Sind viele Seminarleiter inkompetent oder "Idioten"?

  • Hallo,



    ich überlege als Quereinsteiger Physik in das berufsschulische Lehramt einzusteigen, und beginne nächste Woche diesbzgl. auch ein nicht allzu langes Praktikum. Ich kenne mich entsprechend im "System Lehrerausbildung" nicht sonderlich gut aus.


    In Berlin - wo ich es zunächst versuche - müssen Quereinsteiger im ersten Jahr ihr 2. Staatsexamen nachholen (neben 20 Stunden Unterrichtsverpflichtung - hier ist brechender Stress natürlich vorprogrammiert :tot: ) und sind folglich einem Seminar zugeteilt. Nun habe ich etwas im Forum rumgelesen und bin gelinde gesagt verdammt schockiert über die scheinbaren Zustände an den Seminaren. Natürlich kann man argumentieren, dass die Leute die in diesem Forum schreiben selbstselektiert sind und diejenigen ohne jede Probleme nicht aktiv sind - richtig. Dennoch klingen die Zustände für Referendare ja generell grauenhaft. Was läuft hier schief?



    Mein Eindruck ist im Augenblick folgender:



    1.)
    - sehr viele Seminarleiter haben keine Ahnung von der wissenschaftlichen Basis ihrer pädagogischen Theorien, und wurden auch nicht aufgrund ihrer entsprechenden empirisch-wissenschaftlichen Fachkompetenz befördert; respektive es fehlt ihnen die Reflexionsfähigkeit ihr Gebiet objektiv zu evaluieren. Ideologie zählt mehr als Empirie.


    - die Bewertungskriterien bei Unterrichtsbesuchen und Lehrproben sind entsprechend schwammig (bei einer Diplomprüfung in Physik dagegen weiß man woran man ist - es gibt einigermaßen objektive Bewertungsmaßstäbe die nur sehr beschränkt im Ermessen der Prüfer liegen und es muss ohnehin alles genau protokolliert werden)

    2.)
    - hinzu kommt, dass auch unter Seminarleitern die charakterlich-emotionale Reife nicht immer auf hohem Niveau ist (nach welchen Kriterien werden diese dann bitte noch ausgesucht?). Klar, Idioten gibt es überall - auch unter Physikern - aber was man hier zum Teil liest ist ja hanebüchen.


    - das führt zu einer Lage, bei der ein Seminarleiter völlig realitätsferne Unterrichtskonzepte fordert und/oder einzelne Seminarteilnehmer aufgrund rein emotionaler Unliebsamkeit schlecht bewertet


    3.)
    - das resultiert nicht selten in völlig absurden Situationen, bei denen die Kollegen und Schulleiter den Unterricht loben, die Seminarleitung einen aber unter Umständen in Grund und Boden kritisieren


    - die Folge sind Duckmäusertum im Seminar und seltsame "Feuerwerksstunden" bei den Lehrproben



    Versteht mich nicht falsch, natürlich plädiere ich nicht dafür im Seminar den "Maker" zu geben und den Leuten auf den Schlips zu treten. Ich bin aber eine offene Diskussionskultur gewöhnt und gewähre das auch ziemlich liberal gegenüber meinen Studenten. Es scheint jedoch bei der Lehrerausbildung viele Seminarleiter zu geben, die normal vorgetragene sachliche Rückfragen bzgl. Sinn und Unsinn eines Vorgehens oder Methode - oder einfach empirische Belege - als Majestätsbeleidigung auffassen. Und die leben das auch voll aus :autsch: !


    Ok, man kann Argumentieren, dass es hier gilt die Zähne zusammen zu beißen - um das Stundenpensum zu schaffen aber vor allem auch um keine "falschen" Fragen zu stellen. Dennoch ist das ganze System, falls es so stimmt, ungeheuer frustrierend und absurd. Meine Fragen daher:



    1. Es gibt sicher auch sehr viele menschlich gute Seminarleiter (ich nehme an die weitaus meisten). Das Problem der Verblendung bzgl. der Methodik bleibt jedoch ungelöst. Wird man daher generell das Problem haben, dass man nur mit Feuerwerksstunden die Lehrproben übersteht und sachliche Rückfragen ein großes NO-GO sind?


    2. Wie verhalte ich mich, falls ich an einen selbstherrlichen oder missgünstigen Serminarleiter gerate? Anbiedern entspricht nicht gerade meinem naturell. Wie bei den meisten.


    3. Wie sind denn nun die Durchfallquoten beim 2. Staatsexamen? 10%? Oder unter 5%? Hängt das auch von der Fächerkombination ab?




