00 Punkte wegen hoher Fehlquote

  • Liebe Kolleginnen/Kollegen,


    ich unterrichte unter anderem Spanisch in der Einführungs- und Qualifikationsphase.


    In einer 12. Klasse hatte ich ein mehr oder weniger unnötiges Probem. Ein Schüler hatte im Beurteilungszeitraum eine Fehlquote von knapp 50%. Die Stunden waren größtenteils unentschuldigt. Als ich mit 00 Punkten gedroht hatte, kamen nach über 5 Wochen die ersten Atteste, die ich aber nicht mehr akzeptiert hatte.


    Daraufhin kam die erste Beschwerde des Erziehungsberechtigten über den Koordinator. Der Schüler kam dann notentechnisch insgesamt auf 0,5 Punkte, so dass ich mich letztendlich pädagogisch für 00 Punkte entschied. Gerade im Spracherwerb waren die Lücken in den verschieden Kompetenzbereichen viel zu groß.


    Ich musste deswegen zum Gespräch mit Koordinator und Eltern. Sie sahen es nicht ein und ich würde dem Kind seine Zukunft verbauen, weil er dann die 12 wiederholen müsste. Letztendlich fragte mich der Koordinator, ob ich mit einem Punkt leben könne. Ich war einfach nur sauer, dass er plötzlich den sanften Weg gehen wollte.


    Darf ich als Lehrkraft eigentlich entscheiden, ab welcher Fehlquote ich 00 Punkte vergeben kann? Bei uns gibt es diesbezüglich keine Regelung. Das Gesetz ist auch sehr schwammig. Wie würden denn die Verwaltungsgerichte entscheiden?


    Viele Grüße
    Sebi

  • Der Schüler wird doch Klausuren geschrieben haben, die einen gewissen Anteil der Gesamtnote (50%?) ausmachen. Die unentschuldigten Fehlstunden sind mit 0 Punkt zu bewerten, die restlichen Stunden entsprechend seiner Beteiligung(squalität und -quantität).

  • Gibt es bei euch die Möglichkeit, dass du eine Feststellungsprüfung ansetzt? Gerade bei hohen Fehlzeiten wäre dies gut begründbar. Hat er denn alle Klausuren mitgeschrieben?
    Der Schüler muss dann zeigen, dass er den Stoff des gesamten Halbjahres beherrscht.
    Ist zwar etwas aufwändig aber dafür kannst du anschließend genau belegen, wie gut er ist.

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

  • Ich musste deswegen zum Gespräch mit Koordinator und Eltern. Sie sahen es nicht ein und ich würde dem Kind seine Zukunft verbauen, weil er dann die 12 wiederholen müsste.

    Bei einer unentschuldigten Fehlquote von 50% und enormen Lücken im Spracherwerb hat sich allein der Schüler selbst diese Zukunft verbaut.


    Die Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (VO-GO) regelt den Fall eigentlich ziemlich deutlich. §7 Absatz (4) gibt dabei klar an, dass bei fehlender Bewertungsmöglichkeit aufgrund selbst zu vertretender Versäumnisse der Unterricht mit "ungenügend" abgeschlossen wird. Weiterhin ist selbst bei nicht selbst zu vertretenden Gründen in der Qualifikationsphase der Kurs mit "nicht teilgenommen" zu werten. Die verspäteten Entschuldigungen sind also irrelevant.


    Und zu guter Letzt legst du die Note aus pädagogischen Ermessen fest. Die Note "ungenügend" mit 0 Punkten attestiert laut Verordnung gerade, dass Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass diese Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können, während die Note "mangelhaft" die Behebbarkeit in absehbarer Zeit vorhersagt.



    Gerade im Spracherwerb waren die Lücken in den verschieden Kompetenzbereichen viel zu groß.

    Und mit dieser Begründung, sofern sie entsprechend dokumentiert ist, und dem Verweis auf die Unmöglichkeit der Leistungsbewertung aufgrund der viel zu hohen (und dokumentierten) Fehlzeiten sollte das auch vor einem Verwaltungsgericht stand halten. Ob dieser Weg überhaupt eingeschlagen wird, ist zudem unwahrscheinlich, auch wenn gerne damit gedroht wird. Die Kläger müssten hierfür nicht ganz unerhebliche Kosten tragen, Rechtsschutzversicherungen existieren meist nicht für Verwaltungsrecht und die Verfahren ziehen sich (ohne aufschiebende Wirkung auf Nichtversetzung) über 1-2 Jahre.

  • Eltern. Sie sahen es nicht ein

    Das haben sie umsonst.


    ch würde dem Kind seine Zukunft verbauen, weil er dann die 12 wiederholen müsste.

    Ich meine, du machst das Gegenteil. Ist der Schüler volljährig? Dann gibt es schon keinen Grund, sich mit den Eltern zu unterhalten. Falls nicht, hätten die Eltern durchaus auch die Verantwortung dafür, dass das Kind zur Schule kommt, die Atteste rechtzeitig bringt etc. Vielleicht erklärst du ihnen das mal im Bezug auf die Zuknft des lieben Kleinen.


