Mit 28 Lehramt studieren / Ist Lehrer das richtige fuer mich.

  • Hallo,


    Ich befinde mich in einer etwas seltsamen Lage. Ich bin 27, habe durch meinen aktuellen Job ca. 65000 Euro auf die Seite legen können und möchte trotzdem das Berufsfeld wechseln, aus folgenden Gründen:


    - nur befristete Verträge, habe Angst niemals sesshaft zu werden und ein "ruhiges Leben" zu führen. Gerade schreibe ich aus Kanada.
    - hochkreativer job (3D Animation für Hollywood Filme) der schon jetzt zu einem leichten Burnout fuehrte :/ (arbeite seit 8 jahren in dem feld, ausb. eingeschlossen).
    - lange arbeitszeiten
    - ich habe noch keinen in dem beruf gesehen der 50+ ist, daraus resultieren Befürchtungen das ich diesen Beruf vielleicht irgendwann nicht mehr machen kann. Hinzukommt das es sehr sehr speziell ist, etwas anderes kann ich nicht.


    Warum ich Lehrer werden möchte:
    - Ich mag es mit jungen Menschen zu arbeiten und Inhalte zu lehren. Das fiel mir in Workshops auf die ich an Hochschulen gab.
    - Ich spreche Deutsch, Englisch und Französisch fliessend (2 Jahre in Paris gearbeitet), würde 2 Sprachen lehren wollen
    - Wichtigster Grund: Sicherheit. Auch wenn ich nicht mehr verbeamtet werde, ich denke ich könnte mit einem unbefr. Vertrag rechnen?
    - Nicht mehr soviel Arbeit am Computer, etwas weniger Arbeit allgemein.


    Man könnte meinen das ich den Mittelweg gehen könnte und mein Fach an Unis/Hochschulen weiter durch Workshops etc. lehren könnte: Leider habe ich nie studiert und somit werde ich in Deutschland niemals Professor o.ä. werden, egal in welchen Firmen ich schon war.


    Da ich nur eine Fachhochschulreife besitze kann ich nur in Brandenburg studieren. Daa Geld habe ich in etwa um mich 5 Jahre zu finanzieren, bei einem bescheidenen Lebensstil. Was mich mehr interessieren würde ist eure Einschätzung, ob der Beruf das bietet was ich mir wünsche.


    Lg

  • Praktikum stimme ich zu.


    Ansonsten zu Deinen Punkten:
    - junge Leute gibt´s da , check
    - zwei Sprachen lehren ist möglich, wird aber von vielen als sehr arbeitsreich empfunden
    - Du kannst locker noch verbeamtet werden - jedenfalls bei einem "normalen" Lehramtsstudium. Wie das mit dem Spezialweg Brrandenburg ist, weiiß ich aber nicht. Als Beamter hast Du Sicherheit ohne Ende, als Angestellter aber fast genauso viel Sicherheit (aber weniger Geld)
    - weniger Arbeit am Computer ist möglich, viele meiner Kollegen, die Sprachen unterrichten, arbeiten praktisch gar nicht am Computer (ob das so sinnvoll ist, sei mal dahingestellt)
    - weniger Arbeit insgesamt ist bei der Fächerkombination so eine Sache. Aber klar, wenn Du aktuell 100 Stunden / Woche arbeitest, dann wird es weniger. In Korrekturphasen können da aber schon mal 60 Stunden zusammenkommen (ich habe die Kombi nicht, von daher kann ich nur von Berichten aus Dritter Hand zehren)


    Wenn Du wirklich ein offener Typ bist und gerne mit jungen Leuten arbeitest, dann könnte ich mir das , ehrlich gesagt, ziemlich cool vorstellen, einen Lehrer zu haben, der in der Filmindustrie gearbeitet hat.

  • Ich kenne dich nicht und kann daher nur von dem urteilen, was du schreibst. Wenn du mit einem kreativen Job, der dir eigentlich Spaß macht (?) schon kurz vorm Burnout stehst, würde ich dir niemals nicht empfehlen Lehrer zu werden!


