Rechtschreibung nach Sommer-Stumpenhorst

  • Hallo zusammen,
    seit der letzten Antwort hier sind fast 11!!! Jahre vergangen, ich weiß...
    Aber ich bin gerade erst auf die Diskussion hier gestoßen und vielleicht wird es auch lange nach meiner Antwort noch Menschen geben, die etwas zu S.St lesen / recherchieren mögen.
    Es wurde häufig erwähnt, dass doch die weiterführenden Schulen mal zu Wort kommen sollten, um das Schreiben nach dieser Methode zu reflektieren. Nun denn...
    Ich fange mal so an: ich bin Lehrerin für Sonderpädagogik und führe im kommenden SJ meine Klasse in das 7. SJ hinein. Unsere Klasse ist sehr heterogen. Beginnend bei SuS, die auf dem Niveau der 2./3. Klasse hin unterrichtet werden bis hin zum Hochbegabten.
    Wir haben viele Kids mit Unterstützungsbedarf im Bereich Sprache und nebenbei noch einige!!!! SuS mit "diagnostizierter" LRS. Unterm Strich kann ich sagen, dass KEIN EINZIGES Kind es schafft, einen Fehlerfreien Satz zu schreiben. Alle gemeinsam haben sie (mit Ausnahme derer, die von einer SQ-Förderschule kommen), dass sie alle nach S.St. unterrichtet wurden. Auch in den Parallelklassen gibt es nur wenige, die Wörter orthografisch richtig schreiben. Es ist "der Horror"!! (Sorry für die harten Worte, aber es ist leider so!). Ich bemerke auch, dass alle SuS enorme Probleme beim Lesen haben, da sie sich die richtigen Wörter erst mal wieder in ihre falsch erlernte Schreibweise übersetzen müssen.
    Ich mache mir schon jetzt viele Gedanken darüber, wie sie es trotz Korrekturhilfen schaffen sollen, mal eine Bewerbung oder einen Lebenslauf zu schreiben. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch Google nur eine bestimmte Toleranz an falscher Schreibweise duldet. Frustriert stellt man dann also mit 15 oder 16 fest, dass man irgendwo in der zweiten Klasse doch keine Rechtschreibregeln mehr in die bereits falsch erlernten und sehr individuelle. Rechtschreibstrukturen mehr integrieren kann...

  • Nur so aus Interesse, ist es normal, dass in NRW Sonderpädagogen normal an Gesamtschulen unterrichten? Ich kenne es eher so, dass die für spezielle Förderunterrichte zuständig sind.
    Welche Fächer hast du denn? Deutsch nehme ich an, oder?
    Woher weißt du, dass sie nach dieser Methode unterrichtet wurden? Sie kamen doch bestimmt von verschiedenen Grundschulen und verschiedenen Klassenlehrern.


    Und was mich immer wundert, wie kommt man zufällig auf einen so alten Thread und meldet sich dann extra an um ihn zu kommentieren.

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

  • Unterm Strich kann ich sagen, dass KEIN EINZIGES Kind es schafft, einen Fehlerfreien Satz zu schreiben.

    Unglaublich, niemand schreibt Fehlerfrei? :D


    Ich kenne das Programm nur vom Hörensagen. Gibt's dazu wissenschaftliche Begleitstudien?

  • Die Studien, von denen ich gehört habe (jaja, sehr kompetent, ich weiß ...) besagen, dass die Reichen/Sommer-Stumpenhorst-Methode gut funktioniert - bei Kindern, die a) deutsche Muttersprachler sind, b) keinen Dialekt sprechen, c) keine Lernschwächen haben.
    Alle anderen kommen damit nur schwer klar.
    Logisch: Schreibe, wie du hörst, wird beim Dialektsprecher etwas produzieren, was nicht ansatzweise deutsche Orthographie aufweist. Und wenn ein Kind in der Anlauttabelle einen Apfel sieht und "elma" denkt, schreibt immer a, wenn ein e gefragt ist.


