Konkurrenz zwischen Schulen

  • Hallo zusammen,


    welche Erfahrungen habt Ihr mit Konkurrenz zwischen Schulen gemacht und wie denkt Ihr über dieses Thema?






    (Zum Hintergrund meiner Frage:
    Dass Schulen um Schüler konkurrieren scheint mir unstrittig zu sein. Ich frage mich, ob das eine gute, oder eine schlechte Sache ist.


    Ein paar Eindrücke dazu: Durch die Konkurrenz ist es z.B. enorm wichtig geworden, wie sich eine Schule nach Außen präsentiert. Arbeit von Lehrkräften fließt in diesen vielfältigen Bereich.
    Es gehört zum Charakter des sich präsentieren, dass die Schulen sich stets von ihrer besten Seite zeigen. Probleme wie Sanierungsbedarf des Gebäudes oder mangelhafte Ausstattung gehören nicht ins Portfolio. Durch aktuelle Trends in der Schulentwicklung kämpfen Schulleitungen und Kollegien um ihre Schülerzahlen, von denen ihr Standort abhängt. Werden potentielle Schüler, z.B. bei internen Infotagen oder externen Messen, tatsächlich noch beraten, oder schon angeworben?
    Der Einfluss, den ein Kollegium auf strukturelle Maßnahmen eines Schulträgers nehmen kann scheint mir äußerst Begrenzt. Dennoch arbeiten sich manche Kollegen daran ab. Allgemeinbildner sind, zumindest beruflich, nicht an einen Standort gebunden. Anders sieht es jedoch z.B. bei beruflichen Fachkundelehrern aus.
    Auch hier scheint mir das Verhältnis des Aufwands von Werbemaßnahmen und Schüler-Akquise in keinem guten Verhältnis zu stehen. Wenn ein Beruf ausstirbt, liegt das kaum an der Präsentation des Schulstandorts, sondern z.B. den Verdienstmöglichkeiten.
    Die Präsentation nach Außen richtet sich nicht nur an potentielle Schüler, sondern teilweise an den Schulträger selbst. Anstatt den Schulträger auf Probleme hinzuweisen und z.B. um Unterstützung hinsichtlich sachlicher Mittel zu bitten, wird versucht auch bei ihm den Eindruck einer perfekten Schule zu vermitteln, aus Angst ein schlechter Eindruck könnte im Konkurrenzkampf nachteilig werden und eine andere Schule irgendeinen Vorzug bekommen.
    Kurzum, mein bisheriger Eindruck ist, dass sich die Beteiligung an der Konkurrenz um einen Standort nicht lohnt, da man dies kaum beeinflussen kann und sich womöglich daran abplagt und darüber hinaus das „Präsentieren“ dieser Art zu Unehrlichkeit führt.)

  • Das Problem sehe ich bei uns auch. Es wird hauptsächlich auf die Anmeldezahlen geschaut um die Arbeit der Schulleitung zu beurteilen, was dann dazu führt, dass die alles tut um die Anmeldezahlen so hoch wie möglich zu bekommen. Das führt dann dazu, dass auch das Kollegium unglaublich viel Zeit in die Außendarstellung investiert, die eventuell im Kerngeschäft Unterricht besser investiert wäre.


    Das führt dann zu lustigen Ideen (an unterschiedlichen Schulen mitbekommen) wie:
    - Wechsel zu G9 (weil bei den Eltern sooo beliebt und in NRW als Modell möglich)
    - Wechsel zu inklusiver Beschulung (niedrigere Klassenstärken notwendig/Lehrerstellen können gehalten werden)
    - Annahmen aller Schüler die zur Anmeldung kommen, unabhängig von der Grundschulempfehlung


    Das Problem ist doch: Was willst du dagegen tun? Die Schülerzahlen sinken seit Jahren, das Land nutzt das aber nicht um die Schüler-Lehrer-Relation zu verbessern, das heißt eben dann dass Schulen zugemacht werden müssen. Eigentlich könnte das Lehrern und Schulleitung egal sein, sie würden ja eine andere Stelle anderswo bekommen (das sieht man in NRW zur Zeit sehr schön am Sterben der Hauptschulen, die Kollegen kommen alle an neuen Sekundarschulen oder alten bestehenden Schulen unter), aber niemand mag Veränderung wenn er sie nicht abschätzen kann...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Meine Schule muss sich nicht wirklich viel Sorgen um ihren Standort machen. Wir haben einen guten Ruf und außerdem sind wir eine Institution im Stadtteil. Durch den hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund und deren große durchschnittliche Familiengröße, gibt es immer Nachschub, denn die allermeisten Eltern melden ihre Kinder dort an, wo auch schon ältere Geschwister oder diverse Cousins und Cousinen zur Schule gehen. So ist es bei uns eher regelmäßig so, dass zu viele Fünftklässler angemeldet werden und daher Schüler abgelehnt werden müssen.

