Extrem langsame Arbeitsweise - wie helfen?

  • Ich habe eine Schülerin (5. Klasse), die mir zunehmend Sorge bereitet. Sie ist eigentlich eine gute Schülerin und bringt gute bis sehr gute Ergebnisse, wenn sie genügend Zeit zur Bearbeitung hat. Ihr Arbeitstempo ist aber extrem langsam und sie wird nie mit ihrer Arbeit fertig. Bei Klassenarbeiten führt das dazu, dass sie weitaus schlechtere Ergebnisse erzielt, als sie eigentlich könnte weil sie nicht ansatzweise fertig wird. Ich rede hier nicht davon, dass sie ein paar Minuten mehr Zeit bräuchte, sondern sehr viel mehr Zeit. Man kann fast die doppelte Zeit eines normal schnell arbeitenden Schülers für sie einplanen, damit sie fertig werden kann.


    Ich bin ratlos und weiß nicht, wo ich ansetzen soll. Die Eltern machen ihr sehr viel Druck und erwarten gute Noten. Förderung gab und gibt es aktuell diesbezüglich nicht. Hat jemand eine Idee, wie man diesem Kind helfen kann, ihr Arbeitstempo zumindest ein Stück weit anzuheben? Wo kann/muss man da ansetzen? Kennt sich jemand damit aus?


    Ich gebe ihr soweit ich das kann immer etwas mehr Zeit (lasse sie z.B. die anschließende Pause noch durchschreiben) aber erstens reicht das nicht, damit sie fertig wird und zweitens kommen wir irgendwann an einen Punkt, wo das auch einfach nicht mehr geht (z.B. bei zentralen Prüfungen).

  • Vor allem KollegInnen eines bestimmten Fachs vertreten bei mir an der Schule die Meinung, dass Zeit auch ein Kriterium bei der Leistungsmessung ist. Die Aufgaben innerhalb der vorgegebenen Zeit zu schaffen ist also Teil der Leistung.


    Wurde das Kind schon einmal ärztlich / psychologisch untersucht?


    Warum wird sie denn genau nicht fertig? Denkt sie zu lange nach, schreibt sie zu langsam ...?


  • Warum wird sie denn genau nicht fertig? Denkt sie zu lange nach, schreibt sie zu langsam ...?

    Das halte ich für die zentrale Frage.
    Was sagt denn das Kind dazu? Fühlt sie sich unter Druck gesetzt? Bummelt sie? Liest sie langsam? Ist sie überehrgeizig? Schreibt sie besonders ordentlich und deshalb langsamer?


    Bei einer meiner Schülerinnen hat sich das Schreibtempo deutlich steigern lassen, als ich sie gebeten habe mit dem Kuli statt dem Füller zu schreiben. Vorher hat sie Buchstaben gemalt, jetzt geht es deutlich schneller...


    Eventuell hilft es, wenn du ihr Zeitangaben an die Aufgaben schreibst: Aufgabe 1 sollte nach 10 Minuten fertig sein. Eventuell kann man das im Unterricht einbauen, indem man immer eine Uhr mitlaufen lässt. "Für diese Aufgabe habt ihr 10 Minuten Zeit, los gehts!" Eventuell hat sie ein schlechtes Gespür für Zeit?

    Schöne Grüße,
    dzeneriffa



    Am Ende wird alles gut! Wenn´s noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende =)

  • Wurde das Kind schon einmal ärztlich / psychologisch untersucht?


    Warum wird sie denn genau nicht fertig? Denkt sie zu lange nach, schreibt sie zu langsam ...?

    Die Eltern erwarten einfach, dass sie "funktioniert" und gute Noten nach Hause bringt. Untersucht wurde bisher nichts. Die Eltern würden das (so wie ich sie bisher erlebt habe) auch ziemlich sicher ablehnen.


