Lesen durch Schreiben

  • Es geht ja nur darum Wörter, die faktisch falsch geschrieben sind, zu korrigieren und mit dem Kind die richtige Schreibweise dieser speziellen Wörter zu üben.
    Wenn es um lautgetreues Schreiben geht, dann doch bitteschön in LAUTschrift, denn dafür ist die ja nunmal da. In "richtiger" Schriftsprache ist und bleibt nunmal vieles faktisch falsch, das kann man drehen und wenden wie man will.


    Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass sich Fehler auch schnell fossilisieren können, finde ich es extrem bedenklich, nicht sofort zu korrigieren.

  • Tja, warum sagt die Logopädin meiner 4-Jährigen Tochter, dass ich keinesfalls korrigieren soll. Keinesfalls soll ich sagen "Das heißt nicht Bluder, sondern Bruder. Oder du sprichst das falsch. Sprich es bitte 15 mal." Die Gefahr, dass ein Kind in Mutismus übergeht ist sehr groß. Das "Sch" muss sie zum Beispiel auch noch gar nicht können. Da trainieren wir also im Moment auch nicht dran rum.


    Ähnlich ist es mit dem Schriftspracherwerb.


    Finchen: Mich juckt es in den Fingern, die besagte Schule anzuschreiben. Als meine Tocher eingeschult wurde, behaupteten ein paar Mütter steif und fest, der Klassenlehrer hätte im letzten Jahrgang Lesen durch Schreiben praktiziert. Ich habe ihn darauf angesprochen und natürlich war das alles Quatsch. Er hat Schreiben nach Gehör mit sanftem Einschleichen von Rechtschreibstrategien praktiziert. Genau wie es richtig ist und natürlich wird auch korrigiert. Warum du partout nicht von Erwachsenenschrift sprechen möchtest kapier ich nicht. Ist das wirklich so wichtig zu sagen "Du hast das FALSCH geschrieben?" Wenn du wirklich Kinder hast, die bald eingeschult werden, solltest du wissen, dass das für ein Kind einfach ein Schlag ins Gesicht ist. Dieses Kind hat schon viel richtig geschrieben und das ist toll! Und Erwachsene kennen nun einfach noch ein paar Regeln und daher Erwachsenenschrift. Grundschüler die gerade aus dem Kindergarten sind keine Sek1-Kinder. Das sollte man als Mutter eigenlich wissen.


    Übrigens sind die Kinder, auch in der Sek 1, nicht nur in Rechtschreibung heute viel schlechter, sondern auch in Mathe, Sport, Sprachen und und und. ;)

  • Es geht ja nur darum Wörter, die faktisch falsch geschrieben sind, zu korrigieren und mit dem Kind die richtige Schreibweise dieser speziellen Wörter zu üben.
    Wenn es um lautgetreues Schreiben geht, dann doch bitteschön in LAUTschrift, denn dafür ist die ja nunmal da. In "richtiger" Schriftsprache ist und bleibt nunmal vieles faktisch falsch, das kann man drehen und wenden wie man will.


    Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass sich Fehler auch schnell fossilisieren können, finde ich es extrem bedenklich, nicht sofort zu korrigieren.

    maylin, wieso bitte sehr fossiliert sich dann nicht auch die richtige Schreibung genau so schnell?


    Ich arbeite nicht nach der o.g. Methode, aber das, was du schreibst ist lernpsychologisch eher bedenklich. Und zwischen dem Korrigieren und dem anderen beschriebenen Korrigieren scheinen ja Welten zu liegen. Hast du mal auf dem Schirm, wie viele Wörter unsere deutsche Sprache enthält und wie viele einzelne Wörter das Kind sich über diese "Memoriertechnik" einprägen muss. Klappt niemals, da bin ich sicher. Und das Kind wird das Schreiben hassen.

