Vertretungslehrer + fachfremd: Wie formale Basis aufbauen?

  • Hallo,
    ich unterrichte seit einem Jahr an einem Gymnasium in NRW als Vertretungslehrer in Erdkunde. Die Bewerbung damals war kurzentschlossen, die Zusage ein Zufall, dafür aber sofort. Ich bin zu dieser Tätigkeit gekommen, wie die Jungfrau zum Kind.
    Ich habe weder Lehramt studiert, noch im entsprechenden Fach, also fachfremd. Ich habe eine halbe Stelle und unterrichte in 5., 7. und 9. Klassen. In dieser Konstellation bin ich an unserer (großen) Schule ein noch nie dagewesener Einzelfall (lt. Aussage des Schulleiters). Nächste Woche beginnt dort mein dritter Vertrag in Folge, komme dann also auf 1 1/2 Jahre Unterrichtserfahrung mit allem, was im Laufe eines Schuljahres als Fachlehrer dazu gehört.


    Da ich im kommenden Halbjahr etwas weniger Stunden habe, wollte ich mich einmal erkundigen, ob ich mein Vertretungslehrerdasein nicht auf eine etwas handfestere formale Basis stellen kann?


    Ich habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Diplom) und Berufserfahrung in der Wissenschaft wie auch in der Industrie. Dazu kommen noch einige aufwendige Weiterbildungen, die fachlich ebenfalls nicht das geringste mit meinem Fach zu tun haben, mir im Unterricht dafür aber trotzdem häufig sehr weiterhelfen. Vor Jahren hatte ich mich schon einmal intensiv mit dem Thema Seiteneinstieg beschäftigt und dafür auch alle Uni-Scheine etc. gesammelt. Letztendlich hatte sich damals heraus gestellt, dass ich für den Seiteneinstieg aufgrund meines interdisziplinären Erststudiums kein Hauptfach generieren kann (bezüglich der Creditpoints), dafür aber mehrere Nebenfächer. Was mir aber natürlich nichts nützt...


    Gibt es also eine Möglichkeit, meinen ungewöhnlichen Status formal etwas aufzubessern? Nach meinem jetzigen Kenntnisstand gibt es für meinen Fall eigentlich nichts, ich falle da durch jegliche Raster. Ich möchte wenn, dann auch unbedingt bei dem jetzigen Lehrfach Erdkunde bleiben (obwohl fachfremd). Als zweites Fach wäre z.B. Sozialkunde/Politik vorstellbar.

  • Darf ich mal nachhaken, was denn der interdisziplinäre Studiengang ist? Je nach Stellenlage und Schulform werden die Fächer durchaus mal seeeeeeehr großzügig anerkannt.


    Gruß,
    DpB

  • Ich habe Diplom-Medienwissenschaft studiert (Schwerpunkt Medienkultur), mit einem Ergänzungsstudium an einer Journalistenschule, sowie einer umfangreichen Weiterbildung als Technische Redakteurin.

  • Ok, das ist zwar nun so rein gar nicht mein Gebiet, aber hast Du schonmal dran gedacht, im Berufsschulbereich nach Seiten- oder Quereinstieg zu gucken? "Irgendwas mit Medien" gibt's doch sicher auch als Ausbildungsberuf, und zack, hättest Du ein Erstfach (zumindest falls das in NRW ähnlich läuft wie bei uns und die Stellenlage es zulässt).


    Ggf. kannst Du auch mal nach "Fachpraxislehrer" oder ähnlichem schauen (auch hier weiß ich nicht, wie das in NRW heißt), das sind Leute, die nur ein Fach unterrichten, dafür allerdings auch nicht verbeamtet werden. Allgemein bieten die berufsbildenden Schulen für Leute, die vorher was anderes gemacht haben, meiner Meinung nach das größere Potential.


    Gruß,
    DpB

  • Naja, ich möchte nicht auf Teufel komm raus einen Seiteneinstieg machen (irgendwo, irgendwas). Vor allem möchte ich unbedingt bei dem Fach Erdkunde bleiben, auf irgendwelche Medienfächer bin ich nicht scharf. Ich war damals von diesem (bei uns sehr theoretisch angelegtem) Studium nie sonderlich begeistert, deshalb hatte ich nach dem Studium auch noch mal was anderes ("praktisches") studiert.


    Verbeamtet werden kann ich eh nicht mehr, da zu alt.


    Am liebsten würde ich meinem Erdkunde eine solide (formal anerkannte) Basis geben. Aber da sieht es wohl sehr schlecht aus. Natürlich gibt es Weiterbildungen. Aber das sind eben "nur" Weiterbildungen, es fehlen die formalen Voraussetzungen. Selbst ein Ergänzungsfach ist wohl nur für ausgebildete Lehrämter möglich.

