Inklusionskonzept für Gymnasien

  • Liebe Foristinnen und Foristen,


    seitdem ich, nach einem Jahr an der Grundschule, nun zum Referendariat wieder am Gymnasium (G8) unterrichte, ist mir etwas sehr Gravierendes aufgefallen:


    Inklusion schreibt man an Gymnasien, zumindest an meiner Schule, mit einem deutlich kleinen "i".


    Zwar beschulen wir sehr viele Schüler mit Einschränkungen verschiedener Art (Autismus, ADHS, Hören und Kommunikation), aber ein richtiges Konzept zur Inklusion scheint es nicht zu geben.


    Nachteilsausgleiche werden (außer in Ausnahmefällen) ohne professionelle, d.h. sonderpädagogische, Hilfe verfasst.
    Klassen, in denen Kinder mit Förderbedarf beschult werden, haben z. T. bis zu 30 SuS.
    Der Austausch zwischen Fachkollegen und Sonderpädagogen mit entsprechenden Schwerpunkten existiert quasi nicht.
    Individuelle Förderung im Unterrichtsalltag ist nur unter höchster Anstregung und mit Wohlwollen der Lehrkräfte möglich.


    Nun bin ich aber der Ansicht, auch unter Einbezug der Erfahrung an der Grundschule, wo SoPäds möglichst häufig den Unterricht unterstützt haben und professionelle Beratung möglich war, dass diese Dinge so nicht sein sollten bzw. sein müssten.
    So bleibt Inklusion ein formales Konstrukt, das zwar "auf dem Papier" funktioniert, das ist aber eben nicht im Sinne des Erfinders.


    Nun die Frage an euch:


    Habt ihr Erfahrung mit gut funktionierenden Inklusionskonzepten an euren Schulen (GemS mit Oberstufe oder Gymnasien)?
    Wie sieht der Austausch zwischen SoPäds und SekII-Kollegen aus?


    Ich habe überlegt, eine InklusionsAG an meiner Schule ins Leben zu rufen, da mir das Thema persönlich sehr am Herzen liegt und ich den Grundgedanken der Inklusion für großartig und erstrebenswert halte. Vielfalt rockt eben!
    Allerdings würde ich mich vorher gern ein bisschen schlau machen, ob und wie es an anderen Schulen klappt!


    Beste Wochenendgrüße,


    SchmidtsKatze

  • Nachteilsausgleiche werden (außer in Ausnahmefällen) ohne professionelle, d.h. sonderpädagogische, Hilfe verfasst.

    Weil sonderpädagogische Hilfe nur in Ausnahmefällen und nur für wenig Zeit zur Verfügung steht :-(
    (Konkret bedeutet das, dass im Bereich Hören und Autismus 1-2x pro Jahr eine entsprechend ausgebildete Lehrkraft bei uns in der Schule vorbeikommt, im besten Fall in 1-2 Stunden den entsprechenden Schüler anhospitiert und danach mit dem Klassenlehrer und Inklusionsbeauftragten ein einstündiges Beratungsgespräch führt.)



    Klassen, in denen Kinder mit Förderbedarf beschult werden, haben z. T. bis zu 30 SuS.

    Der Klassenteiler liegt hier in NDS bei 30 - wenn's 31 sind, bekommen wir keine zusättzlichen Stunden, um eine weitere Klasse einzurichten. "Anerkannte" Inklusionsschüler zählen doppelt - da wären dann "nur" 29 Schüler im Raum. (Ausnahme: Unterricht in Kursen (Religion, Fremdsprachen) in Klasse 5-10: Da liegt der Klassenteiler bei 32. Heißt analog, ein Französisch-Kurs mit einem I-Schüler hat dann maximal 31 Schüler).



    Der Austausch zwischen Fachkollegen und Sonderpädagogen mit entsprechenden Schwerpunkten existiert quasi nicht.

    Siehe professionelle Hilfe. Könnte natürlich daran liegen, dass die uns zugewiesenen Sonderpädagogen jeweils rund 30 inkludierte I-Schüler im Umkreis von ca. 80 km betreuen und an ihrer verbliebenen Förderschule noch Klassenlehrer sind...