    Aber die reine Lehre wird bei uns aber auch längst nicht mehr praktiziert. Die Schülergenerationen, die noch ganz methodenrein so schreiben gelernt haben, haben inzwischen die Schule durchlaufen. Meine jetzige Klasse war zu Beginn der 5. in Rechtschreiben deutlich fitter als die letzte.
    Die Problematik ist meines Erachtens derzeit eine andere: Die meisten Kinder besuchen eine OGS. Die umfasst eine Hausaufgabenbetreuung, in der oft ein FSJler 25 Grundschüler beaufsichtigt. Ruhe, Hilfe: Fehlanzeige! Danach ist nur noch Aufbewahrung gewährleistet. Fördermaßnahmen: Nope. Lesen üben: Muss zu Hause erfolgen (bei Ganztagsbetrieb: ja, wann denn, bitte??).
    Es profitieren: Kinder, deren Eltern am Wochenende mit ihnen nacharbeiten wollen und können. Es gucken in die Röhre: alle anderen.


    @Kaffeebeigaben:
    Klar unterrichten in inklusiven Gesamtschulen Sonderpädagogen. Das ist absolut notwendig!

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Die Studien, von denen ich gehört habe (jaja, sehr kompetent, ich weiß ...) besagen, dass die Reichen/Sommer-Stumpenhorst-Methode gut funktioniert - bei Kindern, die a) deutsche Muttersprachler sind, b) keinen Dialekt sprechen, c) keine Lernschwächen haben.
    Alle anderen kommen damit nur schwer klar.

    Aha und welche GS hat heutzutage noch keine SuS mit DaZ-/DaF-Hintergrund, null Förderschüler und garantiert keinen Dialektsprecher, um so ein Vorgehen zu rechtfertigen? Ich bezeifel ja, dass es jemals besonders viele GS gegeben haben könnte, die diese Ausgangsbedingungen erfüllt haben. Vor allem aber widerspricht ja eine Zwangseinführung an einer gesamten Schule komplett allen Prinzipien, denn die ignoriert ja komplett die Lernvorraussetzungen der jeweiligen Klasse.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ups, das ist wohl falsch angekommen. Ich halte diese Methode für absolut unbrauchbar. Die guten Schüler/innen lernen immer, egal mit welcher Methode. Ein wesentlicher Indikator, ob eine Methode erfolgreich ist, ist meiner Meinung nach, ob die schwachen und benachteiligten Schüler/innen profitieren.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.


  • @Kaffeebeigaben:
    Klar unterrichten in inklusiven Gesamtschulen Sonderpädagogen. Das ist absolut notwendig

    Das ist mir schon klar, aber ich kannte es bisher nur als Extraförderstunden und nicht als regulären Unterricht.
    Aber das ist wahrscheinlich überall anders :)

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

  • Das ist mir schon klar, aber ich kannte es bisher nur als Extraförderstunden und nicht als regulären Unterricht. Aber das ist wahrscheinlich überall anders :)

    So war es hier vor 8 Jahren. Inzwischen sind die Sonderpädagogen normale Klassenlehrer und halten normalen Unterricht. Anfangs waren sie zumindest in den Inklusionsklassen (zieldifferente Schüler wurden in einer Klasse gesammelt) als KL eingetragen. Nun sind wir Standortschule und haben in allen Klassen zieldifferente Schüler und die Sonderpädagogen sind normale KL aber stehen natürlich für Beratungen zur Verfügung...

  • Interessant. Nach allem was ich weiß, sollen Sonderpädagogen an den Inklusions-Schulen nicht als Klassenlehrer eingesetzt werden. Das wäre nicht deren Aufgabe. Aber ... wenn nicht genug Lehrer da sind, muss man es wohl so machen.


    kl. gr. frosch

  • Interessant. Nach allem was ich weiß, sollen Sonderpädagogen an den Inklusions-Schulen nicht als Klassenlehrer eingesetzt werden. Das wäre nicht deren Aufgabe. Aber ... wenn nicht genug Lehrer da sind, muss man es wohl so machen.


    kl. gr. frosch

    Wir haben genug Lehrer. Bei uns haben auch immer zwei Lehrer eine KL...

