Schlechtes Gefühl bei Abi-Korrektur

  • Ich muss mal was loswerden...


    In diesem Jahr bin ich zum 1. Mal Prüferin im Abitur gewesen. Ich habe mir den Erwartungshorizont vorgenommen und alles nach bestem Wissen und Gewissen korrigiert. Meine Korreferentin ist schon seit 20 Jahren im Abi und hat dementsprechende Erfahrung... sie hat meine Bewertung z.T. heftig kritisiert und viele Kandidaten schlechter bewertet. Sie hat ihre Kriterien etwas anderes gewichtet als ich meine und das auch gut begründet, so dass ich nach unserer gemeinsamen Vorbesprechung doch eher in ihre Richtung korrigiert habe. So kam es, dass meine Prüflinge schlechter abgeschnitten haben.


    Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das wirklich der richtige Weg war... klar, auf diese Weise soll eine gewisse Objektivität gewährleistet werden, aber ich fühle mich nicht gut dabei. Die Schüler haben sich ja im Laufe der 2 (manche sogar 3) Jahre an meinen "Stil" gewöhnt und eben auch dementsprechend ihr Abi geschrieben. Dazu kommt noch, dass der FPL eher auf meiner Seite war, mir das aber erst später gesagt hat, als die Arbeiten schon abgegeben waren...


    Habt ihr schon mal so etwas erlebt?
    Hätte ich mich mehr durchsetzen sollen meiner Kollegin gegenüber?
    Oder die Entscheidung dem FPL überlassen?


    Bin unsicher... ?(

  • Das Argument "die Schüler haben sich an meinen Stil gewöhnt" zieht eigentlich nicht so richtig, denn in Niedersachsen läuft es wohl in 2 bis 3 Jahren auf hausexterne Fremdkorrekturen zu, so dass Schüler in der Lage sein müssen eine Aufgabenstellung unabhängig vom Lehrer zu bearbeiten.
    Trotzdem musst du natürlich mit dir selbst ausmachen, wie weit du in solchen Fällen nachgeben willst. Wenn nicht, musst du das halt mit überzeugenden Argumenten begründen. Grade bei älteren Kollegen, die Zweitkorrektor für einen Neuling machen, habe ich es durchaus schon hin und wieder mal erlebt, dass da so eine Eistellung "jetzt zeig ich dem Frischling mal, wie das richtig gemacht wird" durchscheint.


    Grüße,
    Moebius

  • Öhm ... sie hat Kriterien anders gewichtet und das auch gut begründet.


    WENN(!) Du für DEINE Gewichtung der Kriterien ebenso gute Gründe hast, hätte ich nicht nachgegeben. Wenn Dir aber ihre Argumente plausibler sind als Deine, würde ich auf ein "schlechtes Gefühl" nicht so viel geben. Natürlich wünscht man den eigenen Schülern, dass sie gut abschneiden, aber auch deshalb gibt es eben die Zweitkorrektur.


    DU musst da mit Dir ins Reine kommen - aber nicht nach Bauchgefühl, sondern schon basierend auf Argumenten.

  • Zitat

    Original von Nighthawk
    Öhm ... sie hat Kriterien anders gewichtet und das auch gut begründet.


    WENN(!) Du für DEINE Gewichtung der Kriterien ebenso gute Gründe hast, hätte ich nicht nachgegeben. Wenn Dir aber ihre Argumente plausibler sind als Deine, würde ich auf ein "schlechtes Gefühl" nicht so viel geben.


    Genau das ist es ja...
    Sie hat mit ihrer Erfahrung gepunktet, nach dem Motto "Das haben wir immer schon so gemacht!" und dagegen kann ich als Neuling nun mal nicht ankommen... :)

  • "Das haben wir immer schon so gemacht!" ist kein sachliches Argument.


    Es geht darum, dass die Bewertung objektiv, aus sich heraus und nach einem Erwartungshorizont, der aus der Aufgabenstellung hervorgeht, geschieht.


    Woher sollen die Schüler wissen, was "schon immer so" gemacht wurde?
    Stell dir vor, du müsstest einem Schüler deine Note erklären - bei so einem Gespräch haben solche "Argumente" nichts verloren.

  • Zitat

    Original von Ummon
    "Das haben wir immer schon so gemacht!" ist kein sachliches Argument.


    Es geht darum, dass die Bewertung objektiv, aus sich heraus und nach einem Erwartungshorizont, der aus der Aufgabenstellung hervorgeht, geschieht.


    Woher sollen die Schüler wissen, was "schon immer so" gemacht wurde?
    Stell dir vor, du müsstest einem Schüler deine Note erklären - bei so einem Gespräch haben solche "Argumente" nichts verloren.


    Du hast natürlich Recht!
    Es ging um die Gewichtung des sprachlichen Ausdrucks. Da habe ich meine Schüler eher "verstanden" als meine Kollegin, deshalb war ich vielleicht etwas großzügiger als sie... :skeptisch:


    Im Übrigen lässt der Erwartunghorizont trotzdem noch reichlich Platz für solche Spielräume... X(


    Seid ihr euch immer einig mit euren Zweitlesern, was die Bewertung angeht?

  • Ich kriege meine Ergebnisse (externe Zweitkorrektoren) erst noch, bin aber schon sehr, sehr gespannt darauf - ist mein erstes Mal, ich habe mir viel Mühe gegeben und brenne darauf zu sehen, wie stark ich punktemäßig abweiche.

  • Zitat

    Grade bei älteren Kollegen, die Zweitkorrektor für einen Neuling machen, habe ich es durchaus schon hin und wieder mal erlebt, dass da so eine Eistellung "jetzt zeig ich dem Frischling mal, wie das richtig gemacht wird" durchscheint.


