Referendariat begonnen, Lerngruppe bringt mich zum verzweifeln

  • Hallo liebe alle,


    ich habe vor kurzem mein Referendariat begonnen und bin mit meiner Lerngruppe (2. Klasse) total überfordert. Ich muss diese Lerngruppe in den Fächern Deutsch und Englisch unterrichten. Die Lerngruppe kommt größtenteils aus bildungsfernen Haushalten und ist sehr heterogen. Es sind zwei Schüler vorhanden, die gut sind und sich entsprechend schnell langweilen. Ich habe einen Schüler der weder lesen noch schreiben kann, der Schüler geht in meinem Unterricht total unter, da ich versuche, die breite Masse nach vorne zu bringen. Der Großteil der Schüler kann kaum Lesen, versteht Aufgaben gar nicht und hat auch ziemlich große Defizite in der Rechtschreibung.
    Der Englischunterricht ist einsprachig überhaupt nicht möglich, da sich die Schüler schnell langweilen, wenn sie etwas nicht verstehen und anfangen zu stören. Auch in Deutsch ist es schwierig zu unterrichten, da die Schüler sehr oft stören und quatschen. Der Höhepunkt war eine Stunde (Englisch) in der letzten Woche in der ich absolut gar nichts unterrichten konnte, weil die Klasse außer Kontrolle war (jeder hat herumgeschrien, keiner zugehört. Die beiden leistungsstarken Schüler taten mir sehr leid, da sie wirklich was lernen wollten, aber der Rest der Klasse eben nicht). Ich bin wirklich am verzweifeln, wenn ich da an meine Hospitationen und Lehrproben denke. :angst: Ich bin da total auf mich alleine gestellt und musste von der 1. Stunde an sofort und ohne Unterstützung selbst unterrichten.
    Wie kann ich in solch einer Lerngruppe die Fächer Deutsch und Englisch unterrichten? Wie bringe ich dem Schüler, der weder lesen noch schreiben kann entsprechendes bei, da ich keine Zeit für ihn habe, weil der Rest der Klasse mich schon überfordert?


    Ergänzung: Für alle Schüler ist Deutsch die Zweitsprache und viele sprechen zu Hause kaum Deutsch.


    Ich weiß wirklich nicht weiter und überlege gerade ernsthaft, ob ich das Referendariat abbreche...



    Liebe Grüße
    Despi

  • Ich frage mich, welche Schulleitung so dermaßen bekloppt sein kann, dass sie einen Referendar in eine 2. Klasse ohne Unterstützung schicken kann. Aber bei uns unterrichten neuerdings auch Quereinsteiger erste Klassen, von daher ist in bestimmten Bundesländern wohl alles möglich. Ich rate dir: wende dich an dein Seminar, das geht so nicht.


    Mache ganz klare Ansagen, dass du der Chef bist und wenn das nicht funktioniert, dann passiert XY und Z. Bestelle dir schnell die Eltern ein und bitte den Klassenlehrer sich für mindestens mal ne Stunde vertreten zu lassen, damit er/sie drin sitzt. Wirkt Wunder. Hatte ich sogar erst diese Woche per Zufall in einer der schwierigsten Klassen und musste dadurch gar nicht Frau Streng sein. Die Kinder merken sich, dass ihr Verhalten beim Klassenlehrer ankommt.

  • Wenn ich die Beschreibung lese (und daraus auf den 100%igen Migraantenanteil der SuS schließe) kommen quasi nur NRW, HH oder Berlin in Frage... wobei das völlig unterstützungsfreie Vorgehen an sich nicht wahr sein darf.
    Dein absolut schreibe- und leseunfähiger Schüer gehört nicht in die 2. Klasse, der sollte wiederholen.
    Deine beiden "guten" könntest du an eine Extra Bank setzen und ihnen etwas anspruchsvolleres "zu tun geben", womit sie sich selbstständig beschäftigen können und du gegen Stundenende das Ergebnis kontrollierst. Wenn du es entsprechend verpackst merken die sogar in dem Alter schon, hier nicht etwa "ausgesondert", sondern privilegiert zu sein.
    Dann hast du (hoffentlich) eine bessere Möglichkeit, dich auf den Rest zu konzentrieren - vor allem gilt es herauszufinden, wer welche Probleme hat, und diese (vor allem die Ursachen!) gezielt zu bekämpfen. Bei deiner Beschreibung befürchte ich natürlich kaum deutsche Sprachpräsenz in den Familien - da sind dringend Gespräche mit den Eltern zu führen, in denen ihnen auch die Notwendigkeit der deutschen Sprache klargemacht werden sollte.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • @Mrs. Pace: Was man halt unter "begleitet" versteht.