    So langsam könnte das erste Jahr mich verschrecken es mit dem Lehramt zu versuchen, und ich rede hier nicht vorrangig von der zeitlichen Belastung.

  • hier in nrw werden die seminarleiter nicht "befördert", sondern bewerben sich aktiv auf seminarleiterstellen.
    machen dann ie entsprechende revision und haben wenn alles glatt gegangen ist den job (inkl. der höherern besoldungsstufe).


    wie das in anderen bundesländern abläuft kann ich dir nicht sagen, aber es sind sicherlich nicht zwangsläufig die "besten" die sich auf diese stellen bewerben..

  • 1. Es gibt sicher auch sehr viele menschlich gute Seminarleiter (ich nehme an die weitaus meisten). Das Problem der Verblendung bzgl. der Methodik bleibt jedoch ungelöst. Wird man daher generell das Problem haben, dass man nur mit Feuerwerksstunden die Lehrproben übersteht und sachliche Rückfragen ein großes NO-GO sind?


    2. Wie verhalte ich mich, falls ich an einen selbstherrlichen oder missgünstigen Serminarleiter gerate? Anbiedern entspricht nicht gerade meinem naturell. Wie bei den meisten.


    3. Wie sind denn nun die Durchfallquoten beim 2. Staatsexamen? 10%? Oder unter 5%? Hängt das auch von der Fächerkombination ab?


    1. richtig, die Guten gibt es, weswegen ich schonmal nicht mit knirschenden Zähnen und voller vorauseilendem Ungehorsam gegenüber den Vorgesetzten in spe in die Sache reingehen würde. Wer versucht Verblendung zu heilen - egal ob im Seminar, in der Firma oder beim Ehepartner - wird scheitern. Damit gilt es sich im Leben abzufinden.
    Zum Feuerwerk: Ich betreue derzeit einige Referendare als Mentorin, die sehr solide und vernünftige Ausbilder haben, die keine Feuerwerkstunden sehen wollen, weil sie nicht der Meinung sind, dass das Kompetenz zeigt. Sie wollen vielmehr Stunden in der Mitte der Reihe, mit einem soliden Erkenntnisgewinn und einem längeren, komplexeren Unterrichtsgespräch in der Fremdsprache, bei denen sich auch der Referendar als inhaltlich und sprachlich flexibel und sattelfest beweisen muss. Gerne auch mit einer/zwei (! nicht 10) soliden Methoden, die aber nur dann positiv gerwertet werden, wenn sie dem Erkenntnisgewinn wirklich dienen. Alles gut also. Ich selbst habe aber auch genügend Spinner unter den Ausbildern erlebt - es kommt, wie's kommt. Vielleicht gehst du erstmal positiv ran.


    2. Wie jeder erwachsene Mensch: gelassen, höflich, fest in der Meinung, freundlich im Ton. Auch im späteren Leben/Kollegium wirst du anderer Meinung sein und Abteilungsleiter und Vorgesetzte haben: da kannst du auch nicht den Rambo spielen. So ist das Erwerbsleben eben. Ich seh da kein Problem, so lange es nicht um mobbing/bossing geht, und das ist seltener als die Beiträge in Foren, wo man sich auch mal kurzfristig Luft mit seiner Seite der Geschichte machen muss/soll, so vermuten lassen würden.


    3. Jedes Jahr/Semester verschieden. Ich halte es übrigens für wenig produktiv, sich von vorneherein schon mit dem eigenen Durchfallen zu beschäftigen. Deine Grundhaltung ist anscheinend Kampf/Konfrontation, Abwehrhaltung und eine gewisse Überlegenheitsüberzeugung ... das könnte ein entscheidender Faktor für größere Schwierigkeiten werden. Und - ganz ehrlich - kommt einfach grundsätzlich nicht gut. Bei den Referendarenkollegen, Kollegen, Ausbildern und Schülern.

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    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Hallo Nettmensch,
    letzten Endes musst du es selbst rausfinden. Es hängt immer vom Seminar ab, und dann nicht nur von deinen Ausbildern, sondern auch von dir. Ich habe auch erlebt, dass kompetente Ausbilder und Refs einfach aneinander vorbeigeredet haben, weil sie vollkommen unterschiedliche Kommunikationsebenen hatten. Das muss nicht zwingend Unfähigkeit als Ursache haben. Ich hatte einen total kompetenten und netten Physikausbilder, der immer an seinen Seminarstunden gefeilt hat und sich Feedback eingeholt und beherzigt hat. Wir haben trotzdem immer aneinander vorbeigeredet. ;) (irgendwann wusste man es und hat sich damit arrangiert, das ging auch)
    Ich habe auch schon erlebt, wie es bei... ähm, eigenwilligen Ausbildern gute Stimmung gab und auch gute Noten, einfach weil man wusste, was man bringen soll, da sie es klar vemittelt haben. (Und die SuS haben vielleicht nicht soviel gelernt, aber die eine Schaustunde können sie verkraften.)


