Bonuspunkte in Klassenarbeit

  • Hi zusammen,


    Ich hätte da mal eine Frage zur Notenvergabe. Ich habe eine Klasse im Berufskolleg Fremdsprachen, die mega faul ist.
    Ich habe einige Klassen im Berufskolleg, aber diese eine Klasse ist tatsächlich die "schlechteste", soll heißen faulste, unmotivierteste Klasse, die ich jemals hatte.


    Ich habe nach dem ersten Jahr Einzelgespräche geführt und vielen ans Herz gelegt dass das zweite Jahr das Prüfungsjahr ist und wenn sie sich nicht zusammenreißen, sie keine Chance haben den Abschluss zu schaffen.


    Klar, dass die kurz vor den Ferien das Blaue vom Himmel versprochen haben, aber dass es so drastisch nach unten geht, hätte ich nicht gedacht.


    Es ist beruhigend zu sehen, dass andere Fachlehrer genau dasselbe sagen und es somit nicht an mir liegt, da ich wirklich unglaublich viel Zeit investiere um den Unterricht so aufzubauen, dass alle es verstehen und ich parallel auch zwei mal pro Stunde dazu animiere Fragen zu stellen, ob etwas nicht passt.


    Um mal ein Beispiel zu nennen folgendes:
    Als ich vor kurzem SMV Sitzung hatte, bekamen die Schüler zwei Stunden Stillarbeit.


    Ich habe auf einen Zettel zwei Sätze geschrieben.


    1. Lest euch die Seiten 179 - 181 im Buch durch und schaut euch die Beispielaufgaben an


    2. Bearbeitet Aufgabe 1-3 im Buch auf Seite 182.


    Es ging dabei lediglich um Bestellungen aus dem Ausland, bei denen die Währung umgerechnet und Zollgebühren und Umsatzsteuer addiert werden muss, um den Endpreis zu erhalten. Das Vorgehen war also genau gleich wie in den Beispielen, sodass man hätte müssen nur die Zahlen ändern müssen.


    Leichtes Spiel eigentlich für 18 jährige Schüler, die die Fachhochschulreife machen.


    Als ich in der nächsten Stunde nachfragte, ob alle die Aufgaben gemacht hatten, sagte mir 90 % der Klasse, dass sie es nicht kapiert hätten. Als ich dann fragte, ob sie es genau wie in den Beispielen gemacht hätten, kam die Frage "Welche Beispiele?"


    Ich dacht ich spinne. Auf dem Zettel standen zwei Sätze und die waren zu faul sich die drei Seiten im Buch anzuschauen, haben die Stillarbeit zum Blödeln genutzt und klar, wenn man die Beispiele nicht mal anschaut, dann weiß man auch nicht was man machen muss.


    Ich hab dann gesagt, dass wenn sie in 90 Minuten nicht in der Lage waren zumindest mal das Buch aufzuschlagen um die Beispiele zu sehen, dann brauch ich das mit denen auch nicht mehr durchgehen.


    Ich hab das als selbständige Aufgabe aufgegeben und gesagt, dass sie das nun selber sich beibringen sollen und es Thema der Klassenarbeit wird. Sie dürfen jederzeit auf mich zukommen, wenn sie fragen haben oder eine Lösung wissen möchten.


    Nur EINE Schülerin hatte es tatsächlich bearbeitet. Mit ihr saß ich dann zusammen und hab die Aufgabe kontrolliert und siehe da: Alles richtig.


    Vor der Klassenarbeit hab ich dann sogar noch eine Stunde gemacht, in der sie Zeit hatten selbstständig Aufgaben aus dem Buch zu bearbeiten und mich zu fragen, wenn sie nicht weiter wissen. Es kam keine Frage.


    Ich hab nun die Klassenarbeit korrigiert und die Aufgabe aus dem Buch 1:1 so dran gebracht. Gleicher Text, andere Zahlen. Nur die EINE Schülerin hatte die Aufgabe richtig. Von 26 SuS war nur eine Schülerin in der Lage, die Aufgabe zu erledigen, sich vorzubereiten und es zu lösen.


    Leider hatte diese Schülerin bei der Aufgabe 1, die sie normalerweise mit Leichtigkeit löst, einen völligen Blackout, sodass sie am Ende eine für sie mittelmäßige Note hatte. Sie hat auch bereits bei der Abgabe der Klassenarbeit geweint, weil sie wusste, dass da etwas nicht stimmen konnte.


