Gewaltandrohung in der Volksschule

  • Hallo!


    Ich habe nun schon öfters gute Tipps hier gefunden und bräuchte erneut euren Rat.


    Einer meiner Schüler hört überhaupt nicht auf mich, macht “was er will“ und fordert enorm viel Aufmerksamkeit ein. Er hat keine einfachen Familienverhältnisse, das weiß ich, und er wurde im Vorjahr (Ich habe diese 4. Klasse heuer übernommen) bereits für ein Monat suspendiert.


    Ich habe versucht ihm die ersehnte Aufmerksamkeit nur bei positivem Verhalten zukommen zu lassen, schlechtes Benehmen, so weit es geht, zu ignorieren. Das finden, verständlicher Weise, die anderen überaus unfair.


    Nun hat das Ganze außerdem ein neues Level erreicht, da der Schüler anderen Kindern mit Prügel und Umbringen droht. Mir ist klar, dass er dies tut um sich cool zu fühlen und diese Drohungen nicht in die Tat umsetzen will/wird, dennoch muss ich etwas dagegen tun.


    Ich habe die Mutter bereits des Öfteren um ein Gespräch gebeten, sie ist aber anscheinend krank und kann daher nicht kommen. Auf Anrufe reagiert sie nicht.


    Ich suche immer wieder das Gespräch mit dem Schüler, versuche transparent zu erklären, warum sein Verhalten die entsprechenden Folgen hat, er zeigt sich dann reuig und einsichtig, es scheint beinahe, als wollte er nicht stören, könne aber einfach nicht anders (das ist nur mein Eindruck, vielleicht wickelt er mich auch nur geschickt um den Finger).


    Habt ihr Erfahrungen mit solchen Situationen und könnt mir vielleicht weiterhelfen?


    Ich würde gerne eine langfristige Lösung finden und das Problem nicht einfach nur vor mich herschieben (die Suspendierung hat ja offensichtlich nicht viel gebracht).


    Vielen Dank jedenfalls im Vorhinein!
    Sus

  • Hallo,


    schlechtes Benehmen zu ignorieren, hießt, dass du es billigst. Ich würde hier die Schulleitung einschalten. Wenn er schon länger suspendiert war, ist der nächste Schritt der endgültige Schulausschluss.


    Die Schulleitung sollte dem Buben ein letztes Mal klar machen, wie er sich zu benehmen hat... Ansonsten, bye bye...


    Grüße,
    Mrs Pace

  • An Berliner Schulen existiert ein sog. Notfallordner mit Notfallplänen als Handlungsgrundlage zum Umgang mit Gewalt- und Notfallsituationen. Bei wiederholten Drohungen wird die Kooperation mit den Eltern, der Schulpsychologie, dem Jugendamt, dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst etc. empfohlen.

  • Also gibt es kaum eine Möglichkeit dem Buben zu helfen?
    Ich denke nicht, dass ein Schulausschluss ihn “zur Vernunft bringen“ würde, ich hoffe ihr wisst wie ich das meine.
    Natürlich sehe ich aber auf der anderen Seite die anderen Kinder, die unter der Situation natürlich auch leiden.

  • Ist es möglich, den Jungen bei Fehlverhalten von den Eltern abholen zu lassen? Also jedes Mal? So haben wir manche hartnäckigen Fälle (allerdings eher 11 - 15-jährige) gehandhabt.
    Denn neben der Tatsache, dass man natürlich auch dem Jungen helfen möchte, ist es immens wichtig, die übrigen Schüler, die ein Anrecht auf Unterricht und deine Aufmerksamkeit - und auch auf Unversehrtheit (körperlich wie auch seelisch) haben, auch wenn du der Meinung bist, er würde die anderen nie schlagen / verprügeln (wie kannst du dir da so sicher sein??), sie haben ein Anrecht darauf, ohne solche Drohungen durch die Schule zu gehen und deine Verantwortung ihnen gegenüber ist nicht geringer, nur weil sie weniger laut und auffällig deine Hilfe einfordern als der Knabe.


    Ich weiß, die Situation ist ätzend als Lehrer, aber ich würde primär die Aufgabe darin sehen, die anderen (25? 30?) Schüler zu schützen, als meine Energie quasi nur diesem einen Kind zukommen zu lassen. Zumal wenn eben schon diverse Gespräche und eben auch Ordnungsmaßnahmen erfolgt sind.
    Und du kannst nicht alle Kinder "retten", du bist auch nur ein Lehrer, der gegen Umstände/ kaputtes Elternhaus oder oder nicht viel ausrichten kann. Du hast es versucht. Du bietest dem Schüler Möglichkeiten. Du bietest den Eltern Möglichkeiten. Wenn sie diese aber nicht nutzen können oder wollen, kannst du nicht viel machen.
    Und wie gesagt, die anderen Schüler sind genau so wichtig und haben vermutlich auch nicht weniger Probleme, nur weil sie weniger laut "schreien" (und auch eine - für dich vermeintlich unrealistische - Androhung, dass er andere umbringen wolle, ist für die Kinder sehr dramatisch - und ich finde das für einen Viertklässler auch ziemlich heftig...).


