Angst vor Schülern als Hauptschullehrer

  • Hallo,


    ich habe vor, Lehramt Haupt- und Realschule zu studieren.
    Mir macht der Lehrerberuf auch Spaß, genauso wie die Fächer, die ich wählen will.


    Was mir allerdings ein wenig Kopfzerbrechen bereitet, ist das Gewaltpotenzial der Schüler an Hauptschulen.


    Ich werde aus persönlichen Gründen auf jeden Fall in einer Großstadt unterrichten wollen. Allerdings haben dort die Hauptschüler bekanntlich einen stärkeren Hang zur Gewalt.
    Natürlich habe ich auch schon an Hauptschulen in Berlin hospitiert, und ich muss sagen, dass ich schon ein latentes Drohpotenzial seitens der Schüler wahrgenommen habe.
    Für mich stellt sich jetzt die Frage, ob so ein Empfinden als Lehrer an der Hauptschule "normal" ist, und ob man auch lernen kann, mit so etwas zurechtzukommen, oder ob ich einfach nicht der richtige "Typ" für einen Hauptschullehrer bin.


    Was habt Ihr hier für Erfahrungen gemacht?


    viele Grüße
    Frank

  • Frank, 36, weiblich? Irgendwas falsches geklickt?



    Ich wollte, in der Annahme, dass es sich um einen jungen Studienanfänger handelt, erst schreiben: das gibt sich mit dem Alter. So... Bei uns sitzen die ehemaligen Hauptschüler - irgendwie sind die nicht so richtig bedrohlich. Gut, mal abgesehen von den Hairstylistinnen, die sich an manchen Schule drei Mal pro Woche buchstäblich in den Haaren haben. Aber ganz ehrlich: normalerweise hat Mann es doch recht leicht, wenn man nicht gerade "Opfer" auf der Stirn stehen hat. Sonst - die richtigen Sportkurse im Studium belegen.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Hallo,


    danke für die schnelle Antwort.


    Ich kann sage, wie meine aktueller Eindruck zu der Frage ist. Allerdings ist meine Erfahrungswissen hierzu begrenzt. Deshalb sind Rückmeldungen für mich auch immer sehr wichtig:


    Auf der Hauptschule in Großstädten sind häufig Kinder und Jugendliche, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Und häufig sind diese auch keineswegs "dumm", sondern es gibt durchaus Schüler, die mit Wissen und Menschkenntnis (meist gepaart mit einer stabilen sozialen Struktur im Hintergrund) Macht über andere Schüler (und Menschen) ausüben und dies systematsich zu ihrem Vorteil ausnutzen. Solche Schüler haben teilweise schon in jungen Jahren eine größere Menschenkenntnis als viele Erwachsene, bedingt durch eine menschnahere Sozialisation. Die häufig vertretene Meinung, dass "schwächere" Lehrer es schwerer haben auf Hauptschulen mit problematischer Schülerclientel, teile ich nicht. Häufig wird dies auch auf Frauen bezogen. Diese würden angeblich weniger respektiert werden als Männer, was möglicherweise stimmt, was ich aber nicht als wirkliches Problem sehe. Als wirkliches Problem für den Hauptschullehrer sehe ich, wenn die nötige "Distanz" zu den Schülern nicht vorhanden ist; wenn also der Lehrer selber in einer Großstadt aufgewachsen ist und sich vielleicht selber mit seinen Schülern identifizieren kann.



    Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanke, aber: Fragen kann nie schaden!


    Grüße
    Frank

  • Zitat

    Als wirkliches Problem für den Hauptschullehrer sehe ich, wenn die nötige "Distanz" zu den Schülern nicht vorhanden ist; wenn also der Lehrer selber in einer Großstadt aufgewachsen ist und sich vielleicht selber mit seinen Schülern identifizieren kann.


    Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanke, aber: Fragen kann nie schaden!


    Ich habe jedenfalls diesen Eindruck. Du bist in einer Großstadt aufgewachsen und bist auf Hauptschüler getroffen, hattest sogar mehr oder weniger intensiv mit welchen zu tun - ja und? Mittlerweile bist Du Jahre älter und mindestens um die Oberstufe und das Studium weiter als damals.


