Note aussetzen nur mit ärztl. Gutachten?

  • Hi liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich habe nun alle möglichen Gesetze und Verwaltungsvorschriften für Rheinland-Pfalz gewälzt und nirgends ist ein Beleg für die im Titel genannte Behauptung einer Kollegin zu finden. Habt ihr dazu eine Quelle?
    Klar ist, dass man bei einer diagnostizierten Teilleistungsstörung diesen Weg geht. Aber wie sieht es bei Kindern aus, die ganz offensichtlich eine NICHT diagnostizierte Teilleistungsstörung haben oder gar von ihren kognitiven Fähigkeiten so eingeschränkt sind, dass sie bei (von den Eltern abgelehnter) Überprüfung eigentlich an eine Förder-/Schwerpunktschule gehörten, wenn da nicht der Leitsatz der Inklusion wäre?


    Muss man beim Aussetzen einer Note immer ein ärztliches Attest/Gutachten als Grundlage angeben oder reicht der Verweis auf den Förderplan und die Angabe der pädagogischen Gründe für das Aussetzen?


    Viele Grüße!

  • Bei uns ist definitiv ein Gutachten für Teilleistungsstörungen erforderlich. Ohne Gutachten (oder ärztliche Bescheinigung) geht gar nichts. Wenn eine durch den Förderplan eine individuelle Bewertung vorgesehen ist, dann ist das Aussetzen von Bewertungen möglich. Dies muss aber in den Klassenkonferenzen beschlossen werden.

  • Hallo Naddel,


    mit Blick in die Broschüre Empfehlungen zur Kooperation von Jugendhilfe und Schule beim Umgang mit Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörungen (Rheinland-Pfalz) würde ich sagen: Nein, ärztliches Gutachten ist nicht erforderlich.


    (Wenn) die Notenaussetzung erfolgt, um dem Förderauftrag der Schule gerecht zu werden, so gilt das in der Broschüre im Abschnitt 3.3. / Seite 9/10 geschrieben: Der Förderauftrag besteht unabhängig von einer sonderpädagogischen Diagnostik.
    (Die Broschüre bezieht sich auf LRS und Diskalkulie, aber ich denke dieser Teil kann auch für andere Fächer verwendet werden.)


    Auf einem anderen Blatt steht, ob eine Notenaussetzung in einem solchen Fall eine geeignete Fördermaßnahme ist.


    Gruß
    Nitram

  • Danke für eure schnellen Rückmeldungen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass beim Einleiten des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (Förderschulische Überprüfung) die Eltern entscheiden dürfen, ob das Kind im Klassenverband verbleibt oder an eine Förderschule wechselt. In der Vergangenheit haben sich die Eltern meistens dazu entschieden, von ihrem Recht auf Inklusion Gebrauch zu machen und das Kind aus pädagogischen Gründen nicht aus dem gewohnten Umfeld zu nehmen. Mit dem kleinen Haken, dass dem Kind nun rechtlich keine weitere Förderung an der Regelschule mehr zuteilwerden darf. Man verliert also durch die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs in Verbindung mit dem Elternwunsch auf Verbleib an der Regelschule jegliche externe Fördermöglichkeit und sitzt nun ganz alleine da.

  • Muss man beim Aussetzen einer Note immer ein ärztliches Attest/Gutachten als Grundlage angeben oder reicht der Verweis auf den Förderplan und die Angabe der pädagogischen Gründe für das Aussetzen?

    Mein Stand der Dinge für NRW ist der, dass die Schulkonferenz beschließt, ob für das Aussetzen der Note ein ärztliches Gutachten vorliegen muss oder ob es ausreicht, wenn der Lehrer dies feststellt.


    Klar ist, dass man bei einer diagnostizierten Teilleistungsstörung diesen Weg geht. Aber wie sieht es bei Kindern aus, die ganz offensichtlich eine NICHT diagnostizierte Teilleistungsstörung haben oder gar von ihren kognitiven Fähigkeiten so eingeschränkt sind, dass sie bei (von den Eltern abgelehnter) Überprüfung eigentlich an eine Förder-/Schwerpunktschule gehörten, wenn da nicht der Leitsatz der Inklusion wäre?

