Erfahrungen mit einem Zweitstudium Lehramt Physik/Mathe

  • Hallo zusammen,


    ich habe schon zu Schulzeiten immer die Vorstellung gehabt, Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik zu werden. Am Ende ist es doch etwas anders gekommen, weil ich mich wissenschaftlich vertiefen wollte und somit Physik "normal" studiert und darin auch promoviert habe. Schließlich habe ich mich vom Geld in der freien Wirtschaft blenden lassen - mein aktueller Beruf (Unternehmensberater) passt nicht zu meiner Persönlichkeit: ich bin eher ruhig, häuslich, nachdenklich, so dass mir das ständige Reisen im Beruf, und die fehlende Planbarkeit meines Alltags doch viel mehr aufs Gemüt schlägt als anfänglich angenommen. Wie auch immer, mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Lehrerberuf das Richtige für mich ist. Ich liebe Mathe und Physik, habe Begeisterung dafür und möchte aufzeigen, dass diese Fächer sehr viele spannende Anwendungen finden.


    Wenn man Lehrer für M, Ph am Gymnasium werden will, gibt es zwei Möglichkeiten (je nach BL nur eine):
    (i) Seiteneinstieg, Ref
    (ii) Zweitstudium, Staatsexamen, Ref


    Finanziell scheint (i) natürlich attraktiver zu sein, weil man schneller Geld verdient, weniger Prüfungen hat usw. Allerdings ist der Lehrerberuf m.E. keiner, den man "einfach so" erlangen kann. An der Uni habe ich selbst gemerkt, dass es fürs Unterrichten und für das Konzipieren von Übungsaufgaben und Klausuren mitnichten ausreicht, nur fachlich Ahnung zu haben. Gleichzeitig ist es in vielen Bundesländern unklar, wie die Anstellungsverhältnisse sein werden: manchmal wird man über die Sommerferien ausgestellt und vielleicht danach wieder eingestellt. Manchmal wird man auch gar nicht verbeamtet.


    Deshalb könnte es sich m.E. vielleicht lohnen, einen Schritt zurückzugehen und ein Zweitstudium aufzunehmen. Ein großer Nachteil wäre natürlich der finanzielle Verlust. Arbeiten nebenher wird wohl schwierig (bis auf Lehrstuhltätigkeiten), wenn ich das Studium zügig abschließen will. Allerdings habe ich durch die Promotion und die jetzige Arbeit ein gutes Polster, so dass ich mir mehrere Jahre Studentenleben leisten könnte. Aus meinem Physikstudium werde ich mir wohl alle Vorlesungen anrechnen lassen können, für die Mathematik nicht alles und ich muss (das gilt für Bayern) Analysis II, Algebra, Numerik, Wahrscheinlichkeitstheorie nachholen, aber der Aufwand sollte okay sein, da ich als Theoretiker in Mathe noch recht fit bin. Komplett nachholen müsste ich die ganzen Didaktik-Vorlesungen und Erziehungswissenschaften. Das wird in unter zwei Jahren zum ersten StEx nicht zu machen sein, denke ich. Trotzdem glaube ich, dass ich das alles interessant finden könnte.


    Etwas Sorgen macht mir hingegen mein Alter. Momentan bin ich 28, bis ich mit dem Zweitstudium anfangen würde, wäre ich 28/29. Dann 2-3 Jahre Studium und dann nochmal 2 Jahre Referendariat. Macht also ein echtes Einstiegsalter von 32/33. Ich fühle mich richtig alt.


    Langer Text, kurze Fragen:


    Hat jemand Erfahrung mit Zweitstudium, um dann noch Lehrer zu werden?
    Wie ist es so, nochmal als Student an die Uni zurückzukehren?
    Wie lange habt ihr nachstudieren müssen?


    Dann noch weiter:


    An die Lehrer: Was ist euer momentanes Gefühl für den Bedarf an Gymnasiallehrer für die Kombination Mathe+Physik? Angeblich herrscht ja Lehrermangel, aber in Bayern ist er z.B. nicht akut. Laut Bedarfsprognosen scheint es aktuell okay zu sein und ab 2020 wieder bisschen besser zu werden. Aber sowas weiß man ja nie...


    Ich bin euch für jede Kommentare dankbar! :-)

  • Ganz ehrlich, mach den Seiteneinstieg. Was Pädagogik, Didaktik, etc betrifft, habe ich im Studium genau nichts gelernt. Das kam erst im Ref. Und diese Veranstaltungen hast du ja auch, wenn du einen Seiteneinstieg machst. Könntest du dir evtl. auch vorstellen, an berufsbildende Schulen zu gehen? Da ist der Seiteneinstieg oft unkomplizierter.


    Was den Bedarf betrifft, kann ich dir nur von der Situation in BaWü berichten. Mathe war in den vergangenen Ausschreibungszeiträumen sehr gesucht. Wir hatten zwei Mathe-Referendare, die weggingen wie warme Semmeln. Wir selbst hatten leider (noch) keinen Bedarf letztes Jahr; der wird aber in spätestens zwei Jahren (durch Pensionierung) kommen.


