ZON - Interview

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe gerade folgendes Interview bei Zeit Online gelesen und finde die Antworten von Frau Alber an zahlreichen Stellen unmöglich.


    http://www.zeit.de/gesellschaf…terrichtsausfall-schueler


    Ich will im ersten Beitrag hier gar nicht zu viel vorweg nehmen, aber seht ihr das Interview auch so kritisch oder stimmt ihr ihren Ausführungen eher zu?


    LG
    blue

  • Leider muss ich sagen, dass ich die Beobachtungen zur Professionalisierungsbedürftigkeit des Vertretungsunterrichts bzw. der Vertretungskonzepte oft teile.



    Zitat

    Eltern ohne akademischen Hintergrund denken oft: "Dann haben die Kinder halt ein bisschen freie Zeit, ist doch schön."

    Das ist reine Akademikerarroganz und stimmt meiner Beobachtung nach nicht.


    Ich denke sie hat allerdings damit Recht, dass Versäumnisse der Schule/Ausfallstunden bei Kindern aus bildungsfernen Elternhäuser stärker durchschlagen. Das liegt aber eher daran, dass diese Elternhäuser in der Regel nicht die Ressourcen haben, um Versäumnisse der Schule privat mit den Kindern aufzuarbeiten. ... und das darf eigentlich auch nicht nötig sein.

  • Ich weiß nicht so recht, inwiefern ich da zustimmen soll oder nicht - sie berichtet davon, wie es an der Schule ihrer Kinder gelaufen ist. Da ich da nicht war, kann ich ja nicht wissen, ob das stimmt oder nicht.


    An der Schule, wo ich unterrichte, ist der Vertretungsunterricht meist besser organisiert. An der Schule meiner ältesten Tochter hingegen schlechter als bei meiner, aber vielleicht noch etwas besser als bei der Frau Alber.


    Ich bin aber auch der Meinung, dass es fest angestellte Lehrer für Vertretungen geben sollte.

  • Leider muss ich sagen, dass ich die Beobachtungen zur Professionalisierungsbedürftigkeit des Vertretungsunterrichts bzw. der Vertretungskonzepte oft teile.



    Das ist reine Akademikerarroganz und stimmt meiner Beobachtung nach nicht.
    Ich denke sie hat allerdings damit Recht, dass Versäumnisse der Schule/Ausfallstunden bei Kindern aus bildungsfernen Elternhäuser stärker durchschlagen. Das liegt aber eher daran, dass diese Elternhäuser in der Regel nicht die Ressourcen haben, um Versäumnisse der Schule mit den privat Kindern aufzuarbeiten. ... und das darf eigentlich auch nicht nötig sein.

    Ja, das ist auch meine Erfahrung. Ich sehe das Problem aber genauso bei Hausaufgaben - generell bei allen Verpflichtungen, die direkt oder indirekt ins Elternhaus verlagert werden.


    Zum Thema "Professionalisierung von Vertretungsstunden" - dafür bin ich uneingeschränkt auch. Die Gelder dafür werden aber nicht locker gemacht. Anscheinend auch an Berufsschulen nicht, aber Berufsschullehrer scheinen im Gegensatz zu Gymnasiallehrern die aufopferungsvolleren Lehrer zu sein, denn "da weht ein anderer Wind" ... ich warte noch ein bisschen, bevor ich mich dazu noch intensiver auslasse. Vielleicht stößt das auch nur mir bitter auf.

  • Ich weiß nicht so recht, inwiefern ich da zustimmen soll oder nicht - sie berichtet davon, wie es an der Schule ihrer Kinder gelaufen ist. Da ich da nicht war, kann ich ja nicht wissen, ob das stimmt oder nicht.


    An der Schule, wo ich unterrichte, ist der Vertretungsunterricht meist besser organisiert. An der Schule meiner ältesten Tochter hingegen schlechter als bei meiner, aber vielleicht noch etwas besser als bei der Frau Alber.


    Ich bin aber auch der Meinung, dass es fest angestellte Lehrer für Vertretungen geben sollte.

    Das sehe ich anders. Sie antwortet ja schon sehr generalisierend:


    Das sind alles Aussagen, die sie nicht auf eine einzige Schule bezieht - jedenfalls fragt ZON ja offensichtlich nach Gymnasien im Allgemeinen und nicht nach dem einen ihrer Kinder.