    Einmal editiert, zuletzt von cubanita1 ()

  • (Guter) Rechtschreibunterricht möchte die Kinder ja nicht durch das sture Auswendiglernen zu guten Rechtschreibern machen, sondern durch den Aufbau von Rechtschreibverständnis bzw. Rechtschreibgespür. Beispiel hierfür wären z.B. die Beachtung der Vokallänge oder die Ausnutzung des morphologischen Prinzips. Das kann/sollte ich natürlich an den Fehlern der Kinder deutlich machen, sollte dabei aber auch den Entwicklungsstufen beachten. Kinder, die gerade erst dabei sind das alphabetische Prinzip zu festigen, werden mit Hinweisen zu "höherwertigen" Strategien wenig anfangen können. Und Kinder, die sich gerade auf dem Weg zu "lautgetreuen Schreibern" machen, haben als Maßstab eben nicht die "richtige Schriftsprache", sondern eine lautgetreue Wiedergabe des Gehörten bzw. Gesprochenen. Und dann ist da auch u.U. gar nicht mehr so viel falsch.

  • Mir persönlich erschließt sich auch nicht, wieso man "Erwachsenenschrift" statt schlicht und einfach falsch sagen soll. Man muss das ja nicht anklagend oder vorwurfsvoll oder abwertend tun, aber es ist doch okay, auch einem Kind bereits ein ehrliches Feedback zu geben. Natürlich können Kinder gar nicht direkt alles richtig schreiben und machen Fehler, das ist ja völlig normal, aber genau das kann man doch auch so sagen. Und dann direkt zeigen, wie es richtig geht, und Problemwörter üben usw.

    ich hab lange überlegt, ob ich das jetzt schreiben soll, aber ich hab immer wieder das Bild im Kopf eines Erstklässlers, der gerade oberstolz auf einem Zettel stehen hat:
    isch ap dis lip, mama ... Dann wird ehrliches Feedback erfolgen. "Das ist ja schön, mein Kind, aber Ich wird am Satzanfang groß und mit ch geschrieben und hab, da hört man doch ein h und am Ende hört man zwar ein p aber man schreibt ein b und dich hat auch ein ch und bei lieb ist da ein ganz langes i und dann hörst du ein p aber schreibst ein b ... Und Mama wird groß ... Toller Satz, mein Kind, aber alles falsch. Und nun 15 mal korrekt... Das Kind wird weder diesen noch irgendeinen anderen Zettel jemals wieder freiwillig schreiben.
    Aber gut, jeder wie er meint.

  • Ich kann nur aus der Sicht einer Zweitklässler-Tante berichten: Mein Neffe hat in der ersten Klasse aus "Erwachsenensicht" total "falsche" Texte geschrieben, aber er HAT geschrieben - und zwar mehr als ich damals mit "Ui, Uli hui!" - und er hat auch recht gerne geschrieben. Er hat meine Schwester irgendwann dann gebeten, zu "korrigieren" und sie hat es moderat gemacht bei den Wörtern, wo sie eine Regel präsentieren konnte, die ein Erstklässler versteht. Ich war manchmal etwas unsicher, ob das so ok ist mit den vielen "Fehlern", aber die Fachleute haben mein Tantenherz beruhigt :) Inzwischen schreibt er immer noch recht gerne und auch schon besser. Was daraus wird, wird man sehen. Er lernt jedenfalls seit der ersten Klasse auch Regeln. Er ist nicht allein im großen Buchstabendschungel und das wird wohl bei allen Schülern so sein.


  • Finchen: Mich juckt es in den Fingern, die besagte Schule anzuschreiben. Als meine Tocher eingeschult wurde, behaupteten ein paar Mütter steif und fest, der Klassenlehrer hätte im letzten Jahrgang Lesen durch Schreiben praktiziert. Ich habe ihn darauf angesprochen und natürlich war das alles Quatsch. Er hat Schreiben nach Gehör mit sanftem Einschleichen von Rechtschreibstrategien praktiziert. Genau wie es richtig ist und natürlich wird auch korrigiert. Warum du partout nicht von Erwachsenenschrift sprechen möchtest kapier ich nicht. Ist das wirklich so wichtig zu sagen "Du hast das FALSCH geschrieben?" Wenn du wirklich Kinder hast, die bald eingeschult werden, solltest du wissen, dass das für ein Kind einfach ein Schlag ins Gesicht ist. Dieses Kind hat schon viel richtig geschrieben und das ist toll! Und Erwachsene kennen nun einfach noch ein paar Regeln und daher Erwachsenenschrift. Grundschüler die gerade aus dem Kindergarten sind keine Sek1-Kinder. Das sollte man als Mutter eigenlich wissen.

