Die gesunde Lehrkraft: Befragung zur Beurteilung Stress fördernder und hemmender Faktoren im Schulalltag

  • Liebe Lehrerinnen und Lehrer,


    niemand kennt die täglichen Risikofaktoren für einen gesunden und motivationsfördernden Arbeitsalltag für Lehrkräfte besser als Sie selbst. Genau deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen: Aktuell erproben wir in einem an der Charité Berlin assozierten Forschungsprojekt ein Instrument, welches genau diese Faktoren misst und mit verschiedenen Gesundheitsmaßen in Verbindung bringt. Unser Ziel ist es, damit schnell und zuverlässig Ansatzpunkte für Interventionen zur Sicherung der Gesundheit von Lehrkräften identifizieren zu können.


    Den Fragebogen finden Sie unter folgendem Link: https://survey.dearteacher.de/?q=pretest


    Die Beantwortung des Online-Fragebogens beansprucht in etwa 15 Minuten Ihrer Zeit. Mit Ihrer Unterstützung würden Sie uns in unserem Vorhaben ein großes Stück weiterbringen. Ich freue mich auf Ihr Feedback!



    Herzlichen Dank und freundliche Grüße,
    Daniel Fodor

  • Wieder eine Umfrage, bei der überwiegend die Einstellung des Lehrers zu seiner Arbeit den größten Faktor für die Lehrergesundheit ausmacht ... *seufz*


    Instrumente, die auf die tatsächlichen Belastungsfaktoren in einem wesentlich angemessenerem Maße eingehen, gibt es doch schon längst - zum Beispiel hier: http://umfrage.schuleundgesundheit.com/index.php?id=1055
    Da mal reingucken. Ist von Personalräten und Betriebsärzten und Experten des Arbeits&Gesundheitsschutz entwickelt, detailliert genug und die externen Faktoren, die die eigentlichen belastenden / gefährdenden sind, werden ausreichend erfasst.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Lieber Daniel,


    mich würde einmal interessieren, wieso Sie Ihre Umfrage im Wesentlichen auf den Faktor, den Meike angesprochen hat, reduzieren. Liest man sich heutzutage nicht mehr in eine Thematik ein?

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Feedback:


    1. Seite: neben der Schulleitung, der stellv. Schulleitung und den Fachbereichsleitungen/Koordinatoren gibt es (lokal) auch noch Teamleitungen. Das sind aber nicht unbedingt Mitglieder der erweiterten Schulleitung.


    Bei 44 % ist man doch langsam ermüdet von der Vielzahl der Items und der Struktur.


    Items "Mir gelingt der Unterricht auch in Klassen mit sehr unterschiedlichen SuS." und "Die SuS sind teilweise so unterschiedlich, dass ich keinen vernünftigen Unterricht machen kann.": sollte man Kontrollfragen nicht trennen? So ist das doch etwas angreifbar, wenn es eine Diss werden soll.


    Das man das Gefühl hat, dass die Ergebnisse der Befragung vorher feststehen, ist schon von Meike und Bolzbold hinreichend beschrieben. Was spricht eigentlich gegen offene Items?

  • Liest man sich heutzutage nicht mehr in eine Thematik ein?

    Ich habe da mal ein ganz tolles Büchlein geschrieben, kann ich sehr empfehlen :teufel:

  • Trantoooooor.... pleaaase!! ... :) ;)

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  • Erst einmal: Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme und Ihr sehr hilfreiches Feedback!



    Wieder eine Umfrage, bei der überwiegend die Einstellung des Lehrers zu seiner Arbeit den größten Faktor für die Lehrergesundheit ausmacht ... *seufz*

    Obwohl die äußeren Faktoren, wie sie in anderen Instrumenten ausführlicher abgefragt werden, in hohem Maße für die Belastungen im Arbeitsalltag verantwortlich sind, kommen diese in unserem FB offensichtlich zu kurz. Als Psychologen liegt für uns der Fokus tatsächlich auf intra- und interpersonellen Faktoren und Einstellungen im Berufsalltag.
    Genauer ist es das Ziel, gemäß des Job Demands-Resources Modells (Demerouti et al) die unmittelbaren Auswirkungen von erlebten Anforderungen und Ressourcen auf Gesundheits- und Motivationsmaße zu untersuchen. Da aus unserer Sicht bisher kein Instrument besteht, welches alle dafür relevanten Maße ausreichend abdeckt, haben wir dieses auf Grundlage bereits bestehender Skalen und mit Unterstützung mehrerer Lehrkräfte entwickelt.


