Unterrichtsstörungen und Provokationen 7. Klasse

  • Hallo,


    ich unterrichte seit den Sommerferien an einem Gymnasium in NRW und gebe in einer 7. Klasse und in drei anderen zweistündigen Fachunterricht als Vertretungslehrkraft. Zurzeit studiere ich noch, daher setze ich den Beitrag mal hier ins Forum für Referendare.


    In meiner 7. Klasse habe ich derzeit mit einigen kleinen Provokationen sowie mit massiven Unterrichtsstörungen durch eine Gruppe von Jungen zu kämpfen und weiß nicht so wirklich wie ich darauf reagieren soll. Das Hauptproblem besteht darin, dass diese Unruhe auch auf die anderen SuS 'abfärbt'. Die Klasse wurde mir bereits von anderen Kollegen als "Chaotentruppe" beschrieben. Aber zu Anfang des Schuljahres klappte eigentlich alles ganz gut. Erst seit den Herbstferien hat sich die Lage mehr und mehr gewandelt.


    Die ersten Probleme ergaben sich durch Papierkügelchen, die immer, wenn ich mit umgedreht habe, durch die Klasse flogen. Daraufhin habe ich, immer wenn ich jemanden beim Werfen erwischt habe, diesen nach der Stunde Fegen lassen und er bekam zusätzlich die Aufgabe, mir von den Eltern unterzeichnet eine Seite über die Folgen von Papierverschwendung zu schreiben(Fach Erdkunde). Danach legt sich die Fehde der verfeindeten Papierkügelchenfraktionen.


    Das nächste Problem ist die Lautstärke, die ich immer wieder durch Ermahnungen in den Griff bekommen habe, was jetzt jedoch nicht mehr zu fruchten scheint. Daher bin ich in der letzten Stunde, sauer geworden und wohl auch etwas lauter, was sonst nicht meine Art ist und habe meine Klasse zu Stillarbeit verdonnert, die ich nach der Stunde eingesammelt habe. Aber irgendwie habe ich mich danach den ganzen Tag über miserabel gefühlt weil ich so laut geworden bin und so streng sein musste.
    Danach habe ich den Schülern angedroht, dass wir in den nächsten Stunden weiter Stillarbeit machen werden, und ich diese jedes Mal einsammeln werde, wenn die Situation sich nicht verbessert. Aber einerseits, halte ich das gerade bezüglich der bemühten SuS in der Klasse für unfair und anderseits möchte ich das auch nicht tun weil wir gerade sehr interessante Themen durchnehmen bei dem man auch interessantere Methoden nutzen kann. Die KL hat mir geraten eine VIP Liste an die Tafel zu schreiben und denen Strafaufgaben zu geben, die während der Stunde stören. Würdet ihr das auch so machen?


    Provokationen:
    Meine SuS haben meinen Vornamen irgendwie herausbekommen, und ein oder zwei Schüler sprechen mich mind. zwei bis drei mal pro Stunde damit an. Ich habe das bisher meistens entweder ignoriert oder mit einem Spruch á la "Solange wir noch nicht zusammen Schweine gehütet haben heißt es Herr ..." quittiert. Ich dachte die Schüler würden über kurz oder lang das Interesse verlieren aber dem scheint nicht so zu sein.

    Was mich gerade vor der letzten Stunde in der ich ein wenig lauter geworden bin gestört hat, war, dass ich vom Flur schon den Spruch gehört habe: "Herr Blödmann kommt..." ich weiß, dass SuS alle möglichen Namen für ungeliebte Lehrer haben, und dass man sich nicht alles zu Herzen nehmen sollte, aber das fand ich schon sehr verletzend(gerade weil ich mich bisher immer bemüht habe abwechslungsreichen und spannenden Unterricht für die Klasse zu planen) und obwohl ich die Stimme des Schülers der das gesagt hat erkannt habe, habe ich so getan als hätte ich das nicht gehört. Würdet ihr auf so etwas eingehen?