    Ich denke, sie hat Angst Fehler zu machen und will sich, bevor sie etwas schreibt, erst 1000&ig sicher sein, dass es auf jeden Fall richtig ist. Sie kommt da aber nicht raus. Ich versuche sie schon immer zu erinnern, wie viel Zeit noch bleibt u.s.w. Sie kann nicht aus ihrer Haut.
    Sie brauchtauch bei mündlichen Aussagen immer Zeit, sich alles genau zurechtzu legen, antwortet dann aberrichtig und auf den Punkt genau.



    dzeneriffa: Das mit dem Kuli werde ich mal versuchen. Danke für den Tipp!

  • Dann würde ich zunächst ein deutliches Gespräch mit den Eltern dahin gehend führen, eben, dass sie sich so sehr unter Druck setzt/ gesetzt fühlt/ gesetzt wird, dass es sich kontraproduktiv auswirkt. Habt ihr einen Sozialpädagogen bei euch an der Schule? Der kann vielleicht mit ihr Entspannungsübungen oder ähnliches ausprobieren (bzw. kann man das auch als Klassenlehrer durchaus mal einbauen, profitieren durchaus alle Kinder von; Strategien besprechen, wie man bei Prüfungsangst vorgehen kann usw.)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Sie ist eigentlich eine gute Schülerin und bringt gute bis sehr gute Ergebnisse, wenn sie genügend Zeit zur Bearbeitung hat. Ihr Arbeitstempo ist aber extrem langsam und sie wird nie mit ihrer Arbeit fertig...
    Die Eltern machen ihr sehr viel Druck und erwarten gute Noten...

    Eltern können ihre Ängste ja auch nicht ruckzuck ablegen. Vielleicht hilft es aber trotzdem, sie mal zu fragen, was ihnen Angst bereitet? Erzähle ihnen, dass das Kind super ist, alles versteht und locker den Schulabschluss schafft. Und zwar genau dann, wenn man sie jetzt einfach mal in Frieden lässt, Noten weder belohnt, noch bestraft, sondern mal ein halbes Jahr lang gepflegt ignoriert.


    Ich empfinde (wenn du das so beschreibst), megamäßigen Stress, den sie innerlich abkämpft. Sie wird vermutlich nicht Nägel kauen oder vom Stuhl fallen vor Wippelei, sondern ihr rauschts (so mein Eindruck) im Kopf, sie kann nicht mehr klar denken. Prüfungsangst sozusagen.


    Was wäre, wenn sie tatsächlich mal die doppelte Zeit bekommt für eine Arbeit und das vorher auch gesagt bekommt? vielleicht nimmt ihr das schon etwas Panik? Das muss gar nicht so bleiben, nur mal versuchsweise.
    Autogenes Training o.ä. könnte ggf. auch unterstützen.

  • Denkbar wäre auch, dass der extreme Perfektionismus auf eine Autismusspektrumsstörung zurückzuführen ist. Ich habe einen Schüler, bei dem genau das der Fall ist. Er lernt vor Prüfungen aller Art die ganze Nacht hindurch, bereitet Referate wochenlang so gründlich vor wie eine Hausarbeit an der Uni (und sprengt dann auch alle Zeitvorgaben und ist sauer, wenn er abbrechen muss ...). Ein Fehler in einer Klassenarbeit wird von ihm als ganz große Katastrophe empunden.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Denkbar wäre auch, dass der extreme Perfektionismus auf eine Autismusspektrumsstörung zurückzuführen ist.

    War auch mein erster Gedanke. Wobei das Verhalten auch ganz gut zu manchen unserer Magermädels passen würde.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Danke für eure Antworten! Ich werde mit meiner Kollegin mal darüber beraten.
    Ganz besonders interessant ist der Gedanke mit dem Autismus. Das hatte ich bisher überhaupt nicht auf dem Schirm.


    Unsere Schulsozialarbeiterin ist hoffnungslos überlastet. Ich schaue mal, ob ich einen Termin für sie bekomme. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass sie vollkommen stumm vor ihr sitzt und keinen Ton heraus bringt.

Werbung