    Grundschule:
    Ja, es gibt zwei Seminartage die Woche.
    Aber an den anderen drei Tagen ist man an der Schule. Und da hat man ab Schulbeginn im September sofort 8 Stunden eigenverantwortlichen Unterricht pro Woche.
    Den bereitet man alleine vor (evtl schaut die Betreuungslehrerin mal drüber, wenn man sie fragt, oder man tauscht sich mit Seminarkollegen aus), und während dieser 8 Stunden steht man auch komplett alleine vor der Klasse. Also man steht nicht nur alleine vor der Klasse, man ist die einzige Erwachsene im Raum. Man ist da alleine.




    Despi, zu deinem Problem schreib ich später mehr. Derweil nur: gib nicht so schnell auf, du schaffst das schon, aller Anfang ist hart.

  • Aber die sprechen vielleicht Deutsch?



    Wie viele Kinder sind denn in dieser Lerngruppe (das klingt für mich nicht nach normaler Klassengröße)?
    Hast du schon Rituale eingeführt?
    Gibt es ein Tokensystem oder sowas ähnliches?
    Was sagt die Klassenlehrerin zu der Problematik?
    Was tust du, wenn das Chaos ausbricht, bzw. was hast du in der letzten Stunde getan?


    Denn bevor ich groß Ratschläge gebe, wäre es gut, ein bisschen mehr zu wissen :-) Erzähl doch mal!

  • Verstehe ich nicht. Ich habe biodeutsches Brennpunktkinder, da ist genau das gleiche Phänomen wie beschrieben.


    Ich bezog mich da auf diese Ergänzung aus dem ersten Thread:


    Zitat von Despi

    Ergänzung: Für alle Schüler ist Deutsch die Zweitsprache und viele sprechen zu Hause kaum Deutsch.


    Klingt für mich eindeutig.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Keine Panik
    1. Ans Seminar wenden. Ohne jammern, freundlich erklären: ich bin zu allem bereit, aber die Bedingungen gehen so nicht.
    2. Klassenlehrer bitten, möglichst ein paar Stunden dabei zu bleiben.
    3. "Scheibenwischerblick"= die ganze Zeit den Überblick behalten, wer was macht.
    Z.B. "Alle packen Deutsch aus" (evtl. laminierte Fotos der Hefte an der Tafel/ Namen finden: die roten Hefte/ die Hefte aus der roten Kiste/ die Löwenhefte...) dann kontrollieren, wer das macht (=feeein, der Ali hat schon ausgepackt/ Sami, jetzt auspacken!)
    4. nicht zu viel Unterschiedliches planen. Mach jede Stunde erstmal gleich.
    5. Kurze Phasen, die sich morgen wiederholen (zum Begrüßen aufstehen/ Hefteintrag/ Bewegungslied, das nicht albern werden darf. Wer spinnt, muss aussetzen oder ganz abbrechen)
    6. Anspruch an Unterricht erst mal runterschrauben/ Prüfung bis Herbstferien komplett vergessen. Kennenlernen geht mindestens bis Herbst.
    7. Hospitieren!

