Stimmungsbild zu Inklusion

  • Die Frage ist aber nicht, ob es dir persönlich gefällt, dass Kinder frühzeitig ausgesondert werden, weil die Schule damit überfordert ist. Sondern welche Bedingungen bestehen müssen, damit es selbstverständlich wird.
    Menschen sind konservativ, das heißt aber nicht, dass die Zeit stehen bleibt. Frauenwahlrecht war auch eine zeitlang undenkbar ;)

    Nun, die Bedingungen die vor allem ihr in der Grundschule und in Sek 1 benötigt, sind aus finanziellen Gesichtspunkten völlig utopisch. Ihr seid diejenigen, die darunter leiden werdet. Und das werdet ihr spätestens dann merken, wenn es kaum noch Förderschulen mehr gibt und den Landesregierungen wegen der Schuldenbremse die Hände gebunden sind.
    Die Schüler sind dann bei euch und wie ihr damit zurecht kommt ist eure Sache. Aber definitiv gibt es dann einige Fortbildungen, die euch erläutern wie ihr das dann schafft.


    Das hat nichts mit Konservatismus zu tun. Das ist einfache Finanzmathematik und realistische Einschätzung politischer Entscheidungen. Wie gesagt, das nächste Beispiel von Einsparungsversuchen steht ja schon an.

  • Dankeschön für die ausführlichen Darstellungen :top:


    Um das nochmal klarzustellen: wir recherchieren für ein Seminar von der Universität zum Thema Inklusion auf den einzelen Ebenen wie der der Bundesländer, Einzelschulen und pädagogischen Fachkräfte. Wir haben bereits Interviews mit mehreren Fachkräften durchgeführt und auch schon umfangreich dieses Forum studiert. Jedoch sind uns die Meinungen aus manchen Diskussionen nicht ganz deutlich geworden und deshalb hatten wir gehofft, dass in diesem Thread nochmal konkreter zu ordnen.


    Eure Beiträge werden selbstverständlich diskret und anonym von uns behandelt.


    Wir hoffen auf weitere Berichte zur Umsetzung von Inklusion an euren Schulen. :)

  • Nun, die Bedingungen die vor allem ihr in der Grundschule und in Sek 1 benötigt, sind aus finanziellen Gesichtspunkten völlig utopisch.

    Ich denke nicht, dass das utopisch ist. Die meisten Landesregierungen machen nur den Fehler, Inklusion mit der Gießkanne unterschiedslos auf alle Schulen verteilen zu wollen. Günstiger für alle Seiten wäre es, Schwerpunktschulen einzurichten. In meinen Augen muss nicht jede Schule inklusiv arbeiten. Auch ist nicht jedes Gebäude für jeden Förderschwerpunkt geeignet. (Kinder im Autismusspektrum brauchen die Möglichkeit, auch mal abseits der Klasse arbeiten zu können; wenn es keine Neben- oder Differenzierungsräume gibt, wird das nix. Altbauten aus der Gründerzeit lassen sich für motorisch eingeschränkte Schüler oft nur mit großem Aufwand barrierefrei umbauen.) Wenn man die Fachleute an ausgewählten Schulen bündelte, wäre die Qualität der Förderung deutlich besser und der Personalschlüssel würde garantieren, dass alle Kinder profitieren.


    Aber man scheint auf der Entscheidungsebene zu glauben oder glauben zu wollen, Inklusion sei schon dann umgesetzt, wenn die Kinder mit besonderem Förderbedarf mit den Regelkindern im selben Raum sitzen, und die Lehrkraft mal eine Fortbildung gemacht hat.