    Ist das Jugendamt involviert?

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • - Du redest zu viel mit dem Kind. Sage, was du von ihm erwartest und zwar dann, wenn du es gerade erwartest (setz dich hin, schau nach vorn, fang an zu arbeiten)
    - Dass die Mutter nicht zu erreichen ist, gibts nicht (also gibts natürlich schon, das weiß ich, das darf es aber nicht geben.) Schalte den Schulleiter ein und benachrichtige die Mutter schriftlich mit einem Terminvorschlag, wenn der Schulleiter auch kann. Wenn sie sich auch dann nicht meldet: Jugendamt einschalten!
    - schreibe die Vorfälle auf, damit du weißt, wann was passiert ist und wann du wie reagiert hast (Drohung hier, Stören da, Beschimpfen etc. daraufhin umgesetzt, Einzelgepräch, Zeit nachholen lassen etc.)
    - Schulausschluss ist in Deutschland eine Maßnahme, die nur der Schulleiter verhängen darf (in Österreich sicher ähnlich, siehe Schulgesetze). Wenn er das gemacht hat, gabs schon mal einen massiven Vorfall und der Ausschluss ist gerechtfertigt. Auch wenn das Kind noch so große Probleme hat, darf es nicht alle Mitschüler und Lehrer tyrannisieren, ihr seid nämlich eine Schule und du musst Unterricht machen. Das geht aber nur dann, wenn Kinder nicht Amoklaufen.
    - Du kannst, auch wenn du gerne möchtest, keinem Kind "helfen", im Sinne von "sein Leben besser machen". Du bist Lehrerin, nicht mehr und nicht weniger.
    - Du kannst aber dem Kind helfen, in dem du ihm einen strukturierten Tag bietest, etwas beibringst, ihm sagst, was du von ihm erwartest, ihm ggf. zuhörst, wenn es das braucht und dir weitere Hilfe suchst (Schulleiter-> Jugendamt)

  • Ihr habt mit allem was ihr sagst absolut recht, ich muss auf jeden Fall auf die anderen Kinder achten. Ich war nur dermaßen überfordert mit der Situation, ich wusste garnicht was ich tun soll, ich war auf dieses Ausmaß einfach nicht vorbereitet. Ich versuche schon seit letzter Woche ein Gespräch mit der Mutter zu suchen, erreiche sie aber nicht und auf eine schriftliche Anfrage hat sie auch nicht reagiert. Der Bub sagt, die Mutter habe Telefonnummer gewechselt und er wisse die neue Nummer auch nicht.
    Ich habe nun mit meinem Kollegen gesprochen, werde morgen auch noch die Direktorin hinzuziehen und es einige Male bei der Mutter versuchen. Sollte dies keinen Erfolg bringen, muss ich wohl das Jugendamt einschalten.
    Wie lange darf sich die Mutter “Zeit lassen“, bis sie zu einem Termin kommt/auf Anrufe reagiert?

  • Ich denke nicht, dass ein Schulausschluss ihn “zur Vernunft bringen“ würde, ich hoffe ihr wisst wie ich das meine.

    Jein. Letzten Endes kommen die allermeisten Kinder doch gern in die Schule. Und auch wenn sie emotionale und Verhaltensprobleme haben, können sie sich soweit zusammenreißen, dass nicht noch ein Schulausschluss folgt. Das ist natürlich kein Allheilmittel und nicht die Lösung des Problems. Bei massiver Gewalt muss Schule aber reagieren und Kinder verstehen das durchaus, bzw. riskieren den Ausschluss im Zweifelsfalle nicht noch mal. Gerade wenn sie merken, dass du ihnen wohlgesonnen bist.

  • Wie lange darf sich die Mutter “Zeit lassen“, bis sie zu einem Termin kommt/auf Anrufe reagiert?

    Wüsste keine Regelung. Wir sagen immer: Im Notfall muss jemand zu erreichen sein. Was wär denn, wenn sich der Junge ein Bein bricht?
    Dass sie überhaupt nicht ansprechbar ist, geht m.E. gar nicht.


    Wie gesagt, es ist Schulleitersache, der kennt die Familie ja schon eine Weile. Wenn das Kind auch noch häufig unentschuldigt fehlt, würde ich sogar die Polizei vorbeischicken. "Wir machen uns Sorgen, dass etwas passiert ist, wir erreichen niemanden..." Er ist ja immerhin erst 10.

  • Das Kind ist immer anwesend, gepflegt hat seine Sachen dabei, ich weiß aber nicht, ob er sich da selbst drum kümmert oder er Hilfe hat. Ich weiß, dass er einen großen Bruder (ich glaube er ist 25), denkt ihr ich sollte mich im Fall der Fälle mal an ihn wenden? Ist das vertretbar? Er ist nicht als Kontaktperson angegeben (Das ist nur die Mutter), darf ich das dann überhaupt?