    Du darfst dir das nicht wie in den Workshops an der Uni vorstellen, wo die Lerngruppe hoch motiviert neue spannende Inhalte geradezu aufsaugt... Je nachdem an welcher Schulart du landest, kann das Klientel ganz schön happig sein...


    Die Sicherheit des Beamtentums ist auch nicht alles. Natürlich kannst du prinzipiell nicht gekündigt werden... Du kannst aber solange schikaniert werden, bis du freiwillig die Segel streichst... Zudem ist das Beamtentum ein absoluter Karrierekiller.


    Nicht falsch verstehen, ich mag meinen Job sehr und würde (aktuell) keinen anderen Job machen wollen. Aber ich mag ihn vor allem deswegen, weil er vielseitig ist und man weitestgehend unabhängig arbeiten kann. Ist fast ein bisschen wie Selbstständigkeit. Man kann unbehelligt sein Ding machen; man ist sehr flexibel in der Gestaltung seiner Arbeit. Weiterhin liegt mir der Umgang mit jungen Menschen von meiner eigenen Persönlichkeitsstruktur her sehr.


    Ich würde dir auch empfehlen ein Praktikum zu machen. Am besten nicht in der heilen Welt eines dörflichen Gymnasiums sondern an einer berufsbildenden Schule in der Stadt. Da trifft dich die Realität mit voller Breitseite. Und dann überlegst du nochmal ob das was ist für dich.

  • An welche Schule würdest du denn unterrichten wollen?


    Berufsschule oder lieber jüngere?


    Ansonsten versteh ich dich so, dass du ohnehin auf lange Sicht wechseln willst/musst, also wieso nicht Lehrer und wieso nicht jetzt, solange du noch unabhängig und auch noch finanziell abgesichert bist.


    Zu den zwei Sprachen: Ich selbst hab Bwl und Englisch und ich denke dass beides seine Vor und Nachteile hat.


    Bei Englisch bist du größtenteils freigestellt wie du unterrichtest. Du kannst Themen aus dem Buch bearbeiten, kannst aber auch eigene Themen nehmen, die du spannend findest. Du kannst deinen Lieblingssong nehmen und eine Grammatikstunde draus machen, oder einfach nur das Workbook kaufen und schon hast du Arbeitsblätter.


    Diese Freiheit gibt's bei bwl nicht und auch der Zeitdruck ist da viel höher.


    Andererseits hab ich derzeit zwei Klassenarbeiten bwl und zwei englisch zu Hause liegen.


    Die beiden bwl Arbeiten schaff ich entspannt an zwei Ferientagen, für englisch reicht mir das bei Weitem nicht.


    Wenn ich die Aufsätze auf Sprache und Inhalt prüfe und dann noch die anderen Aufgaben dazu addiere, dann kann ich sicherlich mit 15-20 Minuten pro Arbeit rechnen.


    Das Ganze dann mal 60 und dir kannst dir in etwa denken, wie lange man an sowas sitzt ;)


    Wenn aber der Job dich erfüllt, dann nimmst du sowas gerne in Kauf :)

  • Wenn du bereits eine abgeschlossene Ausbildung hast, empfehle ich dir, das Berufsschullehramt in Betracht zu ziehen. Welcher Bachelor an einer FH passt dazu? Das Studium kannst du in 3 Jahren schaffen. Anschließend an eine Uni. Dort müssen evtl noch Teile des Bachelors nachgeholt werden, aber das hält sich in Grenzen. Danach kannst du den Master ed. machen, das Ref absolvieren und bist dann voll ausgebildeter Lehrer.



    Alternative: Unis haben immer einige Plätze für Leute ohne Abitur und mit Berufserfahrung. Diese werden speziell ausgewählt. Da hast du bestimmt auch Chancen.

    Einmal editiert, zuletzt von Sissymaus () aus folgendem Grund: Handy-Schreibfehler korrigiert

  • Danke an alle für die Antworten. Ihr habt mir sehr geholfen.