    Wenn die Kinder von ihren kognitiven Fähigkeiten so eingeschränkt sind, könnt ihr doch ein Antrag auf Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs stellen. Und wenn nachher LE rauskommt, könnt ihr die Noten sowieso weglassen.

  • Mit dem kleinen Haken, dass dem Kind nun rechtlich keine weitere Förderung an der Regelschule mehr zuteilwerden darf. Man verliert also durch die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs in Verbindung mit dem Elternwunsch auf Verbleib an der Regelschule jegliche externe Fördermöglichkeit und sitzt nun ganz alleine da.

    Wie bitte????
    Das verstehe ich nicht. Kannst du das näher erläutern?


    edit: Meinst du, wenn das Kind als lernbehindert eingestuft wird, kann es an keiner LRS Förderung mehr teilnehmen oder wie ist das zu verstehen?

  • OK, offensichtlich läuft das in NRW etwas anders. Hier ist es so, dass rein aus pädagogischen Gründen die Note ausgesetzt werden kann und dazu meines Wissens nach kein Gutachten/Attest nötig ist.
    Sollte jedoch eine Förderschulüberprüfung stattfinden und die Eltern entscheiden sich dazu das Kind weiterhin an der Regelschule zu belassen, obwohl es an einer Förderschule besser beschult werden könnte, so erlischt jeglicher Anspruch auf Förderung an der Regelschule. Es wird beispielsweise keine einzige Stunde externer Förderung (z.B. durch die regelmäßig eingesetzte Förderkraft) mehr bewilligt mit dem Verweis auf den elterlichen Wunsch NICHT auf die Förderschule wechseln zu wollen.

  • Wenn die Kinder von ihren kognitiven Fähigkeiten so eingeschränkt sind, könnt ihr doch ein Antrag auf Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs stellen. Und wenn nachher LE rauskommt, könnt ihr die Noten sowieso weglassen.

    Ist (zumindest in NRW) seitens der Schule nur in Ausnahmefällen möglich:


    1. vermutetes zieldifferentes Lernen seitens der Schule, allerdings nur bis zum Ende des 1. Halbjahres der 3. Klasse.
    2. vermuteter Förderbedarf E-S: bei nachweislichem selbst- oder fremdgefährdenden Verhalten.


    In allen anderen Fällen können laut neuem Schulgesetz (in NRW) grundsätzlich nur noch Eltern den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zur Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfes stellen.

  • OK, offensichtlich läuft das in NRW etwas anders. Hier ist es so, dass rein aus pädagogischen Gründen die Note ausgesetzt werden kann und dazu meines Wissens nach kein Gutachten/Attest nötig ist.
    Sollte jedoch eine Förderschulüberprüfung stattfinden und die Eltern entscheiden sich dazu das Kind weiterhin an der Regelschule zu belassen, obwohl es an einer Förderschule besser beschult werden könnte, so erlischt jeglicher Anspruch auf Förderung an der Regelschule. Es wird beispielsweise keine einzige Stunde externer Förderung (z.B. durch die regelmäßig eingesetzte Förderkraft) mehr bewilligt mit dem Verweis auf den elterlichen Wunsch NICHT auf die Förderschule wechseln zu wollen.

    Wo steht das? Auf der letzten Orientierungskonferenz schien es nicht so, als gäbe es diese Regel.

  • In RLP ist es definitiv so, sagt dir jeder Förderlehrer und auch jeder Leiter einer Förderschule. Die überprüften Kinder, die NICHT an eine Förderschule gehen, werden an der Regelschule von den Förderlehrern mit Verweis auf dieses Gesetz/diese VV nicht mehr angefasst.