    Individuelle Förderung im Unterrichtsalltag ist nur unter höchster Anstregung und mit Wohlwollen der Lehrkräfte möglich.

    Du schreibst es: "höchste Anstrengung".
    Das hat mit Wohlwollen nicht unbedingt was zu tun, sondern auch ganz viel mit dem eigenen Überleben. Je näher ein I-Schüler am Rest der Klasse dran ist (= zielgleiche Beschulung), desto einfacher/umsetzbarer ist die individuelle Förderung.


    Was man nicht vergessen darf: Die Förderschulen hatten Förderschwerpunkte. Die Lehrkräfte dort haben jahrelang einen entsprechenden Schwerpunkt studiert und dann genau einen Schwerpunkt, auf den sie sich in ihrem Berufsleben konzentrieren, weiterbilden, Materialien sammeln etc. (ja, ich weiß, es gibt auch Mehrfachbehinderungen, auch an Förderschulen).
    Bei der Inklusion an der Regelschule treffe ich in der einen Stunde auf den (Kanner oder Asperger) Autisten (und werde da zum "Experten"), in der nächsten Stunde auf zwei Schüler mit Hörgerät / Implantat (und werde da zum "Experten") und in der Stunde darauf auf den Schüler mit ADHS (und werde da zum "Experten"). Will ich die alle bedarfsgerecht individuell fördern, muss ich mich intensiv in drei verschiedene Fördergebiete einarbeiten. Und genau da kommt wieder die von dir erwähnte höchste Anstrengung ins Spiel...

  • Ich bin selbst in der Beratung tätig und war - wie es der Zufall so will - gestern an meinem Beratungstag am Gymnasium. Da war ich bei meinen beiden schwerhörigen Schülern im Unterricht zum Hospitieren, Überprüfen/Einstellen der Übertragungsanlage und nachher einen Termin beim Schulleiter, um für eine der beiden für gute Bedingungen im nächsten Schuljahr zu sorgen.


    Am Gymnasium hast du vier Förderschwerpunkte: Hören, Sehen, emotional-sozial sowie körperliche und motorische Entwicklung. (Von zieldifferenter Inklusion am Gymnasium halte ich nichts - die Lücke ist viel zu groß.) Du hast so geringe Fallzahlen, dass du gar kein Konzept machen kannst. Das sind dann bloße Einzelfälle in unterschiedlichen Jahrgängen, wo individuell geschaut werden muss.
    Man kann darauf achten, dass Lehrer sich einem der Förderschwerpunkte zuordnen, aber durchziehen kann man das nicht, weil da ganz andere Mechanismen am Werk sind. Bei den kleinen Fächern, wo es nur wenige Kollegen gibt und diese dann viele Klasse haben, funktioniert das auch gar nicht. Die bekommen alles ab. Das würde höchstens bei Hauptfachlehrern gehen. Bei diesem Gymnasium wird das Prinzip des Lehrerwechsels nach zwei Jahren sehr hoch gehängt und dementsprechend beißen die Klassenleitung und ich da auf Granit, wenn es darum geht, dass immerhin die Englischlehrerin für die nächsten zwei Jahre bleibt, weil sie weiß, wie sie damit umzugehen hat. Auch die Klassengemeinschaft wollen sie nicht so lassen wegen der zweiten Fremdsprache, obwohl es dort gut klappt. Ein Kurssystem kostet eventuell mehr Stunden und ist schwieriger für einen guten Stundenplan. Ich bin schon dankbar, dass der Englischunterricht überwiegend als Einzelstunde stattfindet, denn eine Doppelstunde englisches Gebrabbel ist sehr hart für einen Hörgeschädigten.