    Dass dort Schüler sitzen werden die evtl. garkeine Lust haben, daran hatte ich natuerlich mit meiner Blauaeugigkeit nicht gedacht. Danke für die Info.


    Mein Ziel waere Gymnasiallehramt, an die Berufsschule hatte ich auch noch nicht gedacht, werde mich da mal informieren was wie wo geht mit meinen Abschlüssen etc..


    Lg

  • Damit du nicht auf Brandenburg beschränkt bist, wäre es ggf. sinnvoll die allgemeine Hochschulreife nachzuholen oder zu gucken, ob du die nicht über deine Berufserfahrung anerkannt bekommen kannst, oder eine Sonderbegabtenprüfung an der Wunsch-Uni möglich ist.


    Ein paar Infos zu den Möglichkeiten in den Bundesländern findest du hier: Studieren ohne Studium



    Wo meine Vorredner recht haben: Der Lehrerjob hat eine hohe Burnout-Quote. Ob die Grundursachen die gleichen sind, wie bei deinem jetzigen Job, kann ich nicht beurteilen.

  • @kodi : Da ist Dir ein relativ lustiger Tippfehler passiert in Deinem Link ;)


    @Hew90 : Hast Du mit zarten 28 Jahren schon jegliche Erinnerung an Deine eigene Schulzeit verloren? Lustlose Schüler sollten da im Normalfall vorgekommen sein.

  • - Von 30 Schüler fehlen drei
    - 10 wollen nicht da sein, haben kein Interesse und starren in die Luft
    - Von weiteren 10 quasseln immer pausenlos mindestens vier
    - 4 der übrigen 7 versuchen aufzupassen, blicken es aber nicht
    - und 3 sind dabei die dir folgen können und deinen Unterricht retten, weil sie auch noch mitmachen


    Willkommen in der Schule ;)

  • Das war jetzt auch bewusst überspitzt formuliert von mir, aber lieber geht man mit weniger Erwartungen rein, als mit zu viele :)


    Ich hab sehr viele tolle Klassen, mit denen ich auch super Unterricht machen kann, aber ich glaub, um die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Schüler zeitgleich zu haben, müsst ich Geld verteilen :D

  • Nö, nicht zwingend, Stan - kann aber auch am Fach und der Schulform liegen... ich sag nur "Wahlfach" contra "Pflichtfach". Merke ich bei meinen Fächern immer wieder -"Unlust" ist da selten bis gar nicht vorhanden, spätestens ab der Oberstufe. Bei Pflichtfächern, die eben "gewählt werden müssen" (hach was für ein Unsinnsausdruck), ist das sicherlich öfter anders.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • @Hew20: Beim Gymnasium solltest du dir aber dringend die Lehrerbedarfsprognosen deines favorisierten Bundeslandes anschauen. Je nach Fächerkombi sieht es da ziemlich düster aus, weil fast jeder Gymnasialabsolvent mit Interesse am Lehrerberuf ans Gymnasium möchte (altbewährt, da durch eigene Schulzeit bekannt, und positives Image in der Gesellschaft) - obwohl es 5 Lehramtsformen gibt.

  • Ich kann in deinen Argumenten pro Lehramt nur eins erkennen: ich mag lehren. Erfahrung mit „jungen Leuten“ zählt nicht, weil du wohl selber kaum älter sein kannst, als die von dem Hochschulworkshop...
    Alles andere sind Argumente gegen deinen jetzigen Job.


    Wenn dich der Kreativitätsdruck ins Burnout treibt, muss es die 1000ste Klausurkorrektur nicht tun. Eher Boreout? Und ich finde, wenn man plötzlich seine Bestimmung erkennt, lohnt es immer, neu anzufangen. Aber komplett umzusatteln sollte mehr Motivation pro irgendwas beinhalten, als „so will ich nicht weiterarbeiten“.


