Belohnen ist das neue Bestrafen

  • Liebe Kollegen,


    da habe ich zufällig wieder einen interessanten Artikel gefunden. Das Phänomen ist auch bekannt unter dem Begriff "Korrumpierungseffekt".



    "Belohnungen haben bei mir allerdings immer ein Gefühl des Unbehagens hinterlassen. Ich wollte nicht "gekauft" werden, ich wollte mich nicht als bestechlich erleben und manchmal fand ich die Belohnung oder deren Verweigerung schlicht ungerechtfertigt." (AUSZUG)


    http://www.zeit.de/kultur/2017…halten-motivation-10nach8


    Wie haltet ihr es mit Belohungen und Bestrafungen?


    Belohnt ihr oder bestraft ihr eure Schüler, um ein gewünschtes Verhalten zu bekommen bzw. ein unerwünschtes Verhalten abzustellen?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Ich z.B. finde es nicht gut, wenn ein Kind, das immer unordentlich ist, etwas Schönes bekommt, wenn es mal oder eine bestimmte Zeit lang seinen Platz aufgeräumt hat. Und all die anderen Kinder, die immer ordentliche Plätze haben, bekommen nichts, nur weil sie ja keine "Problemfälle" sind. Ich finde auch nicht gut, Kindern für gute Noten bestimmte Geldsummen zu geben. Das machen einige "meiner Eltern". Ich rate immer davon ab.


    Macht es umgekehrt mehr Sinn? Das Kind, das immer unordentlich ist, wird bestraft (etwas Negatives tritt ein oder etwas Positives fällt weg) und ein Kind, das schlechte Noten nach Hause bringt, bekommt z.B. weniger Taschengeld? Würde der Korrumpierungseffekt so vermieden werden? (Hm, aber Taschengeld abziehen, ich glaube, da tun die mir dann doch wieder zu sehr leid.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Wenn Hausfrauen/-männer anfangen, sich fürs Fensterputzen mit nem Eierlikörchen zu belohnen, beginnt eine eher ungünstige Spirale. Umgekehrt kenne ich niemanden, der, wenn er z.B. die Rechnung zu spät gezahlt hat, noch mehr Mahngebühr überweist, um sich zu bestrafen...


    Auf das Schulbeispiel bezogen: ich zeig den Kindern halt immer wieder, wie man die Sachen richtig abheftet, um Ordnung zu halten. Dass mal einer länger bleiben muss, um das zu üben könnte man Strafe nennen oder Konsequenz.


    Und belohnen? naja wenn wir schnell sind, schaffen noch ein Spiel. Entspannungsphase sozusagen.


    Gelingt mir nicht immer mit der Ruhe, ist aber am effektivsten.

  • Ich bin da wirklich kein Experte, aber... ich hatte das in meinen Pädagogikveranstaltungen immer so verstanden, dass der Korrumpierungseffekt als Folge von Belohnungen die (intrinsische) Motivation reduziert, während der Themenkomplex "Belohnung/Bestrafung" im Allgemeinen eher der Erziehung zu gewünschtem Verhalten dient (Konditionierung a la Skinner, Thorndike, etc.). Für mein Verständnis muss man das schon auseinanderhalten, je nachdem, was im Fokus steht - Motivation oder Verhalten.
    Lasse mich aber gerne eines Besseren belehren..


    Die Behavioristen hatten übrigens auch damals schon festgestellt, dass Belohnung von erwünschtem Verhalten wirksamer ist als die Bestrafung von unerwünschtem Verhalten.

  • Ich bin da wirklich kein Experte, aber... ich hatte das in meinen Pädagogikveranstaltungen immer so verstanden, dass der Korrumpierungseffekt als Folge von Belohnungen die (intrinsische) Motivation reduziert, während der Themenkomplex "Belohnung/Bestrafung" im Allgemeinen eher der Erziehung zu gewünschtem Verhalten dient (Konditionierung a la Skinner, Thorndike, etc.). Für mein Verständnis muss man das schon auseinanderhalten, je nachdem, was im Fokus steht - Motivation oder Verhalten.
    Lasse mich aber gerne eines Besseren belehren..