  • Mir sind nur die hier beschriebenen Möglichkeiten zum Seiteneinstieg bekannt. Da ist unten auf der Seite eine Beratungshotline angegeben. Vielleicht fragst du dort mal nach.


    Je nach Mangelfach kann man auch mehr oder weniger sicher dauerhaft auf befristeten Vertretungsstellen arbeiten. Ob das mit Erkunde geht, weiß ich nicht. Die Unsicherheit ist natürlich nicht schön.

  • Ich habe Diplom-Medienwissenschaft studiert (Schwerpunkt Medienkultur), mit einem Ergänzungsstudium an einer Journalistenschule, sowie einer umfangreichen Weiterbildung als Technische Redakteurin.

    Und mit diesem Hintergrund möchtest Du nicht an einer Berufsschule Mediengestalter unterrichten? Mit Deiner Technischen Redaktion passt Du auch in die Schiene "Technische Produktdesigner - Fachrichtung Produktgestaltung". Hier wäre wohl am ehesten die Möglichkeit für Dich, an einer Schule mit entsprechendem Fortkommen zu landen. Mit einer pädagogischen Einführung wärst Du dann wenigstens dauerhaft an der Schule beschäftigt. Und mit OBAS könntest Du Dich sogar auf Beförderungsstellen bewerben.


    Andere Möglichkeiten sehe ich nicht.


    Macht es Dir denn Spass, fachfremd zu unterrichten? Ich bin selber teilweise fachfremd unterwegs und muss sagen, dass ich mich 1. nie sattelfest fühle und 2. nie gelernt habe, wie man diesen Stoff didaktisch gut rüberbringt. Das ist für mich immer so eine lästige Pflichtübung, die ich so gerne loswerden würde. Ich glaube auch nicht, dass es den Schülern Spaß macht bzw. ich glaube, dass es wirklich bessere Methoden gibt als meine...

  • Zitat

    Und mit diesem Hintergrund möchtest Du nicht an einer Berufsschule Mediengestalter unterrichten?

    Nein. Eigentlich nicht. Ich bin auch von der Schulform Berufsschule abgekommen. Früher wollte ich explizit an Berufsschulen, seit dem ich am Gymnasium unterrichte, nicht mehr. Was nicht heißt, dass das Unterrichten am Gymnasium immer eine Wohltat ist. Auch dort gibt es nicht nur intelligente, wohlerzogene Sprösslinge (aber das wissen wir ja alle). Es ist erstaunlich, wie viele Schüler es dort gibt, auf die eher das Gegenteil zutrifft...


    Zitat

    Macht es Dir denn Spaß, fachfremd zu unterrichten? Ich bin selber teilweise fachfremd unterwegs und muss sagen, dass ich mich 1. nie sattelfest fühle und 2. nie gelernt habe, wie man diesen Stoff didaktisch gut rüberbringt.

    Tja, gute Frage. Das ist ja gerade der Grund, warum ich in Erdkunde gern ein richtiges Seminar o.ä. besuchen würde. Ich fühle mich relativ oft nicht sattelfest. Ich würde sogar sagen, dass genau dieser Aspekt es ist, der in mir den meisten Druck erzeugt (nicht die Anzahl der Stunden, nicht die Unterrichtsvorbereitung, nicht die Schülerdisziplin, nicht die Organisation). Allerdings ist dieses Phänomen geringer, je niedriger die Klassenstufe ist. Außerdem fühle ich mich jetzt nach einem Jahr mit einer (fast) halben Stelle und einer gewissen Erfahrung fachlich zunehmend sicherer. So sollte es ja auch sein, wenn man sich mit einem Thema beschäftigt. Mit der Zeit hat man die Themen drauf, erkennt selbst die Zusammenhänge, u.s.w.


    Bei der didaktischen Aufbereitung helfen mir meine Vorkenntnisse, vor allem aus der technischen Redaktion. Ich kann sehr gut einschätzen, in welcher Reihenfolge bzw. in welchen Schritten ein Thema vermittelt werden kann ("Hineindenken in den Anwender", hier Schüler). Die mediale Aufbereitung mache ich mit "links". So erstelle ich mir z.B. die meisten Arbeitsblätter selbst (einschließlich der Aufgabenstellung und Gestaltung). Manchmal bitten mich sogar schon "echte" Lehrer nach meinem Material :-)


    Bei meiner Frage nach der formalen Basis geht es mir einerseits um ein handfestes Fachwissen (Erdkunde + ggf. zweites Fach), sowie um eine sinnvolle Grundlage für die Arbeitsverträge. Z.Z. ist es noch so, dass mein Schulleiter mir gegenüber immer die grundständig ausgebildeten Lehrer vorziehen MUSS (was ich prinzipiell auch korrekt finde). Nur muss ich halt jedes halbe Jahr darum bangen, weiterbeschäftigt zu werden (und auf eine passende Schwangerschaft einer Kollegin hoffen...).

