Deutsch und die englische Rechtschreibung

  • Ich bezweifle, dass die Grundannahme stimmt. Wer im Deutschen problemlos richtig schreibt, lernt es auch im Englischen zügig und wer sich umgekehrt im Deutschen schwertut (zu sehr aufs Gehör verlässt?), der kämpft auch im Englischen...
    Regelwissen gehört zwar dazu, vieles ist visuelles Merken. Ist aber ne unbewiesene Privatmeinung ;)

  • Regelwissen gehört zwar dazu, vieles ist visuelles Merken.

    Sehe ich auch so.
    Diese Erfahrung habe ich sogar bei mir selbst gemacht. Ich habe als Schülerin die englische Rechtschreibung so gut wie ohne Regelwissen gelernt und hatte keine nennenswerten Probleme damit bis zum Abitur. Wahrscheinlich prägt man sich das Wort beim Vokabellernen automatisch ein.
    Ich hatte in den Sprachen, die ich so lernte inkl. Deutsch nie nennenswerte Rechtschreibprobleme; ich konnte mir die Wörter einfach übers Visuelle merken. Für mich persönlich ist die Regelkenntnis eine Bestätigung meines visuellen "Gefühls".

  • Da ich in meiner Klasse sowohl Englisch als auch Deutsch unterrichte, habe ich zumindest bei den Grundschülern ein Vergleich. Ich teste die Rechtschreibung bei leichten englischen Wörtern schon mal ab.


    Meistens stimmt es der Tendenz nach schon: Wer im Deutschen richtig abschreibt, schreibt auch im Englischen richtig ab. Allerdings schreiben im Englischen mehr Kinder richtig ab. Das mag vielleicht daran liegen, dass man nicht so viel schreiben muss und sie sich besser so oder so auf die einzelnen Wörter wegen der fremden Schreibweise konzentrieren müssen.
    Die Kinder, die im Deutschen ein gutes Rechtschreibgefühl haben, zeigen dies auch in Englisch. Wer sich die Rechtschreibung im Deutschen eher durch Üben aneignen muss, der schreibt im Englischen die Wörter je nach Übung richtig.

  • Wird bei Vokabeltests nicht 1 Punkt abgezogen, wenn ein Wort falsch geschrieben wurde? Oder wie handhabt ihr das?

    Das ist nicht festgelegt, jeder Kollege gestaltet und bewertet Vokabeltests individuell.


    Ich persönlich vergebe einen Punkt pro Wort, bei einem Rechtschreibfehler ("theater" statt "theatre", solange wir BE lernen) ziehe ich einen halben Punkt ab. Führt der Rechtschreibfehler dazu, dass dort ein anderes Wort steht ("then" vs. "than"), dann gibt es keinen Punkt, denn dort steht die falsche Vokabel. Wird das Wort total entstellt ("tehater") gibt es keinen Punkt.


    Die Zuordnung von Punkten zu Noten macht ebenfalls jeder individuell, bei mir gibt es immer 10 Punkte und es gilt: Die 1 gibt es für 10/10, bei 9,5 ist es eine 1-, 9 Punkte = 2. Usw.


    In den höheren Klassenstufen schreiben die SuS bei mir dann Sätze, da gibt es pro Satz 2 Punkte, Punktabzüge wie oben.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Die englische Orthographie ist aus sprachhistorischen Gründen dramatisch schwieriger als die deutsche. Es gibt praktisch keine Möglichkeit aus der Lautung direkt auf die Schreibung zu schließen.

    Absolute Zustimmung: Stichworte "Great Vowel Shift" und G. B. Shaws "ghoti" (bei aller linguistischen Ungenauigkeit).
    Entsprechend gibt es im Englischen auch deutlich weniger Rechtschreibregeln, die so eindeutig sind, dass sie den Schülern helfen können. Die wenigen Regeln, die man noch gut vermitteln kann, hat Midnatsol oben im Wesentlichen zusammengefasst.
    Im Übrigen entspricht es auch nicht meiner Erfahrung, dass die Schüler die Rechtschreibung im Englischen deutlich besser beherrschen als im Deutschen.

  • ja, den ghoti kennen so ziemlich alle Linguisten (hoffe ich?), oder wie wärs mit "good blood is bad food"... soviel zum Thema Aussprachhe vs Schrift.


    Aber ein Gedanke, der mir da gerade gekommen ist... kann vielleicht folgendes der Fall sein (vor allem vor dem Hintergrund der Lese-Unlust im bereich Deutsch): SuS werden häufiger mit Schrift-Englisch konfrontiert (insbesondere durch die elektronischen Medien, und vermutlich viel früher, als es viele wahrnehmen)? Deutsch wird zwar gesprochen, aber Englisch immer wieder (oft nebenbei) gelesen, und auch noch gehört (und sei es in der Musik, wo Englisch nun mal eine häufig verwendete Sprache ist).


    Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, der erfolgsversprechendste Weg, eine Sprache zu lernen, ist, sich ihr auszusetzen. So oft und vielfältig wie möglich. Denn es wird viel mehr unterbewußt gelernt als man denkt.
    Ein Beispiel von unseren europäischen Nachbarn: Warum beherrschen Niederländer oft schon sehr früh erstaunlich gut sowohl Deutsch als auch Englisch? Nun, ein Faktor, der daran nicht unschuldig ist, ist das niederländische Fernsehprogramm. Dort werden häufig deutsch- oder englischsprachige Produktionen im Bereich Serien oder Filme gezeigt, allerdings sind diese nicht synchronisiert (weil das bei der geringen Menge Muttersprachler nicht "lohnt", aus finanzieller Sicht), sondern im O-Ton mit niederländischen Untertiteln. Somit entsteht schon im "Kinderprogramm" ein entsprechendes Sprachgefühl - und ich vermute, "andersherum" kann so etwas auch funktionieren, wird man immer wieder mit der "fremden" Schriftsprache konfrontiert, bleibt eben immer wieder mehr hängen.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Nebenbei: Eben las ich gerade im Internet:


    "Poilzei crasht Weihnachtsparty der Hells Angels"


    Ich frage mich, wozu wir Lehrer eigentlich (deutsche) Rechtschreibregeln mit den Kindern pauken, wenn sie doch immer weniger Geltung haben.


    -ä- schreibt ja nun nicht nur als -e- oder -ä-, sondern auch als -a- (crasht, Angels)


    -sch- schreibt man als -st-, -sp-, -sch-, aber auch als -sh- (crasht) oder (zumindest für Kinderohren) -g- (Angels)


    -i- kann man wie bekannt als -i-, -ie-, -ih-, ieh-, aber auch immer öfter als -y- schreiben (Party)


    Kann es sein, dass diese vielen neuen Schreibvarianten die Kinder zusätzlich verwirren, vor allem jene, die zu Hause schon kein Deutsch sprechen u/o. kaum deutsche Bücher lesen ?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

    2 Mal editiert, zuletzt von Das Pangolin ()

  • Ich denke, dass die leistungsstarken Schüler mit dieser Lehrmethode wohl genauso gut zurechtkämen wie jetzt, dass aber die leistungsschwachen Schüler damit überfordert wären, weil sie die Sprache als beliebig empfänden würden, obwohl ihnen gewisse Regeln gerade als Stütze dienen könnten.
    Nach deinem Beitrag fiel mir dazu ein, dass der (deutsche) Rechtschreibunterricht in der Regel phänomenorientiert unterrichtet wird und dass dies womöglich auch damit zu tun hat, dass sich die deutsche (Schrift-)Sprache als Lerngegenstand aufgrund ihres Aufbaus hierfür in besonderem Maße eignet. Es gibt nur wenige Wörter, die "einfach so" völlig von gängigen Rechtschreibstrategien bzw. der Phonem-Graphem-Korrespondenz abweichen. Das sind dann sogenannte Lernwörter. Im Gegensatz dazu scheint die englische Sprache (für Schüler) viel beliebiger: Wenn ich da alleine schon an blue, knew, through und do denke. Ein Rechtschreibunterricht wie im Deutschen würde da wohl mehr schaden als nützen. Daher vermute ich, dass neben dem Unterschied im Erlernen der Schriftsprache der jeweiligen Sprache auch die (Schrift-)Sprachsystematik eine Rolle spielt.


    Heißt das nicht aber letztlich auch, dass man zum Erlernen der Rechtschreibung eigentlich keine Regeln pauken müsste?


    Die Englischsprachigen können's doch auch ohne (wenn stimmt, was du schreibst, @Lehramtsstudent).

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • ...Heißt das nicht aber letztlich auch, dass man zum Erlernen der Rechtschreibung eigentlich keine Regeln pauken müsste?
    ...

    Naja das Wissen um die Gesetzmäßigkeiten, die es gibt erleichtern halt die richtige Schreibung. Wenn ich weiß, dass Sträucher von Strauch kommt und eben nicht „Streucher“ geschrieben wird, kann ich mir das bei Mäuse, Säure, Beule und alle anderen eu/äu-Wörter auch schnell selbst herleiten...


    Dass man Maschine nicht mit -ie- schreibt (und viele andere Merkwörter ohne logische Ableitung), muss man sich ganz einfach merken.


    Rechtschreibunterricht hilft, Bewusstsein für unsere Schriftsprache zu entwickeln. Wie englische Grundschullehrer Schriftspracherwerb lehren und ob englischsprachige Kinder mehr/weniger/gleichviel Probleme mit der Orthographie haben weiß ich nicht. Chinesische Kinder lernen gar keine Lautschrift, ob das was für Deutsch lernende Schüler ändert?

