Indirekte Rede - immer Konjunktiv?

  • Hallo,
    ich habe heute mit einem Kollegen über den Konjunktiv in der indirekten Rede bzw. seine Verwendung diskutiert. Er war der Meinung, man müsse grundsätzlich bei der indirekten Rede den Konjunktiv verwenden. Ich teile diese Auffassung nicht, da ich bisher überzeugt gewesen bin, dass man bei der Verwendung eines "dass-Satzes" den Konjunktiv nicht zwingend verwenden muss. So habe ich es meinen Schülern auch gesagt, da dies in unserem Deutschbuch so auch erläutert wird (Cornelsen Verlag Klasse . Da der Kolleg in seinem Kurs nun allen Schülern jeden dass-Satz ohne Konjunktiv anstreicht, habe ich nochmal ein wenig in meinen Grammatik und sonstigen Lehrwekren geforscht und bin auf beide Versionen gestoßen. SO steht zum Beispiel in einem Übungsbuch für die Abschlussprüungen der Klasse 10 ("Finale" Westermann), dass man immer den Konjunktiv verwenden müsse!


    Was ist nun richtig?


    Wenn ich das Thema in der 8 einführe und wir dazu arbeiten, erzähle ich den Schülern, dass es bei den dass-Sätzen diese kann-Regel gibt, aber sie in der Arbeit bitte immer Konjunktiv verwenden, weil sie ja die Bildung üben sollen. In der Oberstufe streiche ich dann aber nicht diese Dass-Sätze ohne Konjunktiv an, da es ja eigentlich (?) eine kann-Regel ist?


    Wie handhabt ihr das und/oder gibt es eine eindeutige Regel?


    Leicht verwirrt,


    Schnuppe

  • Unterrichtswerke sind keine Standardwerke für ausgebildete Lehrer. Deswegen war Ihre Idee richtig, in Grammatiken nachzuschlagen.


    Der Duden Bd. 4 - ein nicht überall, aber sehr weit akzeptiertes Standardwerk - gibt Ihrem Lehrwerk insofern Recht, als dass bei Sätzen, die an die mündliche Rede angelehnt sind, der Indikativ verwendet werden darf. Wird im übrigen Geschriebenem neben der Pronominalverschiebung auch noch die "dass"-Transformation verwendet, kann der Indikativ unterbleiben.
    Gibt es aber im oben genannten Geschriebenen nicht mindest zwei Kennzeichnungen der indirekten Rede, muss der Konjunktiv verwendet werden. Er DARF auf jeden Fall immer benutzt werden!


    Der Konjunktiv muss auf jeden Fall verwendet werden, wenn der Schreiber sich von der Aussage distanziert.


    Bsp.: Der Autor vertritt vehement die Auffassung, dass er unter der Kuschelpädagogik leidet [...] Dass das Schlagen der Schüler im Extremfall erlaubt sei, ergebe sich aus dem Verhalten unserer heutigen Schüler. (1. Satz mit Merkmal Pronominalverschiebung und dass-Transformation, zweiter Satz ohne Pronominalverschiebung, damit Konjunktiv erforderlich; außerdem möchte wohl jeder vernünftige Autor seine Distanz zum Text ausdrücken).


    Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, liegt es in Ihrer pädagogischen Freiheit aus sachlich nachvollziehbaren Gründe, eine als verbindlich zu erklären.


    Sachlich nachvollziehbar ist es bestimmt, den Schülern das ganze Tableau der Indikativ-Konjunktivprüfung zu ersparen und den Konjunktiv in IHREN Klassenarbeiten verbindlich zu machen. Korrigieren Sie zentrale Prüfungen oder Arbeiten der Kollegen, MÜSSEN Sie die obige Abschätzung treffen.

    Und der Mann spürte das Wissen bis an die Haarspitzen, als ihm das Konversationslexikon auf den Kopf fiel. (Uli Keuler)

    Einmal editiert, zuletzt von Nicht_wissen_macht_auch_nic ()

  • Zitat

    Schnuppe schrieb am 17.01.2007 19:04:


    Wie handhabt ihr das und/oder gibt es eine eindeutige Regel?


    Hallo Schnuppe,


    Laut WAHRIG kann in der mündlichen Sprache bei der indirekten Rede statt des Konjunktivs der Indikativ verwendet werden, wenn der Satz mit „dass“ eingeleitet wird.

    In der schriftlichen Sprache hingegen ist bei der indirekten Rede der Konjunktiv verbindlich.


    Gruß


    Animagus


  • Das habe ich nach meiner Recherche im Netz gefunden.


    Schnuppe


    Danke für die bisherigen Antworten

  • Hallo,


    ich würde bei indirekter Rede immer den Konjunktiv verwenden. Und vielleicht (!) ist es sinnvoll, dass so zu unterrichten, denn klare Regeln vereinfachen die Dinge und das Problem besteht gewöhnlich nicht darin, dass Leute den Indikativ nicht beherrschen, sondern dass sie den Konjunktiv nicht beherrschen. So jedenfalls meine Uni-Erfahrung, wo der Konjunktiv vielen (Ex)teilnehmern von Deutsch-LKs und Germanistik-Studenten ganz einfach unbekannt ist ;) .