    Ich frage mich nun gerade, inwiefern ich da pädagogische Freiheit habe, ihr Extrapunkte zu geben?


    Also klar, sie hat volle Punktzahl bei der Aufgabe, die niemand lösen konnte und das nur, weil sie die Einzige der Klasse ist, die wirklich lernen möchte.


    Die Aufgabe gab 7 Punkte. Hab ich in so einer Situation die Möglichkeit ihr 1-2 Bonuspunkte für die Aufgabe zu geben, als Belohnung dafür, dass sie die einzige in der Klasse ist, die sich zu Hause hingesetzt und sich vorbereitet hatte oder darf ich nachträglich an der Punktzahl nichts verändern, bzw. keine Sonderpunkte vergeben?


    Ich finde, dass sie es absolut verdient hätte, denn in dieser Klasse wird man fast schon verhöhnt, wenn man sich anstrengt. Ich weiß nur eben nicht, ob ich dazu überhaupt das Recht habe.


    Lieben Dank vorab.


    Stan

  • Ich lese aus deinem Text folgendes heraus:


    1. Du hast den Schüler Währungsrechnen selber zum erlernen aufgegeben.
    Das geht gar nicht. Währungsrechnen ist für Schüler im BKF zu Beginn abstrakt. Das Rechnen ist easy, aber sie müssen es verstehen.


    2. Du willst die Schülerin belohnen, weil sie die Aufgaben bzgl. Währungsrechnen richtig gemacht hat aber eine andere Aufgabe falsch. Und da beginnt die Krux. Du verlierst die Neutralität aus dem Auge. Du bevorzugst sie jetzt. Du willst sie besserstellen obgleich ihre Leistungen in der Klausur etwas anderes sagen.


    Willst du sie etwa in der Abschlussprüfung dann auch bevorteilen?

  • Zu 1.


    Nee, das kam falsch rüber. Währungsrechnen an sich wurde natürlich behandelt. Die Schüler hätten müssten lediglich mehrere Zahlen in einer bestimmten Reihenfolge addieren.


    Also so wie:
    Erst rechne ich die Währung um, danach addiere ich die Fracht und den Zoll usw.


    Das war eigentlich nur ein Abschreiben und fertig.


    Zu 2:
    So gesehen hast du natürlich recht. Mir ist auch klar, dass sie durch die volle Punktzahl eben genau jene Punkte erhalten hat, die es eben für die Leistung gab.


    Ich hab das nur mal bei einem meiner Lehrer gehabt, der für besonders starke Leistungen extra Punkte vergeben hatte und wollte daher mal nachfragen, ob sowas überhaupt erlaubt ist.


    Vermutlich spielt da auch noch der immense Frust mit, weil ich den Schülern so oft entgegen gekommen bin und ihnen alles mehrfach erklärt habe, selbst in der Pause noch und die einfach keinen Bock haben die Chance zu nutzen.

  • Hallo,


    ich würde das anders machen. Nachträglich würde ich nicht mehr an der Punktevergabe herum manipulieren oder ihr irgendeine Sonderbehandlung (was die Klausur betrifft) zukommen lassen. Das kann für die Schülerin übel nach hinten losgehen. Stichwort: des Lehrers Liebling...


    Was du machen könntest, wäre, sie die Klausuraufgabe an der Tafel vorrechnen zu lassen (evtl. vorher ankündigen, dass sie die Möglichkeit dazu bekommen wird) und das zu bewerten. Das könnte man dann ja auch irgendwie mit der Klausur verrechnen, so dass sie insgesamt auf eine bessere Note kommt.


    Ich weiß, dass du nicht danach gefragt hast, aber hier noch ein Rat für den Unterricht am BK. 80% der Klasse parken und sind dementsprechend motiviert, nämlich gar nicht. Ich lasse da nur Noten sprechen; meine Kollegen auch. Nach dem Halbjahr hast du schon einmal fünf bis sieben Leute weniger wegen Probezeit nicht bestanden... Wenn die Klassenleitung entsprechend kulant ist, was Fehlzeiten betrifft, hast du flux nur noch die Schüler dasitzen, die was mit dem Abschluss anfangen wollen... Die anderen fallen halt hinten runter. So what. Ich sehe es nicht mehr ein, dass ich mir für solche Trantüten den A**** aufreiße. Mache ordentlichen, schülerzentrierten Unterricht, halte das Niveau hoch, verteile der jeweiligen Leistung angemessene Noten; wer ernsthaft an einem Abschluss interessiert ist und das Zeug dazu hat, wird nicht auf der Strecke bleiben!