    Sag mal, wer hat dich eigfentlich gebissen? Anscheinend kannst du nicht richtig lesen. Wo bitte habe ich geschrieben, dass ich irgendwas rot anstreichen will? Wo schreibve ich, dass ich meinem Kind sagen will: "Du hast das FALSCH geschrieben"?


    Woher willst du wissen, um welche Schule es geht und ob die Eltern Recht haben mit dem, was sie berichten?


    Sachliche Argumentation sieht anders aus :autsch:


    Danke an alle, die hier sachliche Argumente (dafür und dagegen) anführen und aus ihrer Erfahrung berichten!

  • Wo habe ich? denn was von rot anstreichen geschrieben? Zugeben muss ich, dass ich auf dem Handy das Zitat verwechselt habe. Es war Maylin, die nicht von Erwachsenenschrift sprechen möchte. Sorry.


    Zu allem anderen:


    Ich habe geschrieben, dass ich die zukünftige Schule gerne anschreiben würde, weil du behauptest, da würde man Lesen durch Schreiben praktizieren, bzw, falsches grundsätzlich nicht korrigieren. Wie viele hier, kenne ich keine einzige Schule, die das tut. Warum also wird es immer wieder behauptet? Weil man die Methoden nicht auseinander halten kann?


    Und als Nächstes habe ich von der Schule meiner Tochter berichtet, in der Ähnliches behauptet wurde. Als ich es ansprach, stellte es sich als haltlos heraus und das vermute ich auch in deinem Fall, sorry.


    Zitat

    Als Deutschlehrerin in der Sek. 1 erlebe ich nur Nachteile. Die SuS dürfen zwei, drei Jahre ohne jegliche Korrektur schreiben wie sie möchten. Sie dann in höheren Klassen wieder umzupolen und ihnen statt der antrainierten chaotischen Rechtschreibung die richtigen Schreibweisen beizubringen, ist zumindest bei schwächeren SuS aussichtslos.
    Auch eine Kollegin am Gymnasium schüttelt nur noch den Kopf über die Rechtschreibleistungen ihrer Unterstufenschüler. Selbst die leistungsstärkeren SuS scheinen nicht von dieser Methode zu profitieren. Warum halten dann immernoch so viele Schulen daran fest?


    Um es nochmal festzuhalten. Ich kenne keine einzige Schule (und auch ich betreute schon zahlreiche Referendare und bin in Hamburg und Niedersachsen schon viel rumgekommen) in der Kinder ohne jegliche Korrektur 2-3 Jahre schreiben dürfen wie sie möchten. Ich kenne auch keine antrainierte chaotische Rechtschreibung, die den Kindern beigebracht wird. Das sind Behauptungen, die einfach nerven. Auch wir bekommen Kinder in die Schule in Klasse 1, denen wichtige Kernkpmpetenzen fehlen, die die Kinder vor 10-20 Jahren noch hatten. Auch wir haben zu kämpfen. Einfach mal drüber nachdenken, dass es nicht nur an den blöden Grundschullehrerin liegen muss.

  • ich hab lange überlegt, ob ich das jetzt schreiben soll, aber ich hab immer wieder das Bild im Kopf eines Erstklässlers, der gerade oberstolz auf einem Zettel stehen hat:isch ap dis lip, mama ... Dann wird ehrliches Feedback erfolgen. "Das ist ja schön, mein Kind, aber Ich wird am Satzanfang groß und mit ch geschrieben und hab, da hört man doch ein h und am Ende hört man zwar ein p aber man schreibt ein b und dich hat auch ein ch und bei lieb ist da ein ganz langes i und dann hörst du ein p aber schreibst ein b ... Und Mama wird groß ... Toller Satz, mein Kind, aber alles falsch. Und nun 15 mal korrekt... Das Kind wird weder diesen noch irgendeinen anderen Zettel jemals wieder freiwillig schreiben.
    Aber gut, jeder wie er meint.