    Was ist das denn für ein arschlochhaftes Verhalten?!?!
    Ich kann doch meine Differenzen mit Kollegen nicht auf dem Rücken der Schüler austragen, und schon gar nicht wenn es um 'nen Abschluß geht!

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von SteffdA


    Was ist das denn für ein arschlochhaftes Verhalten?!?!
    Ich kann doch meine Differenzen mit Kollegen nicht auf dem Rücken der Schüler austragen, und schon gar nicht wenn es um 'nen Abschluß geht!


    Immer mit der Ruhe.


    Das ist nicht zwingend ein "vorsätzliches Verhalten", wo der "ältere" Zweitkorrektor sich bewusst und absichtlich so verhält. Das können durchaus unbewusste Prozesse sein, die nichts mit "arschlochhaftem" Verhalten zu tun haben müssen.


    Das Phänomen, dass ein Zweitkorrektor dem Erstkorrektor zeigen möchte, dass Ersterer es "besser" kann, ist m.E. kein "Generationenproblem" sondern auch ein weitgehend natürlicher Prozess im Sinne einer natürlichen menschlichen Schwäche.


    Der Zweitkorrektor hat es so gesehen ja auch immer leichter als der Erstkorrektor, weil er ja auf die Markierungen des EK zurückgreifen kann und insofern nie herauskommen würde, wie viele Fehler (sprachlich wie inhaltlich) er übersehen hätte oder anders angestrichen hätte, wenn er selbst EK gewesen wäre.


    Er ist unter psychologischen Aspekten also im Vorteil, weil er es sowohl die Klausur als auch den EK korrigiert.


    Was beim Ausgangsthread möglicherweise ein "Mildefehler" war, könnte beim ZK ein "Strengefehler" sein. Beides kommt vor und lässt sich nicht vermeiden.


    Als ZK sollte man einerseits ordentlich korrigieren, andererseits sollte man aber durchaus die Korrektur des EK solange mittragen wie man sie nachvollziehen kann.


    Gruß
    Bolzbold

    • Offizieller Beitrag

    Das ist immer wieder ein Problem, das im Zweifelsfall auf dem Rücken der Schüler ausgetragen wird. Das finde ich ganz problematisch. Gut ist es, wenn sich eine Fachschaft eng koordiniert und möglichst klare Absprachen (schriftlich für die Schüler festgehalten und als Konferenzbeschluss gefasst) über die Kritierien hat, so dass die Schüler vergleichbar unterrichtet und auch benotet werden. Das kann jede(r) in seiner Schule anregen und immer wieder einfordern. Ist aber ein langer Weg und auch nur dann wirklich umsetzbar, wenn man über den Konferenzbeschluss hinaus auch ständig im Gespräch ist. Noch besser wäre es, wenn Abschlussprüfungen bundesweit standardisiert wären und komplett extern korrigiert würden, so wie bei den TOEFL und Cambridge Examen.

    • Offizieller Beitrag

    ICh verstehe deine Argumentation nicht ganz: die Bewertung einer Abiturklausur richtet sich doch nicht nach den Punkten, die die Schüler im Unterricht erreichen konnten

    Zitat

    Ihre Vorpunkte beliefen sich in den 2 Schuljahren auf 14 bzw. 15 Punkte. Ihre Prüfungsarbeit bewertete ich mit 13 Punkten, bin bewußt einen Punkt nach unten gegangen...

    , sondern nach den im Erwartungshorizont ausgewiesenen erwarteten Schülerleistungen und Bewertungseinheiten. Folglich kann die Argumentation doch nur sein "die Schülerin hat 90%, 91%, 92%... der im Erwartungshorizont ausgewiesenen Punkte erreicht und deshalb 13 Punkte - oder eben sie hat 58% o.ä. und dehalb 8 Punkte...
    Und auf so einer Basis kann dann zwischen Kokorrektur und Erstkorrektur eigentlich kein Unterschied von 5 Punkten auftreten... auch wenn man bei sprachlicher Leistung und Ausformulieren eines Gedankenganges mal leicht unterschiedlicher Meinung sein kann.

  • Zitat

    Original von falkenau
    Gibt es eine Möglichkeit das anzufechten, sollte ich den Schülern den Rat geben, das Ergebnis anzufechten?... Beide schließen ihr Abi mit 1,3 ab, bei besserer Bewertung in Geschichte würden diese Schüler mit 1,2 abschließen..


    mfg Falkenau


    Das könnte ja glatt der Schüler selber geschrieben haben... ;)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Nuffi


    Das könnte ja glatt der Schüler selber geschrieben haben... ;)


    Und dann wäre noch die Frage, was man konkret anfechten soll. Die Bewertung des EKs oder des ZKs, des DKs oder was? Die Tatsache, dass ein ZK sich dem EK nicht anschließt und deutlich weniger Punkte gibt, zwingt Letzteren nicht zu einer größeren Rechtfertigung als Ersteren - es sei denn man geht davon aus, dass gute Noten per se gerechtfertigt sind.


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Beide schließen ihr Abi mit 1,3 ab, bei besserer Bewertung in Geschichte würden diese Schüler mit 1,2 abschließen..


    Ein Drama. Tut mir leid, ich weiß, hierüber gehen die Ansichten auseinander, aber - ich versuche den Schülern gerade zu vermitteln, von der Nackkommastellen-Hysterie wegzukommen.


    1,3 oder 1,2, darauf kommt es m. E. nicht an. Wer da Dinge anfechten will, verschwendet seine intellektuellen Möglichkeiten.

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