Das Gefühl unabkömmlich zu sein

  • bin 3 wochen krankgeschrieben wegen eines armbruchs (NICHt die schreibhand) und arbeite von zu hause aus zu.



    ob jetzt von den schmerzmitteln, auf die ich noch angewiesen bin, ob als nachwirkung von der op ...

    Du hast eine OP hinter dir und nimmst Schmerzmittel? Du bist 3 Wochen krank geschrieben? Warum arbeitest du von zu Hause aus zu? Das müsste doch eigentlich jeder Vertretungsplaner, jeder Schulleiter unterbinden?


    Gute Besserung! Grenz dich ab, sag, dein Arzt hätte dir jegliches Zuarbeiten untersagt. Wie willst du gesund werden? Und vor allem wann?


    Was mir beim Durchlesen der einzelnen Beiträge auffällt: Was ist das eigentlich für ein System, das es einem Lehrer nicht "erlaubt", mal krank zu sein? Wenn Unterricht, Stoffverteilung, Projekte, Klausuren etc. es nicht zulassen, dass der Lehrer mal krank ist und fehlt, dann stimmt doch was im System nicht!

  • Hach ja, das System. Man könnte umgekehrt ja mal behaupten, dass jeder das System enger schraubt, der trotz Krankheit in die Schule kommt: Man steckt erst mal alle an und fehlt dann am Ende doch. Die Kollegen mit dem schlechtesten Gewissen fehlen doch sowieso schon selten. Wenn sie dann aber stockheiser leidend dasitzen und sich beschweren, dass sie ja trotzdem kommen, weil sie unabkömmlich sind und im traurigsten Fall über die lästern, die oft fehlen, dann wird der Kreislauf immer schwieriger.


    Ich fand den Hinweis oben gar nicht so schlecht: unabkömmlich ist niemand. Klar, hinterher hat man im Zweifel mehr Arbeit aber krank ist halt krank. Schlechtes Gewissen aus Kindertagen "...das macht man aber nicht!" darf man sich als Erwachsener abgewöhnen. Der SL ist doch nicht meine Mutti. Zum Anruf in der Schule durchringen und dann Honigmilch zubereiten. Lieber das mitnehmen aus Kindertagen: Verantwortung für sich übernehmen, wenns sonst niemand mehr tut :krank: :troest:

  • Absolut richtig.


    Und trotzdem ist es auch "das System", das ein schlechtes Gewissen erzeugen kann, indem z.B.


    teilweise im Zentralabi eine so große Stoffmenge (nein, Kompetenzmenge) vorauszusetzen ist, dass es zeitlich sehr eng werden kann.
    Immer gilt: Nach der Arbeit ist vor der Arbeit.
    Vertretungen für die gesunden Kollegen sich zu Zeiten von Erkältungswellen usw. häufen.
    Ersatz für länger erkrante Kolleginnen und Kollegen kaum zu bekommen ist.
    usw.
    Und zum guten Schluss: Es offenbar SL gibt, die keinen Unterscheid zwischen "gesund" und "krank" machen. Meiner gehört zum Glück nicht dazu.

  • Was mir beim Durchlesen der einzelnen Beiträge auffällt: Was ist das eigentlich für ein System, das es einem Lehrer nicht "erlaubt", mal krank zu sein? Wenn Unterricht, Stoffverteilung, Projekte, Klausuren etc. es nicht zulassen, dass der Lehrer mal krank ist und fehlt, dann stimmt doch was im System nicht!

    Das "System" arbeitet mit vielen, teils versteckten Druckmitteln:


    - Das erste ist die mangelhafte Unterrichtsversorgung. 100% reichen eben nicht aus, wenn man einen "normalen" Krankenstand von ca. 5% miteinrechnet (wie in der "freien" Wirtschaft): Es müssten mind. 105% Unterrichtsversorgung sein.


    - Dazu kommt, dass Erkrankungen erst einmal Mehrarbeit für die restlichen Kollegen bedeuten (unbezahlte Mehrarbeit!). Das erzeugt ein schlechtes Gewissen, eine perfide psychologische systemimmanente Maßnahme!


    - Der rechtliche Rahmen übt immer mehr Druck auf die Kollegen und Kolleginnen aus, nicht krank zu sein: Garantierte Betreungszeiten, kein Ausfall der 6. Stunde wegen Nachmittagsunterricht (Ganztagsschule!), Output-Orientierung bei den Lehrplänen ("Kompetenzen") und zentrale Abschlussprüfungen, die keine Rücksicht auf die (personelle) Situation vor Ort nehmen


    - Forcierung des öffentlichen Bildes vom "Lehrer aus Berufung": Die individuellen Interessen der Lehrkräfte werden als vernachlässigbar hingestellt, da es um ein "höheres Ziel" geht: Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, "keiner darf verloren gehen" usw. ohne dass das System die dafür notwendigen Ressourcen bereitstellt.


    - Falsch verstandener Idealismus vieler Lehrkräfte, der effektive Abwehrmaßnahmen verhindert: In jedem Kollegium findet sich genügend Lehrkräfte, die sich (gesundheitlich) aufopfern, denn "die Kleinen können doch nichts dafür". Diese Kollegen und Kolleginnen reduzieren eher ihre Unterrichtsverpflichtung (und verzichten damit auf viel Geld) bevor sie zugeben, dass die zunehmenden Ansprüche immer schwerer zu erfüllen sind


    - Der naive Glaube vieler Kollegen und Kolleginnen, dass die Bildungspolitik die notwendigen Ressourcen bereitstellt, wenn sie sieht, dass die Lehrkräfte kontinuierlich am Limit oder darüberhinaus arbeten wegen Inklusion, Integration, Ganztagsschule und ähnlichem.


    Zusammen: Es ist eine Mischung aus personellen und rechlichen Rahmenbedingungen sowie bei vielen auch falsch verstandener Idealismus und Naivität, die dafür sorgt, dass sich die Situation nicht verbessert, sondern kontinuierlich und stückweise verschlechtert.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Wahrscheinlich hängt das auch viel von der Persönlichkeit des Lehrers ab. Eigentlich gibt es ja keinen Grund, dass man nicht auch mal fehlen dürfte. und wenn man sich zwingt bis zum Erbrechen, dann hat man letzten Endes noch einen Burnout und dadurch dann wiederum ein Problem...

  • Das Problem ist aber bei z.B. Prüfungsklassen, dass die vertretenden Kollegen nicht dasselbe Fach unterrichten. Das bedeutet, dass bei einem Grippeausfall von 2-3 Wochen, insb. im Teilzeitbereich, man massiv in Rückstand gerät.


    Deshalb habe ich es mir angewöhnt, bei dem Lehrstoff nach dem 1. Lehrjahr mindestens (!) einen ganzen Monat voraus zu sein.


    Das ist hart für die Schüler, aber mein Dienstherr gibt nun einmal keine adäquate Lehrerversorgung.

  • Deshalb habe ich es mir angewöhnt, bei dem Lehrstoff nach dem 1. Lehrjahr mindestens (!) einen ganzen Monat voraus zu sein.

    Ich habe mein gesamtes Unterrichtsmaterial in der Cloud. Die jeweiligen Ordner teile ich mit den dazugehörigen Klassen und so können die Schüler immer und überall auf alle Materialien zugreifen. Wenn ich krank bin, sage ich dann nur, was bis wann zu erledigen ist. Klappt wunderbar.

Werbung