    Und das Gewaltthema aus Deinem ersten Beitrag ist mittlerweile schon erledigt??!!

  • Ne dumme Frage : Warum überlegst Du, so einen schweren und undankbaren Job überhaupt machen zu wollen? Gibt es für Dich keine besseren beruflichen Alternativen ? Die Situation an den Hauptschulen hast Du o.g. im wesentlichen trefflich vermutet und erkannt. Da muss man als Lehrer besonders robust und hart drauf sein. Und dann noch in der Großstadt ?!


    Zitat :

    Zitat

    Mir macht der Lehrerberuf auch Spaß, genauso wie die Fächer, die ich wählen will.

    Woher hast Du die Erfahrungen, wenn Du Dich noch nicht einmal im Studium befindest ? Und Du glaubst im Ernst, dass Deine Fächer, bzw. Deine Rolle als Fachlehrer eine große Bedeutung bei der täglichen Arbeit mit den (oftmals) schwierigen Schülern spielen werden ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Hallo Frank,


    was bist Du denn nun? Mann oder Frau? Schüler? 36 Jahre alt? Schon im Berufsleben? Erzähl doch mal was.


    Zu der Gewaltfrage: ich arbeite in einer kleinen Großstadt in einer Förderschule mit sozial auffälligen Schülern (ich denke, dass ich das mit Hauptschule vergleichen darf), bin weiblich, 31 Jahre alt.. und: ich habe keine Angst... vor meinen Schülern schon gar nicht... Ja, das sind Schüler, die sicher einen anderen Hang zu Gewalt haben, als es mir geläufig ist, aber das heisst doch nicht, dass sie dauerhaft aggressiv durch die Gegend laufen.


    Wenn du diese sorge hast, solltest Du Dir aber ernsthaft überlegen, ob Du diesen Beruf erlernen willst. Denn täglich mit Angst arbeiten gehen, ist wohl nicht so toll.


    woher weisst Du, dass Dir der Lehrerberuf Spaß macht?

  • Hm.. ich bin selbst in Hannover groß geworden, war auf dem Gymnasialzweig einer KGS (entsprechend Sport und einige andere Fächer mit Haupt- und Realschülern zusammengehabt und war mehr als einmal in Gewaltsituationen), hab in Hannover-Linden Taekwon-Do gemacht, in Hannover im Rahmen des Volontariats mit Schülern aus den IGSen, Haupt- und Förderschulen in den Brennpunkten gearbeitet und in Hannover mein Referendariat gemacht. Reicht, oder?
    Wer sich als Lehrer mit seinen Schülern identifiziert, beziehungsweise nicht die notwendige professionelle Distanz aufbaut, ist für den Beruf nicht geeignet. Intelligenter als seine Schüler sollte man im Übrigen auch sein. Übrigens: auch "auf dem Land" gibt es genug Schüler die nicht vor Gewalt zurückschrecken. Lokal vielleicht sogar häufiger. NOM/OHA haben eine recht aktive braune Szene und die Jugendhilfe hier sehr viel "Spaß".



    Ich mache etliche Projekte mit Haupt- und Realschulen hier vor Ort und erlebe dementsprechend viele Klassen, Kolleginnen und Kollegen. Meine Erfahrung mit Schülern ist schon dahingehend, dass ein selbstsicherer Mensch es meist leichter hat. Ein Mann mit einem entsprechenden Auftreten, etwas überdurchschnittlicher Größe und gegebenenfalls tiefer Stimme hat es, nach meiner Erfahrung, meist sehr leicht - was im Übrigen auch von den Kolleginnen unterstützt wird. Ausnahmen gibt es immer. Einige wollen dann gerade mit so einem Menschen Stress anfangen.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Hm - kommt wohl sehr darauf an, wo man ist - ich bin jetzt in Bayern seit 18 Jahren an verschiedenen Hauptschulen gewesen, immer angeblich "Brennpunkt" und Stadt - aber nach meinem Gefühl war ein Gewaltproblem noch nie sehr groß und ist in den letzten Jahren noch weniger geworden. Verbal noch eher, körperlich tendiert das gegen null. Ganz auffällig Schüler werden bei uns dann eben nur teilweise beschult oder kommen in eine besondere Klasse. Die ist allerdings recht klein und es kommt selten vor.