    Ich weiß gar nicht, was so toll daran sein soll, wenn Kinder überhaupt falsche Briefchen nach Hause schleppen. Vielleicht bin ich da auch etwas unemotional, aber ich hätte in so einem Fall glaube ich doch arge Probleme, mich aufrichtig darüber zu freuen.


    Mir ist schon klar, dass Rechtschreibstrategien erst erlernt werden müssen und das auch wichtig ist und man nicht den gesamten deutschen Wortschatz auswendig aus dem Duden lernen kann und soll usw. Aber Wörter, die häufig verwendet werden, kann man doch schon möglichst früh richtigstellen und so lernen lassen, bevor sie sich so festsetzen.


    Die Frage, wieso sich die richtige Schreibweise nicht genauso fossilisiert, verstehe ich ehrlich gesagt nicht so richtig. Das tut sie doch. Man fängt doch nicht plötzlich an Fehler zu machen, nachdem man etwas schon xmal richtig geschrieben hat. Jedenfalls ist das sicherlich nicht der Regelfall. Deswegen ärgert mich ja so, dass man zulässt, dass ein Konzept erst einmal mit einer lautgetreuen Schreibweise verknüpft wird und sich so im Kopf festsetzen kann, bevor man es dann später mühsam wieder umlernen muss.


    Ich kenne die Studienlage und die angeblichen Vorzüge dieser Methode, aber ich sehe auch meinen Neffen, der jetzt immer noch Wörter gruselig schreibt, die noch nichtmals sonderlich exotisch sind, sondern sogar recht oft Verwendung finden. Einfach, weil die sich ihm anscheinend so ins Hirn gebrannt haben und auch in Klasse 3 und 4 nicht mehr umzulernen waren. Und im Freudeskreis sieht man ähnliches. Mir ist klar, dass das weit entfernt von einer wissenschaftlich aussagekräftigen und repräsentativen Beobachtung ist, aber es ist doch zumindest verständlich, dass Eltern angesichts dieser Erfahrungen versuchen, irgendwie gegenzusteuern und selbst bei ihren Kindern nachzujustieren.

  • ich habe einmal eine schwarze katze gesehen. danach wurde ich von einem auto angefahren. im bekanntenkreis ist das auch zwei leuten passiert. ich weiß zwar, dass die konstruktion einer kausalen relation aus diesen ereignisabfolgen wissenschaftlich unhaltbar ist, aber trotdzem ist doch wohl offensichtlich, dass schwarze katzen unglück bringen. man sollte jede schwarze katze verjagen oder gleich töten, wenn man sie sieht. ich weiß nicht, was an schwarzen katzen so toll sein soll. vielleicht bin ich da auch zu unemotional.


    sorry, aber das ist doch gruselig. und nichts für ungut ;).

  • Zitat von Maylin85

    Vielleicht bin ich da auch etwas unemotional, aber ich hätte in so einem Fall glaube ich doch arge Probleme, mich aufrichtig darüber zu freuen.

    Und du freust dich wohl auch nicht, wenn dein Kleinkind dich freudestrahlen anschaut und "Ham Nane!" ruft.
    Sagst du dann "Wenn mein Kind nicht richtig "Ich habe Hunger auf eine Banane!" sagt, freue ich mich nicht über diese ersten Worte.


    Normalerweise freut sich doch dann jedes Elternteil (es gibt sogar welche, die jedes dieser Worte aufschreibt) und antwortet dann vielleicht "Ach, du hast Hunger auf eine Banane ? Hier hast du eine Banane!", und freut sich immer noch, wenn das Kind beim nächsten Mal wieder "Ham Nane!" sagt.


    Schriftspracherwerb ist ähnlich.

