Als Lehrer nachqualifizieren/promovieren

  • Hallo!


    Seit 7 Jahren bin ich in Berlin im Schuldienst angestellt (mit
    Ref sind's 9 Jahre) , aber ich will auf jeden Fall (mit 40 Jahren, Frau und
    jungen Kindern :pfeifen: ) aus dem Beruf aussteigen.




    Ich hatte überlegt, ob ein Bundeslandwechsel wegen
    Verbeamtung die Lösung sei, aber das gewaltige Plus an Netto-Einkommen ist ja
    dennoch an den gleichen Beruf gekoppelt, also keine Lösung. Habe also die Angebote abgelehnt.



    Wer die Last dieses Berufes bis zum Ende mit 67 Jahren tragen
    kann, für den ist das sicher eine sehr gute Möglichkeit; ich kann es nicht, wie
    sich immer deutlicher abzeichnet, daher gilt für mich der Ausstieg.



    Nun stelle ich fest, dass die spannenden Jobangebote
    (z.B. was man auf interamt.de oder e-fellows.net an Stellen an den Unis findet,
    etwa Professuren für Anglistik) alle natürlich sehr hohe Voraussetzungen
    verlangen.



    Auch wenn man "nur" wissenschaftlicher Mitarbeiter
    werden möchte, ist gleich immer (!) eine Promotion erforderlich. Und das ist
    nur der Anfang der Liste. Hinzu kommen zahlreiche weitere Qualifikationen, die
    verlangt werden....


    Ich gebe es zu: Ich bin schockiert, nach den
    Recherchen, dass ich offenbar massiv unterqualifiziert bin, was den modernen
    Jobmarkt angeht.


    Also muss ich natürlich erst einmal wieder klein anfangen,
    denn meine zwei Staatsexamen sind nicht gerade berauschend (Noten 2,2 und 3,66 :rotwerd: ).



    Wie gestaltet man unter diesen Bedingungen (mein Alter,
    Lehramt, Familie) eine akademische Nachqualifizierung (Promotion) und damit den
    Ausstieg?



    Wie ist dieses Ziel realistisch erreichbar?



    Denn:
    Ich habe das mulmige Gefühl, dass ich von der rasenden Entwicklung der letzten
    Jahre -- sprich: seit ich die Uni 2002 verlies, ich darf erinnern, es gab noch Zettelkataloge, kein
    verbreitetes Internet, niemand kannte WLAN und die ersten Handys waren im
    Kommen -- abgehängt worden bin, und dass es jetzt allerhöchste Eisenbahn ist, Qualifikationen nachzuholen,
    bevor die Zeit mich vollends überrumpelt.


    Denn auf dem nicht-schulischen Jobmarkt bin ich jetzt schon unterste Schublade, wenn überhaupt. Vielleicht als
    Pförtner an der Uni hätt ich eine Chance, aber dazu fehlt mir die handwerkliche
    Fähigkeit :)



    (Es sollte doch nicht sein, dass Lehrer lediglich in der
    sehr engen Arbeitsmarkt-Nische namens „Schule“ eine Chance haben. Was ist denn mit all
    jenen, die beruflich mal wechseln wollen/müssen oder es besser mal sollten?)


    Ich bin über jegliche Hinweise, Hilfe, Tipps und Kritiken
    sehr (!) dankbar!

  • Ich gehe mal davon aus, dass du ganz aus dem Schuldienst aussteigen willst - Lehrtätigkeit scheint ja für dich weiter in Frage zu kommen.


    Manchmal gibt es Abordnungen an die Uni, an Museen, bzw. die Möglichkeit, dass du dich teilweise abordnen lässt.


    Vielleicht wendest du dich an Schulbuchverlage? FAlls das etwas für dich ist? Sie suchen manchmal Vertreter, auch die Weiterbildung als Lektor gibt es - allerdings ist anscheinend meist ein PRaktikum Vorraussetzung.


    ODer, falls du dir die Arbeit mit Kindern weiter vorstellen kannst, was ist mit der Gründung eines Nachhilfeinstitutes? Rechtschreibprobleme und Englischförderung (LEgasthenie) sind vielleicht Bereiche, in die du dich fortbilden kannst.


    flip

  • Die universitären Berufsaussichten für Germanisten und Anglisten sind miserabel bis inexistent - gegen die jungen Leute, die schon in den Instituten arbeiten und vernetzt sind, hättest du keine Chance. Denkbar wären bestenfalls Abordnungen, dann wärst du immer noch Lehrer, oder Lehraufträge, auf denen man keine wirtschaftliche Existenz, schon gar nicht mit Familie aufbauen kann.