    „Entwicklung“ bedeutet aber selbstverständlich nicht, dass wir diese als abgeschlossen betrachten. Deshalb brauchen wir auch Ihre Unterstützung :)


    Items "Mir gelingt der Unterricht auch in Klassen mit sehr unterschiedlichen SuS." und "Die SuS sind teilweise so unterschiedlich, dass ich keinen vernünftigen Unterricht machen kann.": sollte man Kontrollfragen nicht trennen? So ist das doch etwas angreifbar, wenn es eine Diss werden soll.

    Das Kontrollitem ist tatsächlich unglücklich platziert, Danke für den Hinweis – sehr aufmerksam!


    Das man das Gefühl hat, dass die Ergebnisse der Befragung vorher feststehen, ist schon von Meike und Bolzbold hinreichend beschrieben. Was spricht eigentlich gegen offene Items?

    Aus meiner Erfahrung gibt es oftmals große Unterschiede in den Zusammenhängen von beruflichen Risikofaktoren und motivationalen und gesundheitlichen Folgen, sodass die Ergebnisse m.E. nicht vorauszusagen sind. Es hängt ja häufig von der Zusammensetzung der Faktoren ab (z.B. werden hohe Anforderungen nicht unbedingt negativ erlebt, wenn passende Ressourcen vorhanden sind).


    Offene Items kommen bei uns meist zusätzlich zu den geschlossenen Items zum Einsatz. Hier lag der Fokus aber auf der Erprobung der Skalen.



    Nochmals vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!


    Was mich einmal interessieren würde:
    Wie regelmäßig werden bei Ihnen Beurteilungen von Arbeitsbelastungen durchgeführt und finden im Anschluss auch entsprechende Maßnahmen statt oder werden Sie mit den Resultaten dann eher allein gelassen?

  • Da aus unserer Sicht bisher kein Instrument besteht, welches alle dafür relevanten Maße ausreichend abdeckt, haben wir dieses auf Grundlage bereits bestehender Skalen und mit Unterstützung mehrerer Lehrkräfte entwickelt.

    Das sehe ich anders, ich behaupte, das von mir verlinkte deckt auch die Faktoren ab, auf die Sie fokussieren wollen, allerdings in wesentlich kontextgebundener Weise. Und das ist das Entscheidende.

    Wie regelmäßig werden bei Ihnen Beurteilungen von Arbeitsbelastungen durchgeführt und finden im Anschluss auch entsprechende Maßnahmen statt oder werden Sie mit den Resultaten dann eher allein gelassen?

    Es gibt viele Schulen, die den oben verlinkten Fragebogen regelmäßig nutzen. Inzwischen wird er - leicht abgewandelt - übrigens auch von Universitäten und einigen großen Behörden genutzt. Da es aber grundsätzlich keine Ressourcen gibt, die das HKM daraufhin zur Verfügung stellt, dient das überwiegend der internen Arbeit: leider.


    Bisher nutzen Schulen den Fragebogen hauptsächlich für die personalrätliche Arbeit und die Gremienmitbestimmung: hier geht es darum, den flächendeckend typischen Vereinzelungstaktiken seitens der Behörden und Dienststellenleitung ("Nur Sie / nur ein paar hier haben das Problem, alle anderen kriegen es besser hin") entgegen zu wirken und eine valide Zahlenbasis zu haben, mit der man tatsächlich bestehende, strukturelle Probleme belegen, ansprechen und - zum Beispiel in Form von Dienstvereinbarungen, Konferenzbeschlüssen, Initiativanträgen und betriebsärtzlichen Begehungen - bearbeiten kann.


    Die oben genannte Vereinzelungstaktik und die Erwartungshaltung an Lehrer, und auch von Lehrern an sich selbst, zur Herstellung von leuchtenden Kinderaugen(tm) so gut wie alle Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, in Kombination mit der annähernden Unmöglichkeit diesen wirksam zu begegnen, da man immer durch das Vorhandensein von Abhängigen/Anvertrauten erpressbar ist, dürften die grundlegendsten Faktoren für eine sehr hohe Belastung sein, und der Grund, warum bei vielen Lehrern Gesundheit bei Weitem nicht an erster Stelle kommt und, strukturell bedingt, auch gar nicht kommen kann.