    Im Übrigen blickt eine Note immer in die Vergangenheit, sie beschreibt die erbrachten Leistungen. Der Verweis auf die Zukunft ist also für die Note irrelevant.

    Letztendlich fragte mich der Koordinator, ob ich mit einem Punkt leben könne.

    "Nein, kann ich nicht."


    Darf ich als Lehrkraft eigentlich entscheiden, ab welcher Fehlquote ich 00 Punkte vergeben kann? Bei uns gibt es diesbezüglich keine Regelung. Das Gesetz ist auch sehr schwammig

    AFAIR ist es in NRW so geregelt, dass unentschuldigte Fehlzeiten als ungenügende Leistungen in den entsprechenden Stunden gewertet werden. Ist das in Niedersachsen explizit untersagt?


    Wie würden denn die Verwaltungsgerichte entscheiden?

    Zwei Juristen, drei Meinungen. Seh' zu, dass du deine Benotung sachgerecht dokumentiert hast. Das legst du vor, wenn ein Verwaltungsgericht etwas sehen möchte. Lass' dir keine Schere in den Kopf einpflanzen, nur weil jemand mit dem Gericht "droht". Vor einem Verwaltungsgericht gibt es keine Angeklagten, insbesondere ist der Lehrer keiner. Es wird nur geprüft, ob alles formal korrekt abgelaufen ist.


    Letztendlch geht es bei der Frage "mangelhaft" oder "ungenügend" darum, ob die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können oder nicht. Du meinst, dass nicht, und hast das auch begründet. Dann bliebe ich dabei.

  • Gibt es bei euch die Möglichkeit, dass du eine Feststellungsprüfung ansetzt?

    Das hielte ich für angebracht, wenn es noch Zweifel gibt, wie die Leistungen zu bewerten sind. Das scheint mir hier nicht der Fall zu sein.

  • Ich finde deine Frage, wie die Verwaltungsgerichte entscheiden würden, recht krass. Das wäre ein Stress, den ich mir in dieser Situation nicht antun würde. "Diese Situation" heißt für mich, dass der Schüler schriftlich auf 01 Punkt steht. Im Unterricht war er ca. 50% anwesend und sofern er da auch ab und an mal etwas Richtiges gesagt hat, würde ich ihm den 01 Punkt insgesamt geben.
    Benotung ist immer irgendwie wacklig, ich kann von mir auch nicht behaupten, dass ich für jede Stunde belastbare Dokumentationen habe, um bei Bedarf nachzuweisen, dass er wirklich 00 verdient hat. Es geht ja bei dir nicht darum, einen Gnadenpunkt herzuzaubern, sondern um ein Abrunden auf die 00 zu rechtfertigen. Das finde ich schwierig.


    Anders wäre der Fall aus meiner Sicht bei einer schriftlichen Leistung von 00 und der Anwesenheit/Unterrichtsbeteiligung, die du beschrieben hast. Wenn du also im Mündlichen den Gnadenpunkt zaubern müsstest, um dann überhaupt in die Situation zu kommen, wohlwollend runden zu können, dann würde ich das auch nicht mehr machen.

  • Das hielte ich für angebracht, wenn es noch Zweifel gibt, wie die Leistungen zu bewerten sind. Das scheint mir hier nicht der Fall zu sein.

    Wäre eine Möglichkeit, wenn der Koordinator und die Eltern weiter nerven.
    Termin festsetzen, Schüler prüfen - fertig mit der Diskussion.

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

  • Eine Feststellungsprüfung hielte ich persönlich für kontraproduktiv. Der Junge schwänzt oder sitzt beteiligungslos ein halbes Jahr rum und bekommt dann am Ende die Chance, sich vielleicht sogar auf 2 Punkte zu verbessern? (Welche Noten würde die Feststellungsprüfung ersetzen?). Zumindest in NRW ist eine Feststellungsprüfung für die entschuldigten Zeiten gedacht, nicht für unentschuldigte Tage.
    Allerdings würde ich MIR auch nicht den Stress machen, auf 0 Punkte zu bestehen. 1 Punkt sind schon schlimm genug, Vermutlich würde auch nur reichen, dass er 1-2 mal im Halbjahr was halbschlaues gesagt hat, um daraus an einem Tag eine 3 oder 4 Punkte Leistung zu rechtfertigen und hop, wäre er eh auf 1 Punkt.

  • Interessant wäre es zu wissen, wie viele Punkte er in den Klausuren hatte.


    edit: Überlesen.
    Könntest du noch eine dritte mündliche Note machen um von der 0,5 weg zu einer klaren Note zu kommen?