  • Die Aufgabe gab 7 Punkte. Hab ich in so einer Situation die Möglichkeit ihr 1-2 Bonuspunkte für die Aufgabe zu geben, als Belohnung dafür, dass sie die einzige in der Klasse ist, die sich zu Hause hingesetzt und sich vorbereitet hatte oder darf ich nachträglich an der Punktzahl nichts verändern, bzw. keine Sonderpunkte vergeben?

    Ich halte das auch für problematisch (wenn auch nachvollziehbar). Solltest du trotzdem die Finger von lassen. Eine so offene Bevorzugung finde ich absolut unangemessen.


    Wenn du ihr etwas gutes tun möchtest, dann mach es doch auf dem legalen, offensichtlicheren Weg: Die SoMiNo. Wenn in den Stunden nur ein Schüler Leistung gezeigt hat, ist diese Leistung hat 1 oder 2. Die Leistung der restlichen Schüler ist mangelhaft (oder ungenügend, wenn du ausreichend Fragen gestellt hast, die sie nicht beantworten konnten).

  • Danke für die Antworten. Dann lass ich das mit den Sonderpunkten auf jeden Fall bleiben, aber das mit der Präsentation in der Besprechung nach den Ferien find ich ne super Idee!


    Nicht nur, dass die Schülerin dadurch noch einen kleinen Bonus erhält, sondern auch als Win für die Klasse, weil die sich ja scheinbar mit dem Thema einfach nicht beschäftigt hat.


    Mündlich werd ich Im Zuge der Klassenarbeit ohnehin mächtig aufräumen. Alleine schon, wenn ich sehe wie viele der Schüler "krank" machen. Die Hälfte von denen hat bereits nach diesen ersten Wochen Attestpflicht von der Klassenlehrerin bekommen.


    Ich mach drei Kreuze wenn ich die halbwegs vorbereitet in die Prüfung schicken konnte...

  • Ich würde die Klausurwertung nicht anpassen.
    Wenn die Schülerin das sonst immer kann, dann spiegelt sich das doch in der sonstigen Mitarbeitsnote wieder, oder wird die an den beruflichen Schulen anders eingerechnet als an den allgemeinbildenden (50/50)?

  • Nicht nur, dass die Schülerin dadurch noch einen kleinen Bonus erhält, sondern auch als Win für die Klasse, weil die sich ja scheinbar mit dem Thema einfach nicht beschäftigt hat.

    Genauso würde ich das der Klasse auch verkaufen. Da die Schülerin offenbar die Einzige war, die es halbwegs verstanden und sich Mühe gegeben hat, rechnet sie das als Wiederholung der Klasse vor und erhält dafür eine Note.

  • vor allem schreibst du ja "eine für sie mittelmäßige Note" - dem entnehme ich, diese Schülerin hat sonst eher gute oder sehr gute Noten (im Gegensatz zum Rest der Klasse) - dann kannst du, wenn du ihre Gesamtnote berechnest, diese eine Arbeit durchaus als "Ausrutscher" werten, so viel pädagogische Kompetenz darfst du dir schon zutrauen. Natürlich nur, wenn die sonstigen Arbeiten kontinuierlich gut sind, und eben nicht nur, um zu verdeutlichen, wie viel "besser" als der Rest diese Schülerin ist (Klingt nach einem fürchterlichen Sauhaufen...)

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • ...oder noch einfacher: für die Stillarbeitsstunde gibt's ne Note. Einsammeln, 6 bzw. 1 drauf und fertsch.


    (Etwas relativierend zu deinem Frust: wenn ich überlege, wie unsäglich albern wir im 1. Semester in der Vorlesung rumgetuschelt haben fasse ich mir heute noch an den Kopf. Oder wie manche in der Konferenz... Ich glaube, Gruppen von Menschen muss man manchmal zu ihrem Glück zwingen. Freiwilligkeit und Engagement kapituliert vor Gruppendynamik oder so :sterne: )

  • Danke für die vielen Antworten und Optionen. Ich werd das entsprechend umsetzen :)


    Die Klasse selbst hab ich mittlerweile im zweiten Jahr und die sind mega undiszipliniert.