    Ich mag am Unterrichten, Jugendliche in einer der spannendsten Phasen des Lebens zu begleiten: der Pubertät :D Und immer nach Wegen zu suchen, Dinge so zu erklären, dass sie verstanden werden. Und die Begeisterung für das zu teilen, die man selbst für den jeweiligen Stoff hat.
    Anstrengend finde ich: die permanente Präsenz. 45 min.-Takt, keine Pause von 8-14 Uhr, immer präsent, aufmerksam, Verhalten regulieren, konsequent sein, in Klassen (die keinen Bock haben), geduldig bleiben... abends dann noch mal an den Computer, um irgendwas Sinnvolles zustande zu bringen, Tag für Tag für Tag, noch 25 Jahre lang :tot:

  • Ich tendiere auch eher zu einem neuen / anderen Job in der INDUSTRIE. Mit Deinen Voraussetzungen, Erfahrungen und Fremdsprachenkenntnissen hast Du in der Industrie Chancen und Möglichkeiten, um die Dich andere beneiden würden. Schmeiß das nicht weg. Als Lehrer werden diese Dinge irgendwann (vermutlich schon mitten im Studium) vergessen sein. Da bist Du dann nicht mehr der hippe Karrieretyp, der mit Mitte 20 schon ein Haufen Geld verdient, durchs Ausland tourt und in einer Branche arbeitet, von der die meisten nur träumen können. Als Lehrer wirst Du schlicht der Eng/Franz-Lehrer sein - nicht mehr, nicht weniger.
    Schüler finden Schule ätzend, auch am Gymnasium. Die sind dort leider bei weitem nicht alle so motiviert und auch nicht so helle im Köpfchen, wie man sich das vorstellt.


    Suche Die einen neuen Job in der Industrie, wechsle die Branche, wechsle die Tätigkeit. Mache etwas ganz anderes, aber eben dort. Zum Beispiel als Coach. Für was auch immer. Du könntest Dich für ein Trainee bewerben, bei einem namhaften Konzern, und danach ggf. recht schnell in der Hierarchie aufsteigen. Lange Arbeitszeiten hast Du dann auch, ist doch normal. In allen "gehobenen" Jobs im Dienstleistungsbereich wird so gearbeitet.


    Übrigens: An der Uni musst Du nicht gleich Professor werden, es gibt dort auch Dozenten, Lehrkräfte etc.


    Hast Du ein Voll-Abi?

  • Übrigens: An der Uni musst Du nicht gleich Professor werden, es gibt dort auch Dozenten, Lehrkräfte etc.

    Hew90 ist Ende 20 und hat nicht einmal das Abitur. Mit den Voraussetzungen kann man eine ordentlich bezahlte Anstellung an der Uni vergessen.

  • Ein Lehramtsstudium leider auch. In NRW gab es vor Jahren die Gesamthochschulen, da konnte man ein Hochschulstudium auch mit nur Fachabi aufnehmen, aber auch da war ein Lehramtstudium NICHT möglich.


    Er erwähnt Brandenburg, ich weiß allerdings nicht, ob es da andere Regelungen gibt. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.


    Dann müsste erst einmal das Abi nachgeholt werden. Du lieber Himmel. Ich habe vor Uhrzeiten nach einer Berufsausbildung ein Fachabi nachgeholt, aber ich war mit 22 damit fertig (per Abendschule nach einem Vollzeitjob, war eine Schweinearbeit).

  • Da bist Du dann nicht mehr der hippe Karrieretyp, der mit Mitte 20 schon ein Haufen Geld verdient, durchs Ausland tourt

    Nur um mal eine Gegenposition unterzubringen - diese Vorstellung hat mich persönlich noch nie gereizt, ich bin absolut kein Karrieremensch. Prestige, Firmenwagen, Geschäftsreisen - wem das wichtig ist, darf das gerne alles haben. Kenne genug Leute, die nach Studium/Promotion bei Bank, Versicherung, Consulting etc. angeheuert haben. Ich beneide keinen einzigen. Um so ein Jobangebot abzulehnen müsste ich keine Millisekunde überlegen ... aber jedem das Seine. PS: Die "Mitte 20" würde ich aber gerne nehmen ;) .

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