Energie bekommen im bzw. durch Unterricht?!

  • Hallo zusammen!


    Ich halte mich zur Zeit brav an meine selbst aufgestellten Regeln (Arbeit dort machen, wo Arbeit hingehört) und komme schon viel besser zurecht. Ich habe auch mal versucht, mein "Energielevel" im Unterricht etwas zurückzufahren. Niemand ist dabei zu schaden gekommen; Unterricht klappt auch so, ohne immer 150% zu geben.


    Nun ist mir aufgefallen, dass ich in manchen Unterrichtsstunden richtig "ausgelaugt" werde von den lieben Kleinen. Das sind solche Stunden, in denen ich es z.B. mit sehr vielen pubertierenden, albernen Jugendlichen zu tun habe, die nur Quatsch machen. Oder in denen ein paar Schüler das Gesicht verziehen, weil sie halt die Aufgaben nicht machen wollen. Oder oder ...


    Ausgelaugt insofern, als das mich die Situation selbst Kraft kostet - aber auch die Zeit danach, wenn ich mir halt mal wieder 100 Gedanken mache, wie ich Schüler xy vielleicht doch noch für so ein spannendes Thema wie "Utilitarismus" begeistern könnte.


    Es mag sich vielleicht etwas esoterisch anhören, aber solche Situationen laugen mich regelrecht aus. Jedes "Hey, lasst uns das jetzt mal machen" oder "Probiert doch einfach mal aus" - also jede freundliche Bestärkung meinerseits kostet mich dann echt Kraft.
    Ermahnungen sind auch nicht viel besser, zumal ich gerne versuche, Schüler über ihre Vernunft zum Arbeiten zu bewegen und nicht über Zwang. Allerdings gerade in meinem sprachlichen Fach fängt der ein oder andere Schüler wirklich auch an mich zu nerven, weil er/sie zum x-ten Mal die Vokabeln nicht gelernt hat und trotzdem noch blöde Sprüche in meinem Unterricht klopft.


    Nun frage ich mich: Wie kriege ich den Blick vielleicht wieder stärker in Richtung der Schüler, die gerne mitmachen und Leistungswillen zeigen? Oder auch: woher bezieht ihr eure Energie beim Job - oder haltet ihr das für normal - also - ich geb mich dafür her, dafür werd ich bezahlt? Seid ihr gar so gestrickt, dass das Motivieren der Unmotivierten/Frechen/Renitenten euch sogar Energie "gibt"?


    Oder - mal ganz böse - lasst ihr die Schwachen einfach links liegen und wenn sie euch dumm kommen, dann gibt es einen auf den Deckel?!


    Mal so ganz allgemein in die Runde geworfen - ich hoffe, ihr versteht, was ich meine - ansonsten versuche ich, das noch mal zu präzisieren!-


    Danke!


    Gerelila

  • mh. mir hilft es sehr, zwischen mir als person und meiner professionellen rolle strikt zu differenzieren. klar identifiziere ich mich mit meinem job und dieser rolle, aber es ist letztlich nur eine rolle. nicht mein ganzes ich, nicht mein ganzes leben, nicht kernpunkt meiner selbstbestätigung (wohl aber ein ganz, ganz wichtiger baustein in all diesen dingen). mir gibt es energie, leute zu motivieren und vor allem komplexes reduziert verständlich zu machen und auch den schwächeren was beizubringen, was die meisten für diese klientel als "zu hoch" betrachten würden. ich finde aber auch themen wie "utilitarismus" gar nicht trocken, sondern extrem spannend (ja, ich bin ein nerd. gern sogar.). das hilft in jedem fall, gelegentliche misserfolge oder nervende schülerverhaltensweisen professionell anzugehen und bei nicht-gelingen eben als nicht-gelingen abzuhaken. ich kann weder die welt retten, noch alle schüler über irgendwas positives/sinnvolles motivieren, noch das pferd zum saufen zwingen. ich kann das alles anbieten und wie ein guter coach im sport ab und an etwas mehr oder weniger deutlich druck machen auf der grundlage einer wertschätzenden beziehung zum schüler, aber das war's dann auch.


    (und die schlechten tage hat jeder. die tage, an denen man meint, das geht nicht mehr/alle doof/welt scheiße/ich scheiße/whatever. freunde, familie, tiere, sport, feiern, lektüre usw. helfen, wenigstens mir.)

