Kulturkampf im Klassenzimmer

  • Schließe mich Midnatsol an und möchte nur das ergänzen:


    "Warum sind sie da?" Und da fällt mir leider kein positiv konnotierter Grund (was ich mit "Bereicherung" umschrieb) ein, auch wenn du mir da gerne aushelfen darfst.

    Der Einwanderungspolitik von Staaten liegt keine Moral, sondern eine Kosten-Nutzen-Rechnung zugrunde.
    Die Kosten der Flüchtlingswelle sind offensichtlich, der Nutzen weniger offensichtlich. (Z.B. Lohnkosten senken.)
    Ich sag mal so:


    Was eine Großmacht sein will, die sich in internationalen Angelegenheiten für zuständig erklärt, Eingreifen so legitimiert, "Verantwortung übernimmt", ihre Soldaten ans Ende der Welt schickt etc. - die muss das abkönnen. Und umgekehrt.

  • Danke, Morse, für diese kurze, aber inhaltlich gehaltvolle Antwort, angenehmerweise ohne Moralkeule! Dieses Kolonialargument hört man ja häufiger in dem Zusammenhang und beeinflusst natürlich auch das Migrationsverhalten in anderen Ländern, sei es in eine Richtung (z.B. Pakistanis/Inder in Großbritannien oder Menschen aus den Maghreb-Staaten in Frankreich) oder in die andere (z.B. die "weiße" Minderheit in Südafrika oder Namibia). Ich stelle fest, dass das Thema nicht nur hier im Forum, sondern an vielen Stellen im Internet und auch im "realen" Leben gerade seit 2015 immer wieder vorkommt und leider sind die Fronten diesbezüglich sehr verhärtet, weil statt demokratischer Gesprächskultur zumeist Grundsatzdebatten nach dem Motto "Darf man das jetzt sagen oder nicht?" geführt werden. Ich denke aber, dass alle Parteien zumindest dahingehend einer Meinung sind, dass 1. das Thema "Migration" das gesellschaftliche Miteinander maßgeblich veränderte und 2. in Bezug auf eben jenes Thema gibt es gesellschaftliche Missstände, die in Teilen politisch bedingt sind und von der Politik stärker als jetzt thematisiert werden sollten.

    Einmal editiert, zuletzt von Lindbergh ()

  • @Lehramtsstudent
    ...ich glaube du solltest nicht in die Schule, sondern in die "Politik".
    Da gibts derzeit auch so viele Leute, die es schaffen, massenhaft Zeilen mit Geschwafel, Nullinhalten und Nicht-Neuheiten zu füllen.
    Alles Theorie, Null Praxis, noch weniger Umsetzbarkeit und erst recht keine Bereitschaft, das überhaupt mal zu tun...
    Und wenigstens gibts dann (hoffentlich) ein paar Tomaten. Fragt sich nur, wer da fauler ist.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich denke aber, dass alle Parteien zumindest dahingehend einer Meinung sind, dass 1. das Thema "Migration" das gesellschaftliche Miteinander maßgeblich veränderte und 2. in Bezug auf eben jenes Thema gibt es gesellschaftliche Missstände, die in Teilen politisch bedingt sind und von der Politik stärker als jetzt thematisiert werden sollten.

    Dies kann neben Morses aufgeführter Lohnkostensenkung ein zweites, vielleicht sogar wesentliches und gewolltes, politisches Ziel sein.

  • @Lehramtsstudent Du wirst hier keinen mehr finden, der noch Lust hat, eine Debatte über Flüchtlinge mit Dir zu führen. Einfach weil sie schon 30 mal geführt worden ist und immer für die Tonne war. Gib doch einfach mal "Flüchtlinge" in die Suchmaschine ein und dann viel Spass beim Lesen. Du bist einfach 2 Jahre zu spät dran.

  • Wenn ich als Lehrer aber zu 80-90% erziehen muss und der Anteil an Bildungsvermittlung nur noch der traurige, prozentuale Rest ist, läuft aber etwas schief.

    Wie immer gilt es an dieser Stelle zu eruieren ob das ein spezielles Problem an Deiner Schule ist (z. B. mangels Rückgrat der Schulleitung), oder ob wirklich - wie Du zu vermuten scheinst - "das System" dran Schuld hat.