    Was Methodik angeht: Wenn die Klasse kein Gruppenpuzzle hinkriegt, sollte man auch kein GP im UB machen. Punkt. Egal wie kooperativ und sonstwas das auf dem Papier auchs ein mag. ;) (Ich finde GPs toll, aber die SuS irgendwie nie, selbst wenn ihnen das schon jemand anderes beigebracht hat, es also nicht an meiner Einführung der Methode liegen kann.) Nur so als Beispiel für Methodenwahn(sinn).


    Was Durchfallen angeht: Passiert auch Leuten mit 1. SA...

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

  • Danke Meike für deine Einschätzung. Mag sein, dass ich bedingt durch meine Entrüstung über die Seminarzustände (hey, hab sogar drüber geschlafen) einen etwas "aggressiven" Tonfall an den Tag gelegt habe - in real life bin ich eigentlich recht umgänglich und humorvoll, wenn auch oft direkt in der Kommunikation (hier muss ich mich dann zurück halten), also keine Sorge.


    MSS: Ok, falls man genau weiß woran man ist, kann man sich für die Stunden auch entsprechend vorbereiten. Da es am Ende wirklich auf den Prüfer ankommt bringt es mir scheinbar wirklich nicht viel mir jetzt bereits Gedanken darüber zu machen. Ich werde ggf. wohl auch versuchen in Teilzeit einzusteigen, um den Stressfaktor zu reduzieren und ein didaktisch akzeptables Unterrichten zu lernen (also gemessen an dem was wirklich effektiv ist, nicht dem Pyrotechnik-Training).




    Dennoch ist es erschreckend, wie sich so ein System selbsterhaltend etablieren konnte. Sprecht ihr nicht mal mit Seminarleitern über diese Sachverhalte? z.B. nachdem "euer" Referendar seine Lehrproben mit einem unsinnigen Methodenfeuerwerk bestanden hat, könnt ihr ja mal den SL kurz zur Seite nehmen und mal Klartext reden, dass seine Vorstellungen von gutem Unterricht völlig lebensfremd und so nicht auf Dauer umsetzbar sind oder überhaupt auch nur einen Lernerfolg bringen. Euch und dem geprüften Referendar kann er ja nichts mehr anhaben, so dass ihr ihm eine offene und sachlich formulierte Meinung sagen könnt. Es klingt zumindest oft so, als ob die Seminarleiter nur selten "geerdet" werden.

  • Bei uns bestehen die Referendare üblicherweise nicht mit Methodenfeuerwerk. Ich halte auch simple kooperative Methoden nicht gleich für ein Methodenfeuerwerk - es gibt hier ja Kollegen, die denken, alles was nicht Lehrer-Schüler-PingPong ist, sei schon methodischer Wahnsinn. ;)


    Die Kompetenz iegt darin, zu erkenen, welches Thema/Lernziel mit welcher Methode am besten erreicht werden kann. Dazu muss man a) Ahnung vom Thema und b) Ahnung von Methoden und deren Wirksamkeit haben. Und ein bisschen Kreativität und ein bisschen Fingerspitzengefühl fürden Kurs/die Klasse.


    Und nein, ich habe bisher nicht die Eingebung gehabt, mir nach der Prüfung erstmal einen Seminarleiter zu schnappen und grundzubelehren. Ich halte das für kein aussichtsreiches Unterfangen. Und den falschen Zeitpunkt.


    Was ich getan habe, ist, als 7. Prüfungsmitglied in der Prüfung klare Worte zu finden. Kein sinnloses rituelles Referendarenlob, was auch gerne mal von den Mentoren missverständlich für agebracht gehalten (und demzufolge nich ernst genommen) wird, aber eine Wertschätzug an der Messlatte des richtigen Lehrerlebens. Was manchmal neue Aspekte positiv hervorzuheben / den Blickwinkel auf das eine oder andere umlenken half.


