Evangelischer Reli-Unterricht für Kinder aller (und keiner) Konfessionen - wer hat Erfahrung?

  • Hallo ihr Lieben und vor allen Dingen liebe Reli-Lehrkräfte,


    ich bin zur Zeit an einer Grundschule in SH eingesetzt, in der ich zwei Klassen in evangelischer Religion unterrichte (Jg. 2 und 4).
    Die Gruppenzusammensetzung könnte heterogener nicht sein: Protestanten, Katholiken und orthodoxe Christen, Muslime und vielen konfessionslose Kinder sitzen bunt gemischt in meinem Unterricht. An meiner Schule gibt es nicht die Möglichkeit eines Ersatzunterrichts wie Philosophie oder der entsprechenden Konfession, ich muss aber explizit evangelischen Religionsunterricht halten.


    Die Problematik besteht darin, dass die Kinder meiner 4. Klasse von der Zusammensetzung her schon recht schwer sind (viele KL-Wechsel, allgemeines Arbeits- und Sozialverhalten ist teilweise sehr egoistisch und empathielos). Da sind sensible Themen wie der Glaube auch häufig Anlass für Streit und Hänselei. Ich habe deswegen den Unterricht bisher strikt nach Lehrplan gehalten, das gefällt mir allerdings noch nicht ganz so gut; die Inhalte habe ich bisher sehr "weltlich" und neutral gehalten, um allen Schülern möglichst gerecht zu werden. (Das bot sich beim aktuellen Thema "Luther" sehr gut an, da es auch der gesellschaftliche Aspekt da mehr in den Vordergrund gerückt werden kann.) Trotzdem kommt es immer wieder zu beleidigenden Konfrontationen zwischen den gläubigen und nicht-gläubigen Kindern. Heute hat ein Mädchen (sehr gläubig) sogar geweint, weil sie sich so stark beleidigt fühlte.


    --> Ich habe keine richtige Idee, wie ich das halten soll.


    Hat jemand Erfahrung mit solchen Situationen und vielleicht Ideen, wie ich den Unterricht so umsetzen kann, dass sich möglichst viele Schüler angesprochen fühlen?


    Zerknirschte Grüße,


    SchmidtsKatze

  • Ich passe die Themen nicht an, versuche aber natürlich Toleranz vorzuleben und ein Gespür dafür bei den Kindern zu schaffen. Wer nicht teilnehmen möchte, muss in Hessen nicht.

  • In Hessen muss man in der Tat nicht teilnehmen. Allerdings begenet mit im ev RU ganz oft die Haltung "Mit Religion und Kirche und diesem Quatsch habe ich nichts am Hut, aber mein Kind soll sich das ruhig in der Schule mal anhören". Dummerweise transportieren diese Kinder aber auch Verhaltenweisen in den RU, die eine ganze Stunde sprengen können und können sich auf "religiösere" Themen im RU gar nicht einlassen. Rausschmeißen kann man diese Kinder dann aber auch nicht, weil die Eltern ja die Teilnahme wünschen...

  • Schau mal in eure Verordnung. Uns wollten sie nun auch alle Kids in den Reliunterricht schmeißen. Das hat dann dazu geführt, dass wir Kurse mit bis zu 36 Kids hatten, wovon 10 nicht benotet wurden (nur verwahrt) oder die Anzahl der konfessionslosen (unbewerteten) sogar höher war als die aktiven Teilnehmer. Wir haben uns mit den entschrechenden rechtlichen Vorgaben gewehrt.


    Bekommen alle deine Kids eine Note? Bei uns gäbe es da große Probleme, wenn die muslimischen Kids Noten für ev. Religionsunterricht erhalten sollten.


    Abschließend: Mein Beileid... ist wieder ein Beispiel für den herrschenden Schulwahnsinn!