    Die nächste Sache ist, dass sich zwei meiner "Hauptstörenfriede" in den Kopf gesetzt haben, ein Dossier über mich anzulegen, was beinhaltet, das Internet nach meinem Namen zu durchsuchen und alle Informationen über mich rauszufinden die sie kriegen können. Den durchschaubaren Versuch mich bei StudiVZ zu "befreunden" habe ich mit einem entsprechenden Kommentar quittiert. Als ich in der letzten Stunde in die Klasse kam stand jedoch der Name einer ehemaligen Schulkameradin von mir an der Tafel und nach der Stunde habe ich mitbekommen, dass der nächste Plan sei, meine ehemaligen Schulkameraden anzuschreiben um mehr Informationen zu erhalten. (Ich gehe stark davon aus dass das nicht klappen wird). Einerseits können sie rausfinden was sie wollen, da gibt es nichts was mir peinlich wäre, andererseits nehme ich das irgendwie als Eingriff in meine Privatsphäre als Nicht-Lehrer war.


    Gerade die Provokationen setzten mir im Moment etwas zu, aber auch die Lautstärke, weil ich dieses Verhalten in den anderen Klassen die ich unterrichte überhaupt nicht habe und dort alles sehr positiv wahrnehme. Was mich vor allem ärgert ist, dass mein Unterricht darunter leidet und auch die bemühten SuS in dieser Klasse.


    Wenn ich einige Beschreibungen von anderen Schulklassen hier im Forum lese, dann kommen mir solche kleinen Spielchen wie in meiner Klasse irgendwie nicht so wichtig vor aber vielleicht hat ja doch jemand von euch Vorschläge oder Anregungen wie ich damit umgehen soll.



    PS: Entschuldigung für den sehr langen Thread aber ich musste mir das irgendwie mal von der Seele reden ;)

  • Hallo kmann,


    gleich vorneweg: helfen kann ich Dir vermutlich nicht. Aber das, was Du da schilderst, kommt mir recht bekannt vor : Ich hab mit Mitte zwanzig angefangen in einer Berufsfachschule zu unterrichten. War sehr engagiert und motiviert. Ich habe mich den Schülern generationsmäßig näher gefühlt als meinen Kollegen und dadurch, dass ich "nur" Honorarkraft war und nicht angestellt, war ich auch nicht so ins Team integriert und hatte dafür nahen Kontakt zur Klasse.


    Die Schüler waren am Anfang super und alles lief locker, aber nach einiger Zeit (ich hab das erst gemerkt, als es wirklich fast eskaliert ist) sind die mir echt auf der Nase rum getanzt. Daraufhin habe ich in der folgenden Klasse, die ich übernommen habe, sehr streng begonnen und erst nach und nach die Zügel lockerer gelassen. Das ist zwar saublöd, war aber letztlich besser.


    So wie Du das beschreibst, haben da ein paar wohl keinen Respekt. Es gibt eben oft Spezialisten, die ihren Ego dadurch versuchen aufzupolieren, indem sie Macht über andere ausspielen. Es ist zwar schade für die, die mit einer kameradschaftlichen Art gut zurecht kommen, aber ich glaube, Du musst jetzt da ganz konsequent und streng durchgreifen. Hat ja schon gut geklappt mit dem Auffegen. Und -ich weiß nicht genau- aber vielleicht kannst Du ja Dein Problem mit der Klasse besprechen und so Dein zukünftiges strengeres Verhalten begründen...


    Ich wünsch Dir, dass Du s hinbekommst!
    Lupa

  • Hi Lupa,


    danke erstmal für die Antwort!


    Die Situation mit der Klasse zu besprechen hat uns irgendwie nicht weiter gebracht. Als ich in das in der vorletzten Stunde probiert habe, hat das nicht so funktioniert vielleicht weil die das Thema schon bei so vielen anderen Lehrern hatten und es nicht nochmal durchkauen wollen.


    Dass ich ein strengeres Verhalten an den Tag legen muss ist wohl offensichtlich, auch wenn ich selber keineswegs davon begeistert bin. Ich muss immer an den Satz "The road to hell is paved with good intentions" denken. Erst ist man der nette Lehrer und dann wenn es nicht klappt schwingt man sich zum kleinen Diktator auf der auf Ruhe und Respekt pocht? Oder ist das einfach nur der Verlust der naiven und idealistischen Sichtweise die Lehramtsstudenten haben?



