Nach Burnout wieder in die Schule...

  • Hallo,


    ich bin jetzt länger nicht in der Schule gewesen, da ich einen Burnout hatte - aber bald steht mein "Comeback" an.
    So allgemein fühle ich mich einigermaßen gefestigt und bin zuversichtlich, dass das alles gutgeht.


    Allerdings zerbreche ich mich seit einiger Zeit den Kopf darüber, was ich den Kinder in meiner Klasse erzähle. Sie wissen nur, dass ich krank war / bin, aber natürlich nicht, warum. Und wer in der Grundschule arbeitet, weiß, dass Kinder einfach offen fragen - auch ohne irgendwelche Hintergedanken.
    Da habe ich drei Möglichkeiten:
    1. Ich erkläre kindgerecht, was wirklich los war.
    2. Ich erzähle ihnen irgendein "Märchen", was mir aber eigentlich gar nicht liegt. Ich kann schlecht lügen.
    3. Ich sage ihnen, dass ich darüber nicht sprechen möchte, was vermutlich Spekulationen vor allem auch unter den Eltern auslösen würde.


    Eigentlich habe ich wenig Bedenken wegen der KINDER, ich glaube, mit denen kann man reden und die können sowas auch verstehen (wenn man es ihnen entsprechend kindgerecht erklärt). Mehr Bammel habe ich vor der Reaktion der Eltern. Nicht dass ich dann im Dorf komplett durch bin, als "psychisch kranke Lehrerin".


    Hat jemand mit sowas schon mal Erfahrungen gemacht? Also entweder selber oder im Umfeld?

  • "Ich habe so viel gearbeitet, dass ich irgendwann einfach nicht mehr konnte... kennt ihr das, wenn einfach alles zu viel wird und man am liebsten nur noch weinen will? - So ist es mir gegangen. Mein Arzt hat dann gesagt, ich muss eine längere Pause machen, damit ich mich mal richtig auskurieren kann. Das hat mir auch wirklich gut getan, und jetzt freue ich mich riesig, dass ich wieder bei Euch bin!"


    -> So würde ich es in etwa verpacken. Das ist kindgerecht, für die Schüler und Schülerinnen verständlich, und es ist die Wahrheit.
    Die Eltern können sich aus der Formulierung problemlos herleiten, dass Du einen Burnout hattest.


    Und Burnout ist nicht gleichbedeutend mit "psychisch kranke Lehrerin"! Den Schuh würde ich mir auf keinen Fall anziehen.


    Dass man überarbeitet war und alles zu viel geworden ist, dazu kann man stehen, und das dürfen andere auch wahrnehmen, dass es im Lehrerberuf dazu kommen kann.

  • Ich finde es völlig unangebracht, vor seinen Schülern eine solche Erkrankung auszubreiten, kindgerecht oder nicht.


    Und wenn ich mich mal ganz weit aus dem Fenster lehnen darf: sich nicht abgrenze zu können, ist eine der zentralen Risikofaktoren für Burnout. Du warst leider längere Zeit krank, jetzt geht es Dir wieder so weit gut, Ende der Geschichte. Wer da anschließend wie und worüber spekuliert, ist nicht Dein Problem. Wenn Dir so etwas Schwierigkeiten macht (was ja offenbar der Fall ist), wird es höchste Zeit, das zu lernen.

  • Ich würde es vom Eltern- / Schülerklientel abhängig machen. Sind die (meisten) Eltern verständnisvoll oder eher weniger?
    Ich persönlich würde es Schülern / Eltern nicht erzählen (ich bin aber auch nicht an einer Grundschule und ich könnte mir eher vorstellen, dass die Schüler (meinetwegen auch deren Eltern) dumm rumtratschen. Burnout ist ja z.T. leider immer noch vorurteilsbehaftet. Und auf dem Dorf spricht sich sowas ja manchmal auch schnell rum ...:(


    Wenn du dich dafür entscheidest, würde ich die Antwort von der alten Dame gut finden.

  • Selbst unter LehrerInnen hier im Forum ist "Burnout" ein gespaltenes Thema, bis hin zu "selbst Schuld, such dir nen andren Job". Psychische Erkrankungen SIND extrem vorurteilsbehaftet und selbstverständlich wird es Eltern geben, die sich fragen, ob du denn jetzt gesund genug bist, ihr tolles Kind ausreichend zu fördern.
    Ich sehe das auch im Kollegium: Bandscheibenvorfall (Oh Gott, ich weiß wie schrecklich das ist, kann ich dir irgendwie helfen?!) oder Depression (naja, er/sie ist ja auch psychisch krank, da darf man alles nicht so ernst nehmen, was er/sie sagt und ärgerlich, dass ich SCHON WIEDER vertreten muss) etc.pp.