    Erhebungen, die darauf abzielen, den Lehrer allein in die Verantwortung für seine Gesundheit zu nehmen, befördern genau diese Grundhaltung seitens der verwaltenden Behörden, der amtlichen Aufsicht, des Ministeriums, und unter den Mitarbeitern selber.


    Ich halte das für problematisch und sehe deshalb auch Ihre Umfrage, wie viele andere sehr ähnliche, kritisch.


    Die individuell Lösung - die oft keine nachhaltige ist - ist meistens die kostenneutrale für den Staat. Daher sind solche Umfragen sehr beliebt. Der belastete Kollege soll sich, im Zweifelsfall auf eigene Kosten, in Behandlung begeben. Er soll effizienter arbeiten - was auch immer das sein soll. Achtsamer mit sich umgehen. Mehr Fortbildungen machen. Bitte in der unterrichtsfreien Zeit. Auf eigene Kosten, denn das Fortbildungsbudget beträgt pro Nase 40 Euro. Usw.


    In den wenigsten Fällen ist das die (dauerhafte) Lösung des Problems. Kollegen, die in einem miserablen Arbeitsumfeld ihr eigenes Verhalten ändern, oder mal in Kur gehen, oder beides, erreichen in der Tat manchmal eine kurzfristige Besserung. Ändert sich das Arbeitsumfeld nicht, zerreibt es die aufgebauten Ressourcen zuverlässig wieder und die Kollegen landen wieder beim Arzt/ bei uns Personalräten/ in der Klinik.


    In den umliegenden Bezirken haben mittlerweile 60-70 Schulen kollektive Überlastungsanzeigen geschrieben. Viele andere Schulen planen das. Natürlich wissen die Kollegen, dass eine Überlastungsanzeige eine indivualrechtliche Maßnahme aus dem Beamtenrecht ist, aber sie wollten genau dem entgegenwirken, dass das Konglomerat aus behördlich verordneten, baulichen, führungsspezifischen und personaltechnischen Belastungsfaktoren - von wachsender Aufgabenfülle über feudalherrschaftliche Führungsstrukturen bis hin zu maroden, extrem ungesunden Schulgebäuden - in der individuellen Nabelschau verloren geht und doch wieder jeder Kollege für sich selber kämpfen muss. Er und seine Krankenkasse. Oder er gegen seine Krankenkasse. Und gegen die Kollegen oder Leitungsmitglieder, unter denen er sonst als nicht belastungsfähig gilt. Usw.


    Umfragen wie die Ihre betrachten den belasteten Kollegen als individuell verantwortlich für seine Belastungsgrenze und den Umgang damit. Ich kann Ihnen versichern, dass das mitterweile nicht mehr der Standardfall von geschädigter Lehrergesundheit ist - vielleicht noch nie war.


    Ich sehe keinen Grund warum nicht psychologische Erhebungen auch genau darauf fokussieren können sollten. Es könnte, im besten Falle, herauskommen, dass man die Frage nach der Lehrergesundheit vor allem strukturell und nicht individuell angehen muss. Das wiederum könnte die politische Arbeits- und Argumentationsgrundlage für echte Veränderungen werden. Ich sehe das als ein lohnenswerteres Ziel, als weiterhin nach dem zu schauen, was einfach nichtsehr oft der Punkt ist...

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  • Bei uns findet alle zwei Jahre eine Beurteilung der Belastung per Fragebogen statt; inklusive einer generellen Bewertung der Schulleitung. Zzgl. wird einmal im Jahr die Belastung der Lehrkräfte durch die Teams erfasst (Teammitgliedschaften, Teamleitungen, Raumverantwortlichkeiten, Pausenaufsichten, Mitgliedschaft in Prüfungsausschüssen, etc.). Daraus resultiert auch eine Verteilung von Anrechnungsstunden. Ansonsten wird versucht die Belastung zu reduzieren - sofern möglich.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Maike: vielen Dank für diese ausgezeichnete Argumentation! Wir (alle GS im Ort) haben im vergangenen Jahr eine Überlastungsanzeige ans KuMi geschickt und lediglich süffisante bis abwertente Komentare als Antwort erhalten. Sind eben dabei, ein Antwortschreiben darauf zu verfassen.


