Inklusion in der realen Welt

  • Zitat

    Hochkultur für Behinderte


    Ein Konzert für alle - außer Willi


    Willi, 9, liebt Klassik. Trotzdem wird er wohl nie ein Konzert in der Elbphilharmonie hören. Denn Dvorák und Saint-Saëns lassen den geistig Behinderten jauchzen und springen. Eine Zumutung für die übrigen Besucher - oder?

    http://www.spiegel.de/lebenund…ilharmonie-a-1133130.html


    Ohne Kommentar...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Inwiefern?


    Meinst du, dass Milliarden für eine Philharmonie ausgegeben werden? Das ist wirklich ohne Worte. 8)


    Ansonsten: Heißt Inklusion, dass alle anderen, die viel Geld für ihre Karte ausgegeben haben, unter den Verhaltensweisen von einem Kind leiden müssen? Oder heißt Inklusion, dass alle gleich behandelt werden? Oder, dass alles getan wird, damit jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten seine Leidenschaften voll ausleben kann?


    Wenn ich mir vorstelle, dass ein Kind im Nachbarsitz den ganzen Rigoletto durch lautes Schreien begleitet, kann ich schon beide Seiten verstehen.... und weiß nicht, ob ich mich dafür schämen soll. :angst:

  • 1. Die Elbphilharmonie wurde mit Steuergeldern gebaut.


    2. Praktisch alle öffentlichen Konzerthallen erhalten laufende Subventionen, die in der Größenordnung der Einnahmen durch Ticketverkäufe liegen, das wird bei der Elbphilharmonie nicht anders sein.


    Warum sollte ein geistig Behinderter deshalb nicht ein reguläres Konzert besuchen sollen? Es ist ja im Wesentlichen eine öffentlich finanzierte Veranstaltung (wie übrigens staatliche Schulen auch).


    Steht das Recht auf "ungestörtes Musikhören" über dem "Menschenrecht auf Inklusion"?


    Gruß !

  • 1. Die Elbphilharmonie wurde mit Steuergeldern gebaut.

    Eben!



    Zitat von Mikael

    Warum sollte ein geistig Behinderter deshalb nicht ein reguläres Konzert besuchen sollen?

    Soll er doch. Wie alle anderen auch. Und wenn er die Veranstaltung stört, wieder gehen, wie alle anderen auch, oder? :aufgepasst:



    Zitat von Mikael

    Steht das Recht auf "ungestörtes Musikhören" über dem "Menschenrecht auf Inklusion"?


    Es ist ein EU-Recht, wie der Krümmungsgrad von Bananen oder die Höchstgeschwindigkeit bei Mopeds.



    Wirklich, du hast ja Recht, ein bisschen. Aber ganz ehrlich, was wäre, wenn du vom Konzert, auf das du dich gefreut hast (und für das du viel Geld bezahlt hast), nichts mitbekommst, weil neben dir einer pausenlos schreit? Würde dich das nicht stören? Wäre es nicht fair, wenn dann jeder schreien dürfte, wie er möchte? Wäre es nicht fair, wenn man nicht schreien möchte, wenigstens vorher darüber informiert zu werden?

  • Soll er doch. Wie alle anderen auch. Und wenn er die Veranstaltung stört, wieder gehen, wie alle anderen auch, oder? :aufgepasst:

    Du machst keinen Unterschied. ob jemand willentlich stört oder ob er das aufgrund nicht von ihm selbst zu verantwortender Umstände macht? Das ist aber ganz harte Exklusion, die du da vorschlägst.


    Zitat

    Aber ganz ehrlich, was wäre, wenn du vom Konzert, auf das du dich gefreut hast (und für das du viel Geld bezahlt hast), nichts mitbekommst, weil neben dir einer pausenlos schreit?

    Alle die das stört, können sich ja mit anderen Exklusions-Befürwortern ein privates Konzerthaus bauen, ganz ohne Steuergelder und staatliche Subventionen.


    Als Steuerzahler erwarte ich vom von mir mitfinanzierten Staat, dass dieser sich nicht an solchen Exklusions-Machenschaften beteiligt!


    Gruß !

  • Alle, die das stört, haben sich schon ein Konzerthaus gebaut. Mit ihren Steuergeldern. Schlimm genug, dass so Geld verbrannt wird, jetzt sollen sie wenigstens Musik hören dürfen. :pirat:

  • ..., jetzt sollen sie wenigstens Musik hören dürfen.