  • Hey Kecks!


    Danke für Deinen Beitrag!


    Kannst Du das vielleicht noch mal etwas auseinanderklamüsern?



    "klar identifiziere ich mich mit meinem job und dieser rolle, aber es ist
    letztlich nur eine rolle. nicht mein ganzes ich, nicht mein ganzes
    leben, nicht kernpunkt meiner selbstbestätigung (wohl aber ein ganz,
    ganz wichtiger baustein in all diesen dingen)."



    Ich habe gerade irgendwie so das Gefühl, dass ich mich zu sehr mit meinem Job identifiziere, also zu viel Selbstwert daraus ziehe. (Oder zuwenig, je nachdem).


    Ehrliche Antwort auf keine gestellte Frage: Ich will, dass die Schüler mich mögen. :engel:
    Vielleicht ist das schon der falsche Ansatz ... ich weiß es nicht.



    --- Okay, es ist der falsche Ansatz. :ohh:


    Wird mir gerade so bewusst. Wisst ihr, ich unterrichte jetzt ja seit ca. 3 Jahren ... und ich habe viele Klassen bisher noch nicht wieder abgegeben, das heißt, auch weil wir ein recht kleines Gym sind, ich kenn die "Kleinen" jetzt schon ne ganze Weile und irgendwie ... ist mir in den letzten Wochen/Monaten vielleicht etwas Distanz verloren gegangen.
    Unbewusst.
    Jetzt gerade wird mir das klarer. --- *nachdenk*
    Auch eine interessante "Hürde" des Lehrerberufs. Wie geht man mit Schülern um, die man wirklich schon 3 (oder noch mehr Jahre) kennt? Wie behält man da professionelle Distanz?!

  • naja, es sind ja nicht deine kinder. klar magst du die (meisten) und die (meisten) mögen dich. wäre ja auch schlimm sonst auf dauer. aber das heißt doch nicht, dass du dich emotional von ihnen so sehr abhängig machen musst? das sind kinder, noch dazu deine schutzbefohlenen, nicht deine lebenspartner oder deine eigenen kinder (und selbst da sind, denke ich wenigstens, eltern, die ihre kinder als ihre 'freunde' betrachten für die betreffenden kinder nichts gutes). und mal ganz abgesehen davon - nur weil dich ein kind mal genervt anmault, weil es etwas machen soll, worauf es keine lust hat, mag es dich doch in keiner weise weniger! es äußert lediglich seinen unmut über eine arbeit, die es als nervig und sinnlos erlebt. vielleicht sogar im sinne von "sie mögen mich nicht" - ja mei. trotzdem verbindlich freundlich beziehung aufrechterhalten. es ist kind bzw. junger mensch mitten in einer evtl. schwierigen phase seiner emotionalen entwicklung... du bist reifer und erwachsener und weißt, dass unser sinn auf erden wohl kaum darin besteht, alle anderen um uns herum permanent happy zu machen.

  • Ich finde es völlig okay, zu wünschen, dass die Schüler einen mögen (besser: einem vertrauen). Das lässt sich auch durchaus erreichen, dazu braucht es aber keine 150% Unterricht und Riesenaußerunterrichtlichentrullalla, dazu braucht es eigentlich nur respektvollen Umgang, eine gewisse Autorität, etwas Humor, Stringenz und einen Unterricht, der organisiert, nachvollziehbar und transparent ist.


    Was den Unterricht angeht, wäge ich ab, ob ich derzeit gesundheitlich oder stresslevel(also korrekturen)mäßig in der Lage bin 100, 90 oder 120% zu geben. Sollte es mal richtig kacke laufen und ich a) halb krank und b) privat gestresst und c) beruflich extrem gefordert sein, dann sage ich das den Schülern auch einfach mal und die haben da aber sowas von Verständnis. Und dann wird auch mal 70% Unterricht gemacht. Dasselbe gestehe ich halbkranken und gestressten Schülern zu. So lange das temporär ist und ich dann auch mal wieder hoch drehen kann, ist das menschlich und völlig okay. Rumeiern und dämliche Ausreden sind halt konktraproduktiv. Genauso kontraproduktiv wie Daueranspruch auf 150%. Das finden übrigens auch die Schüler nicht so dolle. Die mögen von Menschen unterrichtet werden.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Ich gehöre auch ganz klar zu der Fraktion Lehrer, die gerne gemocht wird. Es erleichtert den Schulalltag meiner Meinung nach sehr, z.B. in Pausenaufsichten. Ich lege viel Wert auf Höflichkeit und Freundlichkeit und meist wird einem dann ebenfalls so begegnet.