    Und meinen Refs helfe ich zu üben, sich darauf vorzubereiten, 26 kleine, aber schmackhafte Brötchen pro Woche zu backen, anstatt eine Hochzeitstorte mit Riesenaufwand und dann ist die Luft für die anderen 25 Stunden raus. Die schätzen das. Nebst dem ganzen praktischen Kleinkram, den die Seminare/Module nicht hergeben: Benotung und Buchhaltung dazu, Fehlzeitenformulare, Elternanschriebe, Abi und Abialternativberatung, Fachabiberatung, Klausurkonzeption und -korrektur, Halbjahresüberblick, Tutorenkrempel, lonet pools, uvm...


    Zum Weltverbesserer fühl ich mich zwar auch manchmal berufen ;) - reduziere das aber auf das Machbare inerhalb meiner Gesamtpersonalrats- und Gewerkschaftsarbeit. Und das ist zT auch ein weites Feld von höcht unterschiedlichen Ansätzen und Überzeugungen.

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  • Es gibt solche und solche. Ich würde gucken was kommt und dementsprechend agieren. Flexibel sein, das ist ja essentiell im Lehrberuf. Und falls es doch gaanz schlimm wird, dann denk dir doch "Nur 1,5 Jahre, dann kann ich meinen Unterricht machen" ;-)


    Letztlich geht es den AN in der freien Wirtschaft auch nicht anders. Die bekommen zwar keine Noten, aber die Chefs entscheiden dann über Beförderung etc.

  • - sehr viele Seminarleiter haben keine Ahnung von der wissenschaftlichen Basis ihrer pädagogischen Theorien, und wurden auch nicht aufgrund ihrer entsprechenden empirisch-wissenschaftlichen Fachkompetenz befördert; respektive es fehlt ihnen die Reflexionsfähigkeit ihr Gebiet objektiv zu evaluieren. Ideologie zählt mehr als Empirie.


    Entschuldige, aber lies doch selbst nochmal, was du da geschrieben hast. Was für ein Blabla.


    Bevor du mit der Lehrerausbildung loslegst, solltest du dir klarmachen, dass Pädagogik völlig anders funktioniert als Physik. Wie willst du denn eine "objektive Evaluation" definieren? Es kommt immer drauf an, worauf man achtet!


    Geht es am Anfang um die persönlichen Dinge (Haltung, Aussprache, Mimik, Gestik, Umgang mit den Schülern), wird später mehr auf die Strukturierung der Stunde geachtet, letztlich zielt alles darauf ab, den Lernzuwachs der Schüler zu beobachten. Dafür ist es wichtig, dass du als Lehrer weißt, was deine Schäfchen gerade brauchen. Und du musst zeigen, dass du deine Stunden entsprechend vorbereiten kannst.


    Angenommen also, du möchtest einer Klasse zeigen, dass sie mit bestimmten mathematischen Methoden ein reales technisches Problem lösen können und du baust die Stunde um dieses Ziel herum auf. Dann kann es sein, dass das prima klappt und die Schüler etwas mitnehmen. Es kann auch sein, dass du sie völlig überforderst und hinterher nichts hängenbleibt als Frust. Und je nachdem, welche Schülergesichter gerade auf ihre Reaktion betrachtet werden, kann das auch bei jemandem, der zuschaut, völlig anders ankommen als du das wahrnimmst.


    Siehe oben: Das ist nicht wie bei einem physikalischen Experiment.


    Dass du fachlich sicher bist, wird natürlich vorausgesetzt.


    Unterschiedliche pädagogische Konzepte sind keine "Ideologien". Es sind eben unterschiedliche Konzepte. Die zu diskutieren erfordert ein hohes Maß an Sachkompetenz, denn man muss ja erst mal wissen, worum es überhaupt geht. Man kann kein Kind objektiv erziehen. Ich vermute, du hast keine Kinder, denn dann wüsstest du, dass man, wenn man in der Erziehung eine Sache richtig macht, meistens zugleich drei falsch macht. So ist das beim Lehrersein auch.


    Bevor du über die Ahnungslosigkeit deiner Ausbilder mutmaßt, solltest du dir klar machen, dass die auf jeden Fall mehr Ahnung vom Unterrichten haben als du. Punkt.


    Im Übrigen ist das, was Lehramtsanwärter in Seminaren erleben, nicht viel anders als das, was wir täglich unseren Schülern zumuten, und die sind nicht nach 2 Jahren fertig. Und sich das klar zu machen, ist auf jeden Fall hilfreich für die Tätigkeit als Lehrer.

  • Wie bitte?!? Ich bin nicht sicher wo du das herausliest was du mir scheinbar unterstellst (mag natürlich auch daran liegen, dass ich den Tonfall falsch interpretiere... the dangers of written communication...)





