Es lebe das bayerische Schulsystem!

  • Interessante Doku:


    Sie zeigt schön auf, wie "toll" das bayerische Schulsystem funktioniert und dass es die richtigen Werte transportiert. Alle Bundesländer sollten sich daran orientieren! Diese links-grün-versifften Bundesländer versuchen, die Kinder Kinder sein zu lassen? Pah! Schaut, wie die CSU es macht. Das ist sozial und christlich!

  • Haha, in der Grundschule meiner Tochter schreibt ein Junge in ein Freunde-Buch unter dem Punkt "Was ich mir wünsche": "Einen guten Schulabschluss machen" - und das war in der 1. Klasse! NRW.

  • So ... und wer macht diesen Druck nun? "Carina büffelt bis zu zwei Stunden täglich" ... heißt es in der Doku. Aus meiner Sicht kommt der Druck nicht von der Schule und auch nicht vom mehrgliedrigem Schulsystem - der kommt von den Eltern.
    Warum muss ein Kind unbedingt nach der 4. Klasse aufs Gymnasium? Das ist sicher kein "muss", das von der Schule kommt. Mein Eindruck ist, dass die Kinder, die den Übertritt nur mit stundenlangem Büffeln und dann auch nur knapp schaffen, am Gymnasium oft nicht gut aufgehoben sind ... brauchen wir wirklich Übertrittsquoten von 50% auf das Gymnasium?


    Gut, das Gymnasium führt zum Abitur und viele Eltern wollen das Abitur für ihr Kind, weil ihm damit (fast) alle Wege offen stehen ... aber wenn der Weg über das Gymnasium zum Abitur für das Kind nun einfach zu schwierig ist oder auch: in der 4. / 5. Klasse NOCH zu schwierig?


    An allen Informationsabenden der Gymnasien erlebe ich, dass die enstprechenden Lehrkräfte die Eltern auch darüber informieren, dass mehr Wege nach Rom bzw. zum Abitur führen ... vielleicht für die Kinder besser geeignete Wege ... aber dennoch werden die Kinder ans Gymnasium angemeldet. Warum? Wer baut denn hier Druck auf? Das Schulsystem, das durchaus Alternativen kennt? Eher nicht ...


    Alternativen:
    FOS/BOS sind wohl bekannt. Unsere Schule (Gymnasium) bietet Schülern mit gutem Realschulabschluss die Möglichkeit, die 10. Klasse am Gymnasium noch einmal zu machen und dabei ganz gezielt auf die gymnasiale Oberstufe vorbereitet zu werden. Dann können die SuS in die Oberstufe - und die Erfolgsquote beim Abitur ist sehr hoch.


    Das heißt, das Schicksal der Kinder entscheidet sich eben nicht schon endgültig mit dem Übertrittszeugnis der 4. Klasse - das ist ein immer wieder gern bemühtes bildungspolitisches Ammenmärchen.
    Für viele, viele Kinder wäre die Realschule in den letzten Jahren in Bayern der viel bessere Weg gewesen (keine ständigen Reformen weil das G8 halt doch nicht funktionierte, kein Nachmittagsunterricht ... an der Realschule den Zweig mit Französisch nehmen und dann nach der Realschule ans Gymnasium oder an die FOS ... wo ist da jetzt wirklich der große, unmenschliche Druck? ... ja sogar Hauptschulabschluss + Berufsausbildung + BOS führt zum Abitur ...).


    Und ja, ich habe auch drei Jahre an FOS/BOS unterrichtet ... und wenn ich mir jetzt die Eltern und ihre Erwartungshaltung an das Kind anschaue, dann weiß ich, wo der Druck herkommt.


    Ich kenne auch wenige Lehrer, die erwarten, dass die Eltern die Hausaufgaben zeitaufwändig kontrollieren (soll heißen: auf Richtigkeit) ... wäre schön, wenn die Eltern sicher stellen, dass die Hausaufgaben gemacht werden ... dazu braucht es aber kaum großen Zeitaufwand.

  • So? Dass man bei einer 3,0 nur auf die Hauptschule(!) kann, hat nichts mit dem Schulsystem zu tun? Dass man in der vierten Klasse 22 Klassenarbeiten schreibt auch nicht? Dass die Kinder fürs Fahradfahren sämtliche Verkehrsschilder lernen sollen, die sonst Erwachsene in der Fahrschule lernen und dann vergessen?