    Ein Problem als Frau habe ich überhaupt nicht - aufwallende Anfälle von Aggression lassen sich auch gut mit einem Augenklimpern und einem leisen "na, was soll denn das jetzt" beschwichtigen. :D Die meisten Lehrer sind bei uns übrigens Frauen - und wir haben neulich festgestellt, dass in unserer Schulordnung nichts mit "Gewalt" auch nur erwähnt ist - weil´s da halt keine Problematik gibt und mit "wir gehen freundlich miteinander um" schon abgedeckt ist.


    Finde ich aber immer interessant, was andere in Bezug auf Hauptschule erleben und empfinden und wie dann meine Realität aussieht. 8)

  • Ich empfehle dir folgendes:
    Mach ein "Soziales Jahr" an einer Einrichtung für Erziehungshilfe und schau, dass du mehrere Praktika an Hauptschulen absolvieren kannst. Und schau bitte nicht mehr so viel RTL.


    Hauptschüler sind besser als ihr Ruf. Der wird durch Grüchte und Medien leider systematisch "unterirdisiert".
    Dadurch ergibt sich bei einigen leider eine negative Motivationsspirale und sie folgen dann dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert..."


    Als Hauptschullehrer muss man/frau stark am "Ego-Aufbau" der Kinder arbeiten - was als "Gewaltgehabe" daherkommt, ist oft nur der Schutzpanzer eines unsicheren Kindes. Wie auch an anderen Schularten muss es klare "No-Go"-Grenzen geben und etwas verwaschenere Grenzziehungen, die je nach Individuum geregelt werden.


    Pubertierende Reibereien musst du klären und professionell wegstecken. Dies beinhaltet, dass derartige Klärungen nicht in einem "Schauprozess" vor der Klasse stattfinden - sondern im individuellen Gespräch. Hauptschüler müssen sich im Freizeitbereich oft genug herablassende Bemerkungen anhören und bestehen dann untereinander sehr auf Wahrung des Gesichtes und ihrer Rolle im Sozialgefüge der Klasse. Viele Reibereien mit der Lehrkraft sind auch "Schauvorstellungen" für die anderen nach dem Motto: "Seht her - ich trau mich was!" Wenn du derartige Schauvorstellungen persönlich nimmst, hast du ein Problem. Die sind nämlich eigentlich nicht gegen dich, sondern an das Publikum gerichtet.


    Wenn es um Gewalt oder Erpressung geht, muss an der Schule eine gemeinsame Linie mit harten, schulrechtlichen Konsequenzen gefahren werden. Schulausschluss auf Zeit, Zusammenarbeit mit der Prävention der Polizei, Zusammenarbeit mit Jugendamt und Sozialarbeit sind da sehr wirksam. Eine Anzeige bei der Polizei wegen Körperverletzung oder ein endgültiger Schulausschluss bleibt über Jahre im kollektiven Gedächtnis der Schule und wirkt lange nach.


    Zur Distanz: Als Hauptschullehrer arbeitest du pädagogisch und bist in vielen Fächern eingesetzt, damit DU der Häuptling bist und die Spur zeigst. Ob du Mann oder Frau bist, ist unerheblich. Die persönliche Beziehung zum Schüler ist - ganz im Gegensatz zu deiner Einschätzung - sehr wichtig. Gleichzeitig darf diese nie kumpelhaft sein. Wenn du als (Hauptschul-) Lehrer nur in deinem Fach denkst und die Schüler vor dir Köpfe sind, die zu füllen sind, hast du verloren und nicht kapiert, was Pädagogik bedeutet. Eine professionelle Distanz bedeutet NICHT, dass diese emotionslos zu sein hat. Im Gegenteil. Professionelle Distanz bedeutet, dass du DEINE Emotionen ständig hinterfragst und relativierst. Wenn ein Kind (und das sind auch noch die 16-jährigen, testosterongeschwängerten Rüpel) eine rotzige Bemerkung äußert, kannst du dich in die Schmollecke zurückziehen und sagen: "Na warte, du wirst schon sehen..." (UNPROFESSIONELL!!) oder mit ihm nach dem Unterricht - in dringenden Fällen sofort vor der Tür - ein Gespräch führen. Ich empfehle für ein derartiges Gespräch eine gewisse zeitliche Distanz - damit du deine eigenen Emotionen sortieren kannst. Und dann sind sachliche, klare, nicht verletzende Ansagen wirksamer als Wutausbrüche.


