Aufsichtspflicht - heikle Frage

  • Liebe Kollegen,


    hier habe ich einen interessanten Artikel zum Thema Aufsichtspflicht gefunden, den ich gerne mit euch teilen möchte. (Wer das alles schon weiß und dutzende Male gelesen und diskutiert hat, mag es gerne unbeachtet lassen und sich hämische Kommentare sparen. Danke.)


    Diese 3 Aussagen sind mir am meisten aufgefallen:


    Kinder im Grundschulalter bedürfen immer der Aufsicht, die entweder den Eltern, von den Eltern beauftragten Personen oder der Schule obliegt.Die Schule erfüllt ihre Aufsichtspflicht nicht aufgrund der Beauftragung durch die Eltern, sondern auf der Grundlage ihres verfassungsrechtlich und gesetzlich festgelegten Erziehungsauftrages. Die Eltern können daher Lehrkräften keine Weisungen für die Erfüllung der Aufsichtspflicht erteilen, die Lehrkräfte können sich aber auch nicht durch Einverständniserklärungen der Eltern von der Aufsichtspflicht befreien lassen.


    Wenn Eltern Lehrer von der Aufsichtspflicht nicht "befreien" können, wie ist das dann bei Ausflügen o.Ä.? Von wo an darf ich Kinder dann alleine nach Hause weiterfahren lassen, sie also nicht erst zurück zur Schule bringen? Darf ich das also eigentlich nicht bzw. tue es auf eigenes Risiko?


    Die Forderung von Eltern eines Schülers des ersten Schuljahres, der an Diabetes leidet, die erforderliche Messung des Blutzuckerspiegels zu unterstützen und darauf zu achten, dass das Kind der Messung entsprechend Nahrung zu sich nimmt, kann daher zurückgewiesen werden. Das gilt auch für die Aufbewahrung von Medikamenten während einer Klassenfahrt und die Verpflichtung, Schüler jeweils an die Einnahme zur richtigen Zeit zu erinnern.

    Das finde ich eine gute und wichtige Klarstellung. Ich darf mich also weigern, "medizinische Betreuung" zu übernehmen, denn ich bin kein Arzt und möchte ja auch nicht für Fehler haften.


    Die Abgrenzung erfolgt zeitlich und inhaltlich, nicht örtlich. Eltern, die ihr Kind morgens eine Stunde vor Unterrichtsbeginn auf dem Schulgelände absetzen oder es nach dem Unterrichtsende nicht vom Schulgelände abholen, können die Schule damit nicht zur Übernahme der Aufsichtspflicht zwingen. Das Kind befindet sich dann zwar auf dem Schulgelände, es unterliegt aber weiterhin der Aufsichtspflicht der Eltern und nicht der Aufsichtspflicht der Schule. Allenfalls bei einer konkreten, für anwesende Lehrkräfte erkennbaren Gefahr wäre ein Eingreifen rechtlich erforderlich.


    Wir hatten mal vor einiger Zeit diskutiert, WANN die Aufsichtspflicht des Lehrers beginnt, wenn z.B. ein Kind zuspät zur Schule kommt. Wenn es das Schulgelände betritt? Wenn es den Klassenraum betritt? ... Hier gibt es eine Antwort dazu. 15 Minuten vor dem Unterricht (habe nicht alles zitiert). Nur, wenn es dann noch außerhalb der Schule und nicht im Klassenraum ist? Es bleibt kompliziert.


    Es gibt weitere interessante Aussagen. Ich will mal nicht zuviel zitieren. Wer mag, lese es.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • zum Thema Ausflüge:
    Bei uns (Gesamtschule) gilt hausintern, dass alle Fahrten in Jg. 5 und 6 an der Schule oder dem Bahnhof des Ortes (Schulweg fast aller Kinder) beginnen und enden.
    Erst ab Jg. 7 dürfen wir die Kinder direkt zu einem anderen Ziel kommen lassen.
    Die Schulleitung sagte, das wäre gesetzlich so vorgeschrieben.


    Die Eltern dürfen auch nur Ausnahmen absprechen (Kind steigt später ein oder früher aus), wenn sie ihr Kind dort "in die Hand" in Empfang nehmen. Sehen wir die Eltern nicht, muss das Kind mit zur Schule.