    @Jens_03: ist das eine individuelle Befragung/Erhebung oder machen das bei euch alle Schulen (im Ort/Bezirk/Bundesland)? Welche Fragebögen nutzt ihr dafür?


    simone

  • Es gibt, meine ich, einen landesweiten Itemkatalog im Rahmen von SebeiSch (Selbstbewertung in Schulen). Da werden Dinge erfasst wie Belastung (auch durch Verwaltung), Unterstützung durch Team/SL/AL/etc.


    Das andere Ding läuft individuell. Mir hat es einiges an Entlastung gebracht. Im Prinzip werden alle anfallenden Aufgaben erfasst und bewertet.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

  • Maike: vielen Dank für diese ausgezeichnete Argumentation! Wir (alle GS im Ort) haben im vergangenen Jahr eine Überlastungsanzeige ans KuMi geschickt und lediglich süffisante bis abwertente Komentare als Antwort erhalten. Sind eben dabei, ein Antwortschreiben darauf zu verfassen.


    Jaaaja, die Antworten aus dem HKM. Habt ihr auch die Textbausteine mit der Phrase "das sind halt die Erscheinungen der Postmoderne bekommen"? Das ist der Gipfel.
    Hier in der Gegend gab es Pressekonferenzen dazu, de Presse ist stellenweise interessiert. Fragt doch mal ein paar lokale Blätter und ein paar Schulen, die ÜLAs gestellt haben, ob die zusammenkommen und mit der Presse mal reden wollen. Und ÜLAs würde ich immer auch an lokalen GPRL und das Stadt/Kreisschulamt schicken. Samt Antworten und Antwort-Antworten und Re-Antwort-Antworten usw. Immer schön im Gedächtnis bleiben und Arbeit machen! :) Bleibt dran!

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  • Ja, der Satz war auch dabei :hammer: . Außerdem wurden wir auf die vielen FBs zum Thema Inklusion verwiesen, andere Probleme wiederum sollten wir an den Schulträger melden usw. kennste wahrsxheinlich auch.
    GPRL ist mit im Boot und Schulamt auch. Das Antwortschreiben kam eh über den Dienstweg.
    Wir werden das ganze jetzt beim nächsten Kreis-PR-Treffen vorstellen und wollen neben den GS auch andere Schulformen miteinbeziehen.
    Nicht, dass wir glauben, wir könnten was bahnbrechendes erreichen, aber einfach immer so weiter wurschteln macht auch nicht froh...

  • Da es aber grundsätzlich keine Ressourcen gibt, die das HKM daraufhin zur Verfügung stellt, dient das überwiegend der internen Arbeit: leider.

    Genau da sehe ich das Problem von psychischen Gefährdungsbeurteilungen, wie sie bisher zumeist durchgeführt werden (gilt nicht nur für Schulen): Es werden Gesundheitsrisiken analysiert, ohne konkrete Lösungen bereitzustellen. Die Schulen/Unternehmen erhalten ihre Resultate mit den Hinweisen, wo Handlungsbedarf besteht, werden dann aber häufig alleine gelassen nach dem Motto "dagegen sollten Sie mal was machen". Bisher habe ich diesbezüglich Erfahrungen nur in der freien Wirtschaft gesammelt, wo die Unternehmen natürlich weniger von strukturellen Rahmenbedingungen betroffen sind bzw. auf diese größeren Einfluss haben.
    Oftmals hakt es m.E. vor allem an der Analyse-Kompetenz, um aus den jeweiligen Ergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wird denn z.B. auch im Längsschnitt untersucht, wie sich die Stressoren, die aufgrund des Arbeitsumfeldes entstehen, auf die AU-Tagen auswirken? Spätestens dann sollte doch die Handlungsbereitschaft seitens der KM da sein?

  • Genau da sehe ich das Problem von psychischen Gefährdungsbeurteilungen, wie sie bisher zumeist durchgeführt werden (gilt nicht nur für Schulen): Es werden Gesundheitsrisiken analysiert, ohne konkrete Lösungen bereitzustellen. Die Schulen/Unternehmen erhalten ihre Resultate mit den Hinweisen, wo Handlungsbedarf besteht, werden dann aber häufig alleine gelassen nach dem Motto "dagegen sollten Sie mal was machen".