  • Deutsch sprechen können die schon (zwar nicht gut, aber Gespräche im Sitzkreis sind möglich).
    Das einzige Ritual ist, dass ich die Stunde gemeinsam im Sitzkreis beginne und am Smartboard darstelle, was wir heute alles machen werden. Geplant war eigentlich, dass ich zum Schluss noch mal den Sitzkreis bilden lasse, um die Ergebnisse zu besprechen, allerdings ist dies nicht möglich, da nicht alle rechtzeitig/kaum mit den Aufgaben fertig werden.
    Ob es ein Tokensystem gibt, muss ich noch herausfinden.
    Die sprachlichen (Schreib-)Probleme wirken sich in den Fächern der Klassenleitung kaum aus, sodass ich denke, dass es ihr kaum auffällt.
    In der letzten Stunde habe ich versucht, die Schüler einzeln mit Namen anzusprechen und ihnen mitzuteilen, dass sie gerade zu laut sind. Einen Schüler habe ich 2 mal vor die Tür geschickt. Danach hat er sich darüber lustig gemacht und gefragt, ob er erneut und diesmal für 10 Minuten vor die Tür kann...
    Ich habe 17 Schüler in der Klasse. Das klingt erstmal wenig, ist aber für mich bereits mehr als genug.
    Vor allem bereitet mir aber das fachliche Sorge. So wie die Klasse gerade ist, kann Sie kaum was von mir lernen. Plenumsunterricht (Sitzkreis) ist auch so nicht möglich, da jeder einen anderen Kompetenzstand hat.

  • Danke für deine tollen Ratschläge. Allerdings möchte ich mich nicht gleich nach 1 Woche an das Seminar wenden.
    Ich hoffe ja, dass ich die Situation noch innerhalb diesen Monats in den Griff bekomme.
    Hast Du zu Punkt 4 vielleicht genaue Vorschläge (für Deutsch u. Englisch)? Was könnte man da denn immer gleich machen vom Ablauf her?

  • Auf Facebook gibt's allerlei Gruppen ("meine erste zweite Klasse") oder ähnlich. Vielleicht kannst du dort Ideen bekommen? Oder du machst noch mal einen Thread im Unterforum Grundschule auf. Die GS-Kollegen haben sicher eine Menge Ideen für Rituale.


    Ich arbeite meist mit älteren Schülern (Förderschule). Ich vertrete nur ab und an bei den Kleinen und weiß daher, wie anstrengend die sein können ;)


    Möglichst am Platz arbeiten, auch die Bewegungseinheiten, Sitzkreis ist schon die hohe Schule der Gruppenführung. Alles anleiten und unterteilen. Also nicht: "kommt nach vorne in den Sitzkreis", sondern "die Fensterreihe nimmt ihren Stuhl und geht leise, wie die Mäuschen in den Sitzkreis...". Das ist halt alles anstrengend am Anfang.
    Wenn einer rumalbert, zurückschicken, als Letzten probieren lassen. Wenn der dann trotzt, spielt er leider nicht mit. Nimm dir Zeit für all diese kleinen Zwischenschritte. Plane sie mit ein, wenn du deine Stundenabläufe schreibst.


    Vor die Tür setzen ist immer so eine Sache, Aufsichtspflicht und so. Erkundige dich, ob deine Kollegen das auch machen. Besser in eine andere Klasse setzen. Wenn doch vor die Tür, dann Tisch davor und Tür offen lassen. Und was zu tun geben. Wenn das Kind noch frech wird, dann nicht nervös werden, oder nachgeben: z.B. lieber gleich gesamte Stunde woandershin verfrachten (Kollege vorher fragen). Oder Ansage machen, z.B.: du, wenn du meinst, dass es witzig ist, draußen zu sitzen, dann hast du was falsch verstanden. Wir klären das nach der Stunde.


    Eltern anrufen wirkt auch oft Wunder. Freundlich sein, Kind loben (kann schon.../ist oft...), dann klare Ansage: sagt frech das und das. Das geht nicht. Bitte sprechen Sie ihr Kind noch mal darauf an. Auch Eltern, die Probleme in der Erziehung haben, haben Einfluss auf ihre Kinder und arbeiten mit der Schule zusammen, wenn man darum bittet.

  • Ich frage mich, welche Schulleitung so dermaßen bekloppt sein kann, dass sie einen Referendar in eine 2. Klasse ohne Unterstützung schicken kann. Aber bei uns unterrichten neuerdings auch Quereinsteiger erste Klassen, von daher ist in bestimmten Bundesländern wohl alles möglich. Ich rate dir: wende dich an dein Seminar, das geht so nicht.