  • Wie immer gilt es an dieser Stelle zu eruieren ob das ein spezielles Problem an Deiner Schule ist (z. B. mangels Rückgrat der Schulleitung), oder ob wirklich - wie Du zu vermuten scheinst - "das System" dran Schuld hat.

    Wer hat Schuld? Das ist so schwierig zu beantworten. Wir waren immer schon Brennpunktschule. Trotzdem funktionierten viele Dinge und es gab auch Erfolge. Seit Inklusion und Migration haben wir aber so viele Probleme dazu bekommen, wer soll die auffangen? Unsere Schulleitung beneide ich nicht. Und ich erlebe mittlerweile viele frustrierte Schüler und Kollegen.

  • Danke, Morse, für diese kurze, aber inhaltlich gehaltvolle Antwort, angenehmerweise ohne Moralkeule!
    [...]leider sind die Fronten diesbezüglich sehr verhärtet, weil statt demokratischer Gesprächskultur zumeist Grundsatzdebatten nach dem Motto "Darf man das jetzt sagen oder nicht" geführt werden. [...]

    Noch ein paar Worte dazu, weil Du mich namentlich genannt hast. (Meine Moralkeule war natürlich nur im Mantel versteckt.)


    Meines Erachtens macht es insofern keinen Unterschied, ob man nun für oder gegen die Ausländer ist, dass sich eine Regierung davon nicht beeindrucken lässt. Eine Herrschaft hat ihre Interessen und setzt diese durch, egal was vor einer Wahl versprochen wurde.


    Ausländerfeinde sagen z.B., dass ihnen die Ausländer auf der Tasche lägen, weil sie nicht arbeiteten oder ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Das scheint paradox, aber beides stimmt auf eine Art.
    Ja, ein Zuwander ins Sozialsystem verursacht Kosten.
    Ja, Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt verschärfen die Konkurrenz.


    Aber:
    Ein Arbeiter verdient so viel, dass es zur Reproduktion seiner Arbeitskraft genügt. Alle Eingriffe des Staats in den Markt stellen dies sicher und sind letztendlich nur Feintuning eines Systems maximalen Profits. Ob nun ein neuer Sozialfall dazu kommt, oder eine Million - davon hat der Arbeiter nicht mehr oder weniger, auch wenn das behauptet werden mag. Gewinne werden nicht an die verteilt, die sie durch ihre Arbeit erwirtschaftet haben, sondern behalten von denen, die arbeiten lassen für ihren Gewinn.


    In einer Konkurrenz um Arbeitsplätze gibt es immer Verlierer. Daran sind aber nicht die Gewinner schuld, sondern die Konkurrenz bzw. dieses System selbst.
    Dass inländische Konkurrenz legitim ist und ausländische nicht, obwohl der Schaden in der Konkurrenz selbst besteht, die immer Verlierer produziert, muß man sich auch erst mal weismachen lassen.


    Anstatt zu streiten, ob man die Ausländer willkommen heißen oder wegschicken soll, kann man auch mal überlegen welche Interessen hier vorliegen und wer hier wem was zumutet.

  • Wer hat Schuld? Das ist so schwierig zu beantworten. ...

    ...und vielleicht auch nicht weiter hilfreich?


    Wenn bei euch alle am Stock gehen, muss sich der Chef was überlegen. Beneidenswert oder nicht, das ist seine Aufgabe.


    Versetzungsantrag stellen geht auch, aber meist nicht besonders schnell.

  • Das kommt halt davon dass Gewerkschaften Beteiligungen am Produktivkapital verteufeln, sich im Prinzip vor allem an nominalen Lohnerhöhungen orientieren und der deutsche Michel eine irrationale Angst vor Aktien hat.


    Man stelle sich einmal vor, welchen Einfluss die Gewerkschaften hätten, wenn sie vir Jahrzehnten begonnen hätten einen Teil der Lohnerhöhungen als Gewerkschaftsfonds zu nutzen. Wenn die Firmen auf jemanden hören, dann den Kapitalmarkt.
    Wenn du also Einfluss auf deinen "Feind" haben willst, dann nutze ein Schwert und keine stumpfe Klinge.