  • Erinnerung an meine eigene Schulzeit: als wir in der ersten Klasse das "S" gelernt haben, habe ich ganz stolz unter die Hausaufgabe geschrieben: "Laterne, Laterne, Sone Mond und Sterne". Am nächsten Tag hatte die Lehrerin das Wort "Sone" verbessert und ich musste den Satz dreimal richtig auf den Block schreiben. Was ich daraus gelernt habe? Dass die Lehrerin blöd ist und dass ich mit Sicherheit nicht nochmal irgendwas extra schreibe.
    Rechtschreiben kann ich heute. Ich glaube aber nicht, dass es daran lag, dass die Lehrerin meinen Text damals verbessert hat...

  • Grundsätzlich muss man wohl zur Kenntnis nehmen, dass die Rechtschreibleistungen insgesamt schlechter geworden sind, auch bei Erwachsenen. Woran das aber nun liegt, ist nur schwer feststellbar, geschweige denn wissenschaftlich erforschbar, ohne dass die jeweiligen Strömungen Erfolge für die eigene Methode für sich verbuchen.
    Kinder lassen sich eben nur kaum von ihrem Umfeld so abschirmen, dass zweifelsfrei belegt werden kann, dass Erfolge oder Misserfolge nur einen Grund haben. Das macht die ernsthafte Auseinandersetzung in diesem Bereich nicht leichter. Man sieht auch an diesem Diskussionsverlauf, dass Erkenntnisse genauso gut auf Beobachtungen von Einzelfällen wie auch auf Unterrichtserfahrung beruhen und dass beide Bereiche gleichberechtigt nebeneinanderstehen.


    Zur Methode Lesen durch Schreiben, bzw. Schreiben nach Gehör


    Ich kenne ebenfalls kaum (noch) eine Grundschule in meinem Bezirk, die diesen Ansatz in Reinform umsetzt, ein Schreiben ohne jede Fehlerkorrektur und Erarbeitung von Regeln ist mir nicht bekannt. Gerade bei dieser Methode ist es m.E. nach unerlässlich, darauf hinzuweisen, dass es eben keine eindeutige Laut-Buchstaben-Beziehung gibt und daher viele Schreibweisen existieren, die vom lauttreuen Schreiben abweichen. Darum geht es aber im frühen Stadium des Schreiben Lernens nicht. Kinder müssen erst die grundsätzliche Erkenntnis gewinnen, dass Laute durch Buchstaben dargestelltwerden können. Dies ist dabei ein aktiver Prozess und gerade die Motivation derKinder spielt bei dem Prozess eine große Rolle.


    Es gibt auch andere Methoden für das Erstlesen und-schreiben, die mittlerweile verstärkt angewandt werden oder die miteinander verbunden werden. Aber auf ein fehlerfreies Schreiben wird in keiner dabei eingegangen, da Fehler zum Lernprozess dazugehören. Ich habe durch verschiedene Schulwechsel mit verschiedenen Methoden gearbeitet und ziehe mein persönliches Fazit: Jede Methode produziert gute, aber auch schlechte Rechtschreiber, denn die Ursachen für die nachlassenden Leistungen liegen m. E. woanders.


    Die Gewichtung der Rechtschreibung hat sich verschoben. Der Anteil an der Gesamtnote Deutsch beträgt bei uns an der Schule noch 20 Prozent.Gesunken ist aber auch der Anteil der Schreibtätigkeiten von Schülern in der Schule. Wo ich noch seitenweise abschreiben musste, weil es zu meiner Schulzeit nur selten Abzüge und Kopien gab, müssen heute häufig nur noch Lückentexte o.ä.ausgefüllt werden. Immer häufiger bekomme ich auch von meinen Schülern zuhören, dass die richtige Schreibweise der Computer und das Textverarbeitungsprogramm schon finden wird. Auch der Wandel von Schriftsprache in der Kommunikation per Handy, Email oder in Foren trägt zu dieser Entwicklung bei.


    Ich möchte das alles nicht werten, es handelt sich u.a. um Entwicklungen, die ich in meiner täglichen Arbeit berücksichtigen muss. Aber ich wehre mich doch sehr dagegen, dass es nur diese eine Ursache geben soll, warum für immer mehr Kinder die Rechtschreibung besonders schwierig zu lernen ist.