    Wie gesagt, ich sehe das anders: ich erhoffe mir, bei größerer Verbreitung solcher Instrumente und ihrer Ergebnisse, ein politisches Momentum. Die Rückführung auf die Verantwortung des Einzelnen, und die damit einhergehende weitere Vereinzelung, die in unserem System ohnehin eine der Hauptursachen für die Zustände ist, unter denen wir arbeiten, halte ich für kontraproduktiv - aber ich bin ja auch Personalrätin und Fortbildnerin in diesem Bereich und nicht Psychologin - also ist unser Ansatz da wahrscheinlich grundlegend anders. Von daher weiß ich gar nicht, ob ich jetzt versuchen sollte, Sie zu bekehren ;) - aber vielleicht starten Sie ja mal das Forschungsprojekt "Lehrergesundheit 2.0 - woran es wirklich liegt" ;) (dann erkläre ich mich schonmal gleich zur intensiven Mitarbeit bereit! :) )


    Aber mal davon ab: tatsächlich nützen solche Instrumente durchaus etwas für die konkrete Personalrats- oder Gremien- und Gewerkschaftsarbeit vor Ort: als Beispiele könnten hier Schulen genannt werden, die damit nachweisen konnten, dass der hohe Krankenstand im direkten Zusammenhang mit der Art der Führung stand. Was bis dato immer abgestritten wurde. Oder mit Strukturen, die innerschulisch bearbeitet werden konnten, in Dienstvereinbarungen oder ähnlichem. Da geht schon was. Hilft halt nur punktuell. Besser als gar nichts.
    Manchmal aber auch nicht: Bei baulichen Stressoren ist die Stadt / der Kreis zuständig - da wird's dann haarig: der Sanierungsstau hier in der Gegend geht an die Milliarde ran. :/ Aber das ist ein weites Feld.


    Fakt ist: zur konkreten Arbeit sind diese erprobten Instrumente sehr nützlich, um in die Politik zu wirken, müssen sie oder ähnliche öfter angewandt und die Ergebbnisse immer wieder veröffentlicht und in der Greiemarbeit verwendet werden. Das ist ein verflucht dickes Brett.

    Bisher habe ich diesbezüglich Erfahrungen nur in der freien Wirtschaft gesammelt, wo die Unternehmen natürlich weniger von strukturellen Rahmenbedingungen betroffen sind bzw. auf diese größeren Einfluss haben.

    Das mag sein, aber auch da herrscht die Tendenz zur Vereinzelung der Mitarbeiter, es gibt eine noch höhere Konkurrenzhaltung und wer's nicht packt, muss halt gucken, dass er härter wird. Für die Betriebsräte weht auch ein zunehend kalter Wind - in bin da in gutem Kontakt - und ich finde, dass auch dort wieder mehr grundsätzliche Strukturen hinterfragt werden müssen.


    Oftmals hakt es m.E. vor allem an der Analyse-Kompetenz, um aus den jeweiligen Ergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wird denn z.B. auch im Längsschnitt untersucht, wie sich die Stressoren, die aufgrund des Arbeitsumfeldes entstehen, auf die AU-Tagen auswirken? Spätestens dann sollte doch die Handlungsbereitschaft seitens der KM da sein?

    Kommt drauf an, wer auswertet und wonach spezifisch geguckt wird. Aber ja, wir hatten auch schon Rückmeldungen von Schulen, bei denen der Krankenstand extrem hoch war, siehe oben, und die mal mal rausfinden wollten, woran das lag.
    Und diesen Schulen war es sehr wichtig, dass man danach auf die Suche nach Lösungsmöglichkeiten geht, die nicht bedeuten, dass die Kollegen einzeln auf die Suche nach ner guten Therapie oder Rückenschule oder Achtsamkeitskurs gehen müssen. Da waren die nämlich alle schon. :)

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  • also ist unser Ansatz da wahrscheinlich grundlegend anders. Von daher weiß ich gar nicht, ob ich jetzt versuchen sollte, Sie zu bekehren - aber vielleicht starten Sie ja mal das Forschungsprojekt "Lehrergesundheit 2.0 - woran es wirklich liegt" (dann erkläre ich mich schonmal gleich zur intensiven Mitarbeit bereit! )

    Na das klingt doch vielversprechend! :top:
    Ich denke, es geht gar nicht so sehr darum, sich gegenseitig zu bekehren sondern alle möglichen Richtungen von Belastung zu berücksichtigen und zu bündeln. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass immer zuerst die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit ein Mensch seine Gesundheit am Arbeitsplatz erhalten und trotzdem erfolgreich seinen Job ausführen kann. Diese müssen sozusagen top-down gesteuert werden.