    Denn von einer nominalen Lohnerhöhung bleibt im schlimmsten Fall weniger als vorher...

  • Das kommt halt davon dass Gewerkschaften Beteiligungen am Produktivkapital verteufeln, sich im Prinzip vor allem an nominalen Lohnerhöhungen orientieren und der deutsche Michel eine irrationale Angst vor Aktien hat.
    Man stelle sich einmal vor, welchen Einfluss die Gewerkschaften hätten, wenn sie vir Jahrzehnten begonnen hätten einen Teil der Lohnerhöhungen als Gewerkschaftsfonds zu nutzen. Wenn die Firmen auf jemanden hören, dann den Kapitalmarkt.
    Wenn du also Einfluss auf deinen "Feind" haben willst, dann nutze ein Schwert und keine stumpfe Klinge.


    Denn von einer nominalen Lohnerhöhung bleibt im schlimmsten Fall weniger als vorher...

    Wie stellst Du Dir das vor? Dass sich Arbeiter Schritt für Schritt über Aktien die Produktionsmittel aneignen?


    Letztens hat ja der Siemens Vorstand für Schlagzeilen gesorgt mit der Äußerung:
    „Und diese Geschichte, dass die Reichen noch reicher werden und alles ist schrecklich, das kann sein. Das passiert im Wesentlichen deshalb, weil viele Arbeitnehmer nicht an der Vermögensbildung durch Aktien teilnehmen.“


    Würde mir gerne erklären lassen, wie das funktioniert, dass wir alle reich werden oder zumindest keiner mehr für einen anderen arbeiten muss!

  • Stichwort Schwimmen. Ich mache einen Wandertag ins Schwimmbad, Klasse 5, und das Mädchen, das seit 1 Jahr Kopftuch trägt und seit 2 Jahren in Deutschland ist, aber (!) bei dem ich es durch Glück hinbekam, dass sie es im Sportunterricht abnimmt, DARF nicht mitschwimmen. Sie habe kein langes Badezeug und außerdem hätte sie mitgemacht, wenn nur ihre eigene Klasse dabei gewesen wäre. Aber sie hat Angst, dass jemand aus der Parallelklasse, die mitkommt, es im Heim dem Vater erzählt.


    Wie krieg ich sie denn nun dazu, dass sie auch baden geht?!

  • ....


    Wie krieg ich sie denn nun dazu, dass sie auch baden geht?!

    Gar nicht?
    Was macht ihr eigentlich, wenn Leute eine Chlorallergie haben? Ihre Tage? Ich würde nie aus Prinzip jd. zum Baden zwingen/überreden.


    Wir haben oft auch stark übergewichtige Teenies, die nicht mitbaden wollen. Oder welche, denen es peinlich ist, dass sie nicht schwimmen können. Wenn ich auf sie oder ihre Eltern einreden würde, dass sie ins Wasser müssen wären sie halt an dem Tag krankgeschrieben. Ganz ehrlich: wenns mein Kind beträfe, würde ich auch eine Entschuldigung ausstellen.

  • Ich würde es wohl so machen: Ich würde erst einmal mit dem Mädchen reden, ihm sagen, dass du es ganz toll findest, dass es im Sportunterricht das Kopftuch abnimmt und ihm Mut machen, dass es keine Angst zu haben braucht, dass es Ärger bekommt, dass du und andere Lehrer sich für das Kind einsetzen würden.
    Den Vater würde ich in die Schule laden, ihm klar machen, dass das Kopftuch in Deutschland mit Zwang und Unterdrückung assoziiert und daher gesellschaftlich, im Gegensatz zur arabischen Welt, keinen hohen Stellenwert genießt. In der Schule könne man es dem Kind zwar nicht verbieten (Oder kann man es? Was sagt da eure Schulordnung?), ein Kopftuch zu tragen, man würde aber das Ablegen dieser Kopfbekleidung stark befürworten aus Gründen der religiösen Neutralität der öffentlichen Schule als Bildungsinstitution. Außerdem kann man ja durchaus sagen, dass eine Kooperation zwischen Eltern und Schule sinnvoll sei, da Kontakte zu Jugendamt und Ausländerbehörde bestehen und es sicherlich nicht im Interesse des Vaters wäre, aufgrund so einer Lapalie das Sorgerecht für das Kind oder gar die Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu riskieren. Vlt. weist eine entsprechende Ansage den Vater erst einmal in seine Schranken und gibt dir (und dem Mädchen) etwas mehr Handlungsoptionen im schulischen Kontext. Wenn er auf stur schalten sollte, kann man immer noch härtere Geschütze auffahren, aber zunächst würde ich erst einmal von einem "Ich weiß es nicht besser"-Fall ausgehen.