  • Ich würde die "Schuld" nicht mal unbedingt im (oftmals nicht gerade berauschenden) Vertretungssystem suchen, sondern auch in der Gesellschaft an sich: Sie spricht von "Familien"... wie oft sind das mitterweile Alleinerziehende? Und - selbst wenn die nicht bildungsfern sind, vielleicht selbst Abitur haben, wieviel Zeit haben die denn überhaupt, sich um die Hausaufgaben und sonstige schulische Probleme der Kinder zu kümmern?
    Das potenziert sich dann natürlich noch - Wenn Probleme kommen, die für die Eltern völlig fremd sind, weil sie die Themen in ihrer Schule nie hatten, vielleicht nicht mal die Sprache kennen...


    Für Frau Alber gibt es wohl noch eine ziemlich "heile Welt" - ist das in Bayern noch so? Dann kommen sie mal nach NRW... Alleinerziehende nicht unbedingt in der Minderheit, und selbst wenn beide Eltern "da" sind, sind sie eben nicht "da", sondern arbeiten, vielleicht sogar in mehreren Jobs. Warum wohl werden immer mehr Ganztagsschulen genutzt? Und da fällt dann natürlich auch mal Unterricht aus...


    Viele Kinder können die Hilfe, die sie von zu Hause bräuchten, gar nicht bekommen, da die "Ressourcen" dazu fehlen. In jeglicher Hinsicht. Und das ist vor allem dann besonders bedauerlich, wenn wirklich begabte Kinder die Förderung, die ihnen deutlich weiterhelfen kann, nicht erhalten, weil es vielleicht nicht einmal bemerkt wird. Ja, da hakt das System...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
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    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
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  • Bin überrascht. Wenn ich krank bin oder auf Klassenfahrt schicke ich immer Materialien an die Schule, ist ja auch kein Problem, man arbeitet ja etwas vor. Ist das an anderen Schulformen nicht üblich :grimmig: ?

  • Das ist in der Tat in dem Artikel unsauber gemacht - sowohl die Frage als auch die Antwort. Ich habe das auf die eine Schule (der Kinder der Interviewten) bezogen, denn etwas anderes kann die Dame ja wohl nicht beurteilen.

  • Bin überrascht. Wenn ich krank bin oder auf Klassenfahrt schicke ich immer Materialien an die Schule, ist ja auch kein Problem, man arbeitet ja etwas vor. Ist das an anderen Schulformen nicht üblich :grimmig: ?

    Klar ist das auch anderswo von einigen, aber vermutlich nicht allen Kollegen, üblich. Ich mache das auch so wie du. Aber wenn ich eine Woche krank bin, dann habe ich auch nicht die ganze Woche vorbereitet und manchmal bin ich auch einfach zu krank, um noch zusätzliche Stunden vorzubereiten. Ich finde es total daneben von der Frau, den Eindruck zu vermitteln, an Berufsschulen wären die Lehrer so wahnsinnig aufopferungsvoll, denn da wehe ja ein anderer Wind und an den Gymnasien könnten die Lehrer jawohl echt mal kollegialer und verantwortungsbewusster sein.


    Überhaupt zu fordern, dass man krank Unterrichtsmaterialien verschicken solle, ist absurd, denn krank ist krank und auch Lehrer haben ein Recht auf Erholung. Auf freiwilliger Basis prima, aber wie sollte man sich dazu verpflichten? Und wie soll - wenn das Land kein Geld für entsprechende Stellenbesetzungen ausgibt - lehrplankonform Mathe vom Spanischlehrer unterrichtet werden, wenn der Mathelehrer ausfällt und keiner einspringen kann? Das kann doch nicht auf dem Rücken von kranken Lehrern ausgetragen werden, weder in der Berufsschule noch am Gymnasium noch an anderen Schulformen.

  • Ist Unterrichtsausfall - so lange nicht über Wochen ein bestimmtes Fach ausfällt - wirklich das große Problem, zu dem er gemacht wird? In meiner Schulzeit fiel Unterricht aus - manchmal sogar viel. Dann haben wir uns - Akademikerhaushalt oder nicht - über mehr freie Zeit gefreut. Die Schulaufgaben und das Abi hat das jetzt aus der Erinnerung heraus nicht negative beeinflusst.
    Ich hatte vor zwei oder drei Jahren mal gesundheitlich einen ziemlichen Durchhänger und bin einige Stunden ausgefallen - sogar in meinem Abiturkurs. Am Schuljahresende war ich dennoch mit allen Klassen fertig und der Kurs hat das (Zentral)Abitur auch gut gemeistert ...