    Man kann einiges Hochtrabendes an Ideen zu Papier bringen, aber von den Bedingungen (Stellenversorgung, Langzeiterkrankungen, Raummangel etc.) wird man schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ich habe Glück und an dem Gymnasium sind sie sehr offen für solche Fälle. Die Schulleitung fragt die Kollegen in der Regel im Vorhinein, ob sie bereit dazu wären. Die meisten dort sind es. Von meinen Beratungskollegen und von Schülern, die vom Gymnasium zu uns kamen, höre ich zum Teil ganz andere Sachen.



    Siehe professionelle Hilfe. Könnte natürlich daran liegen, dass die uns zugewiesenen Sonderpädagogen jeweils rund 30 inkludierte I-Schüler im Umkreis von ca. 80 km betreuen und an ihrer verbliebenen Förderschule noch Klassenlehrer sind...

    Japp - ich habe immerhin nur bis zu 15 Fälle, aber mit einem Beratungstag in der Woche kann man sich auch ausrechnen, wie oft ich im Jahr vorbeischauen kann. Von den Beratungstagen fällt zudem auch noch etwas weg, weil ich auch mal auf einer Fortbildung bin, krank werde, Feier-/Brückentage sind, Termine an meiner Schule wahrnehmen muss, Termine ausfallen, weil das Kind krank ist etc. pp. Meine Klasse habe ich auch noch an meiner Schule und die hat für mich natürlich Priorität.
    Oft kann ich auch nur einen Termin pro Beratungstag wahrnehmen, weil das von den Stundenplänen her nicht passt. Natürlich will ich lieber ein Hauptfach sehen als Sport oder Musik und das liegt eben in der dritten oder vierten Stunde. Da geht kein Termin davor oder danach außer ein anstehendes Elterngespräch meist bei denen zu Hause. Zwei Fälle pro Tag reichen auch, denn das ist deutlich anstrengender als selbst zu unterrichten. Diese Woche hatte ich drei Termine, kam abends erst nach Hause und da war ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Die Dokumentation, Absprachen und weiteres muss ich noch zu Ende bringen, weil das auch viel Zeit frisst. Manchmal hat man aber auch gar nichts. Bei einer Kollegin von mir antworten ganz viele der Klassenleitungen nicht auf Mails. Da kann sie auch gar nichts unternehmen.

  • Individuelle Förderung im Unterrichtsalltag ist nur unter höchster Anstregung [...] der Lehrkräfte möglich.

    Ein Inklusionskonzept, dass auf Aufopferung der Lehrkräfte beruht, ist zum Scheitern verurteilt. Das erinnert mich an einen Zeitungsartikel, den ich hier einmal vor Jahren verlinkt hatte, indem es sinngemäß hieß: "Inklusion sei gar kein Problem, wenn jede Lehrkraft nur eine Stunde [unbezahlte] Zusatzarbeit pro Tag investieren würde"...


    Trotzdem Gruß !

  • Vor gut zehn Jahren war ich als Modern Foreign Language Assistant an einer englischen Schule tätig. Da gab es auch eine Klasse mit special needs kids. Die Klasse bestand aus 12 Schülerinnen und Schülern. Jederzeit waren drei Lehrer/innen (je nach Fächern unterschiedliche) plus eine externe Betreuerin anwesend. Gemacht wurde quasi Wochenplanarbeit.


    In unserem Schulsystem kann man meiner Meinung nach keine gelingende Inklusion betreiben. Ich habe in meiner BFS-Klasse von 18 Schülerinnen und Schülern EINEN EINZIGEN Jungen, der (offenbar, aber leider nicht diagnostiziert) lernbehindert ist. Er geht völlig unter. Obwohl ich mich drum bemühe, dass ich mich um ihn kümmer... Aber mei, ich kann mich halt nicht nebendran setzen... Und das wäre nötig, damit er überhaupt etwas Produktives machen kann.

  • ... Ich habe in meiner BFS-Klasse von 18 Schülerinnen und Schülern EINEN EINZIGEN Jungen, der (offenbar, aber leider nicht diagnostiziert) lernbehindert ist. Er geht völlig unter. Obwohl ich mich drum bemühe, dass ich mich um ihn kümmer... Aber mei, ich kann mich halt nicht nebendran setzen... Und das wäre nötig, damit er überhaupt etwas Produktives machen kann.