  • ich habe einmal eine schwarze katze gesehen. danach wurde ich von einem auto angefahren. im bekanntenkreis ist das auch zwei leuten passiert. ich weiß zwar, dass die konstruktion einer kausalen relation aus diesen ereignisabfolgen wissenschaftlich unhaltbar ist, aber trotdzem ist doch wohl offensichtlich, dass schwarze katzen unglück bringen. man sollte jede schwarze katze verjagen oder gleich töten, wenn man sie sieht. ich weiß nicht, was an schwarzen katzen so toll sein soll. vielleicht bin ich da auch zu unemotional.


    sorry, aber das ist doch gruselig. und nichts für ungut ;).

    Zumindest wirst du nach diesen Erfahrungen schwarzen Katze unwillkürlich erstmal mit etwas Zurückhaltung und Skepsis begegnen ;)



    @Feliz
    Mündlicher und schriflicher Spracherwerb sind doch gar nicht so wirklich vergleichbar.



    Wie auch immer, ich stelle fest: es gibt scheinbar gute Gründe, mit dieser Methode zu arbeiten, warum die Rechtschreibleistungen so massiv nachlassen, lässt sich nicht ursächlich feststellen, und damit muss man dann eben so leben. Hm.

  • Eine Methode gibt es. IntraAct. Ich mag sie gar nicht. In meiner alten Schule wurde sie erst nur für Förderschüler angewendet, da macht sie für mich auch Sinn.


    Dann wurde sie flächendeckend für alle eingeführt. Freies Schreiben absolut verboten. Seitenweises lesen von "b,b,b,b,b, rotes Feld zum neutralisieren, d,d,d und so weiter."


    Später kommen Buchstabenverbindungen, dann Wörter die abgeschrieben werden.


    Hier werden keine falschen Wörter produziert. Die Methode ist aber absolut langweilig für die Kinder und auch für die Lehrkraft. Für mich war das nichts.


    http://www.sueddeutsche.de/kar…er-fruehen-jahre-1.394639


    LG Anja

  • Eine Methode gibt es. IntraAct. Ich mag sie gar nicht. In meiner alten Schule wurde sie erst nur für Förderschüler angewendet, da macht sie für mich auch Sinn.


    Warum denkst du, sie mache für Förderschüler Sinn?


    Gerade diese Schüler brauchen doch oft früh eine Motivation, um überhaupt zu sehen, warum sie lesen und schreiben lernen sollen.


    Mit dem reinen Lesen von Silben kommt man da nicht weit.


    Also Ergänzung mögen solche Aufgabenformate (kenne Intra Act jetzt nicht im Detail) sinnvoll sein, aber als alleinige Methode bitte auch für Förderschüler nicht.


    Edit: Ich sehe gerade, dass in dem von dir verlinkten Artikel sich ausgerechnet die Rektorin einer Sprachheilschule befürwortend äußert.

  • Hallo nochmal,


    das habe ich wohl missverständlich ausgedrückt.
    Bei uns machen Kinder das Intra-Act Programm die im normalen Deutschunterricht gar nicht mitkommen. Ich meine also unsere Kinder, die Förderunterricht bekommen.


    Und hierbei auch nur die ganz schweren Fälle, die große Schwierigkeiten beim Leselernprozess haben. In meiner jetzigen Klasse haben 3 Kinder so relativ schnell das Prinzip des Lesens erlernt. Den normalen Deutschunterricht machen sie natürlich auch noch mit.


    LG Anja

  • Ich weiß gar nicht, was so toll daran sein soll, wenn Kinder überhaupt falsche Briefchen nach Hause schleppen. Vielleicht bin ich da auch etwas unemotional, aber ich hätte in so einem Fall glaube ich doch arge Probleme, mich aufrichtig darüber zu freuen.
    Mir ist schon klar, dass Rechtschreibstrategien erst erlernt werden müssen und das auch wichtig ist und man nicht den gesamten deutschen Wortschatz auswendig aus dem Duden lernen kann und soll usw. Aber Wörter, die häufig verwendet werden, kann man doch schon möglichst früh richtigstellen und so lernen lassen, bevor sie sich so festsetzen.