    Ich würde das den Kindern nicht erzählen. Und schon gar nicht mit den oben genannten Beispielen. Eher sowas, wie "ich war lange krank, ihr habt mir gefehlt und jetzt bin ich gesund und freue mich richtig darauf, mit euch zu lernen." Wenn ein Kind doch nachfragt: "das erkläre ich euch später mal." Und nach 3 Tagen denkt kein Mensch mehr dran.

  • Ich würde die Krankheit nicht nennen und erläutern, einerseits wegen schon genannter Gründe.


    Zweitens habe ich den Eindruck, dass selbst meine Schüler (Gymnasium) diese Krankheit nicht verstehen. "Überarbeitung" und "Burnout" können sie bei Berufen z.B. im Krankenhaus verstehen, aber sonst nicht. Sie sagen sich: "In der / unserer Schule ist doch alles in Ordnung, die Lehrer und Schüler sind nett, und zumal sich die Lehrer diesen Beruf doch selbst ausgesucht haben, kann es doch gar nicht sein, dass sie Burnout bekommen".


    Sie können "Abgrenzungsnotwendigkeit zur Arbeit" nicht verstehen, weil für sie Arbeit das ist, was man selbst gewählt hat, wenn man eeeeeendlich aus der Schule raus ist. Z.B. finden Schüler es normal, dass man bei gut bezahlten Berufen stets mobil erreichbar ist, das scheinen sie sogar größtenteils irgendwie gut zu finden.


    Natürlich traue ich Schülern trotzdem zu, das Problem intellektuell zu verstehen, aber wenn ich das im Unterricht thematisieren wollte, bedürfte es eines wohl überlegten Unterrichtskonzeptes, und es müsste so gemacht sein, dass es abstrakt bleibt, damit meine ich, dass der Lehrer nicht als Betroffener agiert.


    Schließlich frage ich mich, ob Grundschüler das überhaut richtig einordnen könnten: Einige würden sich vielleicht lustig machen, andere sich schuldig an Deiner Krankheit fühlen? Bin mir da nicht sicher, aber undenkbar finde ich das nicht.


    Hamilkar

  • Hallo,


    vielen Dank für die Antworten...
    Ja, genau das sind meine Bedenken, viele Leute verstehen nicht, was Burnout ist - und denken außerdem, dass das "bisschen Schule" ja eh ein Kinderspiel ist. (Wobei Burnout - zumindest in meinem Fall - nur zum Teil mit der Schule zu tun hat, da spielt noch viel mehr rein.)


    Eigetnlich dachte ich, dass ich es so ähnlich erklären würde, wie von "Alte Dame" vorgeschlagen... Hmmm, mal sehen.


    Vielleicht kommen ja noch mehr Meinungen!

  • "Ich habe so viel gearbeitet, dass ich irgendwann einfach nicht mehr konnte... kennt ihr das, wenn einfach alles zu viel wird und man am liebsten nur noch weinen will? ...


    Ich frage mal so: was ist dein Ziel?

    • Offizieller Beitrag

    Die Kinder erzählen das dann zu Hause: "die Frau Ketfesem war krank, weil sie wegen der Arbeit immer so viel weinen musste...". Das kommt super, vor allem bei Eltern, die finden, dss wir in einm überbezahlten Halbtagsjob arbeiten. Die ganz fiesen werden bei jeder Note, die ihnen nicht passt, die überforderte Depressive vermuten und darüber tratschen.
    Aber Kinder können natürlich ganz ordentlich nachbohren. Es wäre gut, sich einen kurzen Satz zurecht zu legen, der, wenn es dir nicht liegt, nicht ganz gelogen ist, aber auch nichts aussagt, was dir schaden könnte. "Ich war ziemlich schwer erkrankt, aber jetzt freue ich mich, wieder da zu sein - ihr habt mir gefehlt..." irgendsowas und dann ablenken.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
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    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • @ Ketfesem: Wir scheinen ziemlich ähnlich zu ticken. ;)


    Allerdings, nach den anderen Antworten hier, solltest Du Dir vielleicht doch überlegen, ob Du es nicht anders angehst. Es kamen jetzt doch etliche ernstzunehmende Einwände, die eher für eine distanziertere Vorgehensweise sprechen.