    Viele Gemeinschaftsschulen bei uns hatten auch beliebig, beliebig, beliebig ausgeschrieben, d.h. die haben wohl alles genommen, was es so gab.

  • Vielen Dank für deine Einschätzung!

    Zitat von MrsPace

    Könntest du dir evtl. auch vorstellen, an berufsbildende Schulen zu gehen?

    Im Prinzip ja. Allerdings nur, wenn es (auch) Sekundarstufe II bzw. etwas Äquivalentes beinhaltet. Vom Gefühl her würde mir Unterricht am Gymnasium mehr zusagen, weil man statistisch gesehen häufiger auf sehr begabte Schüler stoßen dürfte (in der Regel gehen die ja gleich auf ein Gymnasium und machen Abi), und solche Schüler würde ich gerne durch Vorbereitung auf Mathewettbewerbe etc. unterstützen. Ich weiß, das klingt vielleicht alles bisschen idealistisch, aber es ist hoffentlich nicht ganz unrealistisch. Außerdem kann man in der Unterstufe frühzeitig für Mathe begeistern.


    Zitat von MrsPace

    Was den Bedarf betrifft, kann ich dir nur von der Situation in BaWü berichten. Mathe war in den vergangenen Ausschreibungszeiträumen sehr gesucht. Wir hatten zwei Mathe-Referendare, die weggingen wie warme Semmeln. Wir selbst hatten leider (noch) keinen Bedarf letztes Jahr; der wird aber in spätestens zwei Jahren (durch Pensionierung) kommen.

    Ok. Zumindest für Gymnasien scheint es einen Seiteneinstieg in BaWü nur für das Fach Physik zu geben. Da ich Mathe nicht voll studiert habe, wird mir - so fürchte ich - nicht gestattet, vollständig bis zum Abi Mathe zu unterrichten. (Allerdings ist die Situation sowieso kompliziert: formal habe ich keinen Master in Physik, sondern in Mathe, weil ich diesen in England erworben habe, wo Physik der Mathe-Fakultät angerechnet wird.)


    Weißt du wie die Chancen auf eine Verbeamtung stehen, wenn man den Quereinstieg via Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert? Was sind die gängigen Anstellungsverhältnisse für Quereinsteiger? Dazu finde ich zu selten etwas im Netz (bis auf Horrorgeschichten auf SPON). Der Vorbereitungsdienst beginnt ja im Januar. Jetzt ist es zu spät, d.h. ich müsste bis nächstes Jahr warten und mich im Frühjahr bewerben. Mal gucken, wie lange ich es im jetzigen Job aushalte...


    Zitat von MrsPace

    Viele Gemeinschaftsschulen bei uns hatten auch beliebig, beliebig, beliebig ausgeschrieben, d.h. die haben wohl alles genommen, was es so gab.

    Als Bayer kenne ich das Konzept von Gemeinschaftsschulen nicht. Muss man da auch auf Hauptschulniveau unterrichten, oder hat man als A13-Lehrer nur Klassen, die auf Gymnasialniveau zu unterrichten sind? Wie darf ich mir das vorstellen?

  • Falls du dich jünger fühlen möchtest, ich war 40 als mit dem Studium an der PH (in der Schweiz) angefangen habe ;) Dort waren es nur pädagogisch-erziehungswissenschaftliche Studien, fachlich wurde mir für Mathe/Physik alles angerechnet (habe einen einen sehr ähnlichen Werdegang wie du).


    Mir persönlich haben die Fachdidaktiken was gebracht, der Rest eher weniger. Nur wegen der Pädagogik würde ich an deiner Stelle kein Studium machen, entsprechende Veranstaltungen/Seminare hast du im Ref auch als Seiteneinsteiger - was dir an Theoriewissen fehlt, kannst du dir anlesen. Für die Praxis am meisten lernst du von einem guten Mentor, nicht in Vorlesungen und Seminaren.


    Ansonsten bin ich auch auf der Linie von MrsPace - wirf mal einen Blick auf berufliche Schulen.

  • Vielen Dank für deine Einschätzung!

    Im Prinzip ja. Allerdings nur, wenn es (auch) Sekundarstufe II bzw. etwas Äquivalentes beinhaltet. Vom Gefühl her würde mir Unterricht am Gymnasium mehr zusagen, weil man statistisch gesehen häufiger auf sehr begabte Schüler stoßen dürfte (in der Regel gehen die ja gleich auf ein Gymnasium und machen Abi), und solche Schüler würde ich gerne durch Vorbereitung auf Mathewettbewerbe etc. unterstützen. Ich weiß, das klingt vielleicht alles bisschen idealistisch, aber es ist hoffentlich nicht ganz unrealistisch. Außerdem kann man in der Unterstufe frühzeitig für Mathe begeistern.