  • Machen wir, wenn möglich, auch so. Leider geht das aufgrund von Stellenmangel seit dem 9. SchräG nicht mehr flächendeckend.
    Ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Doppeltutoriat mit weitgehender Doppelbesetzung durch den Sonderpädagogen-Tutor eine sehr erfolgreiche Form der Inklusion ist.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Hallo,


    die ganze Diskussion um SoStump. und andere Konzepte ist sehr schwierig und komplex. Aber sie MUSS geführt werden, da der Schriftspracherwerb das zentrale Anliegen der Grundschule ist.

    Ich versuche mich mal auf einige wenige für mich relevante Schwerpunkte zu konzentrieren.

    Vorab: Ich arbeite seit über zwei Jahrzehnten als "ausgebildeter“ Deutschlehrer in der Primarstufe (an insg. 6 Schulen) und habe viele Konzepte „mitgemacht“ und „ge-/ertragen“.

    Was mich stört: Die Debatte wird viel zu emotional und oft an der Sache vorbei (sprachwissenschaftliche Grundlagen) in den Kollegien geführt. Im Zentrum muss m.E. die Sachstruktur stehen; das ist in Mathe vermeintlich einfacher als in Bezug auf den Schriftspracherwerb. Daher muss sich die Diskussion daran ausrichten, an welchen sprachlichen Strukturen / an welchem stufenweisen Aufbau sich das jeweilige Konzept ausrichtet, vor allem beim Leseerwerb. Meiner Meinung nach werden bei den Beratungen bezgl. eines Konzeptes viel zu oft sachfremde Erwägungen getätigt. („Tolles“ Material, mit dem sich vermeintlich differenzieren lässt / „tolle“ Aufmachung / Konzept ist „Drill“, nicht „modern“...) Oft sind die vorgegebenen Strukturen in Lehrgängen besser als beim hausgemachten und oft unterschiedlich gehandhabten sog. "Methodenmix". Aber klar: Jedes Lehrwerk hat seine Schwächen und muss gründlich vorab geprüft werden.


    Einen systematischen Lese-/Schreibaufbau bilden Fibeln i.R. am besten ab.

    Diese sprachlichen Strukturen geben

    a) den Kindern (Wo ist der nächste Lernschritt?) &

    b) den Kollegen/-innen (Anzahl fachfremd Deutsch unterrichtender Kollegen wird in der GS immer größer, bis hin zu Seiteneinsteigern ...)

    einen an der Sache (Sprache) orientierten Rahmen. Dann kommt mit dem Faktor "Können der Lehrkraft" auch noch eine weitere entscheidende Größe hinzu; jedes Konzept kann halt „vergeigt“, aber auch „veredelt“ werden …


    Entscheidend ist für mich, dass die Rolle der Anlauttabelle „gestutzt“ wird, da sie aus meiner Sicht den Kindern ein falsches Konstruktionsprinzip der Sprache (vermeintliche Eindeutigkeit der Laut-Buchstaben-Zuordnung) an die Hand gibt. https://books.google.de/books/…en_im_ersten_Schulja.html


    SoStu. ist aus meiner Sicht nicht geeignet, da es ursprünglich als Förderkonzept entstanden ist und nicht den Ansprüchen eines „integrativen Deutschunterrichtes“ entspricht. Außerdem wird zu lange mit der Anlauttabelle gearbeitet und zu wenig für den systematischen Leseerwerb getan. Positiv ist, dass er mit seinen Diagnosediktaten damals erstmals eine qualitative Bewertung von Rechtschreibleistungen ermöglicht hat.


    Auch wenn der Herr von „grundschulservice.de“ m.E. auch zu viel polemisiert, liegt er in seiner Argumentation (damit meine ich noch nicht mal den Verweis auf die wiss. Untersuchungen) inhaltlich richtig.


    Gruß

  • ie ganze Diskussion um SoStump. und andere Konzepte ist sehr schwierig und komplex. Aber sie MUSS geführt werden

    Ich sage jetzt einfach mal: "Nö!" Nicht wieder und überhaupt... Angesichts von Zuwanderung und Inklusion muss alles NEU gedacht werden. Auch "normale" deutsche Kinder bringen immer weniger mit bei der Einschulung. Deutsch muss heutzutage gelehrt werden wie eine Fremdsprache.

    L.G. Pia

  • Ich bin froh, dass ich nicht Stumpenhorst heiße :danke:


    Aber was sind normale Kinder und was bringen sie nicht mit, geht's auch weniger polemisch?