    Ich frage mal so: was ist dein Ziel?


    Ich wollte Ketfesem einen guten Rat geben.

  • Die Frage war eigentlich an den/die TE gerichtet :) Aber im Grunde bleibt sie dieselbe: warum möchte jemand anderen seine Diagnose mitteilen, mit welchen Erwartungen könnte man das Verbinden? Dann ergibt sich vielleicht die Antwort, wie man reagieren möchte.

  • Hallo,


    ich hatte vor einigen Jahren auch ein Burnout. Das weiß auch nur eine Kollegin, die ich auch schonmal privat treffe. Ich würde das nie so leicht erzählen, weil


    - nicht alle den Unterschied zwischen Depressionen und psychisch krank kennen.
    - ich mich dadurch angreifbar fühle.
    - ich glaube, dass viele Menschen anders struckturiert sind und es nicht verstehen können, dass man sich so verausgabt.
    - ich glaube, dass viele dann irgendwo Anzeichen für eine erneute Erkrankung sehen, was nicht stimmt.
    - ich ganz normal behandelt werden möchte.
    - ich glaube, dass sich kein Mensch vorstellen kann, wie das ist, Depressionen zu haben. (Ich habe früher immer gedacht, dass solche Leute nur zu faul zum Arbeiten sind.)
    - mir das auch unheimlich peinlich ist.


    Deshalb würde ich dir abraten.


    LG M.

    • Offizieller Beitrag

    Depressionen sind eine psychische Erkrankung. Du meinst wohl eher den Unterschied zwischen einer psychischen Erkrankung und dem, was man als "psychotisch" bezeichnet, also Wahnvorstellungen und wahnhafte Wahrnehmungen.
    Wobei auch das oft Menschen sind, die zwischen den psychotischen Schüben ganz normal sein können.


    Eigentlich wäre ich froh, wenn man in unserer Gesellschaft anders mit psychischen Erkrankungen umgehen könnte und nicht meinen müsste, sich dafür zu schämen. Als Fernziel wäre das anzustreben, dass man das so offen sagen kann, wie den Beinbruch.
    Nichtsdestotrotz finde ich es in dem Falle hier ungünstig, weil die Belastbarkeit eines Lehrers oft gleichgesetzt wird mit dessen Fähigkeit, mit den Kindern und deren Bewertungen angemessen umzugehen bzw. bei Mißfallen solche Diagnosen aufs fieseste genutzt werden können.


    Grundsätzlich muss jeder selbst entscheiden, ob und welchen Sinn es macht, seine Diagnosen mitzuteilen. Oft macht es Sinn. Ich hab zum Beispiel chronischen Rücken und muss in langen Sitzungen im Amt oft aufstehen oder gar hin und hergehen, das kommt extrem seltsam, wenn man es nicht vorher erläutert...

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  • stigmatisierung, das ist das stichwort. rücken ist nicht stigmatisiert. depression sehr. burnout so mittel. hängt meist daran, ob ein mann oder eine frau erkranken (vulgo: eine depression bekommen, die irgendwie auch mit dem stress bei der arbeit zu tun hat). man munkelt, es gebe die diagnose vor allem, weil psychische erkrankungen eben immer noch so sehr stigmatisiert werden und v.a. die männlichen patienten dank der gender-semantik meinen, sowas nicht haben zu können. lieber extrem überarbeitet und burnout-patient, als tieftraurig, weinend und antriebslos oder sonstwie typisch depressiv.


  • Grundsätzlich muss jeder selbst entscheiden, ob und welchen Sinn es macht, seine Diagnosen mitzuteilen. Oft macht es Sinn. Ich hab zum Beispiel chronischen Rücken und muss in langen Sitzungen im Amt oft aufstehen oder gar hin und hergehen, das kommt extrem seltsam, wenn man es nicht vorher erläutert...

    Und dieselbe Frage könnte man sich auch für jede andere Erkrankung stellen.


    Möchte ich Verständnis in irgendeiner Form? dann sind die Kinder garantiert die falschen Ansprechpartner.
    Möchte ich lediglich die Neugier von Kindern befriedigen, auf ehrliche Fragen ehrlich antworten? Dann sollte ich mich fragen, wo meine Grenze ist, was ich Schülern erzähle. Schließlich könnten sie mich auch zu meinen sexuellen Vorlieben befragen.
    Macht es mir gar nichts aus, Fragen zu meiner Krankheit zu beanworten, weil es mir spitzenmäßig geht? Dann kann ich sowieso spontan antworten, was mir durch den Sinn kommt und muss nichts hier im Forum planen.