    Ich gestehe: mir geht’s auch so. Die Schüler, die Richtung GB tendieren und mit dem LB-Lehrplan überfordert sind, gehen unter. Was wir da machen bringt ihnen auch einfach nichts. Wirklich differenzieren geht nur über Wochenplan o.ä. Das mache ich auch gern mal, dauerhaft geht’s in unserem Schulsystem aber nicht, wg. des strikten Fachunterrichts.


    Allerdings wir es am Gymi eher um zielgleiches Lernen gehen?

  • @Krabappel Ja, genau, es geht im Prinzip um zielgleiches Unterrichten, d.h. in diesem Fall Abitur, bei vollkommen unterschiedlichen Voraussetzungen.


    Dass ich geschrieben habe, dass die individuelle Förderung nur mit Anstrengung und Wohlwollen möglich ist, war, ebenso wie alles andere, was ich in meinem Ausgangspost schrieb, nur eine Zustandsbeschreibung und an keiner Stelle eine Anklage oder Beschwerde.


    Dass das Thema Inklusion auch an anderen Schulen auf sehr wackeligen Beinen steht, ist mir bewusst.
    Für befriedigend oder unabänderlich halte ich es dennoch nicht.
    Ich will auch kein Inklusionskonzept allein schreiben, aber sich damit zu befassen, wäre angesichts der Tatsache, dass wir die Förderschule als eigenständige Schulform in Kürze nicht zurückbekommen werden, mehr als angebracht. Die Idee, dass man als Kollegium, oder AG, darüber nachdenkt, wie man die Situation ein wenig optimieren kann, wollte ich nur mal antesten.


    @Bear @Frapper Vielen Dank für eure Einblicke in eure Arbeit.
    @MrsPace Die Einrichtung von I-Klassen ist auch eine interessante Variante, entspricht aber, zumindest in dem Maße, wie du es beschrieben hast, nicht direkt dem, was mit Inklusion erreicht werden soll, nämlich die Einbindung aller, in allen Bereichen, mit möglichst hoher Beteiligung und Mitbestimmung.


    @Mikael Die Inklusion sollte, im besten Fall, nicht so wie es jetzt läuft, keine Illusion bleiben, die zwar auf dem Papier schwarze Zahlen schreibt, alle Beteiligten aber verheizt ohne Ende.


    Ich denke, dass beeinträchtigte Kinder auch an den weiterführenden Schulen ein Anrecht darauf haben, von Lehrern betreut zu werden, die sich mit Expertise auf sie einlassen können.
    So, wie es momentan gemacht wird, ist es zwar gangbar, aber eben nur als Scheinkonzept.


    (Ich weiß: Im Prinzip handelt es sich um eine Grundsatzfrage, ob und wie inklusive Beschulung zu laufen hat, aber ein wenig Annäherung von IST und SOLL muss doch irgendwie möglich gemacht werden können oder bin ich da zu idealistisch?)

  • Bist du.
    Leider.
    Die Politik weigert sich einfach, die notwendigen Gelder locker zu machen... benötigt würde - realistisch geschätzt - das 10-12fache von dem Etat, derdem "zugedacht" wurde.
    Zudem... es muss klar sein, es ist nicht möglich alle "inklusiv" zu beschulen. Es gibt tatsächlich "unbeschulbare", für die man keine Fachkräfte, sondern geschlossene Anstalten braucht.
    Was die unterschiedlichen benachteiligten SuS angeht,, kannst du da auch nicht generalisieren.
    Die Befürwörter der Inklusion müssen akzeptieren - es gibt Kombinationen, die einfach nicht gehen. Körperliche Behinderungen lassen sich, geeignete Mittel und Personal vorrausgesetzt, idR ausgleichen, aber geistige eben nicht, und auch emotional/sozial gestörte Kinder können - zumindest in einer regulären Klasse - nicht angemessen beschult werden.
    Förderschulen abzuschaffen ist der größte Quatsch. Nur will das niemand hören.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • angesichts der Tatsache, dass wir die Förderschule als eigenständige Schulform in Kürze nicht zurückbekommen werden

    Tatsache? Das wäre mir neu. Wie gut, dass mein Bundesland vor einem halben Jahr erst einmal beschloss, die Studienplätze für Förderschullehramt zu verdoppeln...