    Also bei uns in Schleswig-Holstein ist das auch so... Da hat eine LiV durchaus mindestens eine Lerngruppe in einem Fach von Anfang an alleine...

    Sei immer du selbst! Außer, du kannst ein Einhorn sein - dann sei ein Einhorn! :verliebt:

  • Die sprachlichen (Schreib-)Probleme wirken sich in den Fächern der Klassenleitung kaum aus, sodass ich denke, dass es ihr kaum auffällt.

    Das sollte der Klassenleitung aber auffallen, denn auch in anderen Fächern wie Mathe oder HWS/Sachunterricht muss ja viel versprachlicht werden, wenn auch in der zweiten Klasse noch nicht schriftlich.
    Ansonsten möchte ich dir Mut machen, gute Ratschläge hast du ja schon bekommen. Ich hatte auch eine "schreckliche" Klasse im Ref. und kann also ein bisschen mitfühlen. Das im Seminar in deinen Fachseminaren und im Pädagogikseminar zu thematisieren ist eine gute Sache - da wirst du auch Unterstützung bekommen. Ansonsten: Geduld und Konsequenz!

    Sei immer du selbst! Außer, du kannst ein Einhorn sein - dann sei ein Einhorn! :verliebt:

  • Das einzige Ritual ist, dass ich die Stunde gemeinsam im Sitzkreis beginne und am Smartboard darstelle, was wir heute alles machen werden. Geplant war eigentlich, dass ich zum Schluss noch mal den Sitzkreis bilden lasse, um die Ergebnisse zu besprechen, allerdings ist dies nicht möglich, da nicht alle rechtzeitig/kaum mit den Aufgaben fertig werden.Ob es ein Tokensystem gibt, muss ich noch herausfinden.
    Die sprachlichen (Schreib-)Probleme wirken sich in den Fächern der Klassenleitung kaum aus, sodass ich denke, dass es ihr kaum auffällt.
    In der letzten Stunde habe ich versucht, die Schüler einzeln mit Namen anzusprechen und ihnen mitzuteilen, dass sie gerade zu laut sind. Einen Schüler habe ich 2 mal vor die Tür geschickt. Danach hat er sich darüber lustig gemacht und gefragt, ob er erneut und diesmal für 10 Minuten vor die Tür kann...
    Ich habe 17 Schüler in der Klasse. Das klingt erstmal wenig, ist aber für mich bereits mehr als genug.
    Vor allem bereitet mir aber das fachliche Sorge. So wie die Klasse gerade ist, kann Sie kaum was von mir lernen. Plenumsunterricht (Sitzkreis) ist auch so nicht möglich, da jeder einen anderen Kompetenzstand hat.

    Zusätzlich zum von anderen Geschriebenen:
    Übernimm Rituale und Regeln von der Klassenleiterin.
    Den Sitzkreis könntest du anfangs weglassen, wenn es dabei schon unruhig wird. Meine Erfahrung: Setzen in den Sitzkreis oder Aufstehen und ein paar Schritte gehen im Unterricht wird als "Wir haben Pause und können machen, was wir wollen / uns nett unterhalten / zum Freund gehen" missverstanden und wenn das bei mehreren passiert, könnte hier "das Schiff Unterrichtsstunde" bereits "anfangen zu schlingern".
    Wenn Kinder nicht fertig werden, kann man sie auch unterbrechen. Allerdings ist das momentan vermutlich dein geringstes Problem.
    Tokensystem: Wenn der Klassenleiter eins hat, übernehmen. Wenn nicht, eigenes schaffen. Beispiel unserer Englischlehrer: Es gibt eine große "Ampel" aus laminiertem Tonpapier: Roter Kreis, gelber Kreis, grüner Kreis. (Gelb könnte man sogar weglassen und nur Rot und Grün haben.) Die 3 Kreise sind noch untereinander auf eine Pappe geklebt oder mit Schnur verbunden. Dazu eine Wäscheklammer mit dem Namen jedes Kindes. Anfangs sind alle auf dem grünen Kreis, bei Störungen geht es auf Gelb oder Rot. Bei gewünschtem Verhalten (z.B. "Ich bin leise im Unterricht.") geht es wieder in Richtung Grün. Wer am Ende auf Grün steht, bekommt neben dem persönlichen Lob einen Stempel auf sein Stempelblatt. Wer das Stempelblatt voll hat, greift in die "Überraschungskiste", in der sich begehrte Kleinigkeiten befinden: kleine Spielzeuge, Leuchtknete, Stifte, Lineale mit aktuellen Filmmotiven. Spätestens wenn der erste dort reingreifen darf, sind viele andere auch motiviert. Wichtig ist, die Hürde nicht zu hoch zu hängen, nicht zu viele Stempel sammeln zu müssen (vielleicht so, dass ein vorbildlicher Schüler in 2 Wochen das Blatt voll hat), gegen Ende der Stunde motivierend tätig sein, um möglichst viele Kinder auf "Grün" zu bekommen und damit klarzumachen, dass gewünschtes Verhalten zu Erfolg führt.
    Vielleicht kannst du die Klassenleiterin dazu bringen, sich die Stempelkarten zeigen zu lassen und diejenigen zu loben, die viele Stempel haben. Die Ampel hat den Vorteil, dass du die Klammern wortlos verschieben kannst und deine Stimme schonst.
    Alternativ wäre ein Token-System für die ganze Klasse möglich, das funktioniert aus meiner Erfahrung her aber nur dann gut, wenn ein "Gemeinschaftsgefühl" existiert.


    Versuche den Schüler, der sich lustig gemacht hat (10 Minuten vor die Tür) in der kommenden Stunde in eine andere Klasse zu setzen. Gibt ihm Aufgaben mit, die anstrengend sind, aber nichts, wofür er Hilfe braucht, z.B. eine Abschreibübung. Völlig egal, ob es zum derzeitigen Unterrichtsstoff passt, darum geht es nicht. Es muss unangenehm sein. Ideal wäre eine ältere Klasse, da trauen sie sich meist nicht zu piepsen und eine strenge Kollegin. Das ganze machst du nicht "heimlich, damit der arme Schüler nicht bloßgestellt wird", sondern du erklärst den Kindern direkt am Anfang der Stunde ganz neutral und sachlich, warum der Mitschüler heute nicht dabei ist und dass er die Stunde mit einer anstrengenden Aufgabe in einer anderen Klasse verbringt. (Du musst das den Seminarleitern nicht erzählen, das ist keine wirklich moderne Pädagogik, aber ich finde, mit moderner Pädagogik kann man immernoch anfangen, wenn die Grundbedingungen stimmen.)
    Ich habe früher immer gedacht, dass man sofort eine Konsequenz parat haben muss (Folge der Ausbildung) und bin dann an meinen Ansprüchen gescheitert oder habe aufbrausend / mit wechselnder Konsequenz reagiert. Von der letzten Erzieherin, mit der ich zusammenarbeiten durfte, habe ich gelernt: Neutral-sachlich eine Konsequenz ankündigen und sagen, dass man sich diese noch überlegen wird oder mit der Klassenleiterin besprechen wird. Die Konsequenz muss dann bald (z.B. am nächsten oder übernächsten Tag) folgen und vorher erinnere ich noch einmal an den Auslöser. Ich kann feststellen, dass das wirkt und mich entlastet, indem ich nicht immer sofort alles entscheiden und auf alles reagieren muss.


    Schüler, die - mal abgesehen von der Aufsichtspflicht, das ist wirklich problematisch - vor die Tür gehen, müssen übrigens immer nachholen, was sie verpasst haben. Und wenn sie nur mündliche Arbeit verpasst haben, schreiben sie halt etwas aus den Schul- oder Klassenregeln ab. Im Anschluss an die Stunde müssen sie noch dableiben und es gibt ein Gespräch über das Verhalten. Es ist nicht wichtig, dass es lange dauert, 30 Sekunden können reichen, aber das Kind muss merken, dass sein Verhalten Konsequenzen hat. Sprich ruhig, sage auch etwas Positives: "Du bist klug und ich weiß, dass du richtig gut Englisch lernen kannst, dazu musst du aber aufpassen. Wie kannst du das in der nächsten Stunde schaffen?" Es ist außerdem wichtig, dass du diese Konsequenz ebenfalls vor der Klasse ankündigst: "XY muss nun noch mit mir ein Gespräch führen." XY ist hier nämlich einer, der versucht, die Führungsposition zu erlangen: Er will vor seinen Mitschülern gut dastehen und dich in die Pfanne hauen. Wenn du es schaffst, solche Kinder auf deine Seite zu bringen (eine Bindung / gute Beziehung aufzubauen), folgen die Mitläufer.


