Lesenswert: Zeitungsartikel " Wutbrief einer Lehrerin"

  • Warum erübrigt sich Dein Kommentar?


    Es ist ja nicht so, dass ich noch nie dergleichen erlebt hätte - Auch ich war schon frustriert und genervt von unangemessenem Verhalten und Ignoranz in Museen und Theatern.
    Aber dem Impuls nachzugehen, alle in die Tonne zu klopfen, finde ich so albern wie larmoyant.
    Und wenn man sich schon Luft machen muss, dann wenigstens gut formuliert. Wenn das das Ergebnis längerer Überlegung ist, finde ich es recht dürftig.


    Was soll das anderes auslösen als Aggression? Und Schulterklopfen derer, die alles richtig machen...

  • Ich frage mich, wieso die Kollegin deshalb in der Zeitung erscheint. Solche Briefe wurde doch schon haufenweise an Eltern ausgegeben. Ich habe selbst schon einen ähnlichen verfasst. Den kram ich gleich mal raus …

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Passt zu mehreren Klassen, die ich bereits am GYM unterrichtet habe. EIne davon, Jahrgang 6, hat einen bleibenden Eindruck im örtlichen Museum hinterlassen. Kleinstadt. Diese Klasse ist nun in Jahrgang 8 und nicht erziehbar. Solch ein Brandbrief wäre da schon in der 5.ten angebracht gewesen.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass solche Briefe bei Eltern nicht so gut ankommen.
    Das liegt daran, dass vor allem die Eltern der Kinder, die sich benehmen können, hier Kritik über die Kinder allgemein lesen müssen, mit der sie sich zu Recht aber nicht identifizieren und angesprochen fühlen müssen.
    Einige Eltern der Kinder, die es betrifft, werden als "Reflex" natürlich die Ursachen für das Fehlverhalten bei der Lehrerin suchen. In den Kommentaren ist ja auch zu lesen, dass der Ort der Exkursion möglicherweise nicht passend war. Darüber hinaus mag die pauschale Kritik in der Gänze auch nur auf wenige Kinder zutreffen, auf viele andere jedoch nur zum Teil oder gar nicht.
    Die Kritik der Kollegin mag berechtigt und angemessen sein - die Vorgehensweise jedoch dürfte eher das Gegenteil des gewünschten Effekts bewirken, weil die wenigsten Eltern bei offizieller Kritik - und der Schulleiter hat den Brief ja mit unterschrieben - sich aufrichtig betroffen fühlen. Ich habe den Eindruck, als würde hier medienwirksam Öl ins Feuer gegossen und eine eigentlich lokale Erziehungsdebatte in die Öffentlichkeit getragen, die dort in der Form nun einmal schlichtweg nicht hingehört.


    Wir kennen alle das berühmte Zitat von Sokrates mit der Jugend von heute. Dieser Logik zufolge hätte die Menschheit ja schon längst untergegangen sein müssen.
    Das soll uns keinesfalls das Recht auf Kritik absprechen. Dennoch bin ich aus eigener eher leidvoller Erfahrung mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen, dass man solche Dinge - und sei es noch so ein kollektives Fehlverhalten einer Klasse - intern besprechen sollte; und das vorzugsweise mit denjenigen Eltern, die es wirklich betrifft.


    Gruß
    Bolzbold

  • Ob ein Brief etwas bringt? Meine Erfahrung ist, dass gerade die Eltern der "problematischen" Kinder die Schuld selten bei sich und den eigenen Kindern suchen.


    Meine Reaktion wäre: Mit solch einer Klasse weder dann weder Exkursionen noch Klassenfahrten gemacht. Schon alleine aus dem eigenen "Sicherheitsinteresse" der Kinder: Kann man sich mit so einer Klasse z.B. mit gutem Gefühl im öffentlichen Verkehrsraum bewegen? Kann man so eine Klasse den anderen Mitmenschen im öffentlichen Raum "zumuten"? Kann man guten Gewissens den Schutz von Eigentum und Gesundheit, auch der Kinder, "garantieren", wenn man mit so einer Klasse unterwegs ist? Nach ein paar Jahren "Bewährungsfrist", was das innerschulische Verhalten angeht, kann man dann wieder anfangen über Exkursionen und Klassenreisen nachzudenken.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Bei der Ausgangslage Grundschule und erstes Schuljahr frage ich mich allerdings, was hat die Lehrerin bewegt, mit einem schwierigen ersten Schujahr im ersten Halbjahr so einen Ausflug zu machen. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe auch schon einige erste Klassen hinter mir. Aber als Verantwortliche für so eine Situation muss ich mich vorher fragen, ist das für alle Schüler (und andere Mitmenschen) leistbar und aushaltbar. Wenn dem nicht so ist, dann müssen andere Ziele und/oder mehr Begleitpersonal her. Wenn das aus den unterschiedlichsten Gründen auch nicht möglich ist, dann muss auf solche Aktionen verzichtet werden.
    Das meine ich gar nicht mal negativ, gern gehe ich mit den Kleinen zu Beginn ihrer Schullaufbahn auf einen Spielplatz in der Nähe und teste erst mal aus, was so möglich ist.

