237000 zu viel Gehalt

  • Das hoch verschuldete Land Nordrhein-Westfalen hat einer Teilzeitlehrerin sechs Jahre lang versehentlich Vollzeitbezüge gezahlt - obwohl sie statt zuvor 41 nur noch 18 Stunden pro Woche arbeitete. Die Pädagogin kassierte und kassierte, bis sie pensioniert wurde.


    In all den Jahren hatte sie das Landesamt für Besoldung nicht über den Fehler informiert - weil sie ihn gar nicht bemerkt habe, argumentierte die Lehrerin vor dem Düsseldorfer Amtsgericht. Dort war sie wegen Betrugs angeklagt. Sie hätte, so der Staatsanwalt, das Amt auf die zu hohen Zahlungen hinweisen müssen. Dazu sei sie als Beamtin verpflichtet gewesen.


    Das Amtsgericht sah die Sache am Montag milder: Wenn die heute 65-jährige Pädagogin die zu viel kassierten 237.000 Euro zurückzahle, könne die Sache wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, sagte der Richter. Schließlich sei das Ganze nicht ihr Fehler gewesen.


    http://www.spiegel.de/karriere…rkt-nichts-a-1100031.html


    Ich bin über die Aufmaerksamkeit der Kollegin und die Angabe der Wochenstundenzahl gestolpert.

  • Dort war sie wegen Betrugs angeklagt. Sie hätte, so der Staatsanwalt, das Amt auf die zu hohen Zahlungen hinweisen müssen. Dazu sei sie als Beamtin verpflichtet gewesen.

    ... und wieder mal ein (zugegeben: für die meisten Beamten niemals relevant werdender und deshalb klitzekleiner) Vorteil für die Angestellten: AG überweist zu viel Gehalt? Sein Problem. "Betrug", wenn ich ihn nicht drauf aufmerksam mache? Muhaha, siehe § 263 StGB [1]. Rückforderung der Überzahlung? Ja, für die letzten sechs Monate. Ansonsten: Nada. Verjährt!



    [1] Auch bei einem Beamten würde ich den Vorwurf des Betrugs gemäß § 263 StGB verneinen, da eine Betrugshandlung immer eine vorsätzliche Täuschung voraussetzt: "Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Worauf der Staatsanwalt sicher hinauswollte, ist die besondere Treuepflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, aus der die Kollegin möglicherweise verpflichtet gewesen wäre, die Überzahlung anzuzeigen.


    PS. Wie dämlich muss man denn sein, so etwas nicht zu bemerken?! Wenn ich von 41 auf 18 Stunden gehe, kontrolliere ich doch schon aus reiner Neugier, wie hoch mein neues Gehalt ausfällt...

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Wie kommst du auf eine Verjährung ab 6 Monaten? Die Regelfrist für Verjährungen liegt bei 3 Jahren ab Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstand UND der Gläubiger davon Kenntnis erhalten hat (oder hätte erhalten können ohne grobe Fahrlässigkeit).

  • Bei mir wurde 2 Jahre zu wenig bezahlt. Das war 2008 und noch ein altes BAT-Gehalt, man hatten den damals bestehenden Altersaufstieg vergessen und das fiel esrt beim nächsten Altersaufstieg auf.
    Ich bekam die fehlenden Bezüge für 6 Monate nachgezahlt, der Rest sei leider verjährt :heul:

  • Da hat jemand die wöchentliche Pflichtstundenzahl eines Landesbeamten (41 in Vollzeit in NRW) mit dem Deputat eines Lehrers verwechselt.


    In Vollzeit bin ich als Landesbeamtin auch zu einer Arbeitszeit von 41 Wochenstunden verpflichtet, habe aber nur ein Unterrichtsdeputat von 25, 5 Stunden.


    Ich vermute, die Kollegin, hat von besagten 25, 5 (je nach Schulform evtl. mehr) auf 18 Unterrichtsstunden reduziert.


    Das nicht zu bemerken, kann nicht sein. Wer in der Lage ist, 2 Staatsexamina zu bestehen, verfügt über eine gewisse Mindestintelligenz und Lebenspraxis. Die hätte einen zwingend in die Lage versetzt, das zu bemerken.


