Hattie - Überall Hattie! Zwei aktuelle Sendungen

  • inretessant ist auch, was hattie zu lehrpersonen sagt, die nicht vollen herzns dabei sind -sie sollten gehen.


    Genau das ist der Grund, warum ich meinte, dass Hattie interessante Ergebnisse präsentiert, dass die aber per se keine Antwort auf tatsächliche Probleme sind; der empirische Nachweis, dass offenbar die Motivation und die positive Grundhaltung von Lehrern ihrem Beruf gegenüber eine wichtige Rolle beim Lernerfolg der Schüler spielen, ist eine wichtige Erkenntnis, von der aus man weiterdenken muss, um Wege zu finden, wie man die Motivation von möglichst vielen Lehrern möglichst weit verbessert, um so mit Hilfe eines Parameters die Qualität des Systems Schule ein Stück zu erhöhen.


    Die auf dem Weg der intuitiven Reaktion entstandene Forderung "die Schlechten sollen eben weggehen" missversteht Hatties Ergebnis als Antwort per se, überspringt den Analyse- und Reflexionsprozess und kommt zu einer Schlussfolgerung, die ebenso inhaltsleer ist wie der bekannte heißluftgefüllte Sonntagsslogan "nur die besten an die Schule."


    Man muss das ganze mal durchdenken.


    Gleich voran, warum sollen diejenigen, die "nicht vollen Herzens dabei sind", den Beruf überhaupt aus eigenem Antrieb verlassen? Wenn sie Dienst nach Vorschrift machen, würden sie völlig zu Recht darauf hinweisen, dass sie ihren Teil des Vertragsverhältnisses erfüllen. Oder sollen sie sich aus einem festen, regulären Arbeitsverhältnis in wirtschaftlich schlechten Zeiten in eine materiell ungesicherte Zukunft begeben, bloß weil sie nicht anderer Leute Ideale erfüllen? Vor allem, wenn sie jenseits der 40 sind und wie die meisten Lehrer über außerhalb der Schule nur wenig gefragte Qualifikationen verfügen? Eventuell als Versorger einer Familie? "Sie sollten gehen" ist schon eine etwas seltsame Idee, die letztendlich wohl nur im Wertesystem etwas skurriler Idealisten Bestand hätte.


    Aber nehmen wir mal an, wir wollten die, die "nicht mit vollem Herzen dabei sind" gegen ihren Willen aus der Lehrertätigkeit kicken; da stellt sich sofort die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage das denn geschehen soll. Mit dem Beamtenrecht ist so eine Idee überhaupt nicht zu vereinbaren, nicht einmal beim größtmöglichen Lehrer-Vollhonk: Inkompetenz ist kein Dienstvergehen und selbst ein Dienstvergehen muss im erheblichen Maße strafrechtlich relevant sein, soll es zur Aufhebung des Beamtenstatus kommen. Nun, dieser Sachverhalt ist für die Stammtische regelmäßig ein Grund, in glühendem Zorn verbeamtete Lehrer zu verdammen, dabei übersehen sie allerdings normalerweise, dass die Tarifverträge für im öffentlichen Dienst Festangestellte ein hohes Maß an Arbeitsplatzsicherheit gewähren. Nach 15 Jahren Diensttätigkeit oder mit 40 Jahren Lebensalter wird auch der Angestellte unkündbar, was nur in außerordentlichen Fällen aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen umgangen werden könnte. Das würde aber einen Prozess vor dem Arbeitsgericht bedeuten, bei dem der Grund "er ist nicht ganzen Herzens bei der Arbeit" wohl kaum als hinreichender Kündigungsgrund erkannt würde.


    Aber nehmen wir einmal an, es gelänge uns die 50% Lehrer unterdurchschnittlicher Kompetenz - die 50% der Leser mit unterdurchschnittlichen mathematischen Kenntnissen mögen bitte über diese große Zahl nicht erschrecken, eventuell mitlesende Bildungspolitiker brauchen sich nicht angesprochen fühlen - wie gesagt, nehmen wir einmal an, es gelänge uns, alle Lehrer ohne "volles Herz" aus dem Dienst zu entfernen. Mhm. Was dann? Woher bekommen wir dann die "nur die Besten" an die Schulen um die fehlende Hälfte der Lehrer zu ersetzen? Selbst bei einem Überhang von arbeitssuchenden Anwärtern, von denen in den wichtigen Mangelfächern (also z.B. den MINT-Fächern) nicht wirklich viele Kandidaten auf dem Markt sind, wäre es schwierig, die plötzlich auftretenden großen Lücken zu schließen. Und selbst, wenn man rein quantitativ die Lücken in den Reihen schlösse, gäbe es keinerlei Gewissheit, dass man denn tatsächlich jeden Lehrer, der "nicht mit vollem Herzen dabei ist", durch einen rückhalt- und röcksächtslos dorchmotiviert loyalen Lehrer ersetzt. Wer will schon die tatsächliche, nachhaltige Kompetenz eines Junglehrers abschließend beurteilen? Oder noch weiter gefragt - wie würde es eigentlich um die Motivation des jungen Nachwuchses bestellt sein, wenn sie bestenfalls auf ein Arbeitsverhältnis nach dem Motto "Hire and Fire" hoffen dürfen. Wie sehr sind eigentlich Hamburger-Brater mit "vollem Herzen" bei ihrer Tätigkeit dabei?


    Realistisch betrachtet ist es im Lehrerberuf genau so wie in allen anderen Berufen. Will man Qualität verbessern, muss man das statistische Mittel verbessern. Erkennt man die Arbeitsmotivation - was, man höre und staune, in einigen hochqualifizierten Arbeitsfeldern der freien Wirtschaft im Gegensatz zum Schulsystem schon passiert ist! - als relevanten Faktor, dann muss man die Motivation des Durchschnittslehrer fördern, nicht den Elitelehrer fordern. Das ist genau der gleiche Fall wie mit Schülern - will ich eine verbesserte gesellschaftliche Kompetenz im intellektuellen Bereich, dann muss ich auf das Mittelmaß zielen und brauche weniger eine Eliteförderung. Zugegebenermaßen hört sich das bildungspolitisch und wahlkampfrelevant weniger beeindruckend an. Aber es ist zumindest sinnvoller als das Geschwätz von "nur die Besten an die Schule" oder "die Minderleister identifizieren und isolieren", wie es irgendwelche Redenschreiber der intellektuell insuffizienten Püppi, der letzen NRW-Bildungsministerin, in den Mund gelegt hatten.


    Summa summarum (oder "tl;dr") Hatties Erkenntnisse sind wichtig, müssen aber gründlich durchdacht (ist eine Korrelation zwischen gründlichem Denken und gründlicher Rechtschreibung herstellbar?) und in ihren Konsequenzen in das bestehende System samt seiner Implikationen eingearbeitet werden.


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • @neleabels
    Eine Sache fehlt aus meiner Sicht noch: Was muss die Lehrerausbildung dazu leisten?


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat neleabels :

    Zitat

    Aber nehmen wir mal an, wir wollten die, die "nicht mit vollem Herzen dabei sind" gegen ihren Willen aus der Lehrertätigkeit kicken

    Ich finde das bei Diskusionen, in denen es um Schule/Pädagogik geht, die Erwartungsfloskel mit dem vollen Herzen immer sehr problematisch. Wird es beispielsweise vom Finanzbeamten, Zahnarzt, Rechtsanwalt, Polizisten, Piloten, Bundeswehrsoldat etc. erwartet, dass er in seinem Job mit vollem Herzen dabei ist ?


    Die gängige mit dem vollen Herzen-Attitüde in unserem Beruf zieht leider sehr viele pädagogische Sektierer und Weltverbesserer an, die in den verschiedenen Kollegien moralingesäuert versuchen, einen Psychodruck auf die normalen Menschen/Kollegen auszuüben, so dass die Letzteren nur noch entnervt sind.


    Höflich, korrekt und in gesunder Weise engagiert unseren Dienst zu versehen, halte ich eher als mit dem vollen Herzen geboten.


    Zugegebenermaßen gibt es Kollegen/Kolleginnen bei denen über Jahrzehnte auch das gesunde Engagement nachgelassen hat, weil die Rahmenbedingungen in den Schulen miserabel sind und ihre Arbeit nicht so richtig wertgeschätzt wurde und wird und daher resignieren und verzweifeln.


    Auch als Nicht-Fußballfan bin ich nicht generell gegen das große Kicken, nur müsste nochmal sorgfältig überdacht und geprüft werden, ob es wirklich die Lehrer sein sollten, die zu kicken wären. Was ist eigentlich mit den über den Schulen übergeordneten Institutionen/Persönlichkeiten, die die Schulen mit vollem Herzen nur als Kostenfaktor betrachten und für die miserablen Rahmenbedinungen an den Schulen verantwortlich sind, die jeden Lehrer verzweifeln lassen ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • "Was soll die Lehrerausbildung leisten?"


    Tja, ein Patentrezept habe ich natürlich nicht. Wer hat das schon? Entscheidend wichtig ist meiner Meinung nach, dass die Lehrerausbildung einen authentischen Einblick in das ganze Tätigkeits- und Kompetenzspektrum des Lehrerberufes gibt. Ein Lehramtsstudent muss schon in einer sehr frühen Phase der Ausbildung ganz genau und vor allem völlig realistisch einschätzen können, was an Belastungen und Anforderungen auf ihn zukommt. Bei jungen Leuten, die schon im ersten Semester davon reden, dass das schon "immer ihr Traumberuf gewesen sei", klingeln bei mir die Alarmglocken. Die Idee mit den Praktika zu Beginn des Studiums ist schon nicht schlecht - aber reicht das aus?


    Motivation bei Lehramtskandidaten im Studium anzuerziehen, wird sicherlich nicht funktionieren. Motivation kann nur in einer tatsächlichen, befriedigenden Berufstätigkeit wachsen. Eine Härteauslese, um alle ungeeigneten Bewerber herauszufiltern, wird auch nicht funktionieren; die Dienstherren werden einen Teufel tun, den Lehramtsabsolventen- und damit den Referendarsmarkt unter den Nachwuchsbedarf schrumpfen zu lassen, denn dann müsste man ja jeden nehmen, um die Lücken zu schließen, und würde sich eines sehr wichtigen Auswahlinstrumentes bei Bewerbern berauben, die schon zumindest eine qualitativ einschätzbare Demonstration ihrer Kompetenz abgeleistet haben. Angebot und Nachfrage...


    All diese Ideen von "nur die Besten an die Schule holen" oder "nur die geeigneten ins Studium zulassen" schaffen letztlich sehr viel mehr Probleme als sie tatsächlich lösen würden. Was ich glaube ist, dass den werdenden Junglehrern in ihrer Ausbildung ganz praktische Instrumente an die Hand gegeben werden müssen, um ihnen konkrete Hilfen zu geben, die bekannten Schwierigkeiten in den Griff zu kriegen, die Berufsanfänger unter Stress setzen und ihre Motivation und Berufszufriedenheit gefährden: Arbeits- und Zeitökonomie, ein Gefühl für das richtige Maß an Perfektion, Verwaltungs- und Rechtswissen, Techniken zur Bewältigung und Hierarchisierung paralleler Aufgabenlasten, Gesprächstechniken für zwischenmenschlich problematische Situationen, die Kompetenz "nein" zu sagen etc. pp.


    Andererseits bin ich, wie diejenigen, die mich kennen, genau wissen, ein sehr entschiedener Vertreter der Bedeutung von Fachwissen. Ich halte es für völlig unverzichtbar, dass ein Lehrer der Sek I und vor allem der Sek II über tiefe, wenn nicht gar akademische fachwissenschaftliche Kompetenz verfügt. Eine Abschiebung der Lehrerausbildung an eine fachhochschulgleiche pädagogische Hochschule oder so hielte ich für einen fatalen Fehlweg.


    Wie soll man das unter einen Hut kriegen? Ich habe nicht die geringste Ahnung. Was ich weiß ist, dass die einfachen Antworten aus dem Bauch heraus nur gegen die Wand führen. (Zumindest in ernsthaften, fachlich fundierten Diskussionen, ich rede nicht von bildungspolitischen Debatten.)


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Zitat neleabels :

    Zitat

    Bei jungen Leuten, die schon im ersten Semester davon reden, dass das schon "immer ihr Traumberuf gewesen sei", klingeln bei mir die Alarmglocken.

    Dann hast Du eine vernünftige Einstellung ! Bei uns im Referendariat musste man den Fachleitern und Seminarleiter vorheucheln, dass man schon als 5-Jähriger davon geträumt hat, Lehrer zu werden. Sonst wurde man schon schief angesehen. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • a.) Möglichst früh an die Schule, damit eben nicht der Staat auslesen muss, sondern die Lehramtsstudierenden selbst die Möglichkeit haben, herauszufinden, ob es der "Traumjob" ist oder nicht. Ich denke, dass viele, die für den Job nicht geeignet sind, nach dem Ref. mangels Alternativen in dem Job "hängen bleiben".
    b.) Ein größerer Schwerpunkt bzgl. pädagogischer und didaktischer Themen im Studium ist m. E. unumgänglich, auch wenn ich - wie Nele - der Meinung bin, dass ein fundiertes Fachwissen gerade für den Unterricht in der Oberstufe enorm wichtig ist. Statt einfach nur mehr Didaktkurse anzubieten, sollte v.a. darauf geachtet werden, dass die diaktischen und pädagogischen Themen von Relevanz für den Unterricht sind (das war bei mir im Studium z. B. nicht immer so).
    c.) Es sollte schlicht und einfach auch nicht jeder Studien- bzw. Seminarleiter werden können. Nur die "besten der besten" Lehrer sollten andere Lehrer ausbilden dürfen. Hier sollte mal ausgelesen werden.
    d.) Die Lehrerausbildung - insbesonder das Referendariat - sollte die angehenden LehrerInnen motivieren und nicht abschrecken. Natürlich ist das Ref. kein Zuckerschlecken und muss es auch nicht sein. Ich persönlich - und da würden mir glaube ich viele Referendare zustimmen - erlebe das Ref. als einseitig auf extrinsische Motivation ausgerichtet (es geht darum, gute Note zu machen, einen guten Eindruck beim Schulleiter und des Studienleitern zu hinterlassen und in letzter Linie darum diese Zeit "irgendwie zu überstehen" - Letztes höre ich unglaublich oft von Mitreferendaren sowie älteren KollegInnen). Ich finde das auf Dauer frustrierend. Darüber hinaus sollte es nicht immer nur um realitätsferne Traumstunden gehen sondern auch um den Lehreralltag. Ich weiß, vielen Studienleitern tue ich damit unrecht - wo wir wieder bei Punkt c.) wären...
    e) Bessere Arbeitsbedingungen und weniger Stunden. In Dänemark zum Beispiel unterrichtet ein Gymnasiallehrer bei meiner Fächerkombination ca. 15 Stunden für eine volle Stelle!!)
    Gruß,
    Sofie

  • Bei uns im Referendariat musste man den Fachleitern und Seminarleiter vorheucheln, dass man schon als 5-Jähriger davon geträumt hat, Lehrer zu werden. Sonst wurde man schon schief angesehen. 8_o_)

    Das kenne ich nur zu gut!! Wie ich es hasse, immer nur so zu tun, als wären alle Kinder hochbegabt und würden meinen Unterricht lieben, als würde ich jede Stunde ein Feuer entfachen und als würde es keine Tage geben, an denen ich den Job an den Nageln resp. eins der Kinder am liebsten aus dem Fenster werfen würde :D - Nein, natürlich würde ich das nicht tun! Aber ich finde es wichtig, solche Gefühle auch mal als Ref. äußern zu dürfen.

  • Wenn ich es richtig weiß, verdient ein Lehrer in Dänemarl aber auch locker 25 % weniger für eine volle Stelle, bei Lebenshaltungskosten, die ca. 25 % über denen in Deutschland liegen.

    Sek II - Lehrer verdienen recht gut in DK, ich kann dir aber keine Zahlen nennen. Evt. etwas weniger als in Deutschland. Aber 25 % ist sowohl was Lebenshaltungskosten als auch was Gehalt anbelangt zu hoch gegriffen. Darüber hinaus zahlen Sie z.B. keine Krankenkassen. Referendare verdienen ungefähr das Dreifache von deutschen Referendaren übrigens. Aber gut, das soll hier jetzt nicht Thema sein...

  • Wenn ich es richtig weiß, verdient ein Lehrer in Dänemarl aber auch locker 25 % weniger für eine volle Stelle, bei Lebenshaltungskosten, die ca. 25 % über denen in Deutschland liegen.


    kl. gr. frosch


    Wo hast du denn diese Fehlinformation her? Das sieht hier ganz anders aus:
    [Blockierte Grafik: http://www.lehrerfreund.de/med…rgehaelter_eu_absolut.png]
    http://www.lehrerfreund.de/sch…ter-europa-vergleich/4008


    Ich sehe da einen GehaltsVORSPRUNG der dänischen Kollegen von bis zu 33% (Sek II).


    Wenn selbst Kollegen die Fehlinformationen aus den üblichen Mainstream-Medien und deren vorgeschalteter Propaganda-Insititute (Bertelsmann Stifitung und Co.) unreflektiert übernehmen, sehe ich für unseren Beruf wirklich schwarz...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Na, dann auf nach DK ;)
    Aber im Ernst: Der Anspruch an Lehrer ist in DEutschland so hoch wie in keinem anderen Land. In den USA zum Beispiel brauche ich als Highschool-Lehrer gar keine Ausbildung!! Das Referendariat in ganz Skandinavien ist ein Witz im Gegensatz zu dem in Deutschland. In vielen osteuropäischen Ländern gibt es gar kein Referendariat.


    Nebenbei bemerkt bezieht sich die Hattie-Studie größtenteils auf amerikanische Studien und nicht auf deutsche. Ich finde daher den Anspruch an Lehrer, der teilweise aus der Hattie-Studie abgeleitet wird, extrem zweifelhaft.

  • Andererseits bin ich, wie diejenigen, die mich kennen, genau wissen, ein sehr entschiedener Vertreter der Bedeutung von Fachwissen. Ich halte es für völlig unverzichtbar, dass ein Lehrer der Sek I und vor allem der Sek II über tiefe, wenn nicht gar akademische fachwissenschaftliche Kompetenz verfügt. Eine Abschiebung der Lehrerausbildung an eine fachhochschulgleiche pädagogische Hochschule oder so hielte ich für einen fatalen Fehlweg.


    Oh, jetzt bin ich mal böse, auch wenn es evtl. leicht OT wird. Welche Kriterien für Wissenschaftlichkeit gibt es denn und welche davon werden an Fachhochschulen nicht erfüllt?
    Bitte nicht falsch verstehen, selbstverständlich braucht ein Lehrer solides Fachwissen.


    In vielen osteuropäischen Ländern gibt es gar kein Referendariat.


    Ich weiß nicht, wie die Lehrerausbildung dort aussieht, schon gar nicht in DEN osteuropäischen Ländern. Aber ich hatte mal mit Schülern aus Russland zu tun, deren Familien hieher übergesiedelt hatten, und die dort bereits eine allgemeine Hochschulreife absolviert hatten. Die mußten dann hier ein deutsches Abitur nachholen, weil deren Hochschulreife hier nicht anerkannt wurde. Diese Schüler waren sehr leistungsstark (nach unseren Maßstäben) und haben die Zeit im Prinzip nur abgesessen.
    Insofern kann die Schulausbildung (und damit auch die Lehrer) in Russland nicht so schlecht sein.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Oh, jetzt bin ich mal böse, auch wenn es evtl. leicht OT wird. Welche Kriterien für Wissenschaftlichkeit gibt es denn und welche davon werden an Fachhochschulen nicht erfüllt?
    Bitte nicht falsch verstehen, selbstverständlich braucht ein Lehrer solides Fachwissen.


    Ich habe mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt und wollte überhaupt nicht despektierlich gegenüber Fachhochschulen sein. Was ich meine, ist, dass es falsch ist, Lehrer an eine weiterführende Schule mit pädagogischer Zielsetzung zu schicken, an der die jeweiligen Fachinhalte nicht mehr als gegenüber dem Abitur noch etwas weiter vertiefte Allgemeinbildung darstellen. Irgendwie muss man es hinkriegen, dass Junglehrer in ihrer Ausbildung schon tatsächlich wissenschaftliche Kenntnisse in ihren Fächern gewinnen und trotzdem so viel wie möglich in praktische und handwerkliche Kompetenzen einsteigen.


    Ich habe keine Ahnung, wie man das hinkriegen könnte...


    Nele

  • Hattie hat hier eine ziemlich mächtige, komplexe Analyse vorgelegt; im permanent kochenden Bildungsstreit in Deutschland versuchen natürlich alle Lager, diese Studie für sich zu nutzen. Um beurteilen zu können, wer Recht hat (vermutlich keiner von beiden), wäre es schön, die Studie auf Deutsch lesen zu können. Weiß zufällig jemand ob und ggf. wann "Visible Learning" in deutscher Sprache erscheint?

    • Offizieller Beitrag

    Laut amazon kann man sie ab Mai bestellen [Anzeige], die englische Variante liest sich aber auch recht zügig - das Englisch ist nicht sehr verquast, also auch für Nichtanglisten machbar. Bin zwar est bei 3/4 - muss ab schonmal vorwarnen: wer darin die Erleuchtung erwartet, wird enttäuscht. Es begrenzt sich doch auf wenige Klasssenstufen und Fächer, vieles ist nicht übertragbar und anderes sind Binsenweisheiten, die jeder halbwegs talentierte Lehrer ohnehin berücksichtigt, rein intuitiv. Wenn jetzt nicht auf den letzten Seiten noch die Überraschung kommt, ist man nach dem Lesen des Buches in etwa so schlau wie vorher.