    Gleichzeitig zeigt aber Praxis und Forschung auch, dass es individuelle Unterschiede gibt (zwischen Unternehmen/Schulen und
    zwischen Individuen). Hier können schul-/unternehmensspezifische Interventionen helfen, ohne dass diese Interventionen den Anspruch haben, grundlegende strukturelle Probleme zu verändern.


    Wenn Sie mögen, würde ich mich gerne weiter zum Thema austauschen, hier meine Email: daniel.fodor@charite.de
    Wir planen momentan eine größere Erhebung, in der die verschiedenen Risikofaktoren mit der psychischen Gesundheit in Verbindung gebracht werden sollen. Deshalb würden mich die "strukturbezogenen" Inhalte der von Ihnen angesprochenen Befragung tatsächlich sehr interessieren.

  • In den umliegenden Bezirken haben mittlerweile 60-70 Schulen kollektive Überlastungsanzeigen geschrieben. Viele andere Schulen planen das. Natürlich wissen die Kollegen, dass eine Überlastungsanzeige eine indivualrechtliche Maßnahme aus dem Beamtenrecht ist, aber sie wollten genau dem entgegenwirken, dass das Konglomerat aus behördlich verordneten, baulichen, führungsspezifischen und personaltechnischen Belastungsfaktoren - von wachsender Aufgabenfülle über feudalherrschaftliche Führungsstrukturen bis hin zu maroden, extrem ungesunden Schulgebäuden - in der individuellen Nabelschau verloren geht und doch wieder jeder Kollege für sich selber kämpfen muss. Er und seine Krankenkasse. Oder er gegen seine Krankenkasse. Und gegen die Kollegen oder Leitungsmitglieder, unter denen er sonst als nicht belastungsfähig gilt. Usw.

    Respekt für die kollektiven Belastungsanzeigen. Ich hoffe, dass sie damit Erfolg haben. Da laut unserem Justiziar keine Haftungsgefahr diesbezüglich in der Schule besteht, sind sie eher ein Mittel zur Wachrüttelung und werden leider in unseren Bezirksregierungen vom Beamtenschlaf übertönt. Unser Kollegium hat es auch getan, aber der Erfolg war leider mäßig.


    Habt ihr denn damit einen Erfolg gehabt, Meike?

  • Gleichzeitig zeigt aber Praxis und Forschung auch, dass es individuelle Unterschiede gibt (zwischen Unternehmen/Schulen und
    zwischen Individuen). Hier können schul-/unternehmensspezifische Interventionen helfen, ohne dass diese Interventionen den Anspruch haben, grundlegende strukturelle Probleme zu verändern.


    Das funktioniert aber auch nur im Rahmen dessen, was Menschen in diesem System leisten können. Ich war lange Zeit Freund kognitiv-verhaltenspsychologischer Konzepte. Mittlerweile bin ich etwas ernüchtert, denn ich sehe Veränderungen in meinem Leben und in meinem Umfeld immer nur auf Basis von Persönlichkeit, gekoppelt an durch persönliche Stärken und Schwächen determinierte Veränderungsmöglichkeiten im Zusammenspiel mit einer Umwelt, die Veränderungen hemmt oder fördert. Unsere Schulleitung erhielt Coaching, damit sie ihre Schwächen beseitig und sie hat sich bemüht. In manchen Punkten wurde es besser, in anderen glich die Lernkurve der Nulllinie.
    Jetzt haben wir eine andere Schulleiterin, die einige dieser Punkte beherrscht, dafür an anderen Stellen nicht top ist. Manchen Kollegen gefällt es nun besser, andere finden es schlimmer als vorher.
    Ich glaube, dass es gute Chancen für Interventionen gibt, wenn wirklich fachliches Wissen oder Können nicht ausreichen, z.B. eine Schulleitung neu und unerfahren ist oder wenn es um grundsätzliche Abläufe, Schulordnung etc. geht. Sobald jemand verlangt, dass die Betroffenen ihre Persönlichkeitszüge verändern ("sich ein dickes Fell wachsen lassen", "mal gelassener mit dem Ganzen umgehen", "sich mal mehr engagieren", "selbstständiger sein"), wird es aus meiner Sicht hochgradig schwierig.