    Dürfen sie ja. Einträchtig neben allen anderen, die das auch wollen und den Eintritt bezahlen. Niemand sollte wegen einer Behinderung ausgeschlossen werden. Diese Zeiten sollten in Deutschland vorbei sein.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Alle, die das stört, haben sich schon ein Konzerthaus gebaut. Mit ihren Steuergeldern. Schlimm genug, dass so Geld verbrannt wird, jetzt sollen sie wenigstens Musik hören dürfen. :pirat:

    Mir war nicht bewusst, dass Steuern zur Finanzierung von Investitionen personenbezogen vom gesamten Steueraufkommen entnommen werden. :ohh:

  • Wie wird das Bildungssystem finanziert? Steuergelder.


    Kinder freuen sich auf die Schule und die Lehrerin. Aber die ist durch das Schreien und Stören von Kindern, die im Zuge einer weit unterfinanzierten Reform völlig aus-/überlastet ist und kann sich nicht adäquat um das Gros der Kinder kümmern. Würde dich das als Eltern, die du als Steuerzahler das Bildungssystem mitfinanzierst, nicht stören?


    Wäre es nicht fair, wenn man will, dass seine Kinder etwas lernen und auf die folgenden Schulen vorbereitet werden und nicht dem Altar der "Sozialen Kompetenzgeschwurbelei" geopfert werden, darüber informiert und Alternativen angeboten werden?

  • Mikael, dann darf ich ja auch mit meinem 2-jährigen Kind das Konzert besuchen, das die ganze Zeit munter vor sich hin kräht. Es LIEBT Musik und macht das ja auch nicht extra.


    Ich darf auch abends mit meinen beiden 5-jährigen Kinder das Konzert besuchen, die total übermüdet sind und nur noch heulen und sich lautstark streiten. Auch sie haben ein Recht auf Musik.


    Ich darf dann auch mit meinem kranken, beatmeten Onkel das Konzert besuchen, dessen Atemgerät permanent Geräusche à la Darth Vader macht.


    Oder oder oder.......


    Das waren nur erfundene Beispiele. Aber ja, mich würde das definitiv stören. Deshalb kommen meine Kinder aus Rücksichtnahme auf andere auch nicht in den Genuss von sämtlichen Konzerten, Opernaufführungen, Theatervorstellungen etc., obwohl es sie sehr oft sehr wohl interessieren würde. Aber wenn man nicht sicherstellen kann, dass jemand ruhig bleibt, kann derjenige halt nicht hingehen. Egal ob behindert oder nicht.

  • Tja, das ist wirklich reale Inklusion: Finden alle immer so lange super, bis jemand dafür zurückstecken müsste. :uebel:

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Tja und die Realität ist auch so, dass man im Lehrerforum aufeinander herumhackt und sich gegenseitig mit seiner Besserwisserei eins über die Rübe zieht statt darüber nachzudenken, wie man es denn machen könnte. Genau so stelle ich mir Inklusion vor.


    Ich fand den Artikel über Willi sehr berührend. Es ist offenbar ein wirklich ganz besonderes Kind, und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie er sich darüber empört, wenn ein Konzert unterbrochen wird oder statt der Musiker der Saal gezeigt wird (in der Aufzeichnung). Die innere Beteiligung an der Musik ist sehr eindringlich geschildert. Es ist sehr schmerzlich zu lesen, dass dieser Junge vielleicht nie ein Elbphilharmonie-Konzert erleben darf. Vielleicht bewegt dieser Artikel etwas und es wird ihm irgendwann möglich sein.


    Ich weiß tatsächlich nicht, ob ich die innere Größe hätte, mich an einem wild herumhampelnden, schreienden Kind zu erfreuen, nachdem ich viel Aufwand betrieben hätte, ein teures und seltenes Konzert zu besuchen. Ich habe nämlich auch viel Freude an Musik, und dabei stören mich Rascheln, Quatschen und SichimSitzbreitmachen anderer Leute schon sehr.


    Ich habe keine Lösung, aber einfach stammtischmäßig drauflos zu wettern bringt uns in der Diskussion bestimmt nicht weiter.


    Aber seufz, das kenne ich hier ja auch schon zu Genüge.

