Lektüreempfehlungen für 8. Klasse Gym?

  • Hallo,


    ich bin Referendarin am Gymnasium und werde mit meiner 8. Klasse in Deutsch demnächst eine Lektüre beginnen! Könnt ihr mir vielleicht einen Tipp geben, welche Lektüre sich empfiehlt? Ich habe in etwa 15 Unterrichtsstunden dafür Zeit und weiß nicht, wie knapp das Buch deswegen sein muss (meine Betreuungslehrerin meinte, für Wilhelm Tell reiche die Zeit zum Beispiel nicht mehr). Die Lektüre muss unbedingt von einem deutschsprachigen Autor verfasst sein. Ich wäre sehr dankbar über Ratschläge, vielleicht sogar mit Hinweisen auf Material oder Sekundärliteratur dazu?


    Liebe Grüße,
    Talina

  • DIe Judenbuche? Ernsthaft?
    Wollt ihr eure armen Schüler denn bestrafen? :D


    Ich selbst bin ein großer Fan von Kinder- und Jugendliteratur und finde, da gibt es auch ganz tolle Sachen.


    Schau doch mal nach Mirjam Pressler. Ggf. Malka Mai, dazu gibt es auch viele Unterrichtsmaterialien.

  • "Für Wilhelm Tell reicht die Zeit nicht mehr"? Bei 15 Unterrichtsstunden? Wie breit wird denn das bei euch getreten?


    Klassisches in der 8.? Da fallen mir so eher Leute ein wie Storm und sein Schimmelreiter, ETA Hofmann und Fräulein von Scuderi.


    Und ob nun "Judenbuche" mehr Quälerei ist als "Rolltreppe abwärts "(als Beispiel) ist wohl kaum eine Frage, die entscheidend sein kann. Ich nämlich mag Ki-Ju-Literatur zu 90% nicht.

  • DIe Judenbuche? Ernsthaft?
    Wollt ihr eure armen Schüler denn bestrafen?


    Ein Kollegin hat mir erzählt, dass dieses Buch festgeschrieben sei für die Klassen 8 als Lektüre, damit es am Anfang des SJ gleich kaufen konnten.
    Im 2.HJ lesen sie "Die Einbahnstraße" (;


    LG
    Dodo

  • Wer entrümpelt endlich mal die vorkriegshaften Rahmenrichtlinien, die Achtklässlern Schiller und Droste-Hülshoff zumuten? Und in der Oberstufe haben wir dann mit Lesemuffeln zu kämpfen, denen das Unterrichtsziel "Leseinteresse fördern" wie glatter Hohn vorkommt. Pisa lässt grüßen!


    Ich finde die Ansätze von Bear und MrGriffin gut, habe außerdem mal eine Betroffene (meine Tochter, 8. Klasse Gymmi) gefragt. O-Ton: "Mamma, die Sprache versteht kein Mensch"! Recht hat sie und damit sollten wir uns im Unterricht einer 8. Klasse auch nicht belasten.
    Ihr Vorschlag: Auszüge aus Judith Kerr "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" mit Auszügen aus Anne Franks "Tagebuch" vergleichen und dann das Tagebuch ganz lesen. Sie hat´s getan und weiß, dass das heutzutage kaum in ihrer Altersgruppe bekannt ist. Es gibt inzwischen auch Alternativen bei den autobiographischen Werken.
    Den Schülern dieser Altersgruppe ist Authentizität in Texten wichtig, mit Sprachschnörkelei können sie nichts anfangen.


    Wenn eine alte Häsin dir einen Tipp geben darf: Mach´s dir im Unterricht nicht so schwer!

    Einmal editiert, zuletzt von glassi () aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • @ glassi:
    Man kann Schiller / hier: Wilhelm Tell auch gut in einer 8. Klasse machen. Man muss es nur "richtig"(*) machen (wenn es denn machen muss) - und dann haben die Schüler durchaus Spaß dabei. (Auch mit dem Originaltext, obwohl manche wohl mit der "einfacheren" / modernisierten) Variante arbeiten.


    (*) Was könnte "richtig" sein?
    Man beginne nicht am Anfang, sondern steige mitten ins Geschehen ein (i.e.: Apfelschuss-Szene). Man kann erst einmal mit der Situation - ohne Text - beginnen (da steht ein Hut, keiner will sich (verständlicherweise...) verneigen, was macht man?). Dies lässt sich erst einmal spielen. Nachdem SuS selbst überlegt haben, kann man die Szene lesen und mit der eigenen Lösung vergleichen. Aus der Szene ergeben sich zwei - durchaus unterrichtstragende - Fragen: Wie kam es zu der Situation und wie wird das alles enden?
    Klar ist ein gemeinsames Lesen (und verstehen) über weite Passagen notwendig - aber auch machbar. Wenn man dann das alles noch verbindet mit einem Besuch im Theaterfundus (inkl. anprobieren historisch passender Kostüme & spielen (auswendig!) der Apfelschuss-Szene (leicht gekürzt)), dann hat man hinterher stolze / begeisterte Schüler, die "so was" auch für kommende 8. Klassen empfehlen. Schließlich wächst man an seinen Herausforderungen...

