir das Buch „Was man für Geld nicht kaufen kann – die moralischen Grenzen des Marktes“. Innerhalb dieses Buches versucht der Philosoph und Ökonom Michael J. Sanders herauszufinden - wie der Titel es schon vermuten lässt – was man für Geld nicht kaufen kann. Unteranderem geht er auch auf das Thema „Geld für gute Schulnoten“ ein. Hierbei präsentiert er verschiedene Studien, vorzugsweiße aus dem amerikanischen Raum, in denen versucht wurde Geld als motivationalen Anreiz für bessere Noten, Verhalten und gutes Benehmen gegenüber Lehrpersonal zu nutzen. Unteranderem wurden Lernenden der vierten Klasse bis zu 25 Dollar für eine 1 bezahlt, was pro Jahr/Kind bis zu 230 Dollar bedeutete. In anderen Versuchen wurde Geld für bloße Anwesenheit im Unterricht vergeben. Rekord waren hierbei 530 Dollar für die bloße Teilnahme am Unterricht. Dies geschah eher mit mäßigen Erfolg, da sich dadurch nicht die Leistungen der schwächeren Schüler signifikant verbesserten. Auch spricht Michael J. Sanders über Bonuszahlungen an Lehrkräfte, welche nachweißlich die Leistungen ihrer Schüler verbesserten. Im Rahmen eines Referats wollte ich daher Lehrer, Referendare und Studenten befragen, wie sie diesen Versuch der Motivationssteigerung bewerten würden. Da mir leider im Moment die Zeit fehlt eine Interviewreihe an Schulen durchzuführen, erhoffe ich mir in diesem Forum ein paar Meinungen zu sammeln. Interessant wäre für mich, wie ihr diesen Versuch bewertet und ob ihr der Meinung seid, dass die die intrinsische Motivation am Lernen durch eine extrinsische Motivation verdrängt wird.
    Vielen Dank schon im Voraus.

  • ob ihr der Meinung seid, dass die die intrinsische Motivation am Lernen durch eine extrinsische Motivation verdrängt wird

    Hm - da sich die Noten der Schüler laut Deiner Aussage nicht verbessert haben: Wohl eher nicht. Offensichtlich kann man Motivation eben auch nicht kaufen.


    Ach so, und was wohl passiert, wenn man die Leistung von Lehrern an den von ihnen vergebenen Noten festmacht und (finanziell) honoriert, müssen wir wohl nicht weiter diskutieren.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Als ich noch zur Schule ging, bekam ich auch Geld für Noten, egal ob für schriftliche oder mündliche Leistungen. Für eine 1 gabs 1 Euro, für eine 2 50 Ct und für eine 3 25 Ct. Für eine 4 musste ich 25 Ct. zurückzahlen, für eine 5 50 und für eine 6 1 Euro. Nebenher bekam ich ein kleines Taschengeld, da ich mir ja durch gute Noten Geld dazuverdienen konnte. Dieses "System" hatte ich ab der 5. Klasse und ich glaube bis zur 9. Danach wollte ich das nicht mehr, was auch ok war.
    Für mich war diese Handhabe lernfördernd, zumal ich Mitspracherecht hatte und mir dies nicht aufgezwungen wurde. Deshalb glaube ich, dass es im Einzelfall recht hilfreich sein kann.

  • Ich finde die Frage interessant. Man könnte argumentieren, dass wir alle, die wir Leistung erbringen, bezahlt werden (Lehrer, Handwerker, Politiker :D). Warum sollten Schüler nicht für ihre Leistung bezahlt werden? Wenn man aber weiter denkt, wird durch die Leistung der oben genannten Berufssparten ein "Kunde" (ich nenne es jetzt vereinfacht so) bedient, den wir durch unsere Leistung zufrieden stellen. Da Schule aber mit ihren Abschlüssen und Kompetenzvermittlungen darauf abzielt, dass der Einzelne für sich selbst diese Berufe "erarbeitet", sehe ich die staatliche Vergabe von Geld für gute Noten nicht als fördernd für die Eigeninitiative der Kinder/jungen Erwachsenen.

    Wer sich selbst zum Schüler hat, hat einen Esel als Lehrer.


  • ...ob ihr der Meinung seid, dass die die intrinsische Motivation am Lernen durch eine extrinsische Motivation verdrängt wird.