  • die ganze Diskussion um SoStump. und andere Konzepte ist sehr schwierig und komplex. Aber sie MUSS geführt werden, da der Schriftspracherwerb das zentrale Anliegen der Grundschule ist.

    Bestimmt. Die muss man immer wieder führen und sich immer wieder vergewissern oder mit weiteren Ansätzen abgleichen.

    Die Diskussion um SoStump kann man aber nur mit denen führen, die die Methode kennen. In NRW scheint sie verbreiteter zu sein, andernorts ist sie schlicht unbekannt.


    Im Zentrum muss m.E. die Sachstruktur stehen

    Dann mal los.

    die "Sachstruktur" bezieht sich auf ... sprachwissenschaftliche Aspekte?

    Letztlich braucht es in der Beurteilung immer auch einen Blick auf die Schülerschaft und die Vorgehensweise, die Möglichkeiten der Differenzierung, der Umsetzung etc.

    Oft sind die vorgegebenen Strukturen in Lehrgängen besser als beim hausgemachten und oft unterschiedlich gehandhabten sog. "Methodenmix". Aber klar: Jedes Lehrwerk hat seine Schwächen und muss gründlich vorab geprüft werden.

    Der Methodenmix selbst wird inzwischen in den Lehrgängen eingesetzt, gerade weil darüber ein guter Anteil an Differenzierung möglich ist.

    Nach Prüfung des Lehrwerkes werden von Lehrkräften dort andere Materialien eingesetzt, wo das Buch Schwächen hat, zu ungenau erläutert, zu schnell vorgeht, zu wenige Übungen anbietet. DAS aber liegt auch wieder an der Lerngruppe bzw. an einzelnen SuS, sodass man bestimmte Inhalte intensiver üben muss, vielleicht mit allen, häufiger mit einzelnen, während man für die, die dies bereits können, anderes wählt.


    Der Nachteil des Lehrganges ist die Begrenztheit des Materials, wodurch die individuelle Förderung erschwert wird, da man zusätzliche Materialien nutzen muss. Einige Verlage gehen deshalb dazu über, unzählige zusätzliche Handreichungen, Förderkarteien und Sammelbände mit Tipps oder Kopiervorlagen anzubieten. Dann ist man aber auch bei dem Methodenmix und muss als Lehrkraft selbst abwägen und auswählen, was man einsetzen möchte.

    Die von vorn herein offeneren Materialien haben diese Mischung bereits in sich und bieten die Differenzierung in einem gewissen Rahmen an.


    den Kollegen/-innen (Anzahl fachfremd Deutsch unterrichtender Kollegen wird in der GS immer größer, bis hin zu Seiteneinsteigern ...)

    einen an der Sache (Sprache) orientierten Rahmen. Dann kommt mit dem Faktor "Können der Lehrkraft" auch noch eine weitere entscheidende Größe hinzu; jedes Konzept kann halt „vergeigt“, aber auch „veredelt“ werden …

    Ja. Das ist ein Problem. Dieses liegt aber nicht im Material begründet, sondern in schlechter Schulpolitik und im Sparzwang, nicht genügend gut ausgebildete Lehrkräfte zu angemessenem Gehalt einzustellen.

    Wie oben genannt muss man auch beim Lehrgang wissen, was man tut und einen genauen Blick auf das haben, was die SuS schaffen oder wo sie Hilfe benötigen. Deshalb unterrichten in der Grundschule Lehrkräfte, die sich darauf spezialisieren, die sich sowohl mit dem Schrifspracherwerb als solchen wie auch mit der individuellen Förderung in extrem heterogenen Lernguppen auskennen.

    Schiffbruch erleiden auch die, die in der GS meinen, es würde ausreichen, durchs Schulbuch zu eilen.


    Eine solche Forderung ist für mich gleichbedeutend mit dem Ansatz, immer gleiche Pläne mit immer gleichen Materialien im Schrank zu halten, sodass eine beliebige und auch unausgebildete Person nach vorgegebenen Skript die SuS berieseln kann.

    DAS ist dann aber m.E. kein Unterricht mehr und man bewahre und davor, dass es in Zukunft noch mehr als jetzt schon notwendig ist.

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