    Aktuell ist das aber in RLP eh nicht mehr kritisch, da es gar keine Förderlehrer mehr an Regelschulen gibt. Die Förderschulen sind jetzt reine Beratungszentren und schicken keine Kräfte mehr zum externen Fördern raus.

  • Naddel, ich bin fassungslos. Wenn das Wahlrecht für die Eltern besteht, darf doch dadurch nicht der Förderbedarf erlöschen. Wenn sie die Regelschule wählen, ist das Kind nicht mehr bedürftig? Hammer!

  • Hier gibt's noch weitaus kuriosere Regelungen. Aktuelles Beispiel: Bei unserer zweizügigen Schule werden aller Voraussicht nach demnächst zwei Kinder umziehen in eine andere Stadt. Da die Klassenmesszahl dann unter die 24 rutscht (a+b-Klasse), bleibt der SL keine andere Wahl als die Klassen zusammenzulegen und einen Beamten abordnen zu lassen. Anstatt hier eine stufenlose Stundenzuweisung im Gliederungsplan vorzusehen, sagt das System ganz strikt: Bei 24 Kindern werden der Schule 18 Sockelbasisstunden weggenommen. Basta!


    Das schon zum Halbjahr zu wissen, nimmt einem viel der vorher noch vorhandenen Arbeitsfreude (und Lebensqualität). :(

  • Ist (zumindest in NRW) seitens der Schule nur in Ausnahmefällen möglich:
    1. vermutetes zieldifferentes Lernen seitens der Schule, allerdings nur bis zum Ende des 1. Halbjahres der 3. Klasse.
    2. vermuteter Förderbedarf E-S: bei nachweislichem selbst- oder fremdgefährdenden Verhalten.


    In allen anderen Fällen können laut neuem Schulgesetz (in NRW) grundsätzlich nur noch Eltern den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zur Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfes stellen.


    Wo steht denn, dass das nur bis zum Ende des 1. HJ Kl. 3 geht?


    Bei ES ist die Sache klar. Da darf die Schule auch gegen den Willen der Eltern den Antrag stellen, wenn Selbst- oder Fremdgefährdung besteht.
    Und das jederzeit und in jedem Schuljahr.


    Was LE angeht:
    Meines Wissens darf bis zur 6. Klasse (!) entschieden werden, ob ein Kind zieldifferent beschult werden muss bzw. bis dahin dürfen Anträge auf LE gestellt werden.
    Und diesen Antrag kann natürlich auch die Schule stellen, nämlich dann, wenn das Kind die Klasse nicht wiederholen kann, weil es zum Beispiel dann 6 Jahre an der Grundschule verbleiben müsste. Sprich, wenn das Kind die Lernziele nicht erreichen wird und die Klasse nicht schafft, darf / muss die Schule den Antrag stellen.

  • Was LE angeht:
    Meines Wissens darf bis zur 6. Klasse (!) entschieden werden, ob ein Kind zieldifferent beschult werden muss bzw. bis dahin dürfen Anträge auf LE gestellt werden.

    Genau. Hier haben wir jetzt noch Anträge für 6.-Klässler gestellt. Letztmöglicher Termin war bei uns der 31.1. Wenn die Eltern den Antrag nicht stellen, sondern die Schule gegen den Willen der Eltern den Antrag auf LE stellt, werden hier in der Praxis aber alle Anträge abgewiesen. Es kommt dann erst gar nicht zum AO-SF.



    Man verliert also durch die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs in Verbindung mit dem Elternwunsch auf Verbleib an der Regelschule jegliche externe Fördermöglichkeit und sitzt nun ganz alleine da.