    Es ging mir um die in viele Seminaren vorhandene Realititätsferne und z.T. Willkür der Lehrerausbildung. Ich wollte damit nicht zum Ausdruck bringen, dass ich mehr Ahnung von Pädagogik habe als Seminarleiter oder Lehrer – wie auch. Im Gegenteil habe ich mittlerweile einen ziemlichen Respekt davor wie man seinen Stoff so strukturiert und unterrichtet, dass bei heterogener Schülerschaft dabei etwas hängen bleibt (hier bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen). Gerade deshalb finde ich es ja so perplex was man hier im Forum liest. In vielen Seminaren lernt man in vielen Fällen offenbar eben nicht wie man guten Unterricht macht, wie man seinen Stoff entsprechend aufbereitet und in einer pragmatischen Art arbeitet. Das muss ich mir im Fall des Falles dann eventuell autodidaktisch erschließen (und mit Unterstützung freundlicher Kollegen). Ja, es gibt hier viele Komponenten (fachliches, methodisches, persönliches Auftreten unter vielerlei Umständen etc.) – das habe ich doch auch gar nicht in Frage gestellt.



    In dem Zitat ging es darum, dass es (ich wiederhole: entsprechend den meisten Erfahrungsberichten im Forum) offenbar oft nicht Maßstab in Seminaren ist "Wie ist die Realität" oder "Was funktioniert in der Praxis" (=Empirie) sondern "Welche Theorie - relativ losgelöst von Praxisfragen des alltägliche Unterrichtens - klingt gut." (=Ideologie). Das sind grundlegende Ansätze, ob es nun um Erziehungswissenschaft geht oder Naturwissenschaft.




    Es mag sein, dass du sehr kompetente Seminare hattest (oft merkt man so etwas ja auch erst im Nachhinein). Ich spreche hier noch nicht aus erster Hand. Es macht einen aber schon stutzig, dass sehr oft die Rede von realitätsferner Ausbildung ist, die auch nicht gerade den Eindruck macht, dass man dort die pädagogischen Feinheiten oder differenziertes Herangehen für den praktischen Unterricht lernt. So zumindest das häufige Fazit - um diese zusammenzufassen hilft es sicher ein Seminar zu absolvieren. Aber das war nun einmal der Ausgangspunkt meiner Fragen: ob die Erfahrungsberichte zutreffend sind und wie man damit umgeht.



    P.S. ich glaube das ist was MSS mit aneinander vorbeireden meinte :_o_)

  • Also, ich weiß jetzt wirklich nicht, woher du dieses Wissen hast, dass in "vielen" Seminaren Willkür und Realitätsferne herrscht und Inkompetente und Idioten unterwegs sind.


    Es ist genau wie mit den Schülern. Die motzen und maulen. Und empfinden auch ganz wirklich oft hohe Belastung. Nicht jede Note wird als gerecht empfunden und nicht jede Anforderung als sinnvoll, nicht jede Bewertung erscheint transparent und nicht jeder Unterrichtsinhalt bedeutungsvoll.
    Manchmal simmt diese Einschätzung. Oft auch nicht.


    Genau so ist es auch im Referendariat. Du willst in genau dieses System hnein und darin unterrichten und Noten geben, Sanktionen verhängen, Feedback geben, Inhalte auswählen und gestalten. Du willst nicht, dass das mit dir passiert. Gut. Die Schüler wollen das auch oft nicht. Im Gegensaz zu dir müssen sie aber hin. Und sich den Guten und den Schlechten aussetzen, mit viel weniger kommunikativem Handwerkszeug und viel weniger Handlungsoptionen als du.


    Wo ist dein Problem? Lass es doch, wenn du dein Urteil über das System schon gefällt hast.


    Im Gegensatz zu den Schülern kannst du es.

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  • 8| ok... nochmal... ja, ich sehe, dass ich den Eingangspost zu offensiv verfasst habe - mein Fehler.


    Ich habe dieses "Wissen" - wie ich nun mittlerweile mehrfach geschrieben habe - aus sehr vielen Threads in diesem Forum und damit, wie ich bereits geschrieben habe nicht aus erster Hand (darum benutzt ich auch bewusst qualifier wie "offenbar" und "scheinbar"). Die Fragen zielten darauf, ob das zutreffend ist und man sich auf Feuerwerksstunden und Irreale Unterrichtskonzepte einstellen muss um zu bestehen (die Frage hattest du ja auch bereits qualifiziert beantwortet).