  • Du darfst Informationen über das Kind nur mit den Erziehungsberechtigten besprechen, das sind Geschwister i.d.R. nicht, also darfst du dich nicht an den Bruder wenden. Es müsste aber in der Akte vermerkt sein, wer die Erziehungsberechtigten sind.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Servus,
    natürlich wäre auch für mich die Direktion erster Ansprechpartner. Aber auch der Stadtschulrat hilft in solchen Fällen weiter.
    Die Mutter muss erreichbar sein. Da würde ich vorgehen wie zuvor angesprochen.
    Mit dem Bruder zu reden wäre ich vorsichtig, wegen dem Datenschutz, auch das würde ich mit der Direktion absprechen.
    Man könnte zumindest über ihn mal Kontaktdaten in Erfahrung bringen.
    Hat er Unterschriften im Mitteilungsheft usw.?
    Hat er einen SPF? Das nächste SPZ könnte auch mal ein Ansprechpartner sein.


    Viele Grüße

  • Er hat keinen SPF, er könnte ein super Schüler sein - wenn er wollte. Er kann schnell, genau und richtig arbeiten, tut das aber selten ( auch wenn ihn ein Thema interessiert).
    Unterschriften hat er zumeist, halt in einem für diese Klasse “normalen“ Ausmaß, so wie auch die anderen Kinder.

  • Dankeschön für eure Unterstützung!
    Ich habe heute ein Gespräch mit der Mutter, ich hoffe das zeigt ein wenig Wirkung :)
    Soweit ich informiert bin können wir nur für Kinder mit einer Lernbehinderung oder einer starken Lernstörung um einen SPF ansuchen, ich habe auch in dem geposteten PDF jetzt nichts gegenteiliges gelesen.

  • Nun hat das Ganze außerdem ein neues Level erreicht, da der Schüler anderen Kindern mit Prügel und Umbringen droht.

    Jetzt vergiss mal den Kuschelpädagogen. Da liegt der Verdacht auf eine Straftat nahe (in Deutschland: § 241 StGB, evt. auch §240 StGB). Auf jeden Fall die Schulleitung informieren, wenn wirklich etwas passiert, hast DU sonst die A...-Karte gezogen. Wenn du das Gefühl hast, die Sicherheit der anderen Schüler nicht mehr gewährleisten zu können, musst du das dem Schulleiter natürlich auch sagen, optimalerweise vor Zeugen. Zusätzlicher schriftlicher Hinweis natürlich auch. Und alle Vorfälle dokumentieren.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Es gibt den Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung (EmSoz). Allerdings denke ich auch, dass hier tatsächlich das Jugendamt ein Ansprechpartner sein kann, da die Schilderung doch danach klingt, als liefe zu Hause einiges nicht gut geregelt. Dafür gibt es sicher auch bei euch Familienhilfe. Ich mache da gerade bei mir in der Schule ganz gute Erfahrungen.

  • und? wie lief das gespräch mit der mutter?
    ich würde auch so langsam härtere geschütze auffahren, sprich jugendamt und so.


    bei einigen eltern, die bei uns ebenfalls nicht auf mitteilungen oder anrufe reagieren, kommt dann irgendwann ein offizieller brief, das erste mal mit nem "normalen" termin bei klassenlehrer/in. wenn die mutter/vater/eltern dann nicht auftauchen, gibt es einen zweiten brief mit einem weiteren termin, aber mit der ankündigung, dass die entsprechenden kollegen (meist Klassenlehrer plus mathelehrer) dann, wenn die eltern NICHT in die schule kommen, eine viertelstunde später zu ihnen nach hause kommen, um dort das gespräch zu führen. das hat bisher immer gewirkt, weil es den eltern meist peinlich ist, lehrer ins haus/in die wohnung zu lassen.....

    Wenn das Leben einfach wäre, wäre es ja langweilig!
    Oder nicht?

  • Hallo!
    Entschuldigung, dass ich erst jetzt antworte, es war sehr viel los bei uns.


    Also das Gespräch mit der Mutter war positiv überraschend, sie hat gesagt, dass ich sie jederzeit anrufen kann, wenn es Probleme gibt und sie entsprechende Konsequenzen setzen wird.


    Wie ich nun erfahren habe, wird die Familie bereits vom Jugendamt betreut. Es läuft hier definitiv nicht alles rund, den Grund dafür kenne ich und ich kann nachvollziehen, warum das Kind “schwierig“ ist. (Näher möchte ich an dieser Stelle nicht darauf eingehen.)


    Die Schulleiterin ist ebenfalls bereits eingeschaltet und ich bekomme nun zusätzliche psychologische Hilfe für das Kind und auch andere Kinder der Klasse. Das ist eine große Erleichterung.


    Derzeit läuft alles relativ reibungslos, ich hoffe, dass das so bleibt.


    Vielen Dank jedenfalls für eure Unterstützung!

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