    Noten sollen nach landläufiger Meinung ja bereits extrinsisch motivieren. Insofern könnte sich die Frage auch auf Notengebung, anstatt auf Bezahlung der Noten beziehen.


    Problem bei kleinen Schülern vor allem: sie können ihre Noten nicht beeinflussen. Auf einen Vokabeltest im siebten Schuljahr kann man lernen, den Zahlenraum bis 20 kann ein/e Siebenjährige/r aber entweder begreifen oder nicht.


    Aus eigener Erfahrung an einer Schule ohne Noten und aus Erfahrung an Schulen mit bildungsferner Klientel weiß ich: Noten haben keinerlei Relevanz für den Lernerfolg oder die Motivation. Dass man sich im Laufe seines Schullebens daran gewöhnt, weil Noten in "bildungsnahen" Schichten eine große Rolle spielen, steht wieder auf einem anderen Blatt.


    Extrinsische Motivation verdrängt m.E. nicht die intrinsische, sie kann aber auch keine intrinsische M. hervorrufen. Das weiß jeder, der einen gut bezahlten Job hat, der ihn aber trotzdem unglücklich macht.

  • Die Meinungen gehen ja anscheinend auseinander. Ich denke auch, dass es keine Lösung für dieses Thema gibt, da man in unterschiedlichen Fällen diffrenzieren muss, wann ein solcher Anreiz gerechtfertigt ist oder auch nicht. Oft wird im Buch angesprochen, dass leistungsstarke Schülerinnen und Schüler durch einen finanziellen Anreiz sich verbessern, da sie bereits wissen, wie sie effektiv lernen können. Bei lernschwachen Lernenden tritt hingegen Frustration über die schlechte Note und über das verpasste Geld ein.


    Interessant war hingegen in der Studie, dass sich ein Teil der Kinder im Leseverständnis langfristig verbessern konnten. Schülerinnen und Schüler einer Grundschulklasse erhielten pro gelesenes Buch 2 Dollar. Das Leseverständnis wurde in genormten Tests später getestet.


    Interessant finde ich neben finanziellen Anreize auch, sagen wir mal, Anreize wie Events wie z.B. Freikarten für ein Fußballspiel, usw. Wass haltet ihr denn davon?

  • Ich selbst habe Geld für Noten bekommen. Das war aber nicht der Anreiz, um mich anzustrengen. Ich hatte einfach Lust dazu. Dass ich für meine Erfolge Geld bekam, fand ich einfach nebenbei nett. (Meine Eltern hätten sich das Geld auch sparen können. Allerdings war nicht ihr Ehrgeiz der Grund für die Zahlung, sondern ihre Freude über meine Noten. Meine Eltern waren da sehr entspannt.)


    Sinnvoll ist eine solche Regelung vermutlich wirklich für reine Übungsangelegenheiten. Dass man umso besser lesen kann, je mehr man liest, ist sehr einleuchtend. Das ist reine Übungssache. Genauso wie Vokabeln zu lernen.
    Mich hätte man auch mit der größten Verlockung nicht auf eine 1 in Mathe gebracht ...


    Hängt vom einzelnen Kind und der familiären Gesamtsituation ab, ob so etwas funktioniert. Pauschal lässt sich das nicht beantworten.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Man könnte argumentieren, dass wir alle, die wir Leistung erbringen, bezahlt werden (Lehrer, Handwerker, Politiker :D). Warum sollten Schüler nicht für ihre Leistung bezahlt werden?

    Das werden sie (die Schüler) doch: Die Währung heißt Bildung (die dann gegebenenfalls auch in entsprechende Zertifikate mündet).

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Der Autor heißt Sandel, nicht Sanders. Ich habe das Buch (und sein Buch "Gerechtigkeit") mit großem Gewinn gelesen und kann es nur empfehlen. Wenn man nur in "Währung" denkt, dann wird aus allem Ware, sagt er. Und fragt nachdrücklich: Was macht das mit uns?