  • Tja und die Realität ist auch so, dass man im Lehrerforum aufeinander herumhackt und sich gegenseitig mit seiner Besserwisserei eins über die Rübe zieht statt darüber nachzudenken, wie man es denn machen könnte. Genau so stelle ich mir Inklusion vor.


    ......


    Ich habe keine Lösung, aber einfach stammtischmäßig drauflos zu wettern bringt uns in der Diskussion bestimmt nicht weiter.

    Hast du dich beim Thema verklickt? Hier läuft doch alles ganz gesittet ab. Wirklich.



    Zitat von Pikacht

    Ich fand den Artikel über Willi sehr berührend. Es ist offenbar ein wirklich ganz besonderes Kind, .....

    Genauso besonders wie jedes andere Kind. Für die Eltern noch etwas mehr, für fremde Leute, die im Saal daneben sitzen, noch etwas weniger.

  • Warum reichen plötzlich CD/MP3 etc. nicht mehr aus?


    Wenn ich stark erkältet bin und nur rumschniefe und -huste und niese, kann ich das auch nicht steuern.
    Aber ich gehe in einem solchen Zustand auch nicht ins Konzert. Ganz einfach, weil es mir unangenmehm wäre, und weil ich die anderen Gäste nicht stören wollte.
    Hat für mich was mit Rücksicht zu tun.


    Mir scheint, wenn es um Inklusion geht, wird Rücksicht sehr einseitig ausgelegt.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • es ist ein großer unterschied, ob wir über einen vorübergehenden zustand - erkältung, kleinkind - oder über eine dauerhafte behinderung reden, die nicht selbst verschuldet ist.


    ich weiß auch keine lösung. aber dieser unterschied ist trotzdem wichtig.


    ad laute beatmung: wir hatten einen schwerstbhinderten kommilitonen an der uni, der beatmet wurde. das ist erstmal sehr laut, aber irgendwann hört man das nicht mehr. ist wie wohnen an der autobahn. ich fände es unerträglich, wenn jemand mit abitur nicht studieren darf, nur weil er oder sie das pech hat, auf ein monströses beatmungsgerät angewiesen zu sein.


    und ein studium ist ja nun auch wichtiger (was auch immer das heißen mag) als ein konzertbesuch...

  • Ich finde diese Diskussion im Grunde völlig unnötig. Wenn ich mir Konzertkarten kaufe, dafür Geld ausgebe, den Weg auf mich nehme und ihn finanziere, dann will ich nicht, dass neben mir jemand permanent laut schreit und auf und ab springt, selbst wenn es aus Begeisterung ist. Inklusion ist wichtig - das bedeutet aber gegenseitige Rücksichtnahme und nicht "ich ertrage alles, weil ich jemanden um jeden Preis inkludieren will." Inklusion kann nicht heißen, dass ein Einzelner seine Interessen auf Biegen und Brechen durchsetzt und seine Bedürfnisse erfüllt bekommt und alle anderen einseitig Rücksicht nehmen müssen. Dass das Ganze sofort verquickt wird mit "Diese elitären Klassikfans sollen sich mal nicht so haben." finde ich ebenfalls daneben. Nehmen wir mal an, das Kind würde sich für bildende Kunst begeistern und im Museum sich so freuen, dass es immer alle Gemälde anfassen will oder Kunstgegenstände umwirft. Auch die plakative Überschrift, nach der Willi nie ein Konzert in der Elbphilharmonie hören wird, halte ich für unangebracht. Das impliziert ja, dass Willi nie in der Lage sein wird, seine Affekte mehr zu kontrollieren. Warum eigentlich nicht? Das Kind ist gerade mal 9 - auch Schwerbehinderte entwickeln sich weiter. Am meisten aber stört mich diese unsägliche Verquickung von


    1. Diese Elbphilharmonie ist ein total überteuertes Prestigeprojekt
    2. und natürlich werden dabei schon wieder mal Behinderte ausgegrenzt.