    Die Frage die sich mir stellt ist, wenn meine SuS nicht darüber reden wollen ob ich es einfach von "oben" diktieren soll und gar nicht erst irgendwelche Erklärungsversuche starte? Die SuS sind die härtere Gangart von ihrer Klassenlehrerin gewöhnt... aber ist das die einzige Möglichkeit?

    • Offizieller Beitrag

    als Erstes solltest du dich von so hehren Gewissensbissen wegen strengem Auftreten verabschieden !!


    Streng heißt ja nicht willkürlich, streng bedeutet:
    klare Ansagen,
    klares Einhalten der Regeln.


    Das ist keine Bankrotterklärung, das ist Transparenz und Führungsqualität.


    Stelle also Regeln auf. Lasse sie nicht diskutieren.
    Sage kurz: so wie bisher geht es nicht weiter. Deshalb wird Folgendes jetzt festgelegt und durchgezogen: .....


    Lass dich vom anschließenden gemaule oder Protest nicht beeindrucken. Lass dich auf keine Diskussionen ein.
    Zeige auf, welche Konsequenzen im Falle von Nichtbeachtung folgen werden. Kündige nur an, was du durchziehen wirst.


    Arbeite nicht mit Ironie (in Klasse 7 oftnals zu schwierig für die schüler), sondern mache deutlich:
    "Ich bin hier der Lehrer. Ich werde mit "Herr XY" angesprochen und gesiezt. Wenn ihr das nach 6 1/2 Schulajhren noch nicht könnt, muss ich mit den entsprechenden Eltern über angemessenes Schülerverhalten sprechen"


    Viel Glück !! :wink2:

  • Friesin bringt die Sache auf den Punkt!


    Wenn es angesagte Regeln gibt, bei denen die Konsequenzen bei Verstößen klar sind, bist nicht du dafür verantwortlich, dass irgendwelche Sanktionen folgen, sondern die Schüler. Die wissen nämlich in 99,9% der Fälle ganz genau, dass sie sich daneben benehmen. Deswegen: Kein schlechtes Gewissen!
    Erkundige dich mal im Kollegium, welche Maßnahmen an der Schule so üblich sind. Meiner Erfahrung nach beeindruckt es die Schüler wenig, wenn sie den Klassenraum ausfegen müssen (müssen sie natürlich trotzdem), auch Stillarbeit ist nicht so wahnsinnig abschreckend.
    Falls es bei euch Nachmittagsunterricht gibt, frag doch mal Kollegen, mit denen du ein offenes Wort sprechen kannst, ob sie bereit sind, einzelne Störenfriede als "Gäste" aufzunehmen. Wenn da nämlich Leute z.B. freitags ab halb 4 in der Schule für 2 Stunden nacharbeiten müssen, das tut weh.
    Sowas muss den Eltern allerdings vorher angekündigt werden.


    Es gibt Kollegen, bei denen so eine Haltung nicht sehr populär ist, aber ich finde, man hat eine Verantwortung für die Schüler, die etwas lernen wollen. Und dann ist es in einem bestimmeten Alter nunmal so, dass man mit 100 Appellen an die Einsicht nichts erreicht. Der Teil der Klasse, der unter den Störungen leidet, wird dir dankbar sein, wenn du dich durchsetzt.


    Auch wenn es in der konkreten Situation wenig hilft: Insbesondere in der Klasse 7 und bei neuen Lehrern ist ein massives Ausprobieren der Grenzen und der Kollegen oft normal. Sag dir immer, dass nicht du als Person gemeint bist, das bist du nämlich meistens nicht.

  • Friesin und Brick in the wall


    Vielen vielen Dank!
    Eure Beiträge haben mir einige Denkanstöße gegeben.


    Ich habe mittlerweile einen Regelkatalog aufgestellt, den ich den SuS in der nächsten Stunde vorstellen werde. Dieser wird kopiert und den SuS mitgeben damit die Eltern die Regeln zur Kenntnisnahme unterschreiben.