    Sollte dann ja in der Grundschule entsprechend auch so sein.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn man als Lehrkraft diese Vorschriften kennt und nicht fahrlässig oder vorsätzlich falsch handelt, der bekommt hier auch keine Probleme.


    In NRW müssen Klassenfahrten etc. in der Regel entweder in bzw. an der Schule oder in der Oberstufe zumindest am Schulort (z.B. Bahnhof) beginnen. Ein Beginn in der Stadt des nächstgelegenen Flughafens wäre nicht mehr zulässig.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Wenn Eltern Lehrer von der Aufsichtspflicht nicht "befreien" können, wie ist das dann bei Ausflügen o.Ä.? Von wo an darf ich Kinder dann alleine nach Hause weiterfahren lassen, sie also nicht erst zurück zur Schule bringen? Darf ich das also eigentlich nicht bzw. tue es auf eigenes Risiko?

    Das finde ich einen wichtigen Punkt, insbesondere da ich in Elternbriefen von Kollegen zu Wandertagen und Klassenfahrten immer wieder solche Versuche wiederfinde, bis hin zum Versuch, sich von der Aufsichtspflicht beim Schwimmen im Badesee befreien zu lassen oO .


    Zu deiner Frage @sofawolf: Eine allgemeingültige Antwort darauf habe ich leider auch nicht. Eine Möglichkeit, die ggf. denkbar ist, wäre die Schulveranstaltung (vorher im Elternbrief kommuniziert) an Ort x zur Zeit y enden zu lassen und die Eltern zu fragen, ob ihr Kind von dort entlassen werden darf und als Alternativoption immer anzubieten, das Kind mit zurück zur Schule zu nehmen. Dabei rede ich aber schon von MIttelstufenschülern, die Anforderungen an die Aufsichtsführung sind ja auch altersabhängig.

  • In NRW steht in den Richtlinien
    "Die Leiterin oder der Leiter kann den Schülerinnen und Schülern unter Be-
    achtung der dargestellten Grundsätze und nach vorheriger Absprache mit
    den Eltern die Möglichkeit einräumen, im Rahmen der Schulfahrt zeitlich
    und örtlich begrenzte, angemessene Unternehmungen (in der Regel in
    Gruppen) durchzuführen, ohne dass dabei eine Aufsichtsperson jede
    Schülerin oder jeden Schüler überwacht."

  • Bei uns ist das im Schulgesetz und in der Lehrerdienstordnung geregelt.
    "(3) 1Bei sonstigen schulischen Veranstaltungen gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend. 2Beginnt oder endet eine schulische Veranstaltung außerhalb der Schule, so beginnt und endet dort auch die Aufsichtspflicht der Lehrkraft. 3Der Treff- und Endpunkt soll möglichst in der Nähe erreichbarer und zumutbarer Verkehrsmittel liegen. 4Für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen eins bis vier muss der Treff- und Endpunkt auf jeden Fall innerhalb des Schulsprengels liegen."


    Quelle: Aufsicht


    Man plant Unterrichtsgänge so, dass man noch innerhalb der Unterrichtszeit in der Schule zurück ist. Deswegen nehme ich in der Regel alle Schüler zur Schule wieder mit zurück, es sei denn, es handelt sich nur um eine kleine Zeitdifferenz zum Unterrichtsschluss. Dann können die Schüler, die in der Nähe des Rückwegs wohnen, mit Einverständniserklärung der Eltern gleich nach Hause gehen. Solche Aktionen spreche ich jedes Mal mit der Schulleitung ab.

  • Ist in NRW mit dem Aufsichtsweg ebenso. siehe Verwaltungsvorschrift Aufsicht
    Zitat:
    "Der Unterrichtsweg umfasst alle Wege, die die Schülerinnen
    und Schüler aus Gründen des Unterrichts oder anderer Schulveran-
    staltungen zurücklegen, sofern die Schülerinnen und Schüler nicht
    von zu Hause kommen oder nicht im unmittelbaren Anschluss an die
    Schulveranstaltung nach Hause entlassen werden.
    Unterrichtswege dürfen von Schülerinnen und Schülern der Sekundar-
    stufe I und II ohne Begleitung einer Lehrkraft zurückgelegt werden,
    wenn keine besonderen Gefahren zu erwarten sind."