    Etwas ketzerisch: Wenn irgend etwas nicht passt, wird es auf Unterrichtsausfall "geschoben", andere Gründe, die z.T. für Eltern oder Schüler unangenehmer sind, weil sie mehr in ihrer Eigenverantwortung liegen, fallen unter den Tisch.


    Ich kenne es aber von meiner Schule auch nur so, dass Vertretungen nach folgendem Prinzip eingeteilt werden:
    - an erster Stelle ein Lehrer, der die Klasse in einem anderen Fach unterrichtet. Fehlt der Mathe-Lehrer, gibt es halt eine Stunde mehr Deutsch oder Englisch
    - an zweiter Stelle ein Lehrer, der das Fach der abwesenden Lehrkraft unterrichtet - und es wird, anders als in dem Interview, Unterricht gehalten
    - nur im Notfall kommt ein Lehrer, der weder Fach noch Klasse hat ... die Erwartung (die meist auch erfüllt wird) ist, dass dennoch Unterricht statt findet (Grundlagen in Mathe wiederholen, Englisch Grammatik üben etc).

  • Es ist eine Frechheit sich hinzustellen und Berufsschullehrer, die "oft Arbeiten bis zum Umfallen" und auch noch krankgeschrieben Vertretungsaufgaben an die Schule schicken, als Vorbild hinzustellen.


    Wenn dann wirklich mal einer "umfällt", dann werden diese "Vorbilder" schon merken, dass das "System" es ihnen in keinster Weise dankt und sie evt. in die Dienstunfähigkeit mit Minimalbezügen versetzt... in praktisch jedem Kollegium gibt es solche Fälle, die man leider nicht (mehr) sieht, da sie ja aus dem Schulbetrieb ausgeschieden sind.


    Krank ist krank. Wenn man dann zufällig ein paar Aufgaben fertig hat, kann man sie der Schule schicken, aber während man krank ist, besteht sicher keine Pflicht dazu.


    Ganz klar ist, warum das Thema "Vertretungsunterricht" aktuell auf die Tagesordnung kommt: Durch die Umstellung des schulischem Bildungssystem auf die berühmte "Outputorientierung" mit zentralen Abschlussprüfungen nimmt das "System" keine Rücksicht mehr auf die personellen Bedingungen vor Ort. Seit Jahren fordern die Verbände an jeder Schule eine Vertretungsreserve vorzuhalten, also eine Unterrichtsvergung von mindestens 105% zu gewährleisten, um einen durchschnittlichen Krankenstand kompensieren zu können. Wenn dann aber Schulen regelmäßig mit weit weniger als 100% "versorgt" werden, dann nimmt die Bildungspolitik den Unterrichtsausfall bzw. Vertretungsstunden als reine Betreuungsstunden bewusst in Kauf. Jetzt den schwarzen Peter den Lehrkräften zuzuschieben ist ein Unding!


    Ich kann jeden nur warnen, dieses Spiel, dass ja mittlerweile unter dem Deckmantel der "sozialen Gerechtigkeit" daherkommt (Kinder aus Nicht-Akademiker-Haushalten durch ausfallenden Unterricht besonders benachteiligt) mitzuspielen. Die Karte "soziale Gerechtigkeit" wird immer öfter gespielt, wenn's darum geht Leistung ohne Gegenleistung (in diesem Fall Leistung von den Lehrern) zu bekommen!


    Verantwortlich für den Zustand sind erstens die Umstellung des Schulwesens auf die Output-Orientierung und zweitens die mangelhafte Unterrichtsversorgung an den Schulen. Und dafür sind NICHT die Lehrer verantwortlich!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    3 Mal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Was mich beim Lesen des Artikels irritiert hat sind die 20 % Krankenstand. Ist das wirklich so? Habe ich auch während der schlimmsten Grippewelle an meiner Schule noch nie erlebt.


    Ferner verstehe ich nicht, warum Unterricht ausfällt wenn Klassen auf Abschlussfahrt sind. Bei uns hat dann der Rest der Schüler irgendeine Sonderwoche, also findet sowieso kein regulärer Unterricht statt. Das ist bzgl Lehrplan natürlich mit eingeplant.