  • Volle Zustimmung zu Bear (und danke für den Tipp!!)


    Schüler nervt nicht (primär) die Sprache (zugegeben ist das heute durchaus ein Problem bis in die Oberstufe), sie nervt das Analysieren - "Müssen wir da jetzt wieder irgendwas dran rausfinden?" Da wird für die auch das tollste Jugendbuch ätzend. Zumal Schüler es eh oft nicht leiden können, wenn wir jetzt mal "über eure Themen" sprechen - ok, zugegeben gibt es auch dabei geschicktere und ungeschicktere Vorgehensweise von seiten des Lehrers.
    Sprich: es kommt meiner Meinung nach mehr auf das Wie als auf das was an (Betonung liegt auf "mehr"' d.h. nicht, dass der ainhalt unwichtig wäre, aber ich persönlich wäre mit problemorientierter KJL sehr vorsichtig, gerade die deutsche KJL ist da sehr nervig, weil oft so furchtbar moralisch, da schüttelt es mich immer!)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Kann es sein, dass es sich um eine 8. Klasse am Gymnasium in Bayern handelt? (Leider ist das Bundesland der Threaderstellerin nicht genannt.)


    Falls dies der Fall sein sollte, könnte es sein, dass nicht einfach nur ein "Buch" gelesen werden soll, sondern ein Drama (Wilhelm Tell ist ja auch ein Drama, deshalb komme ich auf die Vermutung, dass es hier um den bayerischen Lehrplan geht.) und da fände ich es wichtig, dass man die Liebe zum Drama dadurch weckt, dass man nicht etwas völlig Unverständliches liest.
    Die Schüler haben da erfahrungsgemäß genug Schwierigkeiten damit, dass sich der Text eines Dramas vom Roman doch stark unterscheidet. Deshalb würde ich erstmal etwas Lustiges lesen, z.B. "Schweig, Bub!" von Fitzgerald Kusz, wenn es unbedingt ein deutscher Autor sein muss. Viele lesen als erstes Drama auch etwas von Molière, ist zwar auch schon etwas älter, aber die Sprache doch noch halbwegs verständlich. Wovon ich nur abraten kann, ist Kleists "zerbrochener Krug", da haben auch noch Neuntklässler massive Probleme mit der Sprache.
    Es ist leider gar nicht so einfach, eine für Achtklässler sprachlich verständliche Komödie zu finden, die von einem deutschen Autor stammt.
    Ich würde deshalb auch nicht vor Boulevardtheater zurückschrecken, es geht ja mehr um die Einführung grundlegender Begriffe zum Drama (Monolog, Dialog, Konflikt usw.) und abschreckend sollte es auch nicht gerade sein....


    P.S. Hitlers rosa Kaninchen ist bei uns Lektüreempfehlung für Fünftklässler, Anne Frank für Siebtklässler....

  • Hast du denn keine weiteren Vorgaben? (Drama, Roman, ..) oder auch inhaltlich? (Zum Beispiel Umgang mit Heterogenität ist glaube ich bei uns in der 8 auch dran, weswegen ich statt Anne Frank oder Malka May im Jahr der WM einen Roman über Südafrika gemacht hatte (Themba), ist aber glaube ich keine deutsche Originalfassung, ich weiß nicht mehr ob der Autor auf Deutsch oder Niederländisch schreibt (er hat beide Nationalitäten)


    Chili

  • Erstmal vielen vielen Dank für die guten Ideen und Tipps!


    Ich bin tatsächlich an einem bayrischen Gymnasium, wo sich ein Drama anbieten würde. Aus meiner eigenen Schulzeit glaube ich aber, mic an Miriam Pressler, Bitterschokolade und an E.T.A. Hoffmanns Fräulein von Scuderi in der 7./8. Klasse erinnern zu können... Inhaltlich gibts keine Vorgaben, nur ein deutscher Autor soll es sein!
    "Schweig, Bub!" hört sich ganz gut an, lässt sich auch in 15 Stunden gut bewältigen vermutlich? Gibt es dazu auch zufällig Materialien? Wobei ich auch glaube, dass Wilhelm Tell in der Zeit gut machbar sein müsste - nur meine Betreuungslehrerin ist nicht begeistert davon ... gute Idee @ Bear und vielen Dank für die Links zum Unterrichtsmaterial!!

  • Hi,


    ich habe mal mit einer 8 "Das Fräulein von Scuderi" gelesen. Lief ganz gut - auch in einem UB ;) Außerdem gibt's dazu eine Menge Material (man muss ja auch praktisch denken).
    Den SuS hat die Lektüre auch ganz gut gefallen. Ich denke, dass sie das Thema ansprechend fanden - sie zeigten zumindest Interesse an der 'Detektivgeschichte' und den damit verbundenen Verwicklungen. Außerdem ist diese Lektüre meiner Meinung nach auch gut in 15 Stunden zu bewältigen.