  • In Berlin darf ab KLasse 5 im Bezirk angefangen werden, d.h. ich lasse die Kidner alleine zur Schwimmhalle kommen und sie gehen von dort nach Hause. Das haben die Eltern unterschrieben.


    In Brandenburg ist es ähnlich. Ich wollte ja schon einmal, dass sie in Klasse 5 zur Schule gehen und nicht am Bahnhof entlassen werden, das Schulgesetz gibt es aber her, wenn sie die Schüler für reif genug halten (was ich anzweifle, aber gut), am Bahnhof zu entlassen.

  • Das finde ich interessant. Ich mache es schon so, dass die Kinder teilweise vom Ausflug direkt nach Hause oder vereinbarten Orten (Arbeitstelle der Mutter) gehen dürfen... Das ist dann meist kurz vor Ende der Schulzeit und nur mit schriftlichem Einverständnis...

  • Es erschreckt mich ehrlich gesagt, dass man sich von der Aufsichtspflicht nicht durch die Eltern befreien lassen kann. Wir machen das ständig.


    Wie ist das dann, wenn sie bei einem Ausflug 1 Stunde alleine in einer fremden Stadt bummeln dürfen? Stehe ich damit auch mit einem Bein im Gefängnis, weil ich meine Aufsichtspflicht verletze?

  • Es erschreckt mich ehrlich gesagt, dass man sich von der Aufsichtspflicht nicht durch die Eltern befreien lassen kann. Wir machen das ständig.


    Wie ist das dann, wenn sie bei einem Ausflug 1 Stunde alleine in einer fremden Stadt bummeln dürfen? Stehe ich damit auch mit einem Bein im Gefängnis, weil ich meine Aufsichtspflicht verletze?

    Aufsichtspflicht kann man mit gesundem Menschenverstand ganz gut nachvollziehen. Wenn du 9-Jährige alleine durch Berlin hirschen lässt und einer kommt unter die U-Bahn wird niemand nach dem Muttizettel fragen. Dann wars das mit glücklichem Lehrerleben.


    Bei 16-Jährigen sieht’s wieder anders aus. Denen kann man zutrauen, in Grüppchen loszuziehen. Am Meer hingegen, darf man sie nicht alleine mit ner Flasche Wein an den Strand schicken...


    Es kommt auf den Reifegrad der Kinder an. Komplett befreien lassen kannst du dich nicht von dieser Pflicht.

  • In Hamburg machen alle 4-klässler eine Rally mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. In Kleingruppen ohne Begleitung fahren sie 3-4 Stunden durch ganz Hamburg und erfüllen Aufgaben. Die Eltern geben dafür ihr Einverständnis.

  • @ Anja, das solltet ihr dann wohl künftig tunlichst unterlassen. Manchmal ist gang und gäbe, was eigentlich nicht sein darf. Das schützt ganz sicherlich nicht vor den rechtlichen Konsequenzen im Ernstfall.

  • Auf keinen Fall. Das ist eine tolle Sache, die in Klasse 5/6 sogar nochmal wiederholt wird. Die Materialien werden sogar von der Schulbehörde zur Verfügung gestellt.

  • Die Materialien werden sogar von der Schulbehörde zur Verfügung gestellt.

    Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass die Schulbehörde im Ernstfall (=Klage nach einem Unfall) das als Argument sehen würde, dass sie in der Verantwortung steht. Im Zweifelsfall hat die Schule / der Lehrer die zur Verfügung gestellten Materialien eingesetzt, ohne die Aufsichtspflicht angemessen zu berücksichtigen, und trägt selbst die Verantwortung.


    Das muss nicht unbedingt zur Folge haben, dass man es lässt. Man sollte sich der Regeln durchaus bewusst sein und der Regelbruch sollte eine klare Entscheidung sein, nach Abwägung aller Vor- und Nachteile.


    Es ist ja durchaus bezeichnend, dass der Begriff "Dienst nach Vorschrift" eigentlich nicht bedeutet, möglichst wenig zu tun. Vielmehr bedeutet er, dass man alle Vorschriften auf den Punkt genau einhält. Da sich gerade im öffentlichen Dienst die Vorschriften gegenseitig häufig widersprechen, ist dann oftmals gar keine Arbeit mehr möglich... Deshalb bricht man ja im Schulalltