Zusammensetzung einer Zeugnisnote

  • Hallo :)


    Ich bin zurzeit noch im Master of Education und dachte, mit meiner Frage bin ich hier genau richtig ;) Momentan schreibe ich an einer Hausarbeit zum Thema Leistungsbewertung mithilfe des Portfolio und würde gerne wissen, wie eine Zeugnisnote prozentual aufgebaut ist - also zu welchen Teilen zählt die schriftliche Leistung, zu welchen die mündliche? Und ist dem Lehrer freigestellt, wie viele "mündliche Mitarbeiten" er in einem Schuljahr so anfertigen lässt und benoten kann? Ich will darauf hinaus, dass viele kleine Gelegenheiten für die Schüler, Lernfortschritte zu machen und zu beweisen, bessere Möglichkeiten bieten könnten, einem Schüler eine gerechte Note zu geben, als wenn er nur 3 Klassenarbeiten schreibt und unter mündliche Mitarbeit NUR das Melden fallen würde.


    Danke schonmal und noch einen schönen Abend!


    Der Panda

  • Wie zu deiner eigenen Schulzeit vermutlich auch schon immer:
    Hauptfach: 50% schriftliche Leistungen + 50 % sonstige Leistungen
    In die sonstigen Leistungen fällt alles das rein, was der Lehrer den Schülern zu Beginn eines Schuljahres sagt (Mitarbeit im Unterricht, regelmäßiges Anfertigen von Hausaufgaben, Einreichen von Hausaufgaben/Aufsätzen, Mappen-/Heftführung, Referate, Vokabeltests, Diktate, ...)
    Noten dürfen an sich nicht ausgerechnet werden. Trotzdem haben viele Fachbereiche einen Konsens über die prozentuale Zusammensetzung der "sonstigen Leistungen". Ich rechne sie auch erst aus und schaue anschließend mit dem pädagogischen Auge noch einmal drauf.

  • Wobei es auch bei der Regelung "Hauptfach: 50:50" genug Gegenbeispiele gibt. Je nach "Wichtigkeit" der sonstigen Mitarbeit kann diese einen Anteil bis zu 100% erhalten (das findet man etwa in Kunst in den unteren Jahrgängen - vielleicht bis einschließlich Klasse 9). Andere Beispiele: Jahrgänge, in denen ein Praktikumsbericht (in Politik oder Deutsch) angefertigt wird - der erhält durch entsprechende Gewichtung ein ebensolches Gewicht wie eine Klassenarbeit. Oder die Portfolio-Arbeit... das Ergebnis kann ebenso viel zählen wie eine Klassenarbeit (aber eben entsprechend in der sonstigen Mitarbeit gewichtet, dafür vielleicht insgesamt eine geringere Prozentzahl für die Klassenarbeiten).
    Ein Problem bei der Portfolio-Arbeit (und bei Praktikumsberichten, Referaten, ...): Der Anteil der Elternarbeit und anderer Ghostwriter ist teils erschreckend hoch - in manchen Klassen findet man kaum eine eigenständige Leistung. Damit erreichen die SuS schlechtere Noten als sie in einer vergleichbaren Klassenarbeit erreicht hätten.


    Zur sonstigen Mitarbeit: Was da alles hineinzählen kann, wird in den jeweiligen Schulgesetzen, ergänzt durch die Fachcurricula, (nicht abschließend) aufgezählt. Recherchier einfach mal (d)ein Bundesland...
    Zur Anzahl der Klassenarbeiten: Das sind ja nach Fach & Schulform & Klassenstufe & Bundesland bis zu doppelt so viele (im Vergleich zu deiner Anfrage). Auch da hilft Recherche (oder Fragen im Forum ;-) ), um belastbare Zahlen und nicht nur Vermutungen zu haben...


    Viele Schulen veröffentlichen übrigens ihre Bewertungsrichtlinien auf ihren Internetseiten... da ließe sich bestimmt ein Beispiel finden...

  • In Berlin z.B. nicht mehr 50:50, weil es drei Notenbestandteile gibt, mündlich, schriftlich und sonstige Noten. Die genaue Gewichtung legt die Fachkonferenz fest. Oft ist es 50:30:20.
    Und hier wird ganz genau gerechnet, bei Klagen wird z.T. bis auf die dritte Stelle hinter dem Komma berechnet!

  • Momentan schreibe ich an einer Hausarbeit zum Thema Leistungsbewertung mithilfe des Portfolio und würde gerne wissen, wie eine Zeugnisnote prozentual aufgebaut ist - also zu welchen Teilen zählt die schriftliche Leistung, zu welchen die mündliche? Und ist dem Lehrer freigestellt, wie viele "mündliche Mitarbeiten" er in einem Schuljahr so anfertigen lässt und benoten kann?


    Die Grundsätze der Leistungsbewertung in NRW bestimmt das das Schulgesetz unter §48:

    Zitat

    (1) Die Leistungsbewertung soll über den Stand des Lernprozesses der Schülerin oder des Schülers Aufschluss geben; sie soll auch Grundlage für die weitere Förderung der Schülerin oder des Schülers sein. Die Leistungen werden durch Noten bewertet. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen können vorsehen, dass schriftliche Aussagen an die Stelle von Notentreten oder diese ergänzen.
    (2) Die Leistungsbewertung bezieht sich auf die im Unterricht vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Grundlage der Leistungsbewertung sind alle von der Schülerin oder dem Schüler im Beurteilungsbereich „Schriftliche Arbeiten“ und im Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen im Unterricht“ erbrachten Leistungen. Beide Beurteilungsbereiche sowie die Ergebnisse zentraler Lernstandserhebungen werden bei der Leistungsbewertung angemessen berücksichtigt


    Weitere Grundsätze geben die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen vor. In diesem Zusammenhang interessant ist vielleicht folgendes Zitat aus dem §17 der APO-WBK:

    Zitat

    (1) Die Leistungsbewertung richtet sich nach § 48 SchulG. Den Notenstufen gemäß § 48 Abs. 3 SchulG wird gegebenenfalls die Notentendenz beigefügt.
    (2) Für die Studierenden ist für jeden Kurs eine Kursabschlussnote zu ermitteln. Sie ergibt sich in einem Kurs mit schriftlichen Arbeiten (Klausuren)
    aus den Leistungen im Beurteilungsbereich „Klausuren“ (§ 18 ) und den Leistungen im Beurteilungsbereich „Sonstige Mitarbeit“ (§ 19). Die Kursabschlussnote wird gleichwertig aus den Endnoten beider Beurteilungsbereiche gebildet. Bei Kursen ohne Klausuren ist die Endnote im Beurteilungsbereich „Sonstige Mitarbeit“ die Kursabschlussnote. Eine rechnerische Bildung der Kursabschlussnote ist unzulässig


    Zitat

    Ich will darauf hinaus, dass viele kleine Gelegenheiten für die Schüler, Lernfortschritte zu machen und zu beweisen, bessere Möglichkeiten bieten könnten, einem Schüler eine gerechte Note zu geben, als wenn er nur 3 Klassenarbeiten schreibt und unter mündliche Mitarbeit NUR das Melden fallen würde.


    Naja, diese Erkenntnis ist ja eigentlich ziemlich trivial... :)


    Nele

  • Zitat von Der Panda:


    Ich will darauf hinaus, dass viele kleine Gelegenheiten für die Schüler, Lernfortschritte zu machen und zu beweisen, bessere Möglichkeiten bieten könnten, einem Schüler eine gerechte Note zu geben, als wenn er nur 3 Klassenarbeiten schreibt und unter mündliche Mitarbeit NUR das Melden fallen würde.


    Naja, diese Erkenntnis ist ja eigentlich ziemlich trivial... :)

    Sehe ich auch so.
    Spannender finde ich die Erkenntnis, dass sich im Zuge der Klage- und Beschwerdewut mancher Eltern die Einstellung vieler Lehrkräfte diesbezüglich wandelt (zumindest in meinem Umfeld zu beobachten). Je weniger Noten gemacht werden, umso weniger Noten muss man im Zweifel vor dem Verwaltungsgericht genau darlegen und begründen können. Man könnte es also reduzieren auf die Formel: Viele Noten = viel Angriffsfläche, wenig Noten = wenig Angriffsfläche. Mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie Einzelfälle der Mehrheit einen Bärendienst erweisen....


    Das ist natürlich besonders dann entscheidend, wenn man in einem Bundesland (wie in Bayern) unterrichtet, in dem die Noten auf zwei Stellen hinter dem Komma ausgerechnet werden müssen (Quelle siehe §60 GSO Bayern) . Und jede Einzelnote im mündlichen Bereich mit Datum notiert werden muss. (Die Datumsangaben der schriftlichen Noten werden ja sowieso auf dem Dokument festgehalten.)
    Wir hatten mal vor ein paar Jahren den Fall, dass ein Schüler, der zum zweiten Mal die gleiche Klassenstufe nicht bestanden hatte, behauptete, dass alle mündlichen Noten "erfunden und ungerecht" wären (mit Klage vor dem Verwaltungsgericht), weil sie angeblich an Tagen erhoben worden seien, an denen er krankheitsbedingt im Unterricht gefehlt habe. Komischerweise war auch das Klassentagebuch der Klasse nicht mehr aufzufinden. Nur die Tatsache, dass sich ein Kernfachkollege immer selbst für die eigenen Unterlagen notiert hatte, wer im Unterricht abwesend war, ließ die ganze Sache dann so ausgehen, dass die betreffenden Kollegen keinen Rüffel wegen angeblich erfundener Noten bekommen haben....

  • Man könnte es also reduzieren auf die Formel: Viele Noten = viel Angriffsfläche, wenig Noten = wenig Angriffsfläche. Mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie Einzelfälle der Mehrheit einen Bärendienst erweisen....


    Das habe ich bisher anders erlebt. Wenn mich Eltern oder Schüler gefragt haben, wieso ich denn auf die schlechtere Note gekommen bin, wo doch der Schüler in der letzten Woche soooo gut mitgearbeitet hat, schlage ich mein Buch auf und zeige ihnen dann meine 20 bis dahin festgestellten Noten. Das hat sie bisher immer überzeugt. Vor allem kann ich darin berücksichtigen, dass die letzte Woche zwar gut, der Rest aber dennoch murks war.


    À+

  • ...Noten dürfen an sich nicht ausgerechnet werden. Trotzdem haben viele Fachbereiche einen Konsens über die prozentuale Zusammensetzung der "sonstigen Leistungen". Ich rechne sie auch erst aus und schaue anschließend mit dem pädagogischen Auge noch einmal drauf.


    Interessant, dass Noten nicht ausgerechnet werden dürfen. Was genau ist mit dem pädagogischen Auge gemeint? Und ist das noch aktuell?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Die niedersächsische Landesschulbehörde sagt aktuell dazu:


    "Je nach Unterrichtsfach und Jahrgang werden die einzelnen Bewertungen für schriftliche, mündliche oder sonstige fachspezifische Leistungen in unterschiedlichen Gewichtungen zu einer Gesamtnote pädagogisch zusammengefasst. Die einzelnen Gewichtungen werden von der jeweiligen Fachkonferenz einer jeden Schule festgelegt. Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass nach diesen Anteilen keine einfache Berechnung erfolgt, sondern dass vielmehr unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände eine umfassende Gesamtnote von der Fachlehrkraft festgesetzt wird."


    In den neuen Keicurricula ist die Gewichtung der Leistungsbereiche für die Zeugnisnote relativ deutlich beschrieben und die Fachkonferenzen sollen Genaueres regeln. Ein "pädagogisches Auge" wird trotzdem im obigen Zitat eingefordert.
    Damit kann zum Beispiel gemeint sein, dass bei einem unklaren Notenbild bestimmte Einzelnoten stärker oder weniger stark berücksichtigt werden. Z.B. schreibt ein Kind normalerweise durchgängig gute Mathearbeiten und verhaut dann mal eine nach längerer Krankheit. Oder ein Kind führt seine Mappe nicht gut und verarbeitet Unterrichtsdokumentationen zu Schmierpapier, liefert aber später eine wunderhübsch von Muttern gestaltete Mappe ab.

  • Auf dem Bildungsserver von Sachsen-Anhalt habe ich unter
    "Leistungsbewertung und Beurteilung an allgemeinbildenden Schulen und Schulen des Zweiten Bildungsweges der Sekundarstufen I und II"
    gefunden:


    "8.1 Zur Bildung der Zeugnisnoten werden alle Noten eines Faches unter Berücksichtigung der jeweiligen Notentendenz sowie der Leistungsentwicklung im Verlaufe des Schuljahres und der Schwerpunkte der Leistungsfeststellung zu einer Note zusammengefasst."


    Da ist zwar nicht ganz so deutlich von pädagogisch begründeter Notenvergabe die Rede, aber die Wörter "Notentendenz" und "Leistungsentwicklung" deuten doch zumindest etwas Spielraum an.

  • Ich werde nicht müde zu betonen, dass Noten ordinal skalierte Daten sind, auf denen sich eine Mittelwertbildung im Sinne eines arithmetischen Mittels von vorneherein verbietet. Das scheinen viele Lehrkräfte nach wie vor nicht zu wissen. Die Abbildung von Noten auf Ziffern erzeugt letztlich das falsche Verständnis, dass man mit diesen rechnen könnte. Besser wäre die Codierung über Buchstaben oder noch besser die Arbeit mit der eigentlichen Wortbedeutung der Noten im Sinne von z.B. "ungenügend <-> erhebliche Mängel, die in absehbarer Zeit nicht behebbar sind" usw.