  • Bist du

    Ich hatte es schon beinahe befürchtet. ;)


    Dass ich nicht das Rad neu erfinden kann, ist mir schon klar. Es ging mir eher darum, herauszufinden, ob es etwas gibt, dass ressourcenschonend inklusive Beschulumg erleichtern könnte und ob es unter Umständen Schulen gibt, die ein funktionierendes Konzept haben.


    @Lehramtsstudent In SH wird die Förderschule nicht so bald wieder auf den Plan treten. Sonderpädagogen werden bei uns trotzdem gesucht wie irre!

  • Ich bin mittlerweile in vielerlei Hinsicht auch viel skeptischer als früher (Ideale gehen häufig in der Praxis verloren :-D )


    Aber trotzdem ist es wichtig, dass du erst mal versuchst auszuloten, was für dich und an deiner/ deinen Schulen realisierbar ist.


    Nimm an Inklusionskongressen teil, Fortbildungen (es gibt in diesem Bereich auch wirklich tolle) etc. Frag beim Schulamt nach, welche Unterstützung sie für die Entwicklung der Inklusion bereitstellen. Haben wir bei uns jetzt auch gemacht und am Dienstag haben wir den ersten Termin deswegen (es kann natürlich auch ein Schuss in den Ofen werden...)


    Aber: ich würde mich jetzt erst mal auf dein Ref konzentrieren! Wenn du ausgebildet an einer Schule arbeitest, dann geht das Thema geneinsam an! Man muss Schritt für Schritt die Schulleitung für das Thema gewinnen, die Kollegen ins Boot holen etc.
    Dann wirst du die Situation vermutlich verbessern können (wie nah sie dann noch an deinen jetzigen Idealen sind, wird die Überraschung sein ;-) )

  • Allerdings wir es am Gymi eher um zielgleiches Lernen gehen?

    Hauptsächlich, aber nicht nur. Es gibt auch Gymnasien, die sich gegenüber LE und GE geöffnet haben, vor allem in NRW. Leider habe ich den Fernsehebeitrag nicht mehr in der Mediathek gefunden. Da wurde von einem Bielefelder Gymnasium berichtet, das dieses Spagat meistern will. Eine Mutter eines LE-Schülers wurde interviewt und sagte, dass sie ihren Sohn in der Hoffnung, er schaffe dort das Abi, dort angemeldet hätte. Ein Bekannter von mir ist Sonderpädagoge an einer Grundschule in der Nähe des Ruhrgebiets. Vier Jahre lang hatte er ein GE-Kind bei sich an der Grundschule. Das lief - in Elterngesprächen immer wieder klar gemacht - nicht so sonderlich, aber die Eltern melden es zu Klasse 5 am Gymnasium an.



    Das Gymnasium hat in der Inklusion sicherlich eine Sonderrolle. Das gilt aber nicht nur exkludierend nach außen (kein LE und GE), sondern auch inkludierend. Kinder mit den Förderschwerpunkten Sehen, Hören, kmE, ES und Autismus, die ganz klar vom Intellekt her das Zeug zum Abitur haben, gehören auf ein Gymnasium, denn die Förderschulen bieten nur den Realschulabschluss an (da sind sie zudem zum Teil nicht gut aufgestellt). Da sind es eher handfeste soziale Gründe, die für die Förderschule sprächen.



    @Lehramtsstudent In SH wird die Förderschule nicht so bald wieder auf den Plan treten. Sonderpädagogen werden bei uns trotzdem gesucht wie irre!

