Referendariat begonnen, Lerngruppe bringt mich zum verzweifeln

  • Danke liebe Conni und alle anderen Foristen, die bisher geantwortet haben. Eure Antworten sind sehr hilfreich und machen mir auch etwas Mut. Ich werde versuchen, einige Ratschläge umzusetzen und hoffe, dass sie klappen werden. Ich hoffe, dass diese Woche für mich besser wird, da ich merke, dass diese Situation mich permanent (und selbst am Wochenende) stresst und ich gar nicht entspannen kann. :(

  • Das wird schon werden, du machst es ja noch nicht so lange. Am Wochenende abschalten zu können, muss man üben und lernen. Am besten, du nimmst dir einen Tag komplett frei, an dem du auch mal was Schönes unternimmst, um nicht daheim den Schreibtisch zu sehen.


    Für die Klasse konkret:


    - sprich in einfachen Worten möglichst langsam und deutlich, unterstreiche deine Worte mit Gesten. Klingt blöd, aber bei sprachlich so schwachen Kindern ist es wichtig! rede nicht zu viel, aber rede deutlich und klar.


    - sei streng und konsequent, gerade am Anfang. Wer den Clown macht, sitzt alleine (wenn du Platzt hast). Wer permanent stört, geht in eine andere Klasse.


    - Belohnungssystem. Da gibt es viele, überleg dir doch mal, was für dich passen könnte. Ich geb gerne Tipps, wenn du Fragen hast.


    - Ich würde Rituale / Strukturen einführen, die jedesmal gleich sind. Zum Beispiel: der Deutschunterricht beginnt mit dem Abschreiben einger Wörter von der Tafel. Nach ca 20 Minuten macht ihr eine Trinkpause (am Platz!). Nach ca. 30 Minuten kommt ein Bewegungsspiel (am Platz!). Wenn ihr gut gearbeitet habt, gibt es am Ende der Stunde 5 Minuten Vorlesezeit. Wähle ein einfaches Buch aus!!! Wenn die Klasse zu laut ist, macht ihr nächstes Mal keine Vorlesezeit. So in etwa. Struktur, Struktur, Struktur.
    Alles an Zeit, die du jetzt in Regeln, Struktur, Ruhe und einen funktionierenden Ablauf investierst, holst du später spielend wieder rein.


    Und nicht verzagen, es gibt immer schlechte Tage.

    • Offizieller Beitrag

    - sprich in einfachen Worten möglichst langsam und deutlich, unterstreiche deine Worte mit Gesten. Klingt blöd, aber bei sprachlich so schwachen Kindern ist es wichtig! rede nicht zu viel, aber rede deutlich und klar.

    Mir wurde mal geraten, bei Kindern mit großen Konzentrationsschwierigkeiten in 2-Wort-Sätzen zu reden. Das ist dauerhaft nicht machbar, aber hat mich dazu gebracht, mich in kribbeligen Situationen zu beschränken. Kurze Arbeitsanweisungen in Form von Hauptsätzen, keine Nebensätze, keine Begründungen.


    Was auch hilft: Eine Lernhaltung / Zuhörhaltung, wie auch immer man die gestaltet. Lernhaltung: Arme vor der Brust auf dem Tisch, Blick zu mir. Dann habe ich die Aufmerksamkeit kurz und die Kinder reagieren nach recht kurzer Zeit auf "Lernhaltung" als Aufforderung. Manche haben den Leisefuchs. Einige meiner Kolleginnen klatschen, wenn es zu unruhig wird, verschiedene Rhythmen und zwar solange, bis alle mitmachen können. (Aufmerksamkeit, Hände frei haben) Meins ist das nicht.

  • Meine Tochter beginnt gerade ihr Referendariat in Bayern in der Grundschule, da muss man in der Tat von Anfang an 8 von 14 Stunden völlig allein und eigenverantwortlich in der Klasse unterrichten ohne Anwesenheit eines Betreuungslehrers oder so...Im zweiten Jahr sind es dann 14 Stunden, so wie bei uns früher.