    Ich kenne die Stunden auch, die einem quasi die Freude aussaugen. Meist sind das Stunden in Klassen, die ich nur 1x in der Woche habe und dann am besten noch in Kunst :tot: Furchtbar! Aber es gibt auch viele Stunden, auf die ich mich richtig freue und die mich mit positiver Energie versorgen (z.B. Schwimmunterricht, eine toll vorbereitete Deutschstunde..).


    Als Ausgleich habe ich inzwischen angefangen, mein Privatleben wieder mehr zu genießen. Es gibt keine Vorbereitung mehr bis 20 Uhr oder länger (wie früher). Alles was nicht geschafft wird, muss dann halt spontan gemacht werden. Dafür gehe ich nun mehrmals die Woche zum Sport, habe angefangen ein Instrument zu spielen und telefoniere/treffe mich auch in der Woche mit Freunden um zu quatschen und zu lachen. Dadurch bekomme ich wieder genug Energie.

  • Ich arbeite jetzt seit über 10 Jahren in dem Job, vorwiegend im Grundschulbereich - und ich kenne das Gefühl sehr gut, dass einen die Arbeit Energie kostet. Aus manchen Stunden/Klassen gehe ich raus und fühle mich wirklich körperlich erschöpft.


    Ich habe für mich herausgefunden, dass es die Stunden sind, in denen ich absolut GAR NICHT mal für 5 Minuten abgelenkt sein darf; Stunden, in denen ich permanent 100% präsent sein muss und meine Konzentration und Aufmerksamkeit extrem im "Alarmzustand" laufen.


    Ich versuche gegenzusteuern, indem ich diese Stunden seeeehr ausführlich vorbereite und den Kindern eine genaue, klare Richtschnur gebe. Das kann durchaus differenzierter Unterricht sein, aber jeder weiß dann zu jedem Zeitpunkt genau, was er zu machen hat. Natürlich bedeutet das wiederum viel Vorbereitungszeit... ich habe da auch noch keine Patentlösung gefunden.


    Meine Energie ziehe ich nur ganz selten aus der Schule. Manchmal hat man so Sternstunden, wo es allen (auch mir) richtig Spaß macht und das gibt einem dann viel zurück. Aber ansonsten lade ich meine Akkus in der Freizeit wieder auf - z.B. mache ich seit Jahren Yoga, das hilft mir sehr.


    Und ganz wichtig: Nichts persönlich nehmen! Klar ist es schön, wenn meine Schüler mich mögen...aber in erster Linie sollen sie bei mir etwas lernen. Dazu gehört leider manchmal, dass die Schüler mich eben nicht so super mögen. Aber es ist notwendig, z.B. einzelnen Kindern Grenzen aufzuzeigen, damit die Gesamtgruppe besser lernen kann.


    Ich wünsche dir viel Kraft und dass du einen guten Weg für dich findest!

  • *Jazzy*


    Genau, bei mir sind es die Ethikstunden, 1x Woche, große Lerngruppe, vollpubertär... :autsch:


    Melanie01


    Der Tip mit der intensiveren Planung ist gut. Ich werde mir den merken. Allerdings sind gerade Ethikstunden halt auch die, wo die Schüler selber denken sollen. Das tun sie aber leider nur äußerst ungern, - und insofern ist es gar nicht so einfach, da mit einer guten Planung entgegenzusteuern. Vor allem, wenn wichtige Erkenntnisse eigentlich in einem Unterrichtsgespräch rauskommen könnten, es aber nie klappt, weil ich vor lauter Ermahnungen gar nicht mehr dazu komme, den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten.
    Aber ich denke, ich werde das den lieben Kleinen einfach noch mal verdeutlichen. Irgendwie muss das doch gehen!