  • Auch das kann aber problematisch werden. Ich kenne eine Schule die dauerhaft vier- oder fünfzügig in ein Gebäude aufnimmt, das für drei Züge konzipiert wurde. Gründe sind dieselben, die oben angesprochen wurden, das heißt der Schule wird ihr eigener Erfolg und guter Ruf zum Verhängnis. :)


    Die Angst ist hier glaube ich, dass zu viele Ablehnungen irgendwann dazu führen, dass manche Eltern sich gar nicht mehr trauen ihr Kind dort anzumelden.

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  • Hallo Morse,


    mit Deinem ersten Beitrag sprichst Du ein Thema an, das mich schon lange beschäftigt und das ich für (im negativen Sinne) sehr konsequenzenreich für den Schulalltag halte. Ich unterrichte in einer Großstadt mit fast 10 Gymnasien und der alljährliche Zirkus der Präsentationsveranstaltungen und der spätere Vergleich, wie viele Schüler sich dann wo angemeldet haben, ist schon albern. Wie Valerias schreibt: Erfolgreich ist die Schulleitung mit den meisten Anmeldungen. Was für ein Quatsch!


    Ich sehe im Wesentlichen zwei Zusammenhänge:


    1. Immer wieder wird suggeriert, unsere Arbeitsplätze hingen vom Bestand einer Schule ab. Das stimmt selbstverständlich nicht, wie Valerianus ja auch schon schrieb. Es ist aber offenbar eine probate Strategie, das ultimative Drohszenario „Schließung / Umwandlung der Schule, wenn zu wenige Schüler angemeldet werden“ aufrechtzuerhalten, um mehr Mehrarbeit außerhalb des Kerngeschäfts als existenziell notwendig darzustellen. Damit muss der Druck, sich zusätzlich zu engagieren, immer weniger von der Schulleitung ausgeübt werden: Jeder, der sich den Schuh „klare Identifikation mit unserer Schule“ anzieht, wird sich selbst genügend Druck machen, um an der massiven Profilierung der Schule weit über das normale Arbeitspensum hinaus mitzuwirken.


    Wenn man sich vergegenwärtigt, dass unsere eigentliche Kernaufgabe ist, SuS möglichst gründlich auf das Abitur vorzubereiten, kann einem die Fülle der Arbeitsstunden, die wir auf die Profilierung der Schule verwenden, geradezu als Veruntreuung erscheinen. Es kann nicht sein, dass hunderte Landesbeamte, die in X-stadt an Gymnasien arbeiten, so viel Energie in die Konkurrenz zwischen den Schulen stecken. Am Ende machen die meisten unserer SuS Abitur, egal an welcher Schule. Absprachen bezüglich Schwerpunktsetzungen sind natürlich sinnvoll, aber es sollte nicht Ziel sein, andere Schulen schlechter aussehen zu lassen.
    Das Land forciert natürlich die Entwicklung, viel Energie in den Konkurrenzkampf zu stecken, da der Wunsch, sich von anderen Schulen abzusetzen, von systemischen Mängeln ablenkt bzw. diese Mängel freiwillig durch Mehrarbeit kompensiert werden. Die Aufspaltung einer Gruppe schwächt diese natürlich! Wir fühlen uns in der Regel mit Mitgliedern des eigenen Kollegiums solidarisch, aber viel seltener mit den Kollegen anderer Schulen.


    2. Noch ein wichtiger Punkt und in meinen Augen verhängnisvoll ist die "Entwicklung der Schule in Richtung Dienstleistungsunternehmen". Es gibt ja schon Schulleitungen, die ganz offensiv sagen: "Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen." Auch wenn das nicht so offen gesagt wird, laufen immer mehr Strukturen in diese Richtung. Wenn wir um Schüler werben / buhlen, begeben wir uns ganz automatisch in eine schwache Position. Wir werben eben, also wollen wir etwas von unseren "Kunden".