    Ein abschließendes Urteile darüber ob ich mir das Unterrichten vorstellen kann fälle ich nach meinem Praktikum und zur Not eben auch nach der ersten Zeit im Beruf. Es ist aber erforderlich die Zeit des Staatsexamens einordnen zu können, da man sonst in dieser Phase dem Anschein nach ein völlig verfälschtes Bild des Unterrichtens bekommt, falls die Aussagen zutreffend sein sollten (ich schreibe hier andauernd sehr allgemein über "Erfahrungsberichte" - bei Bedarf kann ich die entsprechenden Beiträge auch verlinken, um das an konkreten Beispielen zu klären).

  • Naja, wie ich schon sagte, die Forenbeiträge - sinnvolle Seelenhygiene! - beschreiben den Qualitätszustand deutscher Referendarenausbildung genau so objektiv treffend, wie die Beiträge von Schülern in Schulforen objektive Qualitätsbeschreibungen von Schule sind.


    Dort wird die momentan subjektiv empfundene Wahrnehmung beschrieben. Die man keinem in Abrede stellen soll. Die man ernst nehmen soll. Sie enthält im Einzelfall auch Wahrheit. Mindestens aber echt empfundene Wahrnehmung/heit. Und manchmal nur Empfindungen, die zT auch nicht wahrheitskompatibel sind.


    Fakt ist: 10 Jahre später sehen viele vieles anders. Ex-Schüler wie Exreferendare.


    Zitat

    Ein abschließendes Urteile darüber ob ich mir das Unterrichten vorstellen kann fälle ich nach meinem Praktikum und zur Not eben auch nach der ersten Zeit im Beruf.

    Das halte ich für die einzig vernünftige Herangehensweise. Vorverurteilungen und Horrorerwartungen helfen null weiter.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Naja, wie ich schon sagte, die Forenbeiträge - sinnvolle Seelenhygiene! - beschreiben den Qualitätszustand deutscher Referendarenausbildung genau so objektiv treffend, wie die Beiträge von Schülern in Schulforen objektive Qualitätsbeschreibungen von Schule sind.


    Genau so ist es. Und wie bei den Schülern gibt es immer ein paar, die besonders laut meckern. Das sagt aber eher was über die Schüler als über die Lehrer.


    Nettmensch, ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber ich finde diese Herangehensweise einfach sinnlos, und allein die Bereitschaft, eine ganze Gruppe unter "Idiotenverdacht" zu stellen, höchst bedenklich.


    Und überhaupt: Da man, siehe Gregs Tagebücher, ohnehin überall von Idioten umzingelt ist, ist die "Idiotendichte" überhaupt kein Entscheidungskriterium :flieh:

  • Ich glaube ja auch, dass viele Referendare glauben, sie müssten so einen Methodenzirkus veranstalten Sieht man ja auch durchaus an den Anfragen, wenn darum gebeten wird, bei der Stundenplanung zu helfen - ganz oft fehlt da überhaupt ein klares Lernziel und die Stunde wird nicht vom Lernziel her aufgezogen, sondern von irgendeiner Methode, weil "der Fachleiter auf Rollenspiele steht" oder so... Dass der Fachleiter da evtl missverstanden wurde oder aber durchaus eine didaktisch ausgereifte Begründung für hat, die aber ein Referendar teilweise noch gar nicht durchschauen kann, ist dann noch gar nicht klar. (Ich spreche hier durchaus auch aus persönlicher Erfahrung: viele Dinge habe ich erst im Nachhinein verstanden. Mal konstruktivistisch gesprochen, konnte ich die Informationen des Fachleiters nicht aufnehmen, weil mir eine Basis fehlte, an die dieses Wissen hätte anknüpfen können.)


    So gesehen ist der "Methodenzauber" mitunter auch einfach völlig falsch verstanden. Den meisten Fachleitern, denen ich begegnet bin, lag ein vernünftiges, klares und angemessenes Lernziel bzw. die Lernprogression deutlich mehr am Herzen als jetzt meinetwegen das "jigsaw puzzle". (Auch wenn es natürlich durchaus Tendenzen in pädagogischen Richtungen gibt, wer z.B. eher hinter kooperativem Lernen steht u.ä.). Aber auch Fachleiter können da sehr flexibel reagieren: Mein Deutschfachleiter war eigentlich sehr konservativ in seinen Haltungen und Methoden. Mein Mitreferendar war da das komplette Gegenteil. Der Fachleiter hat durchaus öfter zu ihm gesagt: 'Als ich Ihren Plan gelesen habe, bin ich nicht davon ausgegangen, dass diese Stunde funktioniert/ der Lernzuwachs angemessen ist/ etc, aber es hat wirklich gut funktioniert.' Obwohl er durchaus schwierig war (der Fachleiter), war er, bei entsprechenden Ergebnissen in der Lage, auf die Sache zu gucken. (Und das sage ich, obwohl ich persönlich mit ihm überhaupt nicht klar kam - auf fachlicher Ebene, wir haben uns einfach nicht verstanden, also im Sinne von komplett aneinander vorbei geredet).