    Zum Beispiel kommt er zu dem Ergebnis, dass offener Unterricht, Binendifferenzierung (also die Säue, die in Deutschland als heilihge Kühe durchs Dorf getrieben werden) nicht helfen und nicht schaden - also kann das offensichtich jeder Lehrer halten, wie er mag und wie es auf ihn und seine Klassen passt.


    Was in der Tat immerhin ein bisschen hilft sind reduzierte Klassengrößen und individualisiertes Lernen, finanzielle Ausstattung und Inklusion (hier fängt es an mit der Übertragbarkeit: was er wohl nicht meint, ist Inklusion wie derzeit in Deutschland!) , externe und interne Angebote für Leistungssarke, induktives Lernen und regelmäßige Tests, entdeckendes Lernen aber auch teching to the test und "summer schools" (Übertragbarkeit für Deutschland?) usw - also durchaus viele Faktoren, die man oft im Widerspruch zueinander sieht, wenn man dogmatisch denkt. Was man tunlichst lassen sollte: das ist, wie ich finde, die wichtigste Erkenntnis aus der Studie: die heiligen Kühe könnte man mal schlachten.


    Unter den Faktoren, die stärker helfen, sieht er sowohl kooperatives Lernen, peer-learning, Kleingruppenlernen und auch direkte Instruktion (in den deutschen Medien mit Frontalunterricht übersetzt), classroom management und auch frühkindliche Förderung, vorschulische Maßnahmen und einen hohen Glauben der Schüler an sich selbst und das Lernen.


    Was sehr hilft ist laut Hattie frühe Leseförderung, micro-teaching (LdL), gutes Feedback, Klarheit in der Instruktionn und den Strukturen, Förderung metakognitiver Strategien und ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis.


    Deutsche Medien haben das mit der Summenformel "mehr Frontaluntericht" völlig verzerrt und komplett falsch übersetzt - davon ist eher nix in der Studie zu finden, außer, dass direkt instruction einer der vielen Faktoren (und da bei weitem nicht der Wichtigste!) ist, der - in etwas (!) höhrerem Maße gut (!) angewandt und in andere Methoden / Verfahrensweisen eingebettet - einen Beitrag leisten kann. Genau wie mehr Kleingruppenarbeit (gut angeleitet), Lernen-durch-Lehren, etc.


    In der Summe ist das nicht wirklich etwas Neues. Man hat alle diese Faktoren schon diskutiert... und ich kenne keinen (guten) Kollegen, der nicht schon immer fand, dass klare Struktren, gutes Lehrer/Schüler-Verhältnis, Transparenz und gutes Feedback sowie das Training diverser Strategien und Methoden Teil eines gelingenden Unterrichts sind.


    Die Umsetzung war schon immer schwierig und komplex. Ist halt kein einfacher Job. Und wird dem einen leichter und dem anderen schwerer fallen.
    Und ich sehe auch nicht wie das die Lehrerbildung ändern kann (wenn ich auch schon sehe, dass man da immerhin in die richtigere Richtung gehen könnte) - wie Nele schon richtig schrieb, gibt es ganz lebenspraktische Umstände, und auch bildungspolitische Faktoren (das wurde bei Hatte nicht untersucht), die mindestens genauso zu berücksichtigen sind, will man nicht in irgendeinem Wolkenkuckucksheim herumoperieren.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    4 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • zu Hatties Ergebnissen


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  • Ich habe mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt und wollte überhaupt nicht despektierlich gegenüber Fachhochschulen sein. Was ich meine, ist, dass es falsch ist, Lehrer an eine weiterführende Schule mit pädagogischer Zielsetzung zu schicken, an der die jeweiligen Fachinhalte nicht mehr als gegenüber dem Abitur noch etwas weiter vertiefte Allgemeinbildung darstellen. Irgendwie muss man es hinkriegen, dass Junglehrer in ihrer Ausbildung schon tatsächlich wissenschaftliche Kenntnisse in ihren Fächern gewinnen und trotzdem so viel wie möglich in praktische und handwerkliche Kompetenzen einsteigen.


    Ah, ok, volle Übereinstimmung. :)

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

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