    Wenn Menschen merken, dass Blut (oder Organe) wie Waren gehandelt werden, dann sind sie wenig geneigt, ihren eigenen Körper für solche Deals zur Verfügung zu stellen. Ähnlich ist es auch beim Ehrenamt: Es lebt geradezu davon, dass man es *nicht* für Geld tut. Wenn eine Strafzahlung als Gebühr aufgefasst wird, dann wird sie nicht bewirken, was sie bewirken soll, nämlich ein Verhalten verhindern (Eltern sollten ihre Kinder pünktlich vom Kindergarten abholen, anderenfalls waren 5 Dollar fällig. Was ist passiert? Die Eltern fanden das prima, kamen später und bezahlten die Gebühr, sie waren dankbar dafür. Wer genug Geld hat, den juckt auch kein Knöllchen).


    "Währung" sind auch Noten, deshalb kommt man sich ja manchmal vor wie auf dem Basar, wenn man Noten bespricht. Aber was bedeutet das? Lernt man dadurch mehr? Vielleicht, manchmal, aber bestimmt nur auf kurzen Durststrecken. Aber es kann eben auch das Gegenteil bewirken.


    Übrigens gilt ganz ähnlich: Wenn man Stoff in der Schule behandelt, wird daraus Unterrichtsstoff. Aus einem spannenden Buch wird Arbeit. Aus einem tollen Trick bei Excel wird Klausurvorbereitung.


    Auch ohne das Buch zu kennen habe ich Bezahlung für Noten immer schon absurd gefunden, es als Kind nicht erlebt und bei meinen Kindern nie angewendet. Mir käme es in der Grundschule geradezu fahrlässig vor, das Lernen als käufliche Sache darzustellen. In was für eine Richtung drängt man ein Kind, wenn man sein in dem Alter noch so ungebremstes Bedürfnis zu lernen als etwas darstellt, wofür man eine Gegenleistung erwarten kann. Als sei der Spaß am Neuen nicht Belohnung genug.

  • Oder anders: kleine Kinder lernen jeden Tag mit Freude, es ist eine Selbstverständlichkeit. Man muss ihnen keine Schokolade dafür bieten, damit sie ein neues Wort lernen oder ihren ersten Schritt machen.


    Für Erwachsene gilt dasselbe- ich kenne zumindest niemanden, der sich fürs Saxophonunterrichtnehmen, Volleyballspielen, Meditieren oder Sockenstricken bezahlen lässt. Menschen lernen einfach :)
    (Bis auf die Jahre zwischen 6 und 18, da wirds ihnen oft verleidet...)

  • Schantalle, du hast Recht, Kinder lernen ganz selbstverständlich und gern und sind auch stolz auf ihre Erfolge - man sehe sich den Dreijährigen an, der gelernt hat, die Rutsche zu erklimmen.
    Das Problem an Schule scheint mir, dass die Kinder und Jugendlichen nicht unbedingt das lernen, was sie jetzt gerne lernen würden. Der 45-Minuten Takt (man ist gerade in ein Thema vertieft, hat erste Erkenntnisse gewonnen und würde gern weitermachen... Aber dann erklingt der Gong und der Flow ist vorbei) ist tödlich.


    Eine meiner Klassen, die Geschichte nicht in der schriftlichen Prüfung haben, hat mich gebeten, doch bitte Aktuelles zu behandeln (was im Bildungsplan nicht vorgesehen ist). Nun bemühe ich mich, in Längsaufschnitten von der Geschichte auf die Zeitgeschichte zu kommen, z.B. von Kolonialisierung zu aktuellen Sezessionsbestrebungen. Die ganze Klasse ist dabei und macht mit.


    Das würde für eine Montessori-Pädagogik sprechen, auf jeden Fall für eine Mitbestimmung in der Themenwahl, dann würden die Leistungen auch Spaß machen, ohne dass es dafür Geld gibt.

  • Mein Reden!
    Ich erinnere mich übrigens an genau dieselben Fragen in unserer Schulzeit. Wir hatten eine fantastische Gesellschaftskundelehrerin und gerne hätten wir uns die Fragen zur politischen Welt, in der wir leben erklären lassen. Das Wahlsystem in Frankreich schien uns in diesem Moment einfach nichts mit uns zu tun zu haben.

  • Vielen lieben Dank für die vielen Antworten und Meinungen. :)


    Ich denke, dass Referat wird im Semniar bezüglich einer Diskussion sehr polarisieren.
    Mich würde noch eure Meinung zu Belohnungen in Form von Freikarten für Events interessieren.
    Findet ihr, dass auch solche Anreize nicht genutzt werden sollten ?

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