    Dass die Eltern links und rechts eine geballert bekommen sollten, ist klar. Aber das kommt in erster Linie vom Schulsystem.

  • Dass man bei einer 3,0 nur auf die Hauptschule(!) kann, hat nichts mit dem Schulsystem zu tun?

    Nicht angeschaut, aber: Man kann mit 3,0 auch auf eine Mittelschule; Hauptschulen gibt es nämlich nur noch wenige. Man kann auch zum Probeunterricht und wenn man den bestanden hat auf Gymnasium oder Realschule.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Das (Lord Voldemorts Antwort oben) sehe ich anders.


    Du vergisst z.B. :


    "Übertritt an die weiterführenden Schularten nach Besuch des Probeunterrichts
    Schülerinnen und Schüler, die im Übertrittszeugnis der Jahrgangsstufe 4 keine entsprechende Schullaufbahnempfehlung für die gewünschte weiterführende Schulart erhalten haben, können auf Antrag der Erziehungsberechtigten - unabhängig von den in der Grundschule erreichten Noten - am Probeunterricht des Gymnasiums bzw. der Realschule teilnehmen.
    Der Probeunterricht wird in den beiden Fächern Deutsch und Mathematik abgehalten. Neben den landesweit zentral gestellten schriftlichen Aufgaben werden auch mündliche Leistungen bewertet. Der Probeunterricht ist bestanden, wenn in einem Fach mindestens die Note 3 und im anderen Fach mindestens die Note 4 erreicht wird. Den Erziehungsberechtigten wird das Ergebnis des Probeunterrichts mit Begründung mitgeteilt.
    Nach Bestehen des Probeunterrichts können die Schülerinnen und Schüler in die Jahrgangsstufe 5 des Gymnasiums bzw. der Realschule übertreten.



    Stärkung der Elternverantwortung im Probeunterricht bis zur pädagogisch vertretbaren Grenze
    Wird der Probeunterricht nicht bestanden, können Schülerinnen und Schüler dennoch in die Jahrgangsstufe 5 des Gymnasiums bzw. der Realschule übertreten, wenn die Erziehungsberechtigten dies wünschen. Voraussetzung ist, dass die Schülerinnen und Schüler im Probeunterricht mindestens in beiden Fächern die Note 4 erreicht haben. Die Elternverantwortung wird hierdurch nachhaltig gestärkt."


    Was hat jetzt bitte die Fahrradprüfung mit dem Übertritt zu tun? Was passiert, wenn man sie nicht besteht, weil man keinen Sinn sieht (bzw. die Eltern keinen sehen), diese ganzen Schilder zu lernen?


    22 Proben ist (zu) viel, geb ich Dir Recht.

  • wurde diese strenge reglementierung der probenanzahl an der gs nicht eingeführt, weil eltern druck gemacht haben nach oben? dieser gymnasialwahn ist elterngemacht und es gibt eltern, die sich (und damit ihr kind) dem weitgehend entziehen. in oberbayern bekommt man auch mit quali einen guten ausbildungsplatz (auch kfz-mechatroniker und dergleichen, also die begehrten sachen). zudem ist das system sehr durchlässig und wird es immer mehr.


    ich kann beim besten willen keinen grund sehen, warum kinder hier burnout bekommen sollten (was immerhin eine form der depression ist, nur mit akzeptierterem namen...) - außer den irren eltern, die es immer wieder gibt. das sind gar nicht mal so viele, aber die paar reichen, um zahlreiche eltern scheu zu machen.


    (außerdem sind die hürden nicht extrem hoch. wir schleifen in meinem umfeld 80-90% des jahrgangs durchs abitur. mit hohen kollateralschäden, von wegen schlaflose nächte und viel stress für die kinder, aber mehr als beraten und nochmal beraten können wir auch nicht. zudem ist die beratungsstruktur in bayern wirklich gut. aber man kann die eltern nicht zwingen, es ist letztlich ihr kind, und mit sehr viel nachhilfe und arbeit schaffen fast alle irgendwie die punktehürden. gottseindank sind die meisten eltern sehr vernünftig und nicht irre und verzichten beizeiten und ermöglichen ihrem kind damit eine passgenauere beschulung.)

  • Meiner Meinung nach ist eher die Politik bzw. ein Teil davon schuld, dass jetzt alle ans Gymnasium streben.


    In den Jahren nach "PISA 1" habe ich immer wieder gelesen und gehört von Vorbildländern mit einer höheren "Abiturrate" als in Deutschland und dass man den Anteil jener, die Abitur machen, in Deutschland heben müsse. Ich habe mich damals schon gefragt, wieso alle Abitur machen und studieren müssen - und wer dann eigentlich die Arbeiten machen soll, für die man nicht studiert?


    Es wurden ja alle Berufe und Tätigkeiten ohne Uni-Abschluss abgewertet und in der Folge nun streben viele Eltern, die für ihre Kinder nur das Beste wollen, danach, ihre Kinder ans Gymnasium zu schicken.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Das sind wir bei einem Punkt, der mich schon länger beschäftigt ... bin ich als Vater so leicht zu beeinflussen, dass ich mir einreden lasse, wir bräuchten mehr Akademiker, die Abiturrate sei zu gering und man müsse unbedingt studieren - wenn das doch mit meiner persönlichen Erfahrung in meiner Umgebung nicht übereinstimmt? Wie war das nochmal mit dem selbständig denkenden, kritischen Menschen?
    Vielleicht müsste man manchmal sagen, die Schule/die Politik versucht, einen gewissen Druck aufzubauen, aber ich als Vater könnte ja auch sagen "lass sie nur" ... (meine Tochter machte letztes Jahr ihr Abi, mein Sohn macht hoffentlich in diesen Wochen seinen Realschulabschluss ... er hätte den Übertrittschnitt gehabt, aber wir waren uns alle einig, dass für ihn die Realschule der bessere Weg in diesem Lebensabschnitt ist).


    Zum Punkt, dass Tätigkeiten ohne Uni-Abschluss abgewertet würden ... das kann ich in meiner Gegend so allgemein nicht bestätigen.

  • Das sind wir bei einem Punkt, der mich schon länger beschäftigt ... bin ich als Vater so leicht zu beeinflussen, dass ich mir einreden lasse, wir bräuchten mehr Akademiker, die Abiturrate sei zu gering und man müsse unbedingt studieren - wenn das doch mit meiner persönlichen Erfahrung in meiner Umgebung nicht übereinstimmt? [...]

    Sie vielleicht nicht, aber genügend andere doch.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Dieser Beitrag bereitet mir körperliche Schmerzen.

    Mir auch. Aber nicht wegen des bayerischen Schulsystems, sondern wegen dieser verrückten Eltern. Wobei: Wenn ich mir vorstelle, ich wäre Arzt, meine Frau wäre Unternehmensberaterin, und wir könnten uns trotzdem nur so eine potthässliche Reihenhausbutze in ArschPoing leisten, dann würde ich mir für mein Kind auch eine bessere Zukunft wünschen. So als promovierte Vorstandsvorsitzende der Lufthansa sollte schon ein richtiges Haus drin sein.

  • Natürlich wegen der Eltern. Das Kind leidet und die behaupten feste, es sind NUR Schamängste. Große Blindheit.

  • zudem ist das system sehr durchlässig und wird es immer mehr.

    Ich bin großer Verfechter des dreigliedrigen Schulsystems. Aber mein Hauptkritikpunkt ist, dass das System in Bayern nach wie vor nicht durchlässig genug ist. Jedes Jahr wird bei uns in Klassenkonferenzen die Empfehlung "Übertritt an die Realschule" ausgesprochen, aber wir bekommen so gut wie nie Schüler aus der Realschule. Im Prinzip wäre das auch wegen unterschiedlicher Stundentafeln und Lehrpläne nach der 7. Klasse auch kaum mehr möglich. Erst zur Oberstufe hin gibt es den nächsten brauchbaren "Einschnitt", auf den die Schüler der Realschule aber meiner Wahrnehmung nach nicht gut genug vorbereitet werden.
    Schulen mit Vorbereitungsklassen gibt es zwar, allerdings in der näheren Umgebung meiner Schule keine einzige (!). Die Schüler müssten bis zu 60min einfach pendeln, um an einer solchen Vorbereitungsklasse teilzunehmen. Ist das zumutbar? Vielleicht, aber wenn ich ein druchlässiges System (in beide Richtungen) haben möchte, dann muss ich solche überflüssigen Hindernisse aus dem Weg schaffen.
    Der zweite Punkt wurde schon angesprochen: Der "Wert" von Schulabschlüssen unterhalb des Abiturs in der öffentlichen Wahrnehmung. Hier muss sich dringend etwas ändern.
    Dann funktionieren auch das dreigliedrige Schulysystem und das bayerische Schulsystem.

  • ja, die versorgung mit übergängen ist im ländlichen raum eine katastrophe. wird aber besser, es gibt jedes jahr mehr von den eingangsklassen. war ja früher mit fos/bos ähnlich, teils neunzig minuten anfahrt. noch früher (70er) sogar mit normalen gymnasien. meine mutter ist noch 70 minuten einfach in die schule gefahren, anmarsch zu fuß zum bahnhof/mit dem rad um die 30 minuten oben drauf (bayerischer wald, 60er). insofern: ich denke, das wird werden, ist aber freilich für aktuelle fahrschüler kein trost.

  • Der "Wert" von Schulabschlüssen unterhalb des Abiturs in der öffentlichen Wahrnehmung.

    Aber gerade da sieht es in Bayern doch noch nicht ganz so düster aus wie in anderen Ländern.

    wird aber besser, es gibt jedes jahr mehr von den eingangsklassen. war ja früher mit fos/bos ähnlich, teils neunzig minuten anfahrt. noch früher (70er) sogar mit normalen gymnasien.

    Und anno '60 gab es in Bayern ganze drei Universitätsstädte, während sich heute alles, was nicht drei Buchstaben auf dem Nummernschild hat, mindestens mit der Filiale einer FH schmückt.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Ich habe mich damals schon gefragt, wieso alle Abitur machen und studieren müssen - und wer dann eigentlich die Arbeiten machen soll, für die man nicht studiert?

    Die Antwort liegt natürlich zu einem großen Teil in der Feststellung, dass es anderenorts nicht unser hervorragendes duales System der Berufsausbildung gibt und man dort auch für Berufe wie Krankenpfleger oder Elektrikerin an einer entsprechenden Ausbildungseinrichtung "studiert".
    Ich habe mal einen sehr interessanten Artikel darüber gelesen, wie viel von der Kritik, die z.B. die OECD am deutschen Bildungswesen übt, oder von der Überhöhung des finnischen Bildungswesens durch speziell deutsche Pisa-Hysteriker auf Nichtwissen und Missverständnissen beruht: nämlich das Meiste.

  • Die Hauptfrage muss doch sein: Wollen wir dass unsere Kinder in ihrer Kindheit etwas lernen oder wollen wir dass sie möglichst viel Spaß haben. Das Ganze ist nicht schwarz weiß und es handelt sich auch nicht um vollständige Gegensätze, aber wir bewegen uns immer irgendwo dazwischen.


    Das Hauptproblem ist doch, dass viele Leute glauben, dass sie mit einem Master in vergleichender Literaturwissenschaft (halt irgendein larifari-Studiengang ohne nennenswerte Jobaussichten) mehr verdienen als ein Polier auf dem Bau, ein Bandarbeiter bei VW oder ein Handwerksmeister. Den Stress haben die Kinder durch ihre Eltern und ich finde es extrem erschreckend, wie viele Kinder schon in der Grundschule Nachhilfe in Mathe und Deutsch haben und dann im Gymnasium relativ schnell auf "Vier gewinnt"-Nachhilfe in allen Hauptfächern umsteigen... o.O

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Den Stress haben die Kinder durch ihre Eltern

    , die - ein in der gesamten westlichen Welt zu beobachtendes Phänomen - über ihre Mittelschichtabstiegsängste nicht hinweg kommen. Und das mit dem Studium als Königsweg haben sie von ihren eigenen Eltern eingetrichtert bekommen.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Das sind aber auch Nachwehen der blödsinnigen Bologna-Reform. In den USA geht jeder Elektriker entweder an ein College (und hat dann einen Universitätsabschluss) oder wird im Betrieb nebenher irgendwie ausgebildet (hat also effektiv gar keinen Abschluss), während wir ein super System mit Lehrling --> Geselle --> Techniker --> Meister ohne jeden sinnvollen Grund auf dem Altar von "wir brauchen eine höhere Studierendenquote weil all die anderen Länder das auch haben" opfern...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

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