    Als ich sie bekommen habe war es an der Tagesordnung, dass Dinge durch die Klasse flogen, es wurde durchs Zimmer gelaufen, am Handy telefoniert usw.


    Ein kompletter Saustall... Und ich musste dort Lehrprobe halten :D


    Mittlerweile hab ich sie mit harten Konsequenzen so gut es geht diszipliniert, aber die sind sowas von faul.


    In der Stunde vor der Arbeit hatte ich Ihnen gesagt, sie sollen sich zwei Aufgaben bis dahin anschauen, damit wir sie in dieser Stunde besprechen können.


    Gerade mal drei SuS haben es gemacht. Ich hab mich dann mit den drei zusammengesetzt und zu den anderen gesagt, sie sollen sich die Aufgaben solange anschauen und versuchen zu lösen.


    15 Minuten vor Ende der Stunde hab ich Ihnen gesagt, dass wir jetzt die Aufgaben durchgehen, ich aber niemand dazu zwinge. Wer möchte, darf auch jetzt schon in die Pause, ohne dass ich das negativ Werte.


    Mir war es viel lieber, wenn sie tatsächlich freiwillig da sind und dann auch zuhören. Immerhin letzte Stunde vor der Arbeit, also sicherlich durchaus wichtig zuzuhören.


    Weit gefehlt. Sieben! Stück gingen ohne die Erklärung anzuhören in die Pause, Hauptsache sie können zwei Kippen mehr rauchen.


    Hab dann die Aufgabe so an der Arbeit dran gebracht. Alle 7 haben 0 Punkte.


    Es ist ein Trauerspiel, aber ich bins tatsächlich leid volljährige Schüler anzuflehen etwas zu lernen.


    Eher bekomm ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich daran denke, dass manche mit so einer Einstellung eine Fachhochschulreife erhalten :-/

  • Das Problem mit faulen SuS hast du nicht nur am BK, sondern (zum Teil) auch am Gym.


    - Wenn man aus irgendwelchen Gründen in der Oberstufe eine Stunde nicht halten kann bei uns, bekommen sie auch Aufgaben, die sie selbst lösen sollen (EVA) Es gibt Kurse / Jahrgänge, in denen das gut klappt und es gibt Kurse / Jahrgänge, in denen es nicht klappt (nicht nur bei mir, sondern auch bei Kollegen). Darauf angesprochen, sagen die Schüler, dass sie es nicht verstanden haben (obwohl man im Unterricht ähnliche Aufgaben gerechnet hat oder sie nur eine Zusammenfassung schreiben sollten) oder dass es ja nicht so schlimm sei. Ich gehe nach jeder EVA-Stunde und lasse mir zeigen, was sie gemacht haben. Wenn sie es nicht gemacht haben oder ganz rein zufällig ihren Collegeblock zu Hause vergessen haben, ist es halt eine 6. Diejenigen, die den Zettel zu Hause vergessen haben angeblich, lass ich das dann an der Tafel vorrechnen oder den Text mdl. zusammenfassen. Komisch, dass es dann nicht geht.


    - Wenn ich in der Klausur / Klassenarbeit ähnliche Aufgaben wie im Unterricht drannehme (z.T. sogar noch welche, die man 1 Stunde vorher noch mal durchgekaut hat), können die einige Schüler nicht ... und tun dann so als ob wir das ja niiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiie im Unterricht hatten und die Arbeit / Klausur ja soooooooooooooo schwer gewesen sei (v.a. wenn der Schnitt dementsprechend ist). Ja ne ist klar! Ich zeige ihnen dann anhand der Bepunktung immer auf, dass man locker hätte auf eine 3 oder 4 kommen können, wenn man wenigstens die absoluten Grundlagen (bzw. die Aufgaben, die sie im Unterricht schon mal so gerechnet haben) können würden.


    - Wenn man sich die Mühe macht und (egal in welcher Stufe) ein Übungsblatt für die Arbeit fertig macht mit der Bitte die Aufgaben zur nächsten Stunde durchzuarbeiten, damit man es dann besprechen und offene Fragen klären kann, gibt es immer wieder welche, die das nicht machen. Sie hatten dann ja ach so viel zu tun.


    Regeln tu ich das dann halt über die SoMi Note (worüber sie sich dann auch lautstark aufregen).