    Ich kann aber verstehen, dass man bei "starker Anlehnung" an direkte Rede (dass-Sätze) den Indikativ toleriert. Bei Deinem Zitat aus dem Netz habe ich den Ausdruck


    Zitat

    dass der Sprecher den Inhalt des abhängigen Satzes als gegeben betrachtet


    nicht verstanden. Was soll das heißen? Was


    Zitat

    die Verben des Wissens (wissen, erfahren,einsehen)


    angeht - ist das nicht etwas anderes? Ich meine: Um indirekte Rede geht es hier ja gerade NICHT.


    Nette Grüße
    Unter uns

  • Zitat

    unter uns schrieb am 18.01.2007 23:06:Bei Deinem Zitat aus dem Netz habe ich den Ausdruck



    nicht verstanden. Was soll das heißen?


    "Einen Sachverhalt als gegeben zu betrachten oder voraussetzen" heißt, diesen Sachverhalt als nicht zu hinterfragende Tatsache anzuerkennen. Beispiel:


    Professor: "Dass Sie ausreichend auf das Referat vorbereitet sind, sehe ich als gegeben an. Also bitte hic Rhodos, hic salta!"


    In Hessen kommentiert man solche Sachverhalte mit "Braumer garnet drüber redde." Hier im Ruhrgebiet mit "Geschenkt!" :)


    Ne "ich war nicht im Deutsch-Leistungskurs" le

  • Zitat

    unter uns schrieb am 18.01.2007 23:06:denn klare Regeln vereinfachen die Dinge


    Der kleine Linguist in mir zuckt gerade etwas zusammen und die sprachhistorischen Bücher in meinem Regal rumpeln bedrohlich.


    Ne "deskriptiv oder präskriptiv?" le

  • Zitat

    Der kleine Linguist in mir zuckt gerade etwas zusammen und die sprachhistorischen Bücher in meinem Regal rumpeln bedrohlich.


    :D


    Okay, kann das Rumpeln verstehen. Aber letztlich geht es hier ja um eine Regelfrage, nicht um die Diskussion: Status von Regeln. Und die Frage ist dann doch: Wieviele Ausnahmen soll man sinnvollerweise diskutieren/unterrichten. Und der Deutschunterricht ist wohl nicht wirklich die Arena reiner Deskription...


    Unter uns

  • Zitat

    unter uns schrieb am 18.01.2007 23:27: Und der Deutschunterricht ist wohl nicht wirklich die Arena reiner Deskription...


    Geschenkt! ;) Aber vom Ausgangsposting ausgehend hatte ich den Eindruck, dass es hier zum Teil auch um eine Grundsatzfrage ginge.


    Nele

  • Morgen,


    schön, dass sich nun noch ein paar mehr Stimmen zu Wort melden. Mir geht es um eine Grundsatzfrage, aber nicht wie ich es unterrichte, denn da bin ich ja einheitlich, erwähne die im Buch dargestellte Möglichkeit des Indikativs, betone aber, dass ich den Konjunktiv fordere. Aber ich unterrichte ja nicht alle Schüler und die Schüler haben ja auch die Möglichlkeit ihre Infos aus anderen Quellen zu beziehen, deshalb geht es mir darum, speziell auch bei Korrekturen in meinem anderen Fach, ob man den Indikativ als Fehler bei dass Sätzen anstreichen kann/darf/muss?


    Schnuppe

  • Hi,


    ich glaube, ich hatte das Ausgangsposting nicht genau genug gelesen ;) .


    Zitat

    Aber ich unterrichte ja nicht alle Schüler und die Schüler haben ja auch die Möglichlkeit ihre Infos aus anderen Quellen zu beziehen, deshalb geht es mir darum, speziell auch bei Korrekturen in meinem anderen Fach, ob man den Indikativ als Fehler bei dass Sätzen anstreichen kann/darf/muss?


    Naja, wenn ich die Diskussion hier so sehe, dann MUSST Du es als Fehler wahrscheinlich nicht anstreichen. Schwieriger ist wohl die Frage, ob Du es anstreichen darfst - vermutlich kommst Du in argumentative Schwierigkeiten, wenn ein Schüler die richtige Grammatik aufschlägt. Also ich würde es dann einfach nicht anstreichen, sondern unterkringeln oder so - ganz theoretisch gesagt.


    Unter uns

  • Zitat

    In Hessen kommentiert man solche Sachverhalte mit "Braumer garnet drüber redde."


    Braumer = braaache mä ! Da bin ich pingelig.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat

    Meike. schrieb am 20.01.2007 12:42:


    Braumer = braaache mä ! Da bin ich pingelig.


    Schuldigung. Ich hab das nicht so mit den süddeutschen Dialekten. ;)


    Nele

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