    Wie dem auch sei, ich wünsche dir einen prima Einstieg liebe/r Ketfesem! Tu dir viel Gutes :)

  • Hallo nochmal,


    ich glaube, es war doch gut, dass ich gefragt habe. Jetzt bin ich doch eher geneigt, nichts zu sagen. Habe aber noch drei Wochen um zu entscheiden.


    Alte Dame: Ja, es schein so, dass wir ähnlich ticken. (Ob das dann auch RICHTIG ist in der Situation, ist die andere Frage...)


    Was ich mein Ziel... Das ist echt eine gute Frage.
    Natürlich will ich nicht von meinen Grundschulkindern oder deren Eltern bemitleidet oder gar "entlastet" werden. Nein, das nicht. Auf keinen Fall!
    Es geht mir eher darum, dass Kinder im Grundschulalter eben noch naiv und ehrlich sind und nachfragen - immer und immer wieder. (Das ist in höheren Klassen sicher anders, denen kann man sagen, dass das Privatsache ist, und sie verstehen es eher.) Die Kleinen erzählen mir ja auch "alles" und verstehen nciht, warum ich ein Geheimnis aus der Sache mache. Und wenn doch, dann denken sie, dass es etwas ganz Schlimmes ist. Und dann gehen die Spekulationen los. DAS würde ich gerne vermeiden.


    Ich muss immer wieder an damals denken, als ich eine Lehrerin ein paar Monate vertreten habe (ohne sie zu kennen). Da haben mir die Kinder erzählt, dass Frau XY lange krank ist, weil sie immer ganz viel gearbeitet und alles genau richtig machen wollte und dann hatte sie irgendwann gar keine Kraft mehr. Und sie kann erst wieder in die Schule, wenn sie wieder genug Kraft hat.
    Ich fand diese Erklärung wirklich schön, für die Kinder auch "verständlich" und auch von Seiten der Eltern habe ich auch keine bösen Worte mitbekommen, sondern eher viel Verständnis.
    Seitdem habe ich diese Worte im Kopf und wahrscheinlich daher der Gedanke, dass man es den Kindern so erklären kann... (Wie gesagt, ich habe eher Angst vor der Reaktion der ELTERN, bei den Kinder hätte ich wenig Bedenken.)


    Die Kinder erzählen das dann zu Hause: "die Frau Ketfesem war krank, weil sie wegen der Arbeit immer so viel weinen musste...".

    Ja, das wäre echt der Hammer, ne das muss nicht sein!
    Du hast Recht!


    @Schantalle:
    Danke!
    Ich freue mich schon auf die Arbeit, habe aber teilweise schon auch ein bisschen Angst, wie es klappt. Will nicht wieder in diesen Kreislauf geraten...


    Mamimama:
    Ich hoffe, du hast die Krankheit gut überwunden und es geht dir inzwischen gut!

  • Ich würde schon erzählen, dass du längere Zeit krank warst (denn das wissen die Eltern sicherlich) - aber die Diagnose geht überhaupt niemanden etwas an.
    Und Kinder sind bestimmt die falschen Personen, die mit dem Begriff "Burnout" sowieso nichts anfangen können.


    Guten Einstieg dir wieder!

  • Hallo zusammen!


    Ich wollte mich nochmal kurz melden. Heute war nämlich mein erster Schultag...


    Seit gestern Abend war ich total nervös, irgendwie war es ein ganz seltsames Gefühl, nach vier Monaten wieder "einfach so" arbeiten zu gehen. Und natürlich hatte ich auch Bammel davor, wie die Reaktionen sein werden.
    Zur Info: Ich habe letztes Schuljahr meine erste Klasse sozusagen den Vertretungen "überlassen" müssen paar Wochen vor den Sommerferien und habe sie jetzt als Zweitklässler wiederbekommen.


    Der Tag war wirklich entspannt, viel weniger kompliziert als ich dachte. Die Kinder waren ganz "normal", irgendwie als wäre ich gar nicht weggewesen. Sie haben sich gefreut, dass ich wieder da bin, ich habe ihnen gesagt, dass ich mich auch freue - das war's! Keine Nachfragen, nichts.


    Bin echt erleichtert, dass der erste Tag schon mal so glatt lief.
    Jetzt muss ich "nur" noch schauen, dass ich nicht wieder in diese negative Spirale gerate.


    LG und vielen Dank für die vielen Anregungen!

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