    Ok. Zumindest für Gymnasien scheint es einen Seiteneinstieg in BaWü nur für das Fach Physik zu geben. Da ich Mathe nicht voll studiert habe, wird mir - so fürchte ich - nicht gestattet, vollständig bis zum Abi Mathe zu unterrichten. (Allerdings ist die Situation sowieso kompliziert: formal habe ich keinen Master in Physik, sondern in Mathe, weil ich diesen in England erworben habe, wo Physik der Mathe-Fakultät angerechnet wird.)
    Weißt du wie die Chancen auf eine Verbeamtung stehen, wenn man den Quereinstieg via Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert? Was sind die gängigen Anstellungsverhältnisse für Quereinsteiger? Dazu finde ich zu selten etwas im Netz (bis auf Horrorgeschichten auf SPON). Der Vorbereitungsdienst beginnt ja im Januar. Jetzt ist es zu spät, d.h. ich müsste bis nächstes Jahr warten und mich im Frühjahr bewerben. Mal gucken, wie lange ich es im jetzigen Job aushalte...


    Als Bayer kenne ich das Konzept von Gemeinschaftsschulen nicht. Muss man da auch auf Hauptschulniveau unterrichten, oder hat man als A13-Lehrer nur Klassen, die auf Gymnasialniveau zu unterrichten sind? Wie darf ich mir das vorstellen?

    Sehr idealistisch, ja. ;) Zumal berufsbildende Schulen auch Gymnasien haben. Wir haben ein Wirtschaftsgymnasium, ein internationales WG und ein Sozial- und gesundheitswissenschaftliches Gymnasium. Sehr motivierte Ex-Realschüler in der Klasse zu haben, kann auch sehr angenehm sein.


    Zum zweiten Punkt: Wir haben einige Seiteneinsteiger, die auch Fächer die sie nicht grundständig studiert haben bis zum Abi unterrichten. Einer meiner Kollegen ist Diplom-Informatiker mit Nebenfach Mathe und unterrichtet auch regelmäßig 13er in Mathe.


    Soweit ich weiß, musst du an der Gemeinschaftsschule das unterrichten, was eben anfällt. Ich glaube nicht, dass da differenziert wird. An der BBS hast du aber teils auch Hauptschulniveau. Was nicht schlimm ist. Ist halt ein anderes Klientel, aber hat auch seine Reize.

  • Wie offen bist du bei der Wahl deines Bundeslandes?
    In Bayern wird es wahrscheinlich eher schwer mit dem Seiteneinstieg an Gymnasien, in anderen Bundesländern sieht es deutlich besser aus.


    Bei uns im Seminar waren auch Referendare über 30. Über das Alter solltest du dir keine Gedanken machen.

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

  • @Philio, MrsPace: Vielen Dank für die Klärungen! :-) Das muss ich mir durch den Kopf gehen lassen...


    Milk&Sugar: Korrekt, in BY müsste ich auf alle Fälle ein Zweitstudium beginnen. An sich fände ich das nicht schlimm. Meine einzige Befürchtung ist, dass sich die Einstellungszahlen in den nächsten 5 Jahren zu meinen Ungusten entwickeln könnten...


    Was Bundesländer betrifft: Bevorzugt BY, BaWü. Neue BL eher nicht (nichts für ungut). Aussichten auf Verbeamtung sind mir wichtig (nicht weil ich eine ruhige Kugel schieben möchte, sondern wegen genereller Sicherheit und auch Vergütung).

  • An die Lehrer: Was ist euer momentanes Gefühl für den Bedarf an Gymnasiallehrer für die Kombination Mathe+Physik? Angeblich herrscht ja Lehrermangel, aber in Bayern ist er z.B. nicht akut. Laut Bedarfsprognosen scheint es aktuell okay zu sein und ab 2020 wieder bisschen besser zu werden. Aber sowas weiß man ja nie...

    Das Gymnasiallehramt ist in Bayern massiv überlaufen.


    http://www.bllv.de/September-2017.13054.0.html

  • Ja ingesamt stimmt das auf alle Fälle, aber leider kann man nicht direkt sehen, wie viele M/Ph-Kandidaten am Ende keine Planstelle bekommen, da das ja nur pauschal für M+ oder Ph/ angegeben ist. In einem anderen Link habe ich jedoch gefunden, dass etwa 28 Leute auf der Warteliste sind...; ich würde schätzen, dass die Zahl der erfolgreichen Bewerber niedriger liegt, so dass es wohl derzeit nur 30-35% oder so schaffen... Der vergleichsweise hohe Notendurchschnitt von 2,43 lässt vermuten, dass M/Ph noch nicht krass überrannt ist, aber sicherlich nicht mehr dringend gesucht wird. Laut Lehrerbedarfsprognosen in BY soll die diesjährig besonders niedrige Zahl an Planstellen in mehreren Jahren deutlich höher liegen, während die Studierendenzahlen angeblich sinken. Es bleibt also spannend...

  • der knackpunkt ist, dass kein mensch voraussagen kann, wer mit welchen fächern wann wo zu welchen bedingungen eingestellt werden wird.


    selbst eine bedarfsanalyse sagt nichts aus über eine einstellungspraxis.

  • Vom Bedarf in Bayern habe ich keine Ahnung.
    Meine Frau hat nach dem Diplom (andere Fächer) ein solches Zweitstudium gemacht. Sie hat 2 Jahre gebraucht.


    Wäre sie gleich ins Ref, hätten ihr v.a. im Zweitfach einige Sachen, auch didaktische, gefehlt.

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