    Sprich: Man sollte sich nicht vorher verrückt machen und mit einbeziehen, dass man in einem Forum nicht nur überwiegend Berichte der frustrierten Referendare liest, sondern eben auch nur ihre subjektive Sicht darauf, was sie meinen, was ihr Fachleiter von ihnen will. Das diese Meinung evtl komplett falsch sein kann, das wird nicht bedacht.
    Und erst mal davon ausgehen, dass der Fachleiter dir beibringen möchte, wie man guten Unterricht macht. (Dass es da - wie in jedem Job - Nulpen gibt, geschenkt. Halte ich aber für die geringere Zahl - und das sage ich, obwohl ich zwei sehr schwierige Fachleiter hatte und mit beiden schlecht klar kam. Das lag aber nun nicht ausschließlich an ihnen. Zu gelungener oder gescheiterter Kommunikation gehören immer zwei Partner.)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • woher du dieses Wissen hast, dass in "vielen" Seminaren Willkür und Realitätsferne herrscht und Inkompetente und Idioten unterwegs sind.



    Vielleicht hier: http://referendar.de/forum/


    Hier habe ich zumindest vor Antritt des Ref den Eindruck gewonnen, dass ALLE (!!) Seminiarleiter, Seminare, Fachleiter und Ausbilder sowieso menschliche Schweine sind, die es nur darauf angelegt haben den gemeinen Referendar in den Grundfesten seines Seins und Wirkens bis auf das Innerste zu erschüttern und zu zerstören.


    Realiter ging es mir 3 Wochen ins Ref hinein deutlich besser als in den 3 Jahren an der Uni nach dem 1. Ex. Seminarleiter und Stellvertretung geeerdet. Fachleiter 1 geedert und verdammt an der Praxis dran, während Fachleiter 2 mehr mit allem anderen beschäftigt war (und ist) als der Ref Ausbildung.


    Lehrjahre = keine Herrenjahre. Im Ref muss man auch einstecken, aber auch sehen 7 erkennen, dass es danach auch anders weitergeht. UND: wer meine auf Grund von Halbwissen den Semiarleitungen alles Können abzusprechen, solte mal etwas nachdenken....


    Grüße
    Raket-O-Katz

  • Und überhaupt: Da man, siehe Gregs Tagebücher, ohnehin überall von Idioten umzingelt ist, ist die "Idiotendichte" überhaupt kein Entscheidungskriterium :flieh:


    Mindestens sollte man ansatzweise in Betracht ziehen, dass man selbst zur Idiotenpopulation dazu gehören könnte ... :)


    Ja, Referendar.de ist so ein Ort. Es ist ein guter Ort insofern, dass man sich dort Luft machen kann, Gleichgesinnte trifft, sich aufgehoben und verstanden fühlt. Das ist erstmal eine große Stütze.
    Nicht geeignet ist es (oft) für eine ausgewogene/angemessene Sichtweise der eigenen Lage. Oft gilt auch dort das alte Schülermotto "An meinen Noten/Sorgen sind ausschließlich die Lehrer schuld". Meist ist dem nicht (nur) so.
    Nichtsdestotrotz sind solche Foren für Menschen, die einen hohen Druck empfinden, Gold wert und nicht nur dafür: auch für den Austausch von praktischem Wissen und Anregungen.
    Man sollte es halt nicht als alleinige Informationsquelle nehmen und das, was mich irgendwann veranlasst hat, da nicht mehr zu schreiben, ist, dass sich in manchen der dort wortführenden Gruppen der Unterton "wer nicht das komplette System in die Luft sprengen will, ist schon ein Veräter" einschlich. Differenzierte Erfahrungen wurden von dieser Gruppe nicht zugelassen und man war grundsätzlich nicht bereit, auch mal sich selbst zu reflektieren.


    Und ich betone nochmal: mit den Fachleitern ist es wie mit den Lehrern: es gibt +solche und -solche. Jeder, der selbst Lehrer werden will, sollte tunlichst Selbsreflexion betreiben und sich selbst nicht für den einzigen Nichtidioten halten - sonst gehört er sehr schnell selbst dauerhaft zu den "-solchen" ...