  • noch besser die Arbeit mit der eigentlichen Wortbedeutung der Noten im Sinne von z.B. "ungenügend <-> erhebliche Mängel, die in absehbarer Zeit nicht behebbar sind" usw.

    Und solche Mängel mitteln sich nicht 'raus. Wenn die sich schriftlich offenbaren, können die ja nicht in der Gesamtnote nicht mehr deutlich werden.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Interessant, dass Noten nicht ausgerechnet werden dürfen. Was genau ist mit dem pädagogischen Auge gemeint? Und ist das noch aktuell?

    Guckstu jeweiliges Schulrecht, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, ministerielle Erlasse und Erlasse der oberen Schulaufsicht.

  • Danke all jenen, die es ein bisschen erläutert haben, wie es bei ihnen ist und wie das mit dem pädagogischen Auge zu verstehen ist. Ich kenne es auch so, dass viele Lehrer die Zeugnisnote vor allem ausrechnen und dann maximal bei ,5 darüber reden, ob man auf- oder abrunden müsste.


    Ich finde es ausgesprochen sympathisch, dass ich auch ein pädagogisches Auge bei der Ermittlung der Zeugnisnote haben darf, also z.B. einen "Ausrutscher" ignorieren, eine Tendenz berücksichtigen oder auch pädagogisch motivierend (zum Guten) bestimmen darf. Mir ist nur nicht ganz klar, wie weit das gehen darf angesichts all der Festlegungen von Fachschaften und Gesamtkonferenzen und Schulbehörden, die sagen 40:60 oder je 25% oder Klassenarbeit doppelwertig usw.-usf.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Mir ist nur nicht ganz klar, wie weit das gehen darf angesichts all der Festlegungen von Fachschaften und Gesamtkonferenzen und Schulbehörden, die sagen 40:60 oder je 25% oder Klassenarbeit doppelwertig usw.-usf.

    Konferenzen dürfen nichts beschließen, was gegen Gesetze oder Verordnungen verstößt. Heißt, du hältst sich zwar an den Beschluss soweit möglich, hast dann aber trotzdem noch den pädagogischen Spielraum. Je mehr du dann von den errechneten Noten abweicht, desto besser musst du die Abweichung begründen können, aber das sollte eh selbstverständlich sein. Sowas wie "ab Komma fünf wird aufgerundet" ignoriere ich bspw. regelmäßig, das nimmt einem nämlich den Spielraum komplett.

  • Konferenzen dürfen nichts beschließen, was gegen Gesetze oder Verordnungen verstößt. Heißt, du hältst sich zwar an den Beschluss soweit möglich, hast dann aber trotzdem noch den pädagogischen Spielraum. Je mehr du dann von den errechneten Noten abweicht, desto besser musst du die Abweichung begründen können, aber das sollte eh selbstverständlich sein. Sowas wie "ab Komma fünf wird aufgerundet" ignoriere ich bspw. regelmäßig, das nimmt einem nämlich den Spielraum komplett.


    Ja, mir wurde schon gesagt, dass man ab ,5 aufrunden müsse. Ich glaube, die Fachschaft hatte das beschlossen. Dabei gibt es ein Gerichtsurteil, dass man das nicht müsse, dass man auch bei ,3 oder ,4 die schlechtere und bei ,6 oder,7 die bessere Note geben dürfen, wenn man es begründen kann, z.B. mit der Gesamtentwicklung im Schuljahr (Verbesserungen bzw. Verschlechterungen zum Schuljahresende hin).


    (Aber bei Gerichtsurteilen ist ja immer auch wichtig, für wen das gilt, z.B. in welchem Bundesland.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • besser die Arbeit mit der eigentlichen Wortbedeutung der Noten im Sinne von z.B. "ungenügend <-> erhebliche Mängel, die in absehbarer Zeit nicht behebbar sind

    Genau! Auf diese Wortbedeutung würde ich mich im Zweifelsfall auch berufen.
    Vielleicht wäre eine erneute Diskussion in eurer Fachschaft sinnvoll, mh?

  • Genau! Auf diese Wortbedeutung würde ich mich im Zweifelsfall auch berufen.Vielleicht wäre eine erneute Diskussion in eurer Fachschaft sinnvoll, mh?


    Ist es nicht aber so, dass unsere 1-en meistens eigentlich 2-en entsprechen - gemäß Worturteil "den Anforderungen voll entsprechend" ? (Ich gehe immer mehr dazu über, das Worturteil ernstzunehmen.)

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

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