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

    Einmal editiert, zuletzt von Milk&Sugar ()

  • Oh je....die Situation ist verzwickt. Und dann der Koordinator, der den einfachen Weg mit 01Punkten gehen will. Allerdings, muss ich hier auch sagen, dass ich dem Schüler eine letzte Möglichkeit für eine mündliche LK geben würde. Und da würde ich genau das mündlich abprüfen, was er in seinen Fehlzeiten verpasst hat. Eventuell kannst du die mündliche LK einfach zu Beginn der Stunde ankündigen und dann in den letzten 15min durchziehen. Dann ist er wenigstens da und die anderen Schüler sehen auch, was er tatsächlich kann. Ich würde keine "extra" Prüfung an einen anderen Tag mit Ankündigung machen, sondern tatsächlich das in den normalen Unterricht einbeziehen. Schliesslich ist es normal, dass man im Unterricht mündliche Noten erhält.

  • Also... dein Schüler steht schriftlich (Klausuren nicht verpasst) auf exat 1 LP, und in der SoMi - allein schon durch die unentschuldigte Fehlzeit - auf 0 LP.
    Es ist dein Ermessen. Und ich hätte keine Skrupel, hier die 6 auch mal zu geben (obwohl es die erste meiner Laufbahn wäre - ich bin froh, so einen Schüler noch nicht gehabt zu haben).


    MMn solltest du das dem Koordinator auch genau so mitteilen. Dieses "Können sie damit leben" ist einfach die falsche Einstellung - genauso, wie dieser Schüler offenbar eine falsche Einstellung zum Abitur hat. Ein Abitur ist ein "Reifezeugnis", als "reif" würde ich dieses Verhalten nicht bezeichnen, also hat er damit seine Quali vergeigt. Ende der Diskussion.


    Übrigens... Eltern können versuchen, dagegen vorzugehen, wenn sie die Benotung für begründet unaangemessen halten. Dazu stellen sie einen etsprechenden Antrag auf Korrektur bei deiner SL, und, sollte diese nicht konform mit ihnen gehen, können sie damit zum Kultusministerium, das dann - verbindlich - entscheidet. Solche Verfahren sind gar nicht so selten, aber sie gehen eher selten zu Ungunsten des Lehrers aus (wenn dem so ist, lag es meistens an nicht leistungsbezogener, sondern subjektiver Benotung). Diese scheint mir hier definitiv nicht vorzuliegen, das Verhalten des Schülers spricht doch eine deutliche Sprache, und damit kannst du die Note begründen.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich würde auch eine mdl Zusatzprüfung über den Stoff des gesamten Halbjahres ansetzen. Bei so hohen Fehlzeiten ist das durchaus angebracht.


    Ich habe einen ähnlichen Fall. Nur da hat die Schülerin überhaupt keine Leistungen erbracht, weder schriftlich noch mündlich. Ich werde keine Note eintragen und anmerken, dass eine Note nicht feststellbar war.

  • Wäre eine Möglichkeit, wenn der Koordinator und die Eltern weiter nerven.

    Nee, eben genau dann nicht. Die Nachricht, man müsse nur genug nerven, dann bekäme man ein Extrawurst, wollte ich nicht aussenden.

    Allerdings würde ich MIR auch nicht den Stress machen, auf 0 Punkte zu bestehen.

    Inwiefern das Stress ist, hängt auch ein wenig von einem selbst ab. Ein wenig Robustheit gegenüber dem Generve gehört schon dazu. Ohne dass ich Zahlen dazu habe, werden nach meinen Geschmack zu viele Schüler weiter gereicht, weil jemand "den Stress" vermeiden möchte. Mit dem Schüler reicht man aber auch die Probleme weiter. Dann wird er in der nächsten Institution rumschlumpfen und seine Leistungen durch Diskussionen ersetzen wollen. Dass man das Problem los ist, heißt nicht, das es gelöst ist.


    Und noch eine Anmerkung zur ach so gefährdeten "Zukunft" des armen Bürschchens. Wir generieren an der Schule weder Ausbildungs- noch Studienplätze oder sonstige Arbeitsstellen. Den Platz, den der stressfrei Durchgereichte dann einnimmt, bekommt ein anderer nicht. Man muss auch denjenigen, die ihre Leistungen redlich erbracht haben, gerecht werden. Die haben auch eine Zukunft, aber vielleicht keine Eltern, die genug Zeit haben, ihren Sohn durchs Abitur zu nerven.


    Ich war beim Unterricht nicht dabei, ich weiß nicht, was der Mensch kann oder geleistet hat. Ich habe auch keine Ahnung von der Bewertung von Fremdsprachen. Wie in allen anderen Fällen gehe ich also davon aus, dass der TE sich etwas bei der Benotung gedacht hat. Dazu hat er sich sogar schon etwas geschrieben. Ich finde das nachvollziehbar. Sollten Eltern und "Koordinator" nicht irgendwelche Aspekte vorbringen, die bisher übersehen worden sind, gibt es keinen Grund, von der Benotung abzuweichen. "Wir wollen was anderes" ist allerdings kein relevanter Aspekt.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    4 Mal editiert, zuletzt von O. Meier ()

  • @Profe: Bleib bei Deiner Note und lass Dich nicht auf irgendwelche dubiosen Kuhhandel von wegen "nochmal Prüfen" ein. Du hast die Note aufgrund schriftlicher und mündlicher Leistungen korrekt gemacht. PUNKT!

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