  • Ich bin jetzt nicht vom Fach, aber wenn sie über 18 sind, sind sie doch freiwillig da, oder? Und wenn sie unter 18 sind, kannst du ihnen doch sicher mit dem BVJ drohen (natürlich alles schön ausgeschmückt). Erzähle ihnen doch von den "Alternativen" (auch wenn sie die Schule verlassen würden) und frage die besonders großen Chaoten direkt warum sie eigentlich hier sind (entweder vor der Klasse oder im Einzelgespräch). Ich kann es nicht so ganz einschätzen, wie das "in dem Alter" ist, aber bei 9./10. Klässlern zieht das ganz gut, da sie ihre Ausbildung (oder weiterführende Schule) vor Augen haben und wissen, dass sie dafür gute Noten brauchen.

  • und frage die besonders großen Chaoten direkt warum sie eigentlich hier sind

    Die allermeisten sind da (bzw. angemeldet), damit die Eltern wenigstens noch Kindergeld bekommen, wenn ihre perspektivlosen Kids schon zuhause abhängen müssen, weil sie zu faul waren um sich um eine Lehrstelle zu bemühen bzw. auf der Realschule/Werkrealschule/BFW/etc. zu schlecht waren um eine Lehrstelle zu bekommen...

  • Ich führe mit jedem Schüler ein Einzelgespräch vor Weihnachten und vor den Sommerferien, wenn ich den aktuellen Stand verkünde.


    Da prallen vernünftige Argumente wie Ausbildung, Zukunftschance und Möglichkeiten im Leben ab wie Kugeln an Superman.


    Einige werden jetzt gerade 18, sodass sie noch bleiben mussten, wenn sie es denn ins nächste Jahr geschafft haben.


    Andere, die schon 18 sind sagen sich, dass Schule jetzt doch richtig geil sei. Ich kann mit Kumpels abhängen, bisschen auf dem Parkplatz rum gangstern, mir jederzeit eine Entschuldigung schreiben, wenn ich keinen Bock hab und meine Eltern meckern nicht, weil ich ja Fachhochschulreife mach.


    Eine Schülerin sagte im Gespräch doch tatsächlich, nachdem sie mit einer 5, paar 4er und einer 3 irgendwie das erste Jahr geschafft hatte "Herr Stan, mein Ziel ist es eigentlich so lange wie möglich auf der Schule zu bleiben. Mindestens bis ich 23 bin. Ich muss noch so lange Arbeiten, da fänd ich das dann schon ok".


    In so Momenten muss ich mich schon sehr zusammenreißen...


    Auch die Aussagen, die ich dann während einer Klassenarbeit kommen , sind eine Katastrophe. Ich zitiere aus der jetzigen:


    "Ich war da krank, ich hab keinen Plan wie man das rechnet"


    "wenn da zuzüglich steht, heißt das dann, dass die USt schon mit drin ist?"


    "Hier steht ja der Lagerhaltungskostensatz. Brauch ich den überhaupt? Den brauch ich doch gar nicht?"


    "Ich hab jetzt eine Spalte berechnet, aber wie geht's denn hier weiter... Was muss ich tun?"


    "Was heißt bzw?"


    "brauch ich all diese Angaben für die Aufgabe? Oder wie bei der Arbeit letztes Jahr, dass wir nur den ersten Teil berechnen?"


    Man hätte meinen können, die hätten noch nie BWL gemacht und tatsächlich waren vier von fünf Aufgaben die gleichen, die wir im Unterricht haben, nur mit veränderten Zahlen.


    Das ist der frustrierenste Unterricht, den ich jemals hatte.


    Hab gestern noch mit der Klassenlehrerin telefoniert. Sie kapituliert mittlerweile auch, indem sie beispielsweise das Handyverbot aufgehoben hat.


    Sie sollen lieber still am Handy spielen und sie den Unterricht machen lassen, anstelle gelangweilt den Unterricht permanent zu stören.