  • Wir machen das schon seit der Schulgründung so. Die Eltern erklären sich schriftlich damit einverstanden, wenn sie ihr Kind bei uns anmelden. Bisher hat sich kein Reli-Kollege darüber beschwert. Ich sehe oft Plakate mit Arbeitsergebnissen an den Wänden, die sich mit Alltagsdingen beschäftigen: Unterschiede zwischen kath. und ev. Glaubensvorstellungen und Kirchenorganisation, Vergleiche zwischen muslim. und christl. Sakralbauten, Bedeutung von Feiertagen ...
    Allerding arbeite ich auch nicht an einer Grundschule.


    Aber so etwas eher Vergleichendes müsste doch auch für die Kleinen machbar sein. Anlassbezogen dürfte doch auch für Muslime und Hindus interessant sein, warum Christen St. Martin, Nikolaus und Weihnachten feiern, und woher die Symbolik kommt (warum überall Sterne, was bedeutet der Tannenbaum, warum Geschenke, woher kommt das Datum ...). Der menschl. Wert der Nächstenliebe und der Almosen (z.B. in St. Martin) gilt doch im Islam ebenfalls sehr viel, so dass hier das verbindende Element zum Tragen kommt.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Protestanten, Katholiken und orthodoxe Christen, Muslime und vielen konfessionslose Kinder sitzen bunt gemischt in meinem Unterricht.

    Wäre das jetzt nicht die Chance gegenseitigen Respekt und Akzeptanz zu entwickeln, besser als wenn jeder nut im eigenen Saft schwimmen würde?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Es geht aber nicht darum, ob man das als Chance nutzen kann. Das sind rechtlich ordentliche Lehrfächer mit einem festen Lehrplan. Schulen müssen Religionsunterricht konfessionsgebunden unterrichten. Es ist kein Sammelbecken oder eine Chance, Lehrerstellen zu sparen (theoretisch).

  • Wenn sich die Situation nicht ändern lässt (sitzen die da alle freiwillig? Zwingen kann man sie nicht, die Schule müsste wohl für Ethik/ Philosophie sorgen. Hol dir ggf. dann die Eltern ins Boot), dann würde ich mir die Themen rauspicken, die am ehesten alle betreffen. Angst/ ich und die Gemeinschaft/ Umweltschutz...


    Das Hauptproblem ist aber in der Gruppe auch eher das Sozialverhalten, als die Themen. Oder? Dann würde ich zunächst rigoros durchgreifen. Wer andere beschimpft, beleidigt und nicht mitarbeitet sitzt nach, wird zeitweise in eine erste Klasse gesetzt etc. wie in Mathe halt auch. Erst wenn sie angemessen teilnehmen, könnt ihr solche intimen Sachen besprechen und mal mehr als Frontalunterricht wagen.

  • Bekommen alle deine Kids eine Note? Bei uns gäbe es da große Probleme, wenn die muslimischen Kids Noten für ev. Religionsunterricht erhalten sollten.

    wieso denn das?
    Religionsunterricht an den Schulen ist doch keine Missionsierungskampagne oder ein Abtesten der persönlichen Glaubensintensität (ich sage nur "Gott sei Dank"), sondern ein Unterrichtsfach wie andere auch, z.B. Geschichte oder Sachunterricht. Ein Unterrichtsfach, in welchem Kompetenzen und Wissen vermittelt werden. Und auf der Basis dessen kann doch jeder Teilnehmer benotet werden.

  • In Hessen muss man in der Tat nicht teilnehmen. Allerdings begenet mit im ev RU ganz oft die Haltung "Mit Religion und Kirche und diesem Quatsch habe ich nichts am Hut, aber mein Kind soll sich das ruhig in der Schule mal anhören". Dummerweise transportieren diese Kinder aber auch Verhaltenweisen in den RU, die eine ganze Stunde sprengen können und können sich auf "religiösere" Themen im RU gar nicht einlassen. Rausschmeißen kann man diese Kinder dann aber auch nicht, weil die Eltern ja die Teilnahme wünschen...