  • Zitat Bolzbold :

    Zitat

    Wir kennen alle das berühmte Zitat von Sokrates mit der Jugend von heute. Dieser Logik zufolge hätte die Menschheit ja schon längst untergegangen sein müssen.

    Es geht nicht zeitgleich die gesamte Menschheit unter sondern in gewissen Abständen ein Teil der Hochkulturen, wie z.B. die der alten Griechen (Insofern hat Sokrates Recht gehabt) und Römer. Beide sind im Zuge gesellschaftlicher Dekadenz untergegangen. Wenn die gegenwärtige Gesellschaft von West- und Mitteleuropa wegen Disziplinlosigkeit und Dekadenz untergeht, werden uns dann halt eben andere Gesellschaftssysteme aus Asien überformen. Ein paar hundert Jahre später werden diese dann ebenfalls in Dekadenz verfallen.


    Zitat Mikael :

    Zitat

    Ob ein Brief etwas bringt?

    Wenn sie ihn überhaupt lesen !

    Zitat

    Meine Erfahrung ist, dass gerade die Eltern der "problematischen" Kinder die Schuld selten bei sich und den eigenen Kindern suchen.

    Und darüber hinaus verstärken sie generell das respektlose Verhalten ihrer Kinder gegenüber den Lehrern. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Es geht nicht zeitgleich die gesamte Menschheit unter sondern in gewissen Abständen ein Teil der Hochkulturen, wie z.B. die der alten Griechen (Insofern hat Sokrates Recht gehabt) und Römer. Beide sind im Zuge gesellschaftlicher Dekadenz untergegangen.


    *Stöhn*


    Bitte, bitte, bitte rede einfach nicht über Geschichte. Das geht nur in die Hose...


    Nele

  • Zitat neleabels :

    Zitat

    Bitte, bitte, bitte rede einfach nicht über Geschichte. Das geht nur in die Hose...

    Mit in die Hose gehen sehe ich es nicht so, geehrter neleabels ! Habe mir nämlich jenseits aller Schulbuchweisheit über den Verlauf der Menschheitsgeschichte so meine eigenen Gedanken gemacht. Werde natürlich nicht mehr in diesem Thread darüber reden, weil es ja offtopic wäre. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zitat

    Kleine Kinder haben häufig ein schlechtes Benehmen. Sie leben nur dem Augenblick und verschwenden keinen Gedanken an die Zukunft. Sie lieben Spiele und sinnlosen Zeitvertreib und weigern sich, sich mit einträglichen und nützlichen Dingen zu beschäftigen. Unwichtiges sehen sie als wichtig an und umgekehrt schätzen sie Wichtiges gering oder gar nicht. Sie wollen Dinge haben, die ihnen schaden könnten, und lieben Bilder mehr, als Erwachsene dies tun. Der Verlust eines Apfels oder einer Birne hat mehr Tränen und Klagen zu Folge als der Verlust des Erbteils. Erwiesene Wohltaten pflegen sie zu vergessen. Sie wollen alles besitzen, was sie sehen, und versuchen es mit den Händen und mit Geschrei zu erlangen.


    Mehr Zitate über die ungezogene, unsittliche, ungehörige und verdorbene Jugend von heute:


    http://autenrieths.de/links/jugendvonheute.htm



    Achso.... das Zitat stammt von Bartholomaeus Anglicus (gest. nach 1250)

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Welch ein schönes Zitat, geehrter alias !


    Ich denke, es wird hier niemand bestreiten, dass Kinder im Urzustand zu allen Zeiten und auch heute immer so waren und sind. Und gerade deshalb bedürfen sie der intensiven Erziehung und ständige Betreuung durch Erwachsene, insbesondere durch die Eltern. Aber die meisten Eltern erziehen ihre Kinder gar nicht oder zumindest nicht vernünftig. Und damit haben wir in unserer Gesellschaft ja das große Problem. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Die Schule ist Luftlinie eine halbe Stunde von meiner entfernt. Es ist sogar noch eine recht kleine Schule in recht gutem Einzugsgebiet... Das Kind der benannten Lehrerin ist vermutlich mit eins der schlimmsten. Auch in meinem Einzugsbereich sind es immer öfter Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern, die völlig überhütet, glauben, dass sie sich alles leisten dürfen.


    Ich finde auch, dass es mit den Kindern immer schlimmer wird. Alte Kollegen bestätigen das total. Wir haben Erstklässler die in Schränke pinkeln, ihren Penis rausholen, Erzieher und Lehrer anspucken, schlagen und treten, den Lehrer und Mitschüler bestehlen. Das sind Grenzüberschreitungen, die es früher nicht gegeben hat.


    Die Eltern lächeln milde und faseln, dass sie ja wenig machen können, das Kind wäre schießlich von 7-18 Uhr in der Betreuung...

  • Zitat

    Den Brief hat eine erboste Mutter an die Presse weiter geleitet.


    Schönes Detail. Zu glauben, man könne seine eigenen Alltagsprobleme über "die Medien" lösen, disqualifiziert bereits. "Hamburg kreist um mein Kind..."