    Ich weiß doch, wenn ich reduziere, wird mein Gehalt weniger. Das muss ich doch in meinem Lebensentwurf irgendwie einkalkuliert haben, wenn ich nicht gerade mit einem Multimillionär verheiratet bin und ich meinen Beruf eh nur als Hobby betreibe. Also muss ich mich doch wundern, wenn alles beim Alten bleibt.

  • Es geht ja hier nur um die strafrechtliche Würdigung, zurückzahlen wird sie es trotzdem müssen!

  • Aber wie? Sie bekommt ja nur eine verminderte Pension, weil sie ja jahrelang Teilzeit gearbeitet hat und Pension ja eh weniger Geld bedeutet als Gehalt. Ein gewisser Selbstbehalt muss ihr ja gelassen werden. Wahrscheinlich ist sie längst hops, bevor sie alles zurückgezahlt hat.

  • Wie kommst du auf eine Verjährung ab 6 Monaten? Die Regelfrist für Verjährungen liegt bei 3 Jahren ab Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstand UND der Gläubiger davon Kenntnis erhalten hat (oder hätte erhalten können ohne grobe Fahrlässigkeit).

    Laut Tarifvertrag sind Ansprüche innerhalb von 6 Monaten geltend zu machen, sonst sind sie verjährt!


    Aber wie? Sie bekommt ja nur eine verminderte Pension, weil sie ja jahrelang Teilzeit gearbeitet hat und Pension ja eh weniger Geld bedeutet als Gehalt. Ein gewisser Selbstbehalt muss ihr ja gelassen werden. Wahrscheinlich ist sie längst hops, bevor sie alles zurückgezahlt hat.

    Bei der Summe kann es doch gut sein, dass sie einen Großteil davon gespart hat.

  • Wenn ich mich aus welchen Gründen auch immer in einem Leben mit Vollzeitgehalt eingerichtet habe, dann habe ich diesen Betrag nicht notwendigerweise auf der hohen Kante - es sei denn, ich habe auch nicht bemerkt, dass es fürs Tages- und Festgeld faktisch keine Zinsen mehr gibt.


    Auch wenn ich jetzt vielleicht Haue kriege, aber die Dame ist ja schon pensioniert und gehört einer Generation an, die die Emanzipation zwar selbst erlebt und gelebt hat, aber in der viele Frauen ihren Männern die Geldangelegenheiten und den Papierkram überlassen haben. Ich kenne aktuell hier auch Familien, die ungefähr in meinem Alter sind, also eine Generation unter der pensionierten Kollegin, wo die Ehefrauen teils auch nicht wissen, was ihre Männer verdienen oder wie viele Schulden noch auf ihrem Haus sind.


    Was das Sterben vor Ende der Rückzahlung angeht, so wäre doch der Ehemann Erbe der Frau. Wenn seitens des LBV nun eine Rückforderung in sechsstelliger Höhe besteht, dann müsste man einmal erbrechtlich klären, ob das Erbe der Frau dann nicht als "überschuldet" gilt und er das Erbe ggf. sogar ausschlagen muss.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Da hat jemand die wöchentliche Pflichtstundenzahl eines Landesbeamten (41 in Vollzeit in NRW) mit dem Deputat eines Lehrers verwechselt.

    Das glaube ich nicht. Wenn sie "nur" von 25,5 auf 18 UStd. reduziert hätte, wären wohl kaum über 230.000 Euro Überzahlung aufgelaufen. Das sind immerhin seit 2009 jeden Monat fast 2.300 Euro zu viel.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Aber welcher Lehrer hat denn ein Deputat von 41 Stunden? Damit muss ja die Stundenzahl gemeint sein und nicht das Deputat.


    Umgekehrt: Wenn die 18 Stunden nicht das Deputat sind, sondern die Stundenzahl, dann hätte sie ja unterhälftig gearbeitet und das geht in NRW nur in Elternzeit. Und so kurz vor der Pensionierung wird die gute Dame wohl kaum in Elternzeit gewesen sein ;)

  • Aber welcher Lehrer hat denn ein Deputat von 41 Stunden?

    Keiner, aber wo liest Du das denn aus den 41 Stunden heraus? Teilzeit wird übrigens auch bei Lehrern soviel ich weiß immer stundenmäßig berechnet, nicht deputatsmäßig.