    Despi: Die SuS sind jetzt Anfang Klasse 2. Wenn ich mir unsere Zweitklässler so anschaue, die sind auch noch weit entfernt von Rechtschreibung und viele können nur schlecht oder kaum lesen. Vielleicht überschätzt du ein bisschen, was Zweitklässler können. Setz dich nicht so unter Druck, schraub deine Anforderungen lieber herunter und schau, dass du mit den Kindern besser klarkommst.
    Achte darauf, nicht über ihre Köpfe hinweg zu agieren, sonst steigen sie aus. Mach lieber etwas einfaches, das die meisten hinbekommen und gib den Schlaueren schwierigeres Material.


    Dann wird in Englisch halt mal nur gesungen und gemalt und dann in der nächsten Stunde wird wieder mehr gesprochen. Es ist wichtiger, dass die Klasse nicht aus dem Ruder kommt, als dass du ihnen möglichst viel Neues beibringst in einer Stunde. Wenn du besser mit ihnen klarkommst, wirst du auch mehr durchnehmen können.


    Schwierige Phasen, bei denen nichts mehr geht und sie Quatsch machen abbrechen, im Stuhlkreis zusammensetzen, nicht schimpfen, sondern umschwenken. Und wenn du ein einfaches (englisches) Spiel machst.


    Beim Lernen lieber in kleinen Schritten vorangehen.

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  • Frankfurt wäre auch möglich, nur werden in Hessen dir Referendare auch nicht gleich unbegleitet auf die Schüler losgelassen.

    Und RLP. Während der sechsmonatigen Seminar-Hirnwäsche am Anfang dürfen die nur zugucken, dann gibt's sofort sieben Stunden eigenverantwortlichen Unterricht. Der bei uns damals noch eingeplante "Ausbildungsunterricht" fällt inzwischen offiziell weg. Man denkt offenbar, das wertvolle Seminarwissen und zuschauen reicht zum unterrichten, Anleitung durch einen Praktiker von der "Front" braucht's dann nicht mehr.


    Und @eigentliches Thema: Auch wenn ich von einer völlig unterschiedlichen Schulform komme: Bloß nicht wegen EINER Klasse aufhören. Der Anfang ist immer s..schwer, wenn man dann noch eine schwierige Klasse kriegt, kann man durchaus mal fast verzweifeln. An sich selbst zweifeln sollte man aber m.E. erst, wenn es denn in GAR KEINER Klasse laufen sollte.


    Gruß,
    DpB

  • Komme auch aus Hamburg. Und ja die Referendare sind sofort für 8 Stunden eigenverantwortlich eingesetzt. Allerdings gibt es eine betreute Mentorenstunde.


    In Englisch soll man in der 2. Klasse ja noch gar nicht so viel schreiben. Ich mache viele Spiele, die erstmal die Wortfelder trainieren. Später dann ABs, zum Hörverständnis. Wenn Schreiben nur Abschreiben.


    Ingesamt: Du schreibst einerseits du möchtest die Masse voranbringen.


    und andererseits...


    "Der Großteil der Schüler kann kaum Lesen, versteht Aufgaben gar nicht und hat auch ziemlich große Defizite in der Rechtschreibung."


    Wenn das so ist, musst du da ansetzen wo sie stehen.


    Ich habe schon mehrere Referendare ausgebildet und oft (und das ist auch völlig normal) mangelt es am Anfang am Standing. Das spüren Kinder sofort. Also überlege dir Regeln, setze sie IMMER durch. Sei konsequent und tausche dich intensiv mit der Klassenlehrerin aus.


    LG Anja


    PS: In HH gibt es übrigens kein Sitzenbleiben mehr.

  • Welches Bundesland lässt seine Referendare direkt "von der 1. Stunde an sofort und ohne Unterstützung selbst unterrichten"?

    Berlin und dann mit Freude durchaus auch im Zuge eines Einsatzes an Problemschulen/Problemklassen, wo sonst keiner mehr rein will...

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-

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