    Wenn du eine Promotion anfangen willst, WEIL du irgendwie an die Uni möchtest, dann vergiss es am besten gleich. Eine Promotion fängt man nicht so einfach an, das ist ein lebensbeherrschendes Projekt, das einen mehrere Jahre lang völlig ausfüllt und einnimmt und mit erheblichen psychischen und finanziellen Belastungen verbunden ist. Wenn man da kein tiefes intrinsisches Interesse an der Materie mitbringt, ist ein Dissertationsprojekt zum Scheitern verurteilt - und das ist kein Spaß.


    Nele

  • Zitat

    Ich habe das mulmige Gefühl, dass ich von der rasenden Entwicklung der letzten
    Jahre -- sprich: seit ich die Uni 2002 verlies, ich darf erinnern, es gab noch Zettelkataloge, kein
    verbreitetes Internet, niemand kannte WLAN und die ersten Handys waren im
    Kommen -- abgehängt worden bin,


    das wundert mich ein kleines bisschen, denn für eine Laufbahn an der Uni hat es im geisteswissenschaftlichen Bereich schon immer einer Promotion bedurft. Schon in den 70 ern.


    Aber egal.


    Schulbuchverlage würden mir auch einfallen, und wie sieht es mit Zeitungen aus? Ein Volontariat käme dann vermutlich aus finanziellen Gründen nicht in Frage?


    Wie weit könntest du denn dein jetziges Stundendeputat senken, um Zeit für eine Promotion zu haben?
    Ich gebe allerdings Nele recht, dafür muss man schon brennen. Aber vielleicht glüht ja ein Fünkchen, das aufs Anfeuern wartet... Hast du schon mal Kontakt mit einem potentiellen Doktorvater aufgenommen und einen Themenvorschlag, den du ihm unterbreiten könntest?

  • ...seit ich die Uni 2002 verlies, ich darf erinnern, ...und die ersten Handys waren im kommen...


    OT: Ich darf erinnern, das D1-Netz ist 1991 oder 92 in Betrieb gegangen, 2002 gab es schon ca. 10 Jahre lang Handys.


    Zum Thema: Vielleicht gibt es in der betrieblichen Weiterbildung Möglichkeiten.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich fühle mich jetzt gerade übrigens sehr alt - als ich mein Examen im jahre 1999 machte, hatte ich auch schon Karteikarten- und Microfichekataloge kennengelernt (die Titel vor 1920 noch in deutscher Currentschrift notiert), in den Propädeutikveranstaltungen wurde noch der Umgang mit Papierbibliographien und Nationalkatalogen gelehrt, der Computerkatalog lief in Ansätzen mit Opac, Internet hatte ich zu Hause überhaupt nicht, geschweige denn ein Handtelefon oder WLAN...


    Ich glaube, ich nehme mal meine Arthritis-Pillen und bestell mir einen Sessel in Seniorensitzhöhe. :)


    Nele

  • Ich habe das mulmige Gefühl, dass ich von der rasenden Entwicklung der letzten
    Jahre -- sprich: seit ich die Uni 2002 verlies, ich darf erinnern, es gab noch Zettelkataloge, kein
    verbreitetes Internet, niemand kannte WLAN und die ersten Handys waren im
    Kommen

    Sag mal, wo hast Du denn studiert? In Timbuktu?


    Hier (Uni Würzburg):


    - Zettelkataloge bis 2002 vorhanden, aber seit Mitte der 90er nahezu komplett digitalisiert
    - Internet: Homeaccounts für Studierende seit 1996 verfügbar


    ... und Handys waren im Jahr 2002 nicht nur in Würzburg (sogar da!) definitiv nicht mehr "im Kommen", sondern längst Allgemeingut.


    Na gut, von WLan hat damals noch keiner gesprochen. Das ist fürs Studium aber auch eher nebensächlich.


    Erstaunte Grüße
    Fossi

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Zitat

    und wie sieht es mit Zeitungen aus? Ein Volontariat käme dann vermutlich aus finanziellen Gründen nicht in Frage?