    Genau, da liegt nämlich der Hase im Pfeffer. Sie nehmen den Reli-Unterricht überhaupt nicht ernst.



    Aber so etwas eher Vergleichendes müsste doch auch für die Kleinen machbar sein.

    Es geht gar nicht um die Themen, die sind unabdingbar im Lehrplan festgelegt. Ich wollte zum Thema Weihnachten auch Ramadan und Channukah behandeln. Das Problem ist, dass der Unterricht für quatschig gehalten wird. Ich höre so häufig Kommentare wie "Interessiert mich alles sowieso nicht, weil das eh nicht stimmt."


    Bekommen alle deine Kids eine Note? Bei uns gäbe es da große Probleme, wenn die muslimischen Kids Noten für ev. Religionsunterricht erhalten sollten.

    Wir hatten gestern Reli-FaKo und dort haben wir über das Problem der Bewertung gesprochen: Es gilt der Erlass: "Wer am RU teilnimmt, muss auch beurteilt werden." Ein "teilgenommen" darf ich nicht ins Zeugnis schreiben.
    Ein Junge ist vom Religionsunterricht befreit, alle anderen nehmen teil und werden (wie seit letztem Schuljahr schon) benotet. Das ist nicht das Problem.

    Wäre das jetzt nicht die Chance gegenseitigen Respekt und Akzeptanz zu entwickeln, besser als wenn jeder nut im eigenen Saft schwimmen würde?

    Darum geht es gar nicht, ich möchte das Ganze gerne als Chance nutzen. Allerdings gelange ich gar nicht an die Stelle, in der Respekt und Akzeptanz entwickelt werden könnten, da das Sozialverhalten so desolat ist. Ich finde es generell überhaupt nicht problematisch, dass ich eine bunte Mischung drin habe, aber es fehlen grundlegend die Empathie und Verträglichkeit gegenüber anderen Verhaltens-, Denk- und Lebensweisen. Das ist aber in anderen Fächern auch so: Null-Toleranz-Politik gegenüber anderen Ansichten, Ideen und Herangehensweisen.


    sitzen die da alle freiwillig?

    Naja, ganz und gar freiwillig wohl nicht.



    Das Hauptproblem ist aber in der Gruppe auch eher das Sozialverhalten, als die Themen. Oder? Dann würde ich zunächst rigoros durchgreifen. Wer andere beschimpft, beleidigt und nicht mitarbeitet sitzt nach, wird zeitweise in eine erste Klasse gesetzt etc. wie in Mathe halt auch. Erst wenn sie angemessen teilnehmen, könnt ihr solche intimen Sachen besprechen und mal mehr als Frontalunterricht wagen.

    Das werde ich jetzt auch so handhaben. Heute habe ich in jugendlichem Leichtsinn mal ein Gruppenpuzzle versucht; ist natürlich komplett in die Binsen gegangen, weil sie einfach nicht in Gruppen zusammenarbeiten können/wollen.


    Aber die Idee mit dem konsequenten Frontalunterricht mit ganz eingegrenzten Strukturen werde ich jetzt auch verfolgen.



    Ich passe die Themen nicht an, versuche aber natürlich Toleranz vorzuleben

    Das ist eigentlich auch mein Ansatz. Aber die springt auf die Kids nicht so richtig über.


    Ich bin eben noch am Anfang des Lehrerlebens und brauche irgendwie praxistaugliche Tipps für schnell funkende Erziehungsmaßnahmen, damit eben solche Beleidigungen und diese "Lari-Fari"-Haltung gegenüber den Themen nicht immer überhand nehmen und wir auch produktiv arbeiten können und ich nicht immer so viel meckern muss :D

  • Ein Unterrichtsfach, in welchem Kompetenzen und Wissen vermittelt werden. Und auf der Basis dessen kann doch jeder Teilnehmer benotet werden.