    Wenn ich mit Hauptschülern unterwegs bin - im Schullandheim oder auf Ausflügen, höre ich oft den Satz: "Was? Ihr kommt von der Hauptschule? Das hätte ich nicht gedacht. Da haben sich Gymnasiasten viel übler benommen... "
    Hauptschüler sind durchaus "handlebar"

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Hallo,


    jetzt will ich mich erst einmal wiederholen und noch einmal "Danke" sagen für diesen vielen, hochwertigen Feedbacks von Eurer Seite!


    Da es gefragt wurde und es vielleicht auch für Euch interessant ist, sage ich gerne auch noch ein paar Sätz zu mir: Ich bin männlich (ja, muss mein Profil korrigieren!) und bin studierter Volkswirt. Aufgewachsen bin ich in Berlin-Neukölln. Die
    (Zitat) "testosterongeschwängerten Rüpel" kenne ich daher nur zu gut, habe mit ihnen ein großen Teil meiner Jugend verbracht. Und genau mit diesen "Rüpeln" haben es Frauen, möglicherweise, leichter. Aber vielleicht irre ich hier auch.
    Ist wahrscheinlich so etwas das, was Jens gesagt hat: (Zitat) "Einige wollen dann gerade mit so einem Menschen Stress anfangen. "


    Meine bisherigen, begrenzten Informationen beziehe ich nicht aus "RTL". Ich habe bereits einige Zeit,ca. 1 Monat, bei mir im Berzirk an einer Hauptschule unterrichtet. Allerdings nicht lange genug, um sagen zu können, ob meine Bedenken langfrisitg begründet oder eben nur "Anfängerprobleme" sind. Ich fühle mich trotz meines vorangeschrittenen Alters den Schülern doch noch sehr nahe. Kann aber natürlich auch sein, dass dieses Gefühl nach einer längeren Zeit des Unterrichtens verschwindet.


    Zitat: "Woher hast Du die Erfahrungen, wenn Du Dich noch nicht einmal im Studium
    befindest ? Und Du glaubst im Ernst, dass Deine Fächer, bzw. Deine
    Rolle als Fachlehrer eine große Bedeutung bei der täglichen Arbeit mit
    den (oftmals) schwierigen Schülern spielen werden ? "


    Ich habe jetzt schon ein paar Jährchen Berufserfahrung auf dem Buckel, und ich will nicht wegen der fachlichen Themen Lehrer werde, sondern eher, weil mir die pädagogische Tätigkeit an sich Spaß macht. Dass der Lehrerberuf undankbar ist, habe ich nicht gesagt.


    Zitat: " Da haben sich Gymnasiasten viel übler benommen... "
    Da habt ihr wahrscheinlich recht; am Gymnasium kann es diese Problemchen ebenfalls geben.

  • Ich bin zwar keine Hauptschullehrerin - aber als Realschullehrkraft seit September an einem SFZ (sonderpädagogisches Förderzentrum), bzw. an einer Förderschule tätig.


    Kurz vor Schuljahresbeginn fragte ich mich oft "Schaff ich das? Kann ich das? Sind die Kids gefährlich?". Und ich muss sagen, mir hätte in meinem beruflichen Leben nix besseres passieren können als diese Erfahrungen zu machen. Sicherlich geht's/ging's manchmal ziemlich rund und im Unterricht flogen auch Möbelstücke und Fäuste (in den Pausen sowieso), aber wenn man versucht, an die Jugendlichen heranzukommen, lassen sie sich recht gut besänftigen.
    Reibereien lassen sich (bei uns) nicht komplett vermeiden, allerdings ist den Schülern noch nie eingefallen, mich körperlich anzugehen - ich bin weiblich, 27, und sehr klein. Die meisten meiner Schüler sind größer als ich - aber wenn der Kuchen spricht... ;)

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