    LG


    Sylvana

  • @Hawkeye: Wenn du Rolltreppe Abwärts als Beispiel für Kinder- und Jugendliteratur nennst, gehe ich sehr davon aus, dass du dich mit dem Bereich der (vor allem aktuellen) Kinder- und Jugendliteratur nicht sehr beschäftigst, oder? Rolltreppe Abwärts sollte im Jahr 2012 nun wirklich niemand mehr lesen. Das sollte eigentlich auch im Jahr 1990 schon keiner mehr gelesen haben, weil es einfach zu veraltet ist.


    glassi: Ich kann deine Tochter sehr gut verstehen. Mir ging es ähnlich. Wir mussten im 8. Schuljahr Goethe lesen und ich habe seiner Zeit wirklich gar nichts verstanden. In den nächsten 15 Jahren habe ich es gehasst zu lesen. Die Freude am Lesen kam erst in meinem Studium wieder auf.


    katta: Wer sagt denn, dass KJL automatisch problemorientiert ist / sein muss?


    @chilipaprika: Sehr schöne Wahl! Ich mag Lutz van Dijk sehr und finde, er ist ein toller Autor!

  • :D Nein, keine Angst, ich lese schon auch diese Art von Literatur. Und "Rolltreppe abwärts" ist nur das Beispiel meiner Generation, wie man versucht hat, uns das Lesen auszutreiben. Leider aber gibt es viele Beispiele von KiJuLi, die heute noch so moralinsauer rüber kommt. Aber wenn ich bei Amazon die Rezensionen lese, wird das wohl immer noch im Unterricht bearbeitet - und hat Fans.


    Meine letzten Leseerlebnisse aus diesem Bereich waren z.B. Die Entdeckung des Hugo Cabaret, Zweier ohne, Die Kurzhosengang oder Nichts von Janne Teller. Also ich denke, dass ich da einigermaßen mithalten kann, aber alle das ist auch nicht die klassische KiJuLi, denke ich.

  • Ich hab da durchaus einiges an KJL gelesen, u.a. auch meine Staatsarbeit zu geschrieben. Es ist nicht alles problemorientiert, aber vieles - und oft wird das gerne von Lehrern ausgewählt, weil es so "schön nah der Lebenswirklichkeit der Schüler ist" oder man eine wichtige Botschaft rüberbringen will oder oder oder. Davon wollte ich nur abraten.
    In Bezug auf deutsche Autoren hat mir in letzter Zeit Andreas Steinhöfel gefallen.


    (Aber ich bin ja auch großer Fan von Roald Dahl...das ist schon ne andere Kategorie als so ein Michael Ende, mit dem ich mehr oder weniger groß geworden bin und den ich heute echt nicht mehr lesen kann, so sehr trieft das vor Moral imho)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Als erstes muss ich mal sagen, es kommt sehr darauf an, w i e eine Lektüre vermittelt wird- und da habe ich persönlich auch schon öfters festgestellt, dass meine eigene Persönlichkeit und mein Verhältnis zur Lektüre eine sehr große Rolle spielen. Wenn die Schüler merken, dass ich mich für etwas begeistern kann, macht ihnen die Lektüre auch mehr Spaß, auch wenn sie manchmal schon "verstaubt" sein mag. Man kann auch alte Klassiker gut aufpeppen. Und ganz ehrlich, ja, ich stimme zu, Goethe (zumindest "Faust" et al) ist nix für eine achte Klasse, aber er ist ein sehr wichtiger Teil der deutschen Literatur und die kann man nicht einfach als verstaubt ignorieren oder gar aufstöhnen, sobald man den Namen hört.
    Ich lese mit meiner achten gerade einen der Romane von Tommy Jaud, ist zwar sprachlich nicht sonderlich anspruchsvoll, aber man kann doch einiges herausarbeiten- und zwar, ohne dass die Schüler es als "zerpflücken" empfinden. Gern gelesen und nicht sehr lang (aber auch nicht superaktuell) sind "Die Outsiders" , meine Kollegin liest im Moment "Der Joker" (finde ich persönlich sehr empfehlenswert, hat aber über 400 Seiten), sind aber beides Romane. "Schweig, Bub" ist imho für Talinas Ansinnen wirklich am besten geeignet.
    Und auch ich rate dringend davon ab, sich bei den Schülern anbiedern zu wollen oder wie eine Schülerin neulich zu mir sagte: "Mir reichen meine eigenen Probleme, glauben Sie wirklich, ich habe Lust, dann noch die von anderen Jugendlichen durchzukauen?"

    "Ein Mann, der noch keinen Fehler begangen hat, hat noch nie etwas getan."
    Sir Robert Baden-Powell, Earl of Gilwell

  • Als Jugenddrama für Klasse 8 ist auch "Creeps" ganz gut geeignet.

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

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