    In meinem Kollegium ist es übrigens (Zufall ??) so, dass die, die am lautesten über das Referendariat schimpfen, auch Jahrzehnte später, immer noch nicht die hellsten Birnen im Leuchter sind, und immer noch nicht verstehen können, woher die ganze Kritik damals kam (ungerecht!) und heute von den Schülern/Eltern kommt. Alles immer noch extrem ungerecht. ;)


    Noch eine Überlegung: das, was das Referendariat meiner Meinung nach WIRKLICH zu einer besonders angespannten Ausbildungssituation macht, wird selten als Grund angesehen: nicht die bösen Fachleiter/das böse System - sondern die Tatsache, dass man sich in der irgendwie abartigen Situation befindet, selbst GLEICHZEITIG "Fachleiter" und "Azubi" zu sein. Man unterrichtet, benotet, bewertet, maßregelt und weist die Schüler an - und man wird bewertet, angewiesen, (hoffentlich nicht gemaßregelt) und benotet. Man hat Macht und ist gleichzeitig machtlos.


    Das ist wirklich schwer zusammen zu kriegen, auszubalancieren. Es erzeugt Spannung.
    Man muss drauf achten, dass die sich nicht in die falsche Richtung entlädt. Und man muss sich selbst in dieser Position reflektieren können. Keine einfache Sache. Ich erinnere mich noch gut, dass ich den mir nahesteneden Menschen immer erzählt habe, wie ätzend es ist, "vormittags gefühlte 33 und nachmittags im Seminar gefühlte 13 zu sein". Da können aber die Fachleiter nix dafür. Und das System, dass man als Lehrer in Ausbildung eben auch gleichzeitig ausbildet und die ganzen Mittel/Strukturen, die man selbst anwendet, auf sich anwenden lassen muss, lässt sich halt auch nicht ändern. Man kann Referendare schlecht ohne Schüler/Macht über Schüler ausbilden. Oder ohne Ausbildung.
    Damit muss man umgehen.

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    4 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Ich versuche dir mal (aus meiner Erfahrung) auf deine Frage zu antworten.


    Wir sollten im Ref in gewisserweise schon Showstunden und -reihen zeigen. Schließlich sollten wir unser Bestes zeigen. Natürlich ist das letztendlich im laufenden Schulalltag unmöglich in jeder Stunde umzusetzen, aber es ist für mich eine gute Schule gewesen. Ich übernehme immer noch viele Methoden/Ideen aus meiner Referendariatszeit. (Als Refi hab ich mich allerdings auch häufig darüber beschwert, dass die Stunden doch total abgehoben sind :pfeifen: ) Am Anfang weißt du wirklich nicht, wie eine gute Stunde aufgebaut wird, wie du dein Ziel der Reihe genau festlegst, welche Zwischenziele in den Stunden stattfinden müssen, wie deine Einführung, deine Arbeitsphase und deine Abschlussphase diesem Ziel entgegenkommen... Ich weiß noch, wie ich meine erste Reihe geplant habe und sie voller Stolz meiner Mentorin zeigte. Ich hatte quasi alle Kompetenzen des Fachs Deutsch innerhalb von 2 Wochen abgedeckt. :aufgepasst: Sieh das Ref als eine Ausbildung an, die dich auf jeden Fall weiterbringt!


    Zu den Ausbildern: Die meisten meiner Ausbilder waren sehr nett und auch fachlich sehr gut. Nur ein Ausbilder war absolut unfähig, sowohl menschlich, als auch fachlich. Er war in zwei Seminaren beschäftigt und das eine hat ihn tatsächlich inzwischen abgesetzt, da er untragbar ist.

  • Zitat Meike :

    Zitat

    Ja, Referendar.de ist so ein Ort.

    Zumindest ist dort wenigstens was los im Gegensatz zu schulthemen.de. Da ist es noch töter als tote Hose. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Ich meine es wirklich so. Man lernt nur theoretisches Zeug, das in der Realität meistens nicht anzuwenden ist. Die meisten Seminarleiter sind arrogant, fachspezifisch totale Nieten (!), laden ihren Frust an den Referendaren ab. In anderen Ländern gibt es keinen Ref-Zirkus, das erste halbe Jahr in der Schule wird man betreut durch schulinterne Ausbilder und das war's. Keine Lehrproben, keine Stundenverlaufspläne, keine blöden Prüfungen mehr.

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