    Aufgrund einiger Disziplinprobleme die sich innerhalb des Erdkundeunterrichts ergeben haben, werden folgende Regeln aufgestellt um für die Schülerinnen und Schüler der 7… ein angenehmeres Lernklima zu schaffen. Dies geschieht gerade im Hinblick auf bemühte Schülerinnen und Schüler denen es damit ermöglicht werden soll, produktiv am Unterricht teilzunehmen.


    Regeln für den Erdkundeunterricht:


    Zwischenrufe oder Reden im Unterricht
    - Schülerinnen und Schüler die durch Reden oder Zwischenrufe den Unterricht stören werden einmal ermahnt.
    - Bei der zweiten Ermahnung erhalten sie eine Zusatzarbeit die von den Eltern unterschrieben in der nächsten Stunde vorgelegt werden muss.
    - Wird die Zusatzarbeit in der nächsten Stunde nicht vorgelegt oder ist sie nicht unterschrieben, wird sie in einer Extrastunde nachmittags nachgeholt, nach vorheriger Benachrichtigung der Eltern.


    Hausaufgaben
    - Wer seine Hausaufgaben dreimal nicht gemacht hat, und sie nicht nachträglich vorgelegt hat, erhält eine Mitteilung an die Eltern.


    Unterrichtsmaterialien
    - Wer seine Unterrichtsmaterialien nicht mitführt und deshalb im Unterricht nicht mitarbeiten kann, holt die Arbeit zuhause nach und legt sie in der nächsten Stunde vor. Er/sie erhält während der Stunde eine gesonderte Aufgabe.


    Unterschrift des Erziehungberechtigen+Datum


    Kann man den SuS so einen Zettel mitgeben? Sind meine Regeln zu streng? Nicht streng genug? Kann man den ersten Satz so schreiben oder heißt das in meinem Unterricht gehts drunter und drüber?



    Daran gekoppelt werde ich wohl die Sitzordnung verändern. Wobei ich noch überlege wie fair es ist, wenn ich gerade die Gruppe der Störenfriede abwechselnd mit bemühten SuS zu setzen. Und ob in diesem Falle kein Protest der Eltern zu erwarten ist.


    Desweiteren plane ich, die Unterrichtsgespräche in nächster Zeit so kurz wie möglich zu halten und den SUS während der Stunde viel zu tun zu geben, damit möglichst wenig Zeit belibt, um sich zu unterhalten oder anderweitig zu beschäftigen.


    lg,
    Kmann

  • Zitat

    Original von kmann
    Ich habe mittlerweile einen Regelkatalog aufgestellt, den ich den SuS in der nächsten Stunde vorstellen werde. Dieser wird kopiert und den SuS mitgeben damit die Eltern die Regeln zur Kenntnisnahme unterschreiben.


    Finde ich grundsätzlich gut. Würde aber, bevor ein separater Regelkatalog für Ek aufgestellt wird, erst einmal gucken, ob er nicht schon für die Schule existiert (z. B. Schulordnung). Ggf. besser erst einmal darauf berufen. Das wirkt weniger defensiv.


    Wie gehen denn die anderen Kollegen mit der "Chaostruppe" um? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass konzertiertes Vorgehen zu größeren und nachhaltigeren Erfolgen führt.

    2 Mal editiert, zuletzt von philosophus ()

    • Offizieller Beitrag

    kmann:


    Hausaufgaben nachreichen: damit tust du dir selbst keinen Gefallen: du verlierst nur zu schnell den Überblick, wer wann was nicht hatte und/oder nachreichte.
    Außerdem lernen die Schüler dabei nur:
    wenn ich meine HA nicht mache, bekomme ich die Aufgabe quasi gestundet-- in meinen Augen das falsche Signal.
    Auch bei der Ausrede: ich habe die hausaufgaben ja gemacht, aber ich habe das Heft nicht mit -- ist für mich eine nichtgemachte Hausaufgabe.


    Nur so als Denkanstoß ;)


    aaaaaaaber: sei so gut, setze in deinem Anschreiben die Relativsätze in Komma !!!!! :D

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