    Ich halte es übrigens auch für einen Fehler, zu glauben, dass Förderschulen überflüssig werden. Es wird immer Kinder geben, die auch unter den besten Rahmenbedinungen nicht von Inklusion profitieren und an Förderschulen einfach besser aufgehoben sind. Im Idealfall werden das nur wenige sein. Aber für sie muss es diese Schulform weiterhin als Angebot geben.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Ich finde die Umsetzung der Inklusion auch mehr als überarbeitungswürdig. Wir haben jetzt den 4. Jahrgang mit I-Kindern (immer mit Schwerpunkt Lernen) und die Kinder laufen halt irgendwie mit. Anfangs gab es noch kleine Klassengrößen, jetzt sind die Klassen mit 28 bzw. 30 Kindern voll. Es gibt zwei Klassenräume mit direkt angeschlossenem Inklusionsraum. Meine Klasse hat keinen. Es gibt einen Sonderpädagogen. Und einen halben. Echt Inklusion ist es eigentlich nicht, denn in vielen Fächern/ Stunden werden die I-Kinder aus dem Unterricht genommen und erhalten in der kleineren Gruppe, teils jahrgangsübergreifend, dann vom Sonderpädagogen Unterricht (beispielsweise während die anderen Latein/Französische haben oder Physik oder sowas). Teilweise sitzen die Kinder im Regelunterricht, arbeiten aber am Wochenplan des Sonderpädagogen. Hauswirtschaftsräume o.ä. gibt es nicht, in denen unsere Achtklässler dieses entsprechende Fach belegen könnten. Die Fachlehrer versuchen halt irgendwie, die Kinder zu integrieren oder ihnen die Arbeitsblätter ein wenig zu vereinfachen oder anzupassen. Das geht aber schlicht oft nicht. Anfangs habe ich für meine drei I-Kinder das halbe Deutschbuch umgeschrieben. Dazu habe ich bei vier Oberstufenkursen und den daran hängenden Klausuren plus die Zusatzaufgaben, die man ja an so einer Schule auch noch so hat, schlicht und ergreifend nicht mehr. Also müssen sie irgendwie mitlaufen. Wir haben in der Parallelklasse einen Jungen, der im Prinzip weder richtig lesen noch schreiben kann. Wie soll der denn an einem Gymnasium bitte halbwegs ordentlich mitlaufen? Dafür sind wir noch nicht mal im Ansatz ausgebildet. Dazu ist so ein großes System wie ein Gymnasium oder eine Gesamtschule für viele Förderschulkinder auch ganz schön überfordernd.
    Ich empfinde das für alle Beteiligten als extrem frustrierend.


    Und habe gerade mal nach Fortbildungen gegoogelt: Meine Bezirksregierung bietet ganze zwei an, eine für den Schwerpunkt emotional-sozial, an dem ein Sonderpädagoge, ein Sozialpädagoge und ein Regelschullehrer teilnehmen sollen (einen Sozialpädagogen hat noch lange nicht jede Schule). Und eine für Berufskollegs.


    Ja ja, das Land investiert totaaaaal viel... und es läuft sooooo super...
    Mir tun die Kinder einfach nur leid, weil die halt immer irgendwie auf dem Abstellgleis stehen und man sich schlicht nicht um sie kümmern kann, wie man selber es gerne möchte. Denn da sind noch 25 andere Kinder in der Klasse, die mich auch brauchen und da gleiche Anrecht auf mich haben.
    Ja, es gibt von den ca. 20 I-Kindern zwei, die ziemlich gut mitkommen und denen diese "Inklusion" ganz gut getan hat, die eigentlich die normalen Arbeiten mitschreiben. 18 laufen halt irgendwie mit. Total frustrierend.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Danke für deinen Bericht katta. Und das wird nicht besser.


    Warten wir auf die Schuldenbremse ab 2020. Ihr glaubt doch nicht, dass euer Dienstherr massive finanzielle Investitionen im Bildungsbereich durchführen wird ohne die Möglichkeit einer Nettokreditaufnahme zu haben. Ich sehe eher Steuererhöhungen auf uns zukommen. Bei uns in BW wird wohl die Grunderwerbssteuer spätestens dann auf 6,5% steigen.

  • @Griffelmappe007
    Ich sags mal als Ingenieur:
    Macht eine Tabelle. In die Spalten kommt die Art der Behinderung, in die Zeilen der Grad der Behinderung.
    Die Felder werden dann von medizinischem und sonderpädagogischem Fachpersonal mit dem entsprechenden Betreuungs-/Förderungsbedarf ausgefüllt.
    Dann kann man schauen, was an einer Schule leistbar ist und wie Schulen ausgestattet werden müssen, dass es leistbar ist.


    Solange soetwas, oder eine ähnliche Aufstellung nicht gemacht wird, erübrigt sich m.E. jegliche Diskussion. Das kann dan eigentlich nur Murks werden.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

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