    Ganz weg sind die Förderschulen in SH nicht. Du redest eher von LE, SQ und ES. Die Förderschule Hören in Schleswig gibt es definitiv noch und wird auch bleiben. Wo sollten denn die Sonderpädagogen sonst auch ausgebildet werden? Mir hat noch keiner aufzeigen können, wie eine professionelle und im Förderschwerpunkt vielseitige Ausbildung in den Förderschwerpunkten Hören, Sehen, kmE und GE in einem inklusiven Setting aussehen soll, wenn sich an einer Inklusionsschule nur ein oder zwei Fälle tummeln.

  • und ob es unter Umständen Schulen gibt, die ein funktionierendes Konzept haben

    Wir haben ein Konzept (auch ein durchaus durchdachtes). Aber auch in diesem Konzept kann man nur das an Ressourcen erwähnen / verwenden, was zur Verfügung steht. Und das ist wirklich das Problem.


    Dass wir eines haben, liegt vielleicht auch daran, dass wir seit gut 15 Jahren Integration / Inklusion betreiben (das Kind hat ja mit der Einführung von Neusprech einen anderen Namen erhalten). Die meiste mediale Aufmerksamkeit hat tatsächlich die (dann noch) Integration von mehreren GB-Schülern erhalten.
    (Eigentlich gab es (zielgleich) integrativ beschulte Schüler auch davor immer wieder mal, auch schon vor 50 Jahren, wie ich bei Schulführungen ehemaliger Abiturienten erfahren habe. Ist vielleicht der Vorteil der ländlichen Lage, wo ansonsten weite Anfahrtswege auf Schüler zur nächsten Förderschule notwendig gewesen wären.)


    Wenn du das Gefühl hast, dass es an deiner jetzigen Schule nicht alles rund läuft: Wie wäre es mit einem Zwischenschritt, bevor ein Konzept erstellt wird. Vielleicht nennt man das Arbeitspapier, Handlungsempfehlungen, Hinweise, Hilfestellungen oder so ähnlich. Einfach auf einer A4-Seite ein paar Stichpunkte. Von denen aus man dann irgendwann mal weiter arbeiten kann.


    Ich kann dir aber nur empfehlen, das mit Bedacht anzugehen: Da kommt jemand Neues an die Schule / Schulform, ist noch in der Ausbildung, kennt die Strukturen / systemischen Zwänge noch nicht in ihrer Gänze - und will den Kollegen vorschreiben, wie das zu laufen hat? Das kann missverstanden werden, auch wenn's gut gemeint ist. Eine vorherige Absprache mit Verantwortlichen, vielleicht in Richtung von "Ich war neu und hätte mir in dieser 'besonderen' Klasse zu Anfang ein paar Hinweise und Leitlinien gewünscht" könnte helfen. Bei uns müsen Referendare für das Schulleitungsgutachten eine kurze Arbeit im schulischen Zusammenhang schreiben. Vielleicht wäre das ein "Aufhänger", der dann nicht zum "Aufreger" führt?

  • und will den Kollegen vorschreiben, wie das zu laufen hat? Das kann missverstanden werden, auch wenn's gut gemeint ist

    Vorschreiben wollte ich niemandem etwas, zumindest hatte ich gegenteiliges vor.
    Ich brauche ja auch die Hilfe von anderen und den Austausch mit Kollegen, die sich gut auskennen, weil sie schon lange unterrichten.


    Die Frage ist ja: Wo kann ich in meiner Schule ein Forum dafür finden? Wenn es keins gibt, muss ich eines “aufmachen“ sozusagen. Daher meine Idee mit der InklusionsAG.
    Ich will und wollte nie ein Konzept vorschreiben und etwas aufdrücken.
    Aber wenn ich so eine Arbeitsgruppe ins Rollen bringe, sollte ich doch ein bisschen vorab recherchiert haben, was es so gibt, damit man Chancen und Grenzen ausloten kann.