    Willi wird mit seinem Verhalten im Moment nicht nur in der Elbphilharmonie anecken, sondern in jedem durchschnittlichen Konzertsaal. Dass die Elbphilharmonie zu teuer war und Steuergelder auch sinnvoller hätten genutzt werden können, bleibt unbenommen. Aber das gilt für jeden - nicht nur für Willi. Mein Mann kann aus gesundheitlichen Gründen kein Schwimmbad besuchen. Am Ort wurde für viel Geld gerade das Schwimmbad saniert und er wird nie in den Genuss der Anlage kommen, wie es zur Zeit aussieht, obwohl er letztlich mit dafür bezahlt hat. Das ist so bei Steuergeldern, wirklich allen kommt nie alles zugute, auch wenn das im Idealfall wunderbar wäre.

  • Abgesehen davon, dass ich überrascht davon bin, wer hier gerade zum glühenden Gleichheitsverfechter wird sehe ich gar keinen Diskussionsbedarf. Wer Eintritt zahlt, tritt ein. Und darf natürlich zuhören.


    Wenns der Mutter aber zu anstrengend sein sollte, sich dem potentiellen Gemecker auszusetzen, würde ich an ihrer Stelle fragen, ob sie mit Sohn bei einer Probe zuhören darf.

  • Ich finde diese Diskussion im Grunde völlig unnötig. Wenn ich mir Konzertkarten kaufe, dafür Geld ausgebe, den Weg auf mich nehme und ihn finanziere, dann will ich nicht, dass neben mir jemand permanent laut schreit und auf und ab springt, selbst wenn es aus Begeisterung ist.

    1. Solche öffentlichen Konzertsäle sind zum allergrößten Teil steuerfinanziert. Der Ticketpreis sind nur die berühmten Peantus obendrauf. Nur weil du einen Bruchteil der Kosten privat bezahlst, sollte dir das keine Extrarechte gewähren.


    2. Der Staat hat sich mit der UN-Behindertenrechtskonvention zur umfassenden gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auch am kulturellem Leben verpflichtet. Die Konvention gilt eben nicht nur für den Bildungsbereich. Das Mindeste, was man fordern kann, ist also, dass der Staat die Teilhabe in den von ihm finanzierten Institutionen sicherstellt. Egal ob sie Schule oder Elbphilharmonie heißen.


    3. Wie erklärst du einem Schüler, dass er unter Umständen ertragen soll, dass neben ihm ein anderer Schüler mit Behinderung "permanent laut schreit und auf und ab springt", während man das einem Bildungsbürger beim Elbphilharmonie-Besuch nicht zumuten dürfe? Inbesondere, da ein Schüler die Schule zwangsweise besuchen muss, während der Bildungsbürger die Elbphilharmonie freiwillig besucht? Ist für einem Elbphilharmonie-Besucher die Anwesenheit von geistig Behinderten unerträglich, könnte er auf den Besuch verzichten. Der Schüler muss trotzdem zur Schule kommen.


    Gruß !

  • Die Eltern könnten auch um eine Erlaubnis bitten für den Kleinen zu filmen. Oder vielleicht gibt es ja auch Räumlichkeiten (Logen) etc. wo er etwas ungestörter schauen kann. (okay in der Elphi glaube ich nicht, aber in anderen Konzerthäusern?)


    Ich sehe auch in der Schule Inklusion sehr kritisch. In Hamburg wird gerade eine Volksinitiative für bessere Bedingungen auf den Weg gebracht. Denn auch bei uns können viele Kinder inzwischen eben nicht mehr das Notwendige lernen, auf Grund von Inklusion bzw. der schlechten Umsetzung.


    Wenn ich sehr viel Geld für Karten ausgebe, die ich vielleicht auch nur einmal ausgeben kann, dann möchte ich kein schreiendes Kind neben mir. Das sehe ich,wie viele andere hier auch.

  • 3. Wie erklärst du einem Schüler, dass er unter Umständen ertragen soll, dass neben ihm ein anderer Schüler mit Behinderung "permanent laut schreit und auf und ab springt", während man das einem Bildungsbürger beim Elbphilharmonie-Besuch nicht zumuten dürfe? Inbesondere,da ein Schüler die Schule zwangsweise besuchen muss, während der Bildungsbürger die Elbphilharmonie freiwillig besucht?


    Gruß !

    Das ist auch in der Schule nicht zumutbar und solche Schüler brauchen dann Unterstützung. Keinesfalls kann die Lösung sein, dass der Schüler daneben das ertragen muss. Das kann nicht dein Ernst sein? Da merkt man wieder, dass Inklusion am Gymnasium ein ganz anderer Schnack ist, als an anderen Schulen. ;)

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