    Wenn die 18 Stunden nicht das Deputat sind, sondern die Stundenzahl, dann hätte sie ja unterhälftig gearbeitet und das geht in NRW nur in Elternzeit

    ... oder zur Pflege eines Angehörigen. Kann also durchaus sein.


    Lass uns doch mal rechnen:


    Seit 2009 - nehmen wir der Einfachheit halber also an: innerhalb von sieben Jahren - sind 237000 Euro Überzahlung aufgelaufen. Macht pro Jahr 33857 Euro, pro Monat 2821 Euro. Nehmen wir nun an, die Kollegin hätte wirklich von 25,5 auf 18 UStd. reduziert, ihr fehlen also 7,5 UStd. pro Woche, 30 im Monat. Dann würde ihr pro Deputatsstunde Gehalt in Höhe von 94 Euro zustehen, bei einem vollen Deputat also 25,5*4*94 = 9588 Euro. Sorry, nicht im Schuldienst. Nicht in NRW. Da sind wir absolut im Bereich der mittleren B-Besoldung, Ministerialdirektor aufwärts.


    Andersrum: Reduktion von 41 auf 18 Stunden, also auf 43,9 %. Dann würden die überzahlten 2821 Euro einem Vollzeitgehalt von 6426 Euro entsprechen. Immer noch reichlich viel, aber mit (vom Land mit ziemlicher Sicherheit falsch berechneten) Zinsen schon eher realistisch.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Als Lehrerin 6400 € Vollzeitgehalt? Das geht einzig und allein mit A 16 in Stufe 12, also der allerletzten Stufe. Die hätte sie wohl erreichen können. Aber dazu hätte sie dann Schulleiterin einer großen weiterführenden Schule sein müssen. Ich finde, da ist der Artikel dann ein wenig irreführend, man stellt sich laut deren Beschreibung ja eher eine einfache Lehrerin vor. Aber nun gut.

  • Tja, sowohl die Arbeitszeitangabe (statt 41 Stunden dann 18 Stunden) als auch die hohe Gehaltsdifferenz sprächen dafür, dass es sich um eine Lehrerin in der Schulaufsicht, Ministerium (man beachte: Amtsgericht Düsseldorf) oder ähnliches gehandelt hat...


    Achja, bei Hartz IV:

    Zitat

    Dabei spielt auch die überzahlte Summe eine Rolle. Hat das Jobcenter wegen der fehlenden Angaben zuviel Leistung gezahlt und übersteigt die Summe den Betrag von 300 bis 500 Euro, werde in der Regel „von einem Betrugsversuch ausgegangen“, berichtet Deutschmann aus der Praxis.

    http://www.taz.de/!5048589/

  • Also hier ist die Rede von monatlich 2000€ zuviel über 5,5 Jahre:
    http://www.rp-online.de/nrw/st…alt-gezahlt-aid-1.6078452


    Zitat

    Als Kunstlehrerin habe sie sich "mit Mathematik nie beschäftigt". So versuchte eine Pädagogin (65) am Montag dem Amtsgericht zu erklären, warum sie in Altersteilzeit mehr als fünfeinhalb Jahre lang nicht bemerkt habe, dass sie vom Landesamt für Besoldung noch als Vollzeitkraft verbucht und bezahlt wurde.


    Die Kunstlehrer mal wieder, irgendwie passt das schon... ^^


    Aber 5,5*12*2000€ = 132.000€



    Gibt's in NRW soviel Weinachstgeld? Wir in Niedersachsen bekommen nichts...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Achja, bei Hartz IV: taz.de/!5048589/


    Dabei spielt auch die überzahlte Summe eine Rolle. Hat das Jobcenter wegen der fehlenden Angaben zuviel Leistung gezahlt und übersteigt die Summe den Betrag von 300 bis 500 Euro, werde in der Regel „von einem Betrugsversuch ausgegangen“, berichtet Deutschmann aus der Praxis.


    Was mit Hartz4-Empfängern gemacht wird, ist ohne Zweifel schandbar... aber: Die juristisch entscheidende Passage habe ich Dir mal unterstrichen. Hier geht es um "Unterdrückung von Tatsachen", die der Geschädigte (hier das Jobcenter) nicht kennen konnte. Dass jemand in Teilzeit gegangen ist, ist nun gerade keine Tatsache, die dem Dienstherrn unbekannt ist.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

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