  • Stichwort Schwimmen. Ich mache einen Wandertag ins Schwimmbad ... Wie krieg ich sie denn nun dazu, dass sie auch baden geht?!

    @Lehramtsstudent: Da gibt es schon Unterschiede. Schwimmen beim Wandertag: Grundsätzlich freiwillig. Sie "wandert" mit, bleibt aber trocken...
    Beim Schwimmunterricht sieht es natürlich anders aus: Der ist verpflichtend und eine Teilnahme wird durchgesetzt.


    @'Krabappel: Krankschreibungen muss man ohne Diskussion akzeptieren. Aber ein "Ich-will-nicht"? Wie gesagt, beim Wandertag vielleicht schon...

  • Ich weiß nicht, ob der Unterschied dem Vater so klar ist. Ich würde mal so aus der Ferne behaupten, dass es ihm da eher um's Prinzip geht.

  • Ich würde es wohl so machen: Ich würde erst einmal mit dem Mädchen reden, ihm sagen, dass du es ganz toll findest, dass es im Sportunterricht das Kopftuch abnimmt und ihm Mut machen, dass es keine Angst zu haben braucht, dass es Ärger bekommt, dass du und andere Lehrer sich für das Kind einsetzen würden.
    Den Vater würde ich in die Schule laden, ihm klar machen, dass das Kopftuch in Deutschland mit Zwang und Unterdrückung assoziiert und daher gesellschaftlich, im Gegensatz zur arabischen Welt, keinen hohen Stellenwert genießt. In der Schule könne man es dem Kind zwar nicht verbieten (Oder kann man es? Was sagt da eure Schulordnung?), ein Kopftuch zu tragen, man würde aber das Ablegen dieser Kopfbekleidung stark befürworten aus Gründen der religiösen Neutralität der öffentlichen Schule als Bildungsinstitution. Außerdem kann man ja durchaus sagen, dass eine Kooperation zwischen Eltern und Schule sinnvoll sei, da Kontakte zu Jugendamt und Ausländerbehörde bestehen und es sicherlich nicht im Interesse des Vaters wäre, aufgrund so einer Lapalie das Sorgerecht für das Kind oder gar die Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu riskieren. Vlt. weist eine entsprechende Ansage den Vater erst einmal in seine Schranken und gibt dir (und dem Mädchen) etwas mehr Handlungsoptionen im schulischen Kontext. Wenn er auf stur schalten sollte, kann man immer noch härtere Geschütze auffahren, aber zunächst würde ich erst einmal von einem "Ich weiß es nicht besser"-Fall ausgehen.

    Niemals würde ich das machen!!!


    Mir stellen sich schon beim Lesen dieser Tipps die Nackenhaare auf. Hier haben wir Religionsfreiheit und das ist auch gut so. Das Mädchen kann und darf ein Kopftuch tragen, ganz egal, ob du das mit Unterdrückung assoziierst. Das Verhältnis zur Familie des Mädchens wird nach so einem Gespräch wie von dir vorgeschlagen sicher top sein :P .
    Ich verstehe auch immer die Aufregung um Burkinis nicht - kann doch jeder tragen, was er will, solange man andere und sich selbst nicht in Gefahr bringt.
    Und warum sollte man dem Veter unterschwellig mit Jugendamt und Sorgerechtsentzug drohen, nur weil das Kind ein Kopftuch trägt? Wo lebst du?


    Oder hab ich hier irgendetwas missverstanden?

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