  • Zwischenfrage:


    Seiteneinstieg nach OBAS kommt wohl nicht in Frage, das hatte ich ja vor Jahren schon versucht und festgestellt, dass das bei mir inhaltlich nicht hinhaut.


    Den früheren "Quereinstieg" gibt es mit dem OBAS doch gar nicht mehr (der "Seiteneinstieg" hat den "Quereinstieg" ersetzt)?


    Was hat es mit der pädagogischen Einführung auf sich? Ich habe zwar den Erlass dazu gelesen, aber diese Info bringt mich nicht so recht weiter. Ist das etwas, da ich irgendwie in Angriff nehmen könnte? Klingt inhaltlich ja erst mal gut. Die formalen Voraussetzungen sind alle gegeben, von einer "Eignung" gehe ich jetzt mal aus, aufgrund meiner Vertretungslehrertätigkeit. Wie muss mein Vertrag dazu aussehen? Und was habe ich schließlich davon? Allein damit doch noch keine unbefristete Beschäftigung z.B., oder?

  • Ich beantworte mir die Frage nach der pädagogischen Einführung mal selbst:


    Laut dem Erlass dazu heißt es unter Punkt 1.1:
    "Mit Unterstützung der [...] nehmen Lehrkräfte ohne Befähigung zu einem Lehramt im Sinne des [...], die in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis übernommen werden sollen, an der Pädagogischen Einführung durch [...] teil."


    Ich kann also nicht eine Pädagogische Einführung belegen, und DANN auf eine Dauerbeschäftigung hoffen oder bestehen. Es ist genau anders herum: Ich benötige zuerst die Zusage zu einer Dauerbeschäftigung (mit einem entsprechenden Arbeitsvertrag) und muss dann ggf. diese Pädagogische Einführung absolvieren.


    Und wie kommt man zu einer Zusage zu einer Dauerbeschäftigung??? GAR NICHT.


    (Grundständig ausgebildete Lehrer müssen vorgezogen werden. Man muss schon froh sein, überhaupt einen (befristeten) Vertrag zu bekommen. Von einem unbefristeten Vertrag einmal ganz zu schweigen.)

  • So ist es. Deswegen ist OBAS für Dich die einzige Chance. Jedenfalls kenne ich keine andere.


    Quereinstieg/Seiteneinstieg ist für mich das Gleiche. De facto gibt es die OBAS und die PE, für diejenigen, die für OBAS keine Voraussetzungen mitbringen, wie beispielsweise ein 2. Unterrichtsfach. Du benötigst also eine Planstelle und kannst Dich dann darauf bewerben. Du musst dann OBAS oder PE absolvieren. ABER: nur im studierten Fach. Daher sehe ich da keine Möglichkeit für Dich, wenn Du an Deinem Fach Erdkunde klebst.

  • ich unterrichte seit einem Jahr an einem Gymnasium in NRW als Vertretungslehrer in Erdkunde. Die Bewerbung damals war kurzentschlossen, die Zusage ein Zufall, dafür aber sofort. Ich bin zu dieser Tätigkeit gekommen, wie die Jungfrau zum Kind.
    Ich habe weder Lehramt studiert, noch im entsprechenden Fach, also fachfremd.

    Ich habe mal den Teil Deiner Aussage unterstrichen, der eigentlich überflüssig ist... hab ich wieder mal Vorurteile, oder kann es so etwas wirklich nur im failed state NRW geben? Mannmannmann... NRW-Eltern können wahrscheinlich noch froh sein, wenn ihre Sprösslinge von Menschen unterrichtet werden, die wenigstens irgendwas studiert haben und nicht vom Schulbusfahrer oder vom Hausmeister oder vom lustigen Schimpansen aus dem Duisburger Zoo (der sich fürs Futter was dazuverdienen muss).


    Bitte nicht falsch verstehen, liebe Catania: Das ist wirklich und ernsthaft keine Kritik an Dir.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Ja, Fossi. So ist es. Mittlerweile ist der Quereinstieg an der Grundschule möglich. Wie man da Nicht-Pädagogen auf die Kinder loslassen kann, wo dort die Grundlagen für alles Weitere gelegt wird, ist mir schleierhaft.


    Deswegen auch meine Frage nach dem fachfremden Unterricht: Ich fühle mich wirklich unwohl und ich würde das lieber heute als morgen abgeben. Und ich arbeite mit Erwachsenen, das ist für mich nochmal was anderes. Catania scheint ein Naturtalent zu sein, dass sie da so mit klar kommt.

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