    Die Behavioristen hatten übrigens auch damals schon festgestellt, dass Belohnung von erwünschtem Verhalten wirksamer ist als die Bestrafung von unerwünschtem Verhalten.

    @Philio,


    ich bin da auch kein Experte. Ich sehe aber einen Zusammenhang. (?)


    Belohnungen für etwas, was man auch ohne Belohnung gern getan hätte, führt zur Abwertung der jeweiligen Tätigkeit. Man denkt selbst, man tue das ja nur wegen der Belohnung, es muss also etwas nicht so Attraktives sein. Man wertet also die Tätigkeit infolge der Belohnung selber ab.


    Intrinsische Motivation knüpft doch aber an Dinge an, die ich "von innen heraus" gerne tue. Dann zu belohnen, schadet also eher, als dass es nützt. Müsste bei extrinsischer Motivation für Dinge, die ich gerne tue, dann ja auch so sein, oder? Nur bei Dingen, die man nicht gerne tut, würde eine Belohnung helfen. (?) Wiederum sagt die Psychologie, dass regelmäßige Belohnungen das erwünschte Verhalten schneller aufbauen, aber es auch schneller wieder "verfliegt", wenn die Belohnung unterbleibt; während unregelmäßige Belohnungen das erwünschte Verhalten langsamer aufbauen, es aber auch ohne Belohnung länger bleibt, denn man weiß ja nie, wann und ob nicht doch wieder eine Belohnung erfolgt.


    In einem aktuellen kleinen Psycho-Buch habe ich kürzlich gelesen, dass Bestrafungen besser wirken als Belohnung. Es wurde jedoch nicht viel Hintergründiges dazu genannt, sondern nur auf ein Studienergebnis verwiesen, bei dem die (ich vereinfache sehr), denen eine Belohnung versprochen wurde, in einer Prüfung schlechter abschnitten als die, denen gesagt wurde, dass ihnen bei Misserfolg in der Prüfung die bereits gegebene Belohnung wieder weggenommen werden würde.


    Hm, was fangen wir damit in der Praxis an?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    Einmal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Wieso willst du denn unbedingt irgendwas belohnen oder bestrafen?


    Belohnungen und Bestrafungen sind doch alltäglich im Schulalltag.


    Allerdings gibt es ja die Tendenz in der "herrschenden Pädagogik", dass man nicht bestrafen, sondern nur "positiv motivieren" soll ( = belohnen). D.h. für alles, was das Kind gut macht, soll es etwas bekommen. Für alles, was es schlecht macht, soll es nicht bestraft werden, aber wenn es das Schlechte dann gut macht, soll es belohnt werden. Ist das nicht vielfach auch gelebte Wirklichkeit?


    Wie passt das zum Korrumpierungseffekt?


    Wie passt das zur Aussage, dass Bestrafen besser wirkt als Belohnen?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Belohnungen und Bestrafungen sind doch alltäglich im Schulalltag.

    Sehe ich anders. Wenn zwei immer wieder quatschen setze ich sie auseinander. Das kündige ich vorher an. Sie haben es in der Hand, ob sie nebeneinandersitzen dürfen, kennen also die Regel: im Unterricht ist Ruhe und die Konsequenz: sonst sitze ich nicht auf meinem Wunschplatz. Usw.


    Ich kommuniziere die Regeln und achte auf deren Umsetzung. Da muss doch nicht jedes Mal eine Strafarbeit oder Smarties folgen? Für mich klingt das so nach Hundedressur.


    Welche Belohnungen teilst du denn aus?

  • Man müsste Belohnung definieren...


    Es gibt ja z.B. die Technik des Spiegelns. Ich kann theoretisch völlig wertfrei rückmelden: „du sprichst gerade mit deinem Nachbarn. Evtl. ergänzend: ich kann dann XYs Antwort nicht verstehen.“. Oder „Xy meldet sich“.


    Ich hab übrigens mal einen Artikel gelesen, da ging’s um eine anthropologische Studie vom MPI. Dort haben Zweieinhalbjährige spontan geholfen, wenn sie gesehen haben, dass jemand Hilfe braucht. Wurde ihnen dafür Süßes überreicht, nahm die Hilfsbereitschaft ab...