    Ausserdem fordert sie doch nicht dass Leute im Krankenstand sich spontan was ausdenken, sondern dass man sowieso auf diesen Fall vorbereitet ist. Das halte ich für ein vernünftiges Vertretungskonzept für absolut legitim. Ich habe Kollegen schon für zwei Wochen vertreten indem ich einfach ihre Unterlagen habe weiter bearbeiten lassen. Kein Problem.

  • In Deutschland sind viele Schulen teilweise so schlecht mit Lehrkräften versorgt, dass es ihnen nur mit Mühe und Not gelingt, den Pflichtunterricht abzudecken. Da "darf" dann keiner krank werden. Es ist einfach politisches Versagen, das zu den jetzigen Zuständen geführt hat. Und es ist NICHT Aufgabe der Lehrkräfte, das auf Kosten ihrer persönlichen Gesundheit auszugleichen!


    In Deutschland wird seit über zwanzig Jahren an allen Ecken und Enden gespart, was irgendwie das Attribut "sozial" beinhaltet (Schule, Pflege, Krankenhäuser, Rente, Arbeitslosengeld (Hartz 4), ...). Nur Export und Finanzwesen werden ohne Ende gefördert. Das ist die traurige Realität in Deutschland im Jahr 2017. "Weiter so" ... "Uns geht es gut".... Mehr fällt unseren Politikern dazu nicht ein.

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Ich habe jetzt aber nach den 20 % Krankenstand gefragt, das halte ich für übertrieben viel. Bei uns war letzte Woche genau einer von knapp 120 krank geschrieben.


    Was heisst denn "mit Mühe und Not den Pflichtunterricht abdecken"? Ich plane keine einzelnen Stunden sondern ganze Unterrichtsreihen, also bin ich immer mind 2 Wochen im voraus. So lange kann ich theoretisch krank sein und meine Schüler füllen einfach weiter Aufgabenblätter aus und lesen Text. Muss nur einer daneben stehen und aufpassen dass sie das auch tun.

  • Wenn ich irgendwo "daneben stehen und aufpassen" soll, dann mache ich das unbezahlt nur in meiner Freizeit. Ist es Teil meines Jobs, will ich das vergütet sehen. So wie in jedem anderen Beruf auch. Besser wäre natürlich, wenn man Leute einstellt, die das übernehmen können ("Vertretungsreserve").

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ja, da gebe ich dir recht. Bei uns werden Vertretungsstunden auch bezahlt. Die Frau in dem Interview moniert aber dass Vertretungslehrer Filme gucken anstatt Unterricht zu halten und sie erwähnt was von schlechter (aber nicht keiner!) Bezahlung für Vertretungsstunden.

  • Ich glaube in der Schweiz würde für 14 Euro pro Stunde keiner morgens aus dem Bett aufstehen...


    Zudem müssen drei Vertretungsstunden pro Monat unbezahlt abgeleistet werden, hinzu kommen die berühmten "Minusstunden", die man so aus den diversen Gründen ansammelt und die man dann durch unbezahlte Vertretungen "abbauen" darf. Da kann schon einiges zusammenkommen.


    Erläuterung "Minusstunde": Schulklasse nicht da wegen Exkursion / Klassenfahrt -> Minusstunde. Schulklasse hat irgendeine schulinterne Veranstaltung, an der man nicht beteiligt ist - > Minusstunde. Schulklasse macht Betriebspraktikum -> Minusstunde. Abiturjahrgang wird nicht mehr unterrichtet -> Minusstunde (nach dem mündlichen Abitur) usw. usf.

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Das mit den 14 Euro ist ja ein steuerrechtliches Problem. Ich gebe zu dass es bei uns das Ding mit den Minusstunden nicht gibt, fände es aber noch durchaus vertretbar. Vor allem wenn Abschlussklassen mit den Prüfungen durch sind. Wenn die weg sind sind sie weg und man hält die Stunden nicht mehr. Dann hat man z B Zeit Vertretungsstunden vorzubereiten ;)

  • Dann schlag doch bei eurer nächsten Lehrerkonferenz einfach vor, bei euch "Minusstunden" einzuführen. So ganz basisdemokratisch, wie die Schweizer das gewöhnt sind...

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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