    Das passt aber überhaupt nicht mit unserer hoheitlichen Aufgabe zusammen, nämlich die Schulpflicht durchzuführen und m Zweifel auch durchzusetzen. Ich bekomme immer Ausschlag, wenn Schüler am Lehrerzimmer klopfen und diejenigen, die zur Tür gehen, dann in Hörweite des Schülers sagen, "XY, Du hast Kundschaft!" Das mag eine Kleinigkeit sein, aber unterbewusst werden Mechanismen bedient, mit denen wir uns in eigene Fleisch schneiden: Der Kunde ist halt König! Und immer mehr Schüler (und deren Eltern) verhalten sich auch so, bollern an die Tür und fordern sofortige Bedürfnisbefriedigung. (So wie Eltern immer wieder am Wochenende sofortige Email-Beantwortung fordern) Das hat selbstverständlich ganz verschiedene Gründe, aber ein Baustein ist auch diese Entwicklung in Richtung "Kunde".


    Ich wünsche allen gute Erholung und föne Scherien!


    Brasstalavista

  • Besser als Brasstalavista kann man es nicht mehr ausdrücken.
    Was wären die meisten Kollegen froh, wenn sie sich uneingeschränkt dem Kerngeschäft - den Schülern - zuwenden könnten.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Was ihr noch gar nicht angesprochen habt, ist die Plakettenjagd, die die Schulen betreiben - sei es die Plakette für sportfreundliche Schule, Umweltschule, Schule gegen Rassismus etc. Diese Initiativen sind im Prinzip sicherlich sinnvoll, aber wenn eine Schule versucht möglichst viele Plaketen zu bekommen - dann fällt dafür zwangsläufig regulärer Unterricht aus. Außerdem konkurrieren die Schulen noch bei der Zahl ihrer Autausche, Klassenfahrten, Herausforderungsprojekten, Projektwochen etc. Das sind halt alles Sachen, die sich auf der Homepage gut verkaufen lassen. Bei meinem diesjährigen Oberstufenkurs haben im zweiten Halbjahr an 15 von 37 Terminen Schüler gefehlt, weil irgendwelche anderen schulischen Veranstaltungen stattgefunden haben.
    Viele Eltern von Grundschulkindern hier, wünschen sich daher mittlerweile eine weiterführende Schule, die mit gutem Unterricht wirbt und diesen dann auch stattfinden lässt.


    Viele Grüße
    Seepferdchen

  • Bei meinem diesjährigen Oberstufenkurs haben im zweiten Halbjahr an 15 von 37 Terminen Schüler gefehlt, weil irgendwelche anderen schulischen Veranstaltungen stattgefunden haben.

    Kenn ich! Nervt so!! Und dann, Wochen später - meist kurz vor der Klausur so: "Frau Meikeeee, haben Sie das Arbeitsblatt vom 16.3. noch? Falls sie da eins ausgeteilt hatten? Und vom 3.4.? Und was haben wir denn am 13.5. gemacht?" :/

    Viele Eltern von Grundschulkindern hier, wünschen sich daher mittlerweile eine weiterführende Schule, die mit gutem Unterricht wirbt und diesen dann auch stattfinden lässt.

    Ich mir auch. Aber so lange Verpackung mehr als Inhalt zählt, wie überall im Leben... :/

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  • Seht es positiv, die SchülerInnen fragen noch nach den Zetteln. Ich hatte 32 SuS im Kurs und alle paar Wochen mindestens 5-6 Zettel pro AB weggeschmissen...
    Da aber 22 SuS 'nur so' im Kurs sitzen und keine Klausur schreiben, ist es denen total egal...
    Nach der Klausur beschwerte sich aber ein Schüler (der das Fach im Abi hat), dass er an dem Tag, an dem wir die abgefragten Definitionen von Armut erarbeitet haben, nicht da war. Gut, sie waren Grundlage der darauf folgenden Stunden aber er konnte doch nicht wissen, dass es wichtig war...

  • Vielleicht gibt es dafür ja demnächst auch eine Plakette als Alleinstellungsmerkmal, nachdem die Schüler es als Herausforderung bewältigt haben, sich darim zu kümmern, dass sie versäumten Stoff nachholen.


    Werbung mit gutem Unterricht, das wäre in der Tat mal etwas, worüber man nachdenken sollte.

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