    Finde das nachvollziehbar, wie gesagt, ich belohne und bestrafe mich auch nicht selbst und möchte das auch vom Partner oder gar Chef auch nicht ;)

  • Man müsste Belohnung definieren...

    Genau das! Was ist denn damit gemeint? Smileys, Aufkleber, Gummibärchen?
    Ist nicht auch ein Lob eine Belohnung?
    Sind nicht auch gute Noten eine Belohnung?
    Und sind schlechte Noten eine Bestrafung?

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Genau das! Was ist denn damit gemeint? Smileys, Aufkleber, Gummibärchen?Ist nicht auch ein Lob eine Belohnung?
    Sind nicht auch gute Noten eine Belohnung?
    Und sind schlechte Noten eine Bestrafung?

    Noten sind eine Rückmeldung darüber, ob ein Schüler das wiedergeben konnte, was der Lehrer hören wollte. Klassenarbeiten/Tests sind nicht immer valide. Sie erheben z.B. manchmal lediglich Konzentrationsfähigkeit oder Lesegenauigkeit.


    Gerade GrundschülerInnen erleben in den Noten zudem eine Rückmeldung darüber, ob der/die LehrerIn sie mag. Mit Belohnung/Bestrafung hat das nichts zu tun. Im Gegenteil, Lehrer und Eltern müssen den Kindern immer wieder die Objektivität klarmachen, die eigentlich dahinterstecken sollte. Meines Erachtens kommen Kinder ohne Benotung besser durchs Leben. Gerade die Kleinen strengen sich immer an und können ihre Noten nicht beeinflussen!


    Und ein Lob ist sicher als Belohnung gemeint, Tadel als Bestrafung. Die Rückmeldung könnte im Idealfall aber auch neutraler erfolgen. Wieso sollten Schüler davon abhängig sein, ob ich gut finde, was sie machen? Sie sollen lernen, mit sich und ihren Ängsten klarzukommen, ihre Stärken zu erkennen.


    Bsp.: ein Schüler bekommt die Zusage für einen Praktikumsplatz und freut sich wie ein Schnitzel. Ich signalisiere ihm, dass ich mich mit ihm freue. (Und Tatsache, ich finde es besser, als den Zustand des anderen, der 24/7 vor der PS4 hängt und keinen Praktikumsplatz hat. Also doch nicht wertfrei...). Und Ich melde ihm zurück, dass sein Mut, allein dort nachzufragen, mit einem Platz belohnt wurde (von zu Hause kommt keine Unterstützung).
    Ich versuche also konkret das rückzumelden, was in der Macht der Kinder liegt- Wer dies tut kann jenes erwarten. Selbstwirksamkeit.


    Verhaltenskreative Kinder reden oft darüber, ob sie lieb/böse waren. Ein „fein! Du warst aber brav“ finde ich sinnlos, denn „brav“ ist so inhaltsleer und unkonkret wie „böse“. Auch wenn’s als Lob gemeint war. Sinnvoller ist: du hast dich angestrengt und an die Regeln gehalten. Oder: obwohl xy dich geärgert hat, bist du cool geblieben. Das ist deine Leistung. Vielleicht auch: ich bin stolz auf dich. Aber vor allem: Sei du stolz auf dich!

  • Das was hier zu Belohnung (Verstärkung) und Bestrafung gesagt wird entspricht nicht ansatzweise dem, was die Psychologie darunter versteht.
    Belohnung ist das Hinzufügen eines angenehmen Reizes oder die Wegnahme eines unangenehmen Reizes, Bestrafung ist das Hinzufügen eines unangenehmen Reizes oder die Wegnahme eines angenehmen Reizes. Das ist nicht nur Alltag in der Schule, das passiert überall. Wenn ich nachts im Dunkeln mit dem Fuß voll irgendwo gegen laufe, dann ist das rein psychologisch betrachtet eine Bestrafung und ich lerne daraus, dass ich vielleicht das Licht anschalten (oder aufräumen sollte). Wenn ich eine Schmerztablette einnehme und danach meine Kopfschmerzen aufhören ist das eine Belohnung (negative Verstärkung) und ich sollte verdammt aufpassen, dass ich nicht in Abhängigkeitsmuster verfalle. ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

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