    Friesin: O bitte nicht solch fahrlässige Ratschläge in die Runde schmeißen... :grimmig: Die Branche liegt am Boden und hat auf berufsmüde Lehrer gerade noch gewartet. Ich weiß in diesem Fall, von was ich Rede, war selbst 19 Jahre lang hauptberuflich in dem Job (davon 13 Jahre ziemlich glücklich...), bevor ich zuletzt Hals über Kopf geflüchtet bin, weil die Zeitungskrise katastrophale Arbeitsbedingungen und kaum mehr existente Berufsaussichten geboren hat. Schaut euch mal um in Deutschland, die FR macht dicht, WAZ schmeißt zum 1. 2. mal eben eine komplette Zeitungsredaktion raus (120 Feste und 200 Freie) - der renommierte Zeitungsforscher Horst Röper warnte selbst vorige Woche erstmals dringend vor dem Berufsfeld Journalismus, es is ein sterbender Ast, es sei denn, man ist heute multimediafit und jung und flexibel und (finanziell) weitgehend unabhängig. Je nach Zeitung prügeln sich bis zu 200 Bewerber um eine Volontärsstelle (die meisten U25 und frisch studiert); Freiberufler krebsen häufig am Existenzminimum (meine freischaffende Tätigkeit lohnt sich zur zusätzlich zur 70-Prozent-Stelle am Gym, mit der ich die Schreiberei quasi quersubventioniere). Sorry, das war jetzt etwas ausufernd, aber bei diesen gut gemeinten Ratschlägen "Journalist statt Lehrer" werde ich in letzter Zeit extrem kribbelig.
    Gruß aus dem Zeitungswald (der arg gerodet ward und wird!!).

  • riesin: O bitte nicht solch fahrlässige Ratschläge in die Runde schmeißen...


    mea culpa!! War ja nur ne Frage.


    Ehrlich gesagt wunderte ich mich ein wenig über den Eingangspost, wollte aber dennoch konstruktiv sein. Ähem. Asche über mein kenntnisloses Haupt!

  • Ich wundere mich bei derartigen Lehrer-Aussteiger-Threads fast immer, nämlich über zwei Dinge:
    1. Diejenigen, die wechseln möchten, scheinen unbedingt inhaltlich ähnlich arbeiten zu wollen, z.B. (ehemalige) Deutschlehrer im Journalismus, ehemalige Fremdsprachenlehrkräfte irgendwas Anderes mit Fremdsprachen, und sowieso viele bei Schulbuchverlagen. Ich kann mir nicht anmaßen, hier beraten zu wollen, aber als Idee fällt mir ein, dass man seine Wünsche zu potentiellen Arbeitsbereichen vielleicht offener halten könnte.
    2. Werden gar keine Berufsberater konsultiert? Die mal fragen! Was sagen die denn so außer den oft unrealistischen und ausgetretenen Pfaden "Schulbuchverlag" und "Journalismus"? Frag doch da mal nach.


    Vielleicht könnte man sich auch mit einer Stelle anfreunden, die nicht unbedingt ein Studium voraussetzt. Dann wärest Du zwar überqualifiziert, aber hättest was. So viel wie als Lehrer verdient man dann da nicht*, aber es gibt doch hunderte von nichtakademischen Berufen, in denen unzählige Familienväter und Familienmütter arbeiten, die den Löwenanteil des Geldes für die Familien erarbeiten; und die kommen doch auch über die Runden.



    Immerhin geht es in diesem Fall um keine geringere Stadt als Berlin - da muss doch was möglich sein!


    * Jetzt aber bitte nicht wieder die Diskussion zum Thema "Lehrerverdienst - viel-sehr viel- niedrig-zu wenig" wiederbeleben... Merci ;)


    Hamilkar

  • Danke, Hamilkar!


    Als ich mit 2. Staatsexamen ein jahr arbeitslos war, hat die ArGe-Beraterin mit mir zusammen ein Berufsprofil im sozialpädagogischen Bereich erstellt, und zwar - weil darin eine meiner Stärken liegt- in einer beratenden Tätigkeit.
    Als Lehrer kann man doch wesentlich mehr vorweisen als "nur" die studierten Fächer, gerade mit Berufserfahrung.
    So suchte eine Polizeifachschule jemanden, der angehenden Polizisten Englisch beibringt.
    Erwachsenenbildungsträger z.B. kämen da auch in Frage.
    Oder willst du gar nicht mehr in Richtung Unterricht gehen?


    Auf jeden Fall sollte man mal zur ArGe/ Berufsberatung gehen und sich beraten lassen.

  • So suchte eine Polizeifachschule jemanden, der angehenden Polizisten Englisch beibringt.



    Wow, das wäre was für mich! Danke für diesen Tip. Wir haben hier noch nichtmal einen knappen Kilometer von mir so eine Schule. :-) Ein Projekt für das Sabbatjahr.


    Raket-O-Katz

  • Hi!


    Ich habe gerade die Vielzahl an Antworten auf meine Fragestellung gelesen und bin allen Usern sehr dankbar für die vielgestaltigen, kritischen und durchdachten Hinweise.


    Ich würde gerne jedem sofort antworten, aber ich muss erst einmal ein paar Tage in mich gehen und nachdenken. Mit so einer wunderbaren Vielfalt an Antworten hatte ich gar nicht gerechnet, ich bin sehr froh darüber - thanks a lot, everyone!! :aufgepasst:

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