    Von schulischer Seite her ist das in NRW zwar anders, da steht den Schüler(innne)n Förderung durch Förderschullehrer zu und ggf. zieldifferente Förderung oder auch ein Nachteilsausgleich. Zeugnisse ohne Ziffernnoten sind bei LE die Regel. Aber: Ein Kind bei dem Förderbedarf LE diagnostiziert wurde, bekommt vom Jugendamt keine externe Förderung bei Legasthenie oder Dyskalkulie mehr bezahlt! Nach deren Auslegung kann ein Lernbehinderter weder Legasthenie noch Dyskalkulie haben, denn für Legasthenie und Dyskalkulie muss eine normale Intelligenz vorliegen, die in Diskrepanz zur Leistung im Lesen und Schreiben bzw. Rechnen steht. Da lernbehinderte ja einen niedrigeren IQ attestiert bekommen haben, können sie nach der Definition des Jugendamtes weder Legasthenie noch Dyskalkulie haben. Obwohl die Schüler/innen hier Förderbedarf hätten, bekommen sie sie nicht. So spart man zumindest erstmal eine Menge Geld :(

  • Genau. Hier haben wir jetzt noch Anträge für 6.-Klässler gestellt. Letztmöglicher Termin war bei uns der 31.1. Wenn die Eltern den Antrag nicht stellen, sondern die Schule gegen den Willen der Eltern den Antrag auf LE stellt, werden hier in der Praxis aber alle Anträge abgewiesen. Es kommt dann erst gar nicht zum AO-SF.

    Das darf ja wohl nicht wahr sein! Traut das Schulamt den Lehrern nicht zu, dass sie die Situation richtig einschätzen oder haben sie Angst vor Klagen der Eltern? Wahrscheinlich letzteres.
    Klar, man muss belegen, dass alle Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind, aber dass alle Schulanträge auf LE in solchen Fällen abgelehnt werden, ist ja wirklich unmöglich!
    Dann könnt ihr euch die Arbeit ja gleich sparen.

  • Hallo :)
    Was mich an der ganzen Thematik auch interessieren würde: Wie sieht es eigentlich mit den Flüchtlingskindern aus? Dürfen deren Noten aus ausgesetzt werden? Ich komme aus RLP, habe seit drei Wochen ein Flüchtlingskind und werde kommende Woche einen Mathe-Test zum halbschriftlichen Multiplizieren und Addition/Subtraktion im ZR bis 1000 schreiben. Letzteres habe ich sehen können, kann das Kind sehr gut, aber Multiplikation kann das Kind gar nicht, genau wie auch Textaufgaben (logischerweise). Nun habe ich bereits eine differenzierte Arbeit vorbereitet - allerdings darf ich nur auf die Textaufgaben verzichten (aufgrund mangelnder Deutsch-Kenntnisse), die Multiplikations-Aufgaben müssen drin bleiben. Diese machen den Großteil der Arbeit aus, sodass ich jetzt schon voraussehen kann, dass die ganze Arbeit bei dem Kind in die Hose gehen wird - zumal sich das Kind in solchen Situationen auch selbst nervlich so stresst, dass es mit Sicherheit wieder anfängt zu weinen und kaum zum Arbeiten kommt (es wird wohl sehr unter Druck gesetzt, dass es möglichst schnell gute Noten erhalten soll) Das arme Kind tut mir wirklich leid, am liebsten würde ich es gar icht mitschreiben lassen... Das darf ich aber nicht laut Aussage meines Rektors. Das Kind muss mitschreiben.


    Darf ich denn auch in einem solchen Fall die Note aus pädagogischen Gründen aussetzen?

  • Natürlich muss das Kind nicht mitschreiben und es muss auch keine Noten bekommen.


    Ich weiß gerade nicht, über welchen Zeitraum das gilt, aber Flüchtlingskinder bekommen keine Noten. Wobei man sicher, wenn es die Leistungen hergeben, Noten drunter schreiben könnte. Auch im Zeugnis könnte man ja zum Beispiel Noten für Sport, Kunst etc. hinschreiben. Muss man aber nicht, dann gibt es einen Entwicklungsbericht.

  • Sehe ich genauso, nach drei Wochen im deutschen Schulsystem schon Noten?! Das würden wir mit einem zugezogenen Kind aus einem anderen BL, wo wir nicht genau wissen, ob es den Stoff bereits hatte, auch nicht machen ... Was ist das denn für eine Anweisung?

Werbung