    Zitat

    Wir haben Erstklässler die in Schränke pinkeln, ihren Penis rausholen, Erzieher und Lehrer anspucken, schlagen und treten


    Auch schön. Von solchen Verhaltensweisen habe ich das letzte Mal aus einem Heim für geistig Behinderte gehört.

  • Ich denke, der Unterschied zum Verhalten der Rotzlöffel und frechen Gören vergangener Tage zu etlichen heutigen Kindern liegt darin, dass es sich früher um vereinzeltes (!) Aufbegehren gehandelt hat, das gemäß des damaligen Erziehungskonsens, von den Erwachsenen in einträchtiger Weise missbilligt und sanktioniert wurde (Eltern zogen früher mit der Schule erzieherisch an einem Strang), während das o.g. Fehlverhalten heutzutage sich immer mehr zur allgemein gelebten und selbstverständlichen Verhaltenskultur entwickelt und von den Eltern darüberhinaus noch verstärkt wird.


    Im o.g. Zeitungsartikel wird das Sozialverhalten der betreffenden Schüler in der Gemeinschaft beschrieben das mehr als bedenklich erscheint, mich persönlich aber nicht so sehr wundert. In unserer Gesellschaft, in der die Betonung und Entfaltung des Individualismus in massiver Weise bis zur Pervertierung getrieben wird, kann es nur noch soziale Geisterfahrer und Egomanen geben. Ich fürchte, beides, übersteigerter Individualismus und Gemeinschaftssinn, werden miteinander nicht mehr vereinbar sein.


    Der pragmatische und vernünftige Pädagoge, der sich an der gesellschaftlichen Fehlentwicklung nicht unnötig aufreiben möchte, wird dann eben auf Gemeinschaftsveranstaltungen, wie z.B. Unterrichtsgänge, Tagesausflüge und Klassenfahrten verzichten. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Tja, Kommentar meines Vaters (Nichtlehrer): "Wenn wir früher heulend nach hause gekommen sind, weil der Lehrer uns eine gescheuert hat, dann haben wir nochmal eine gescheuert bekommen, weil der Lehrer ja Recht hatte."
    Natürlich vollkommen übertriebene Reaktion, aber ich wünsche mir manchmal, dass die Eltern ein bisschen Zutrauen in den Lehrer haben. Irgendwie paradox: Der Lehrer soll es richten, aber die Eltern fallen ihm doch wieder in den Rücken.


    (Gibt natürlich auch super Eltern, die so perfekt sind, dass es auch schon wieder gruselig ist, aber die fallen ja nciht auf, genausowenig wie die lieben und braven Kinder.)

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

  • Zitat MSS :

    Zitat

    Tja, Kommentar meines Vaters (Nichtlehrer): "Wenn wir früher heulend nach hause gekommen sind, weil der Lehrer uns eine gescheuert hat, dann haben wir nochmal eine gescheuert bekommen, weil der Lehrer ja Recht hatte."

    Richtig ! Und genau deshalb hat Schule auch damals (Ich meine damit die Schule in den 50er und 60er Jahren) funktioniert . Ich denke, entscheidend war dabei nicht die obligatorische Backpfeife sondern die Haltung, die damals hinter der Erziehung stand. Da wurden die Kinder eben nicht auf Augenhöhe der Erwachsenen gebracht, und die höchst problematische Eltern-Kind-Symbiose (vgl. Dr. Winterhoff) war längst nicht so ausgeprägt wie heute.


    Es würde heute auch ohne Backpfeife funktionieren, wenn die Kinder spüren, dass Lehrer und ihre Eltern erzieherisch an einem Strang ziehen. Natürlich beteuern die meisten Eltern, dass in der Schule so etwas wie Disziplin, Ordnung und adäquates Sozialverhalten herrschen muss. Und etliche von ihnen würden auch begrüßen, dass der Lehrer hart durchgreift, wenn es nötig ist, aber nur (Und da haben wir das Grundproblem!), wenn das eigene Kind nicht von den Sanktionen betroffen ist. Man darf sich da nicht auf das Glatteis gutbürgerlicher und angeblich gut erziehender Eltern begeben, die ihre Erziehungsfahne in den Wind hängen, so bald der Lehrer ihr eigenes Kind auch nur schief anguckt oder auch nur ganz leise Kritik äußert.


    Eine Bitte an alle Kuschelpädagogen und pädagogischen Träumern : Kommt mir jetzt nicht mit kooperativen Unterrichtsformen und diesem ganzen bürokratisch aufgesetzten Soziales-Lernen-Quatsch ! Im Gesamtzusammenhang mit der realen gesellschaftlichen Entwicklung, zur Zeit befinden wir uns mitten in der RTLisierungsphase, wirkt das auf Außenstehende einfach nur verpeilt und putzig, d.h. nicht ganz ernstzunehmend wie damals bei Don Quichote.


    Eine effektive Sozialerziehung könnte nur dann stattfinden, wenn man die Kinder dem (nicht-) erzieherischen Einfluss ihrer Eltern komplett (!) entziehen würde. Das würde für den Zeitraum mindestens einer Generation auf eine gänzliche Internatserziehung aller (!) unserer Schüler hinauslaufen. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

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