    Genauso ist es. Reli ist ein ordentliches Unterrichtsfach. Man ist zwar nicht gezwungen teilzunehmen, aber jeder, der teilnimmt, soll auch eine Beurteilung seiner Leistung erhalten. Ich meine, Geschichten und ihren Inhalt zu lernen, hat ja nichts mit Missionierung zu tun :)

  • Genau das mach ich nächste Woche, ist auch schon angesagt :)


    Aber ich werde das auch weiterhin so machen, dass mind. alle 4 Wochen ein Test geschrieben wird (vielleicht auch mal ein "Mappentest"... hat jemand Erfahrungen damit?)

  • Mit Noten disziplinieren funktioniert nicht. Klar kannst du Tests schreiben, deswegen werden die Arbeitshaltung und das Sozialverhalten nicht besser.

  • Auch wieder wahr... der Test nächste Woche steht schon fest, für den Rest muss ich mir noch was besseres überlegen. Vielleicht muss ich nochmal eine Kurzeinheit zum Thema “Toleranz und Respektvoller Umgang“ einschieben vor Weihnachten o.O

  • Wieso sollte über Noten zu disziplinieren nicht funktionieren? Spätestens wenn die Versetzung in Gefahr ist wird sich das Arbeits- und Sozialverhalten ändern.


    Wer kein Interesse am Religionsunterricht hat kann sich befreien lassen. Das ist besser für beide Seiten.

  • Wieso sollte über Noten zu disziplinieren nicht funktionieren? Spätestens wenn die Versetzung in Gefahr ist wird sich das Arbeits- und Sozialverhalten ändern.

    Dann hast du wenig Vorstellung von der Weitsicht verhaltensauffälliger Zehnjäriger.


    Befreien lassen ergibt Sinn. Warum sitzen denn so viele nicht- oder andersgläubige Kinder dort? Ist das ein Stundenplanproblem? Vielleicht hat ja auch euer SL mal einen Lösungsvorschlag.

  • Warum sitzen denn so viele nicht- oder andersgläubige Kinder dort?

    Naja, Religion ist eben ein ordentliches Lehrfach in S-H und solange der Ausbau der Lehrer für Philosophie und/oder katholischen und muslimischen Religionsunterricht nicht passiert ist, kann man eigentlich keine Kinder vom Unterricht ausschließen.


    Solange sie nicht explizit aus gewichtigen Gründen befreit worden sind, müssen sie teilnehmen, jedenfalls soweit ich weiß.


    Ändern kann und will ich es nicht, dass sie nun da sitzen; ich möchte es ihnen auch nicht so schwer machen. Jetzt ist es aber genau umgekehrt: Sie machen mir das Leben schwer, indem mind. ein Drittel eine heftige Verweigerungshaltung gegenüber dem Unterricht hat.


    Spätestens wenn die Versetzung in Gefahr ist wird sich das Arbeits- und Sozialverhalten ändern.

    Ganz zauberhafte Vorstellung, das zieht aber leider nicht bei allen, vor allen Dingen nicht bei denen, denen der Reli-Unterricht auf gut deutsch da vorbeigeht, wo die Sonne nicht hinscheint.


    Ich kann und will die Schüler nicht raushaben aus meinem Unterricht, ich möchte produktiv arbeiten, weiß aber nicht so recht wie.


    Freies Arbeiten lasse ich jetzt jedenfalls erstmal sein. Und den Rest muss ich noch mal überlegen, damit ich nicht selbst den Glauben an die Menschheit verliere :D

  • Dann hast du wenig Vorstellung von der Weitsicht verhaltensauffälliger Zehnjäriger.


    Die Kinder mögen vielleicht nicht soviel Weitsicht haben, aber die meisten Eltern schon!
    Spätestens dann, wie Landlehrer schon schrieb, wenn es um die Versetzung geht. Da kann auch eine 5 in Reli ganz schnell mal das Zündlein an der Waage werden. Und wenn man sowohl den Kindern als auch den Eltern rechtzeitig solche Konsequenzen aufzeigt, wird sich das Verhalten verbessern.

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