    @Frapper Ja, dass es noch einige Förderschulen gibt bei uns, ist klar. Aber sie sind nicht dazu angelegt, das Gros an Schülern mit Förderschwerpunkt zu beschulen.
    Das FöZ in Schleswig ist ein Beispiel für super funktionierende Kooperation zwischen der Förderschule und der Regelschule: Ich habe/hatte Schülerinnen aus Schleswig bzw. Mit Beratungslehrkräften von dort, die sich dank guter Tipps bei relativ kleinem Aufwand inklusiv beschulen lassen :)

  • Wo sollten denn die Sonderpädagogen sonst auch ausgebildet werden?

    Das ist eine sehr interessante Frage. Ich hatte letztes Jahr einen Kollegen, der sein Referendariat als Sonderpädagoge an Regelschulen im inklusiven Bereich gemacht hat. Er hat tw. Unterricht übernommen, Differenzierungsstunden gemacht etc.


    Je nach Förderschwerpunkt wird das aber anders gehandhabt, soweit ich weiß. Für LE und ES wird jedenfalls die Ausbildung teilweise an Regelschulen absolviert.



    Wir haben ein Konzept (auch ein durchaus durchdachtes). Aber auch in diesem Konzept kann man nur das an Ressourcen erwähnen / verwenden, was zur Verfügung steht.

    Das ist schon mal gut zu wissen, dass es Gymnasien gibt, die ein Förderkonzept zum Thema "Inklusion" haben.




    Ein bisschen OT:


    Scheinbar habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt, was die Intention meines Threads angeht. Ich möchte nicht, wie mir hier teilweise in Antworten unterstellt wird, meine (sehr wertgeschätzten und um keinen Rat und keine Idee verlegenen) Kollegen bevormunden oder belehren, was das Thema "Inklusion" anbelangt. Desweiteren wollte ich niemanden anklagen, schon gar nicht mein Kollegium und auch nicht unbedingt meine Schule.
    Mir ist nur aufgefallen, dass es bei uns an der Schule Probleme damit gibt, Schüler so zu beschulen, wie sie es verdient hätten.


    Meine Idee war, sich darüber zu informieren, am besten in einem bundesweiten Forum, ob es anderen Schulen gibt, die ein Konzept dazu haben, welches ressourcenorientiert und arbeitsökonomisch dafür sorgt, dass es ALLEN mit der aktuellen Situation besser geht.


    Ich würde mir wünschen, dass mir nicht mehr unterstellt wird, dass ich besserwisserisch und altklug jemanden belehren will, sondern evtl. bloß Hilfe brauche, meine Schüler möglichst individuell zu unterstützen auf dem Weg zu einem Schulabschluss.

  • Ich denke das will dir auch niemand unterstellen.


    Nur - deinen Enthusiasmus in allen Ehren - aber auch hier gilt mal wieder der alte Spruch: Ohne Moos nix los.


    Solange sich da nichts (grundlegend) ändert, kann das nur schiefgehen.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Klassen, in denen Kinder mit Förderbedarf beschult werden, haben z. T. bis zu 30 SuS.

    Wundert Dich das?


    Geh einfach mal davon aus, daß die Politiker nur deshalb die Inklusion ins Feld führen, weil sie damit Geld sparen wollen. Ein Förderschulplatz kostet grob das 3-4 fache von einem Regelschulplatz. Da haben sie sich ausgerechnet, daß sie "Inklusion" durchführen, um Geld zu sparen, nicht mehr und nicht weniger. Da wird die Inklusion, wie sie bei uns läuft, auf einmal sehr viel durchschaubarer.


    Das nennt man dann Realpolitik.

  • angesichts der Tatsache, dass wir die Förderschule als eigenständige Schulform in Kürze nicht zurückbekommen werden

    Das würde ich so nie und nimmer unterschreiben. Die Förderschulen werden zurückkommen, weil sie in 10 Jahren sehen werden, daß Inklusion, wie sie bei uns läuft, nicht funktioniert und die dann jungen Erwachsenen lebenslang mehr Sozialleistungen und Hilfen benötigen werden als die Generation vor ihnen aus den Förderschulen. Erinnert mich irgendwie an das Theater "Schreiben nach Gehör", das nicht umsonst in einigen Bundesländern verboten ist, bei uns aber leider immer noch praktiziert wird.

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