    Bevor du über "alles hinwerfen" nachdenkst (was ich gut nachvollziehen kann), denke bitte immer erstmal Folgendes:
    Die Schüler testen dich aus. Das machen sie bei jedem, egal ob Referendarin oder nicht.
    Die Kinder waren erst 1 Jahr in der Schule, jetzt waren Ferien und am Anfang der 2. ist man manchmal erstaunt, was an Regeln alles "weg" ist. Selbst bei meiner 4. fange ich jetzt gerade mit Regeltraining an. Wichtig ist, dass die Regeln klar und positiv formuliert sind und dass es wenige sind. 2 bis 3 reichen für den Anfang (es sei denn, die Klasse hat Klassenregeln, die du übernehmen kannst). Falls es keine Klassenregeln gibt, würde ich mit dieser Klasse kein demokratisches Regelfinden veranstalten, solange sie sich so aufführen. Da würde ich die Regeln vorgeben. Bitte auch visualisieren, schöne Visualisierungen für Regeln gibt es beim Zaubereinmaleins, falls du etwas brauchst.
    Die Klassenleiterin hat bei den Kleinen den Klassenleiterbonus und jeder Fachlehrer hat es deutlich schwerer.
    Die Kinder können etwas von dir lernen: Nämlich als allererstes, dass es in der Schule mehr als nur ein "Alpha-Tier" (Klassenleiterin) gibt und sie auch auf andere Lehrer hören müssen.
    Im Plenum arbeiten: Es klingt, als würdest du sehr individualisierten Unterricht machen. Ist die Klasse daran gewöhnt? Falls nicht, würde ich das nochmal überdenken, denn diese Form des Unterrichts stellt hohe Anforderungen an die Kinder (Konzentration, intrinsische Motivation, Ausdauer, Arbeitsgedächtnis, Selbstbestimmung, Entscheidungsfähigkeit, Rücksichtnahme, Teamfähigkeit, die Klasse muss eine halbwegs funktionsfähige Gemeinschaft sein). Wenn sie das nicht gelernt haben, sind sie mit sehr offenem Unterricht überfordert.
    Dann können kurze Phasenwechsel mit regelmäßigen kurzen Sequenzen im Plenum anfangs besser geeignet sein. Im Plenum wird ein aktueller Unterrichtsinhalt besprochen und so viele Kinder wie möglich arbeiten an dem Thema. Wer es noch gar nicht kann, bekommt zur Not ein anderes Thema. (Auch z.B. beim Matherad, das ja sehr offen arbeitet, gibt es Plenumsrunden, bei denen sich alle zu einem Thema unterhalten, auch wenn sie noch nicht so weit sind.) Dieses Vorgehen eignet sich erst einmal nicht für Unterrichtsbesuche, aber um Fuß zu fassen in der Klasse und um die Kinder "abzuholen".


    Für die Kinder mit ganz großen Problemen: Gibt es Förderunterricht? Oder Nachhilfe? (Bei uns bekommen Kinder aus geringverdienenden Familien kostenlosen Nachhilfeunterricht, wenn sie sehr schlechte Leistungen haben.)


    Versuche, die Klassenleiterin mit "ins Boot" zu holen und die Kolleginnen in den angrenzenden Räumen (um mal einen dort hinbringen zu können, der dir die Stunde schmeißt).


    So, das ist jetzt sehr viel, das ist auch nur meine Meinung / Erfahrung und jeder ist anders. Aber vielleicht kannst du etwas für dich Sinnvolles herausziehen.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

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