    Die Frage, wieso sich die richtige Schreibweise nicht genauso fossilisiert, verstehe ich ehrlich gesagt nicht so richtig. Das tut sie doch. Man fängt doch nicht plötzlich an Fehler zu machen, nachdem man etwas schon xmal richtig geschrieben hat. Jedenfalls ist das sicherlich nicht der Regelfall. Deswegen ärgert mich ja so, dass man zulässt, dass ein Konzept erst einmal mit einer lautgetreuen Schreibweise verknüpft wird und sich so im Kopf festsetzen kann, bevor man es dann später mühsam wieder umlernen muss.


    Ich kenne die Studienlage und die angeblichen Vorzüge dieser Methode, aber ich sehe auch meinen Neffen, der jetzt immer noch Wörter gruselig schreibt, die noch nichtmals sonderlich exotisch sind, sondern sogar recht oft Verwendung finden. Einfach, weil die sich ihm anscheinend so ins Hirn gebrannt haben und auch in Klasse 3 und 4 nicht mehr umzulernen waren. Und im Freudeskreis sieht man ähnliches. Mir ist klar, dass das weit entfernt von einer wissenschaftlich aussagekräftigen und repräsentativen Beobachtung ist, aber es ist doch zumindest verständlich, dass Eltern angesichts dieser Erfahrungen versuchen, irgendwie gegenzusteuern und selbst bei ihren Kindern nachzujustieren.

    Ich geb es auf, ich hatte auch so Bilder im Kopf wie krabbelndes Kind, dem dann erklärt wird, dass das aber nicht richtiges Laufen ist ... oder Fahrradfahren, Autofahren etc. ... alles LERNPROZESSE, die schrittweise ausgebaut werden. Aber nun ist genug, Rechtschreibung läuft eben in deinen Augen anders. Da geht gleich alles auf einmal.
    Das finde ich schon mehr als unemotional!

  • ... aber ich sehe auch meinen Neffen, der jetzt immer noch Wörter gruselig schreibt, die noch nichtmals sonderlich exotisch sind, sondern sogar recht oft Verwendung finden. Einfach, weil die sich ihm anscheinend so ins Hirn gebrannt haben und auch in Klasse 3 und 4 nicht mehr umzulernen waren...

    Oder weil es einfach auch Kinder gibt, die rechtschreibschwach sind, egal mit welcher Methode sie lernen.

  • Oder weil es einfach auch Kinder gibt, die rechtschreibschwach sind, egal mit welcher Methode sie lernen.

    Das ist in der Regel schwer zu akzeptieren, wenn es das eigene Kind oder ein verwandtes Kind betrifft. Dann muss in jedem Fall irgendeine Methode Schuld haben. ;) Ich weiss, das war jetzt etwas plakativ ausgedrückt.


    Ich will mich an dieser stelle als kinderlose Gymnasiallehrerin auch mal einmischen. Ich empfinde auch die Schreibleistung meiner Oberstufenschüler im Durchschnitt als eher schwach, wobei mir mangels Berufserfahrung der Vergleich zu früheren Schülergenerationen noch fehlt. Ich werde mich aber hüten, nach monokausalen Zusammenhängen zu suchen und meinen Kolleginnen an den Primarschulen schwarzen Peter zuzuschieben. Ich finde, Tintenklecks hat ein paar wichtige Punkte genannt, die hier sicher eine Rolle spielen:




    Die Gewichtung der Rechtschreibung hat sich verschoben. Der Anteil an der Gesamtnote Deutsch beträgt bei uns an der Schule noch 20 Prozent.Gesunken ist aber auch der Anteil der Schreibtätigkeiten von Schülern in der Schule. Wo ich noch seitenweise abschreiben musste, weil es zu meiner Schulzeit nur selten Abzüge und Kopien gab, müssen heute häufig nur noch Lückentexte o.ä.ausgefüllt werden. Immer häufiger bekomme ich auch von meinen Schülern zuhören, dass die richtige Schreibweise der Computer und das Textverarbeitungsprogramm schon finden wird. Auch der Wandel von Schriftsprache in der Kommunikation per Handy, Email oder in Foren trägt zu dieser Entwicklung bei.