    Insgesamt bin ich gerade an dem Punkt, dass ich mir denke: Ich kann zufrieden sein, wenn die Schüler was bei mir lernen. Das ist ja schließlich meine Aufgabe, dafür werde ich bezahlt.
    Und als Bonus nehme ich es gerne an, wenn jemandem mein Unterricht gefällt. Aber ich werde versuchen, solche schlechten Äußerungen nicht mehr so stark auf mich zu beziehen. Recht habt ihr. Wer weiß schon, welche Laus den Schülern über die Leber gelaufen ist.


    Danke auch, dass ihr ebenfalls dazu steht, dass die Schüler euch mögen sollen. Ist ja irgendwie auch klar.
    Bei uns ist es so, dass gerade ein paar ältere, männliche(!) Kollegen einen richtigen, kleinen Schülerverehrerkreis um sich scharen. Das ist mir bisher noch nicht gelungen, aber ich bin ja auch noch recht neu.
    Hm. Trotzdem würd ich mir sowas wünschen, für die Zukunft.


    Na mal schauen.


    Mit ist außerdem wieder einmal bewusst geworden, dass der Lehrerberuf wirklich lebenslanges Lernen bedeutet. Eigentlich mag ich das auch an dem Job, dass nichts "geplant" stattfindet, weil immer was dazwischen kommen kann und weil man es immer wieder mit neuen Schülern zu tun hat. Manchmal ist das aber auch anstrengend und gerade zur Zeit (Erkältungswelle, von der ich auch arg geplagt bin), würde ich mir wünschen, mich einfach nur in einem Büro verkriechen zu können.


    Sei es drum, es ist ein guter Job und: es ist nur ein Job!


    Energie aus der Freizeit zu beziehen, da arbeite ich gerade dran. Oft bin ich aber einfach so kaputt und geschafft, dass ich gar nichts mehr machen mag als einfach nur zu schlafen oder faul auf der Couch zu liegen. Ich habe (noch) keine Kinder und frage mich ehrlich, wie Menschen das machen, die Kinder haben und nebenbei arbeiten gehen.


    Ich bin auch eher eine introvertierte Person, d.h. ich brauche überdurchschnittlich viel Zeit für mich alleine. Ich muss noch mal genauer hingucken, was mir eigentlich Energie gibt, also wirklich gute, langanhaltende Energie.
    Sport und so ist nicht verkehrt, aber es ist eher so eine + - Geschichte, vielleicht ein kleines +.


    Tja, was gibt mir Energie ... Hm ... mal gucken...



    Danke euch allen!

  • ich bin sehr gerne Lehrerin, und ich unterrichte seit Jahren nur Mittelstufe. Ich mag diese pubertären Kiddies! Mir ist eine alberne, mit pubertärem Gehabe beschäftigte Klasse lieber als die Klasse 10, die lethargisch und halbkomatös auf den stühlen abhängt.


    Allerdings habe ich nicht den Anspruch, dass ich jede Stunde jeden Schüler für mein Fach motivieren soll. Das kann m.M. auch gar nicht gehen. Ich biete ihnen (guten) abwechslungsreichen Unterricht, ich fordere von ihnen, sich vorzubereiten, Vokabeln zu lernen, Hausaufgaben zu machen, im Unterricht mitzumachen. Wer das dauerhaft verweigert, hat ein Problem. Aber nicht ich. Ich habe meinen Schulabschluss nämlich gemacht :D
    Das nehme ich nicht übel, aber die Schüler müssen mit den Konsequenzen leben.
    Das ist aber nichts, das mich persönlich betrifft. Ich kann da gut unterscheiden zwischen mir als Privatmensch und mir als Lehrer.


    trotzdem habe ich ein gutes Verhältnis zu meinen Schülern. Ich bemühe mich um Transparenz, um Wertschätzung, um Respekt, um Konsequenz und es wird auch oft gelacht im Unterricht. Übrigens auch über mich selbst, wenn mir im Eifer des Gefechts ein schülerzeitungswürdiger Versprecher rausrutscht.


    So kann ich gut leben, meist ohne mich zu stressen.
    Was mich stresst, sind diese von heute auf morgen angesetzten Zusatztermine von seiten der SL oder der MAV, wenn es etwas "Dringendes" zu besprechen gibt. Aber daran arbeiten wir ;)

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