    Zitat von danielfodor

    Wenn Sie mögen, würde ich mich gerne weiter zum Thema austauschen, hier meine Email: daniel.fodor@charite.de
    Wir planen momentan eine größere Erhebung, in der die verschiedenen Risikofaktoren mit der psychischen Gesundheit in Verbindung gebracht werden sollen. Deshalb würden mich die "strukturbezogenen" Inhalte der von Ihnen angesprochenen Befragung tatsächlich sehr interessieren.


    Wie wäre es denn, wenn Sie in den Dialog mit den Berliner Beschäftigtenvertretungen treten? Die können Ihnen viel über die Risikofaktoren und die Gesundheit von Pädagogen, die in dem Bundesland, in dem Sie forschen, erzählen.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • So einen Selbstoptimierungssch**** musste ich erst vorgestern sogar im neuen NDS-Blättchen der GEW lesen.
    Darin ist das Thema Arbeitszeit und strukturelle Überlastung sehr selten ein Thema, außer einmal im Jahr, wenn es an die Personalratswahlen geht. Ansonsten werden immer irgendwelche preisgekrönten Schulen vorgestellt, die doch ach so viel erfolgreicher als andere wahnsinnig individualisierten Unterricht gestalten und mir sehr wirksam ein (noch) schlechte(re)s Gewissen machen, weil ich für die in meinen Lerngruppen eigentlich nötige Differenzierung und individuelle Förderung keine zeitlichen Ressourcen habe. Ich frage mich beim Lesen seit langem, ob es sich bei der GEW wirklich um eine Gewerkschaft handelt, die meine Interessen vertritt, oder vielmehr um eine Partei mit sozialem und Bildungsschwerpunkt.
    (Ja, ich weiß, dass das so nicht stimmt. Aber ein solches Bild zeichnen die GEW-Publikationen.)


    Ich arbeite sehr gerne. Ich liebe meinen Beruf. Ich habe ganz überwiegend umgängliche Schüler und kooperative Eltern. Ich halte meine Schulform für richtig und wünschenswert. Ich fühle mich an meiner Schule wohl und finde, dass wir Vieles richtig machen. Über mangelnden Teamgeist und Zusammenarbeit im Kollegium kann ich wahrlich auch nicht klagen. Meine Schulleitung ist gegenüber Behörden, Eltern und Schülern standhaft und durchsetzungsfähig. Mein Stundenplaner versteht sein Handwerk. Ich habe das Glück, in einem sehr schönen Schulgebäude arbeiten zu dürfen, das im Vergleich zu den meisten anderen Schulen in gutem Zustand ist und sehr viel Platz und Möglichkeiten bietet.
    Mir geht es also im Vergleich zu vielen anderen Kollegen sehr gut!


    Aber auch ich komme regelmäßig an meine Grenzen: Bei mehr als 25 Unterrichtsstunden, durchschnittlich zwei Konferenzen, Dienstbesprechungen, Teamsitzungen, Elterngesprächen, Elternabenden u.a. und mind. einem Unterrichtsnachmittag pro Woche weiß ich oft nicht einmal mehr, wann ich unter der Woche meinen Unterricht vorbereiten soll. Dazu kommen noch die Korrekturen und die Orga-Aufgaben einer Klassenleitung. Folge: Das durchgearbeitete Wochenende ist die Regel, nicht die Ausnahme. Die letzten Ferien habe ich komplett damit verbracht, zu korrigieren und den Unterricht der folgenden Wochen, so gut es geht, schon einmal vorzubereiten. Diese Ferien stehen ganz im Zeichen der Abiturprüfungen.


    Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es Kollegen geht, die unter schlechteren Bedingungen arbeiten als ich.


    Aber alles ist ja eine Frage des Selbstmanagements ...

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

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