    Als einen weiteren Faktor sehe ich die zunehmende Komplexität unseres Unterrichts. Meine älteren Chemie-Kollegen beklagen sich auch darüber, dass unsere SuS heutzutage zu doof zum Dreisatzrechnen sind und in früheren Zeiten stöchiometrische Berechnungen viel besser gelöst wurden. Mein Anspruch an einen modernen Chemieunterricht ist aber, dass ich z. B. im Zusammenhang mit zwischenmolekularen Kräften Themen wie Agent Orange und PCBs anspreche und die Zeit, die ich dafür benötige inkl. eventueller Diskussionen, die über den fachlichen Inhalt hinausgehen, muss ich irgendwo anders opfern. Sprich ich kann nicht erwarten, dass meine SuS langweilige Stöchiometrie-Aufgaben mit der gleichen Qualität wie vor 15 oder 20 Jahren lösen, wenn sie nur noch halb so viel Zeit zum Üben dieser Aufgaben zur Verfügung haben.


    Seien wir ehrlich, so ist es doch in allen Fachbereichen. Unsere SuS sollen sich immer schneller ein immer breiteres Wissen aneignen und darunter muss zwangsläufig irgendwo der Tiefgang etwas leiden. Ich empfinde das persönlich aber als überhaupt nicht schlimm, Bildung unterliegt eben einem fortwährenden Wandel. Wir müssen uns aber darauf einlassen und damit arbeiten. Wenn Grundschulkinder nun möglichst schnell möglichst kreativ vollständige Sätze schreiben können sollen, dann erstreckt sich das Erlernen einer korrekten Rechtschreibung eben über einen längeren Zeitraum als früher.


    So what. Dann müssen halt auch Sek-I- und notfalls auch noch Sek-II-Kollegen mithelfen. Ich habe damit keine Schmerzen. Im Gegenteil, ich würde mich schon als kleinen Sprachfetischisten bezeichnen. ;) Ich weise meine Oberstufenschüler nicht selten darauf hin, dass ihre Sprache eins der ersten Merkmale ist, wonach sie von einer fremden Person beurteilt werden und sie aus diesem Grund unbedingt darauf achten sollten, eine gute Rechtschreibung und einen guten Ausdruck zu pflegen. Ich arbeite ohne Lehrbuch, d. h. ich schreibe meine Unterlagen komplett selbst und gebe diese als fortlaufendes Skript an meine SuS aus. Viele meiner SuS sind Migrantenkinder, die in der Schweiz Deutsch gelernt haben und unter anderem aus diesem Grund Schwierigkeiten mit korrektem Schriftdeutsch haben. Die können weder mit dem Genitiv, noch mit dem Konjunktiv 1 noch mit dem Imperfekt so richtig was anfangen. Von den vielen Rechtschreibfehlern, die mich in den schriftlichen Prüfungen anlachen, mal ganz zu schweigen.


    In der ersten Klasse haben sich gleich mehrere meiner Schwerpunktfachschüler darüber beklagt, dass meine Texte doch sehr mühsam zu lesen seien, worauf ich ihnen beharrlich erklärte, das macht nichts, dann lernen sie eben neben Chemie gleich noch ein bisschen Grammatik dazu und erweitern ihren deutschen Wortschatz. Beharrlichkeit und Freundlichkeit haben sich ausgezahlt, heute klagen sie nicht mehr. Erfreulicherweise haben es einige sogar geschafft, sich im schriftlichen Ausdruck zu verbessern. Hin und wieder kommt es noch vor, dass einer aufstreckt und nach der Bedeutung eines deutschen Wortes fragt, das ihm bisher einfach nicht geläufig war. Ja, dann erkläre ich es halt. Oft stellt sich dabei noch heraus, dass auch diejenigen, deren Muttersprache eigentlich Deutsch ist, z. B. den Unterschied zwischen den Begriffen "Qualität" und "Quantität" auch nicht so recht erklären können.


    Also ... nicht so viel nörgeln, sondern einfach aktiv mithelfen, die Dinge zu verbessern. Aber bitte nicht mit den Methoden von vor 20 Jahren. Früher war wirklich nicht alles besser.

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