  • ...es ist nun mal so ne Sache mit dem "Schreiben nach Gehör" - vor allem dann, wenn die SuS für sich selbst versuchen, Regeln zu finden...
    ich muss da an eine witzige Anekdote denken, die so mal in einer Grundschule passiert ist...
    Die Kinder sollten Wörter mit Doppelkonsonanten aufschreiben.
    Bei einem Schüler fand sich dann "Viller". Was das denn sei, fragte der Lehrer.
    "Das is n großes Haus, da wohnen reiche Leute drin".
    "Ach du meinst eine Villa - das schreibt sich aber mit A."
    "Ach was, sie wollen mich doch veräppeln. Mutta schreibt sich mit "er", Vata schreibt sich mit "er", dann schreibt sich Villa auch mit "er"."

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich frage mich, wozu wir Lehrer eigentlich (deutsche) Rechtschreibregeln mit den Kindern pauken, wenn sie doch immer weniger Geltung haben.

    Außerhalb von Behörden gibt es keinen Zwang zur korrekten Rechtschreibung und Ausdrucksweise. Im Prinzip kann jeder schreiben und sprechen wie er will, solange ihn jemand versteht. Wenn man sich die Orte der unregulierten Rechtschreibung und Kommunikation ansieht (Facebook, WhatsApp, Youtube usw.), dann sieht man, wie die Zukunft der deutschen Sprache aussieht.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • ...



    "Ach was, sie wollen mich doch veräppeln. Mutta schreibt sich mit "er", Vata schreibt sich mit "er", dann schreibt sich Villa auch mit "er"."

    Nennt sich "Übergeneralisierung", die Phase durchlaufen alle Kinder, egal welchen Unterricht sie hatten.

  • Nebenbei: Eben las ich gerade im Internet:


    "Poilzei crasht Weihnachtsparty der Hells Angels"


    Ich frage mich, wozu wir Lehrer eigentlich (deutsche) Rechtschreibregeln mit den Kindern pauken, wenn sie doch immer weniger Geltung haben.


    to strike / streiken
    sauce / Soße


    Wo ist das Problem?

  • Weil sie kurz ist! Die Schiene ist lang und die Maschine ist kurz. :aufgepasst:

    Äh, nein. Auch wenn ein Schienenstrang physisch länger ist als jedes noch so große Gerät, ist die Aussprache von "Maschine" im Standarddeutsch immer noch /maˈʃiːnə/.

  • Außerhalb von Behörden gibt es keinen Zwang zur korrekten Rechtschreibung und Ausdrucksweise. Im Prinzip kann jeder schreiben und sprechen wie er will, solange ihn jemand versteht.


    Das ist sicherlich richtig. Andererseits ist gesprochene und geschriebene Sprache ein extrem wichtiger sozialer Marker. Wenn ich die Standardsprache in Wort und Schrift nicht korrekt verwenden kann, wenn dieses Register geboten ist, dann bin ich im Aus. Wenn ich ein Bewerbungsschreiben absende, das vor Fehlern strotzt, landet das mit einiger Wahrscheinlichkeit im Mülleimer. Wenn ich mich aufgrund meiner Sprache am Telefon so anhöre, als ob ich aus dem Ghetto komme - selbst bei solchen Kleinigkeiten wie der mangelnden Differenzierung von /ç/ und /ʃ/ - dann werde ich so manchen Kontakt nicht hinbekommen.


    Wir wollen als Lehrer aber, dass unsere Schüler Lebenschancen haben. Das ist übrigens auch die Begründung, die ich meinen Schülern bei der allfälligen Frage nach dem Sinn hinter Gedichten, Geschichte, Musik, Fremdworten und anderen Elementen der klassisch bildungsbürgerlichen Kultur gebe: "Wenn Sie die Anspielungen verstehen, über die richtigen Witze lachen, die richtigen Bemerkungen machen, sich richtig präsentieren, dann haben Sie die Chance dazuzugehören. Und Sie wollen bei den richtigen Playern mitspielen, denn dann haben Sie auch die Chance das passende Gehalt einzufahren."


    Das kann einem gefallen oder nicht aber mangelnde Sprachkompetenz ist genau so ein wirksamer Social Marker wie Nägel aus dem Nagelstudio oder der tiefergelegte Asso-BMW.

  • Wie kommt das? Gute englische Rechtschreibung, ohne dass sie speziell thematisiert wird - schlechte deutsche Rechtschreibung, obwohl sie ständig thematisiert wird (zumindest ab Klasse 3 ?).

    Im Engisch-Unterricht wird gleich die richtige Rechtschreibung gelehrt und nicht dieser Unsinn "Schreiben nach Gehör".


    Sollte ich jemals vor der Frage stehen an welche Grundschule ich meine Kinder schicke, wäre das "Schreiben nach Gehör" für mich DAS KO-Kriterium für diese Schule.

  • Äh, nein. Auch wenn ein Schienenstrang physisch länger ist als jedes noch so große Gerät, ist die Aussprache von "Maschine" im Standarddeutsch immer noch /maˈʃiːnə/.

    Äh, doch! Es geht doch gar nicht um die Aussprache. Man schreibt die Maschine mit kurzem und die Schiene mit „langem“ i.

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