    Irre die Klasse, absolut irre :)

  • das sind ja (eigentlich) junge Erwachsene. Sie müssen wissen, wozu sie an der Schule sind.
    Du kannst ihnen nur den Stoff vermitteln, auch mehrfach, wenn es sie wirklich überfordert.
    Aber du kannst ihnen nicht da Arbeiten abnehmen.
    So ärgerlich es ist: das liegt in ihrer Verantwortung.
    wenn sie also zu faul waren zum Lernen, werden sie die Konseqauenzen sofort spüren, nämlich in Form von schlechten Arbeitsgerbenissen.
    Du kannst nachweisen, wann und wie oft du den Stoff erklärt hast, kannst nachweisen, wer wann seine HA nicht gemacht/ im Unterricht auf Fragen nicht antworten konnte/ am Handy gedaddelt hat (trotz Handyverbots? Wie ist das möglich :gruebel: ).
    Du bist also raus.
    Du hast deine Aufgabe erfüllt.
    Du musst auch den Stoff nicht wieder und wieder und.... erklären.
    Ihre Aufgabe ist es, dem Unterricht zu folgen und ihr Zeug zu machen.
    Kurze schnelle Abfragen, sehr regelmäßig,
    schlechten Notendurchschnitt hinnehmen,
    den Ball an die Schüler zurückgeben:


    Du hast deinen Schulabschluss gemacht.
    Sie wollen ihren bekommen.


    P.S.können störende, nicht arbeitende Schüler bei euch eigentlich der Schule verwiesen werden? Wegen Nichterfüllung ihrer Pflichten? :ka:

  • Die allermeisten sind da (bzw. angemeldet), damit die Eltern wenigstens noch Kindergeld bekommen, wenn ihre perspektivlosen Kids schon zuhause abhängen müssen, weil sie zu faul waren um sich um eine Lehrstelle zu bemühen bzw. auf der Realschule/Werkrealschule/BFW/etc. zu schlecht waren um eine Lehrstelle zu bekommen...

    Das kann ich mir gut vorstellen. Ich hab ab und zu auch solche Kandidaten in der 9. oder 10. sitzen, bei denen ich fast schon schmunzeln muss, wenn sie mir erzählen, dass sie weitermachen wollen. Mich überrascht es dann aber auch, dass sie mit drei 4ern in den Hauptfächern überhaupt am BK genommen werden.

  • P.S.können störende, nicht arbeitende Schüler bei euch eigentlich der Schule verwiesen werden? Wegen Nichterfüllung ihrer Pflichten? :ka:

    Gute Frage?


    Ich hatte bisher im Bezug auf Paragraph 90 nur zu tun, wenn zu hohe Fehlzeiten oder nicht eingehaltene Attestpflicht zur Geltung kam.


    Bei Anwesenheit und Desinteresse käme mir jetzt nur die schlechte mündliche Note in den Sinn, aber das wäre interessant zu wissen. Vielleicht weiß das hier jemand :)


    Ansonsten stimmt ich dir absolut zu und ich Lauf ihnen nicht hinterher. Ich find es schade so kurz nach dem Ref bereits so eine Einstellung an den Tag legen zu müssen, aber wenn ich mir alles zu Herzen nehme und jeden Schüler auffangen will, der sowieso keinen Bock hat, dann hab ich in zwei Jahren Burnout ;)


    Beruhigend ist zudem, dass die 4 Schüler, die wirklich engagiert sind, bzw. Die auch mal still dasitzen, zuhören und mitmachen, drei 2er und eine 3 in der Arbeit geschrieben haben, sodass die Arbeit also durchaus machbar war.


    Die hätten sicherlich mehr tun können, da waren einige Leichtsinnsfehler drin, im Großen und Ganzen aber voll in Ordnung und absolut ok die Arbeit.


    Das beruhigt insofern, dass wenn nun alle eine fünf hätten, hätte ich wirklich an mir selbst gezweifelt.

  • Puh, das muss ja wirklich ein "Spaß" sein, dort zu unterrichten.
    Könnt ihr die größten Chaoten in der Klasse nicht über die Noten usw. loswerden?


    Da wurde bereits aussortiert, die waren noch schlimmer :D


    Nach dem ersten Jahr müssen sie die entsprechenden Noten haben um sich ins Zweite zu retten.


    Alle, die bei mir eine 5 abgestaubt haben in bwl, konnten das mit einer 3 in Deutsch wieder ausbügeln.


    Da fehlen also schon mal die Basics und es geht gerade so weiter. Wenn die eine 4 in einer Arbeit schreiben, dann lachen die erleichtert und sagen "wie geil ist das, ich war mir sicher das gibt ne 5"


    Ich schick dann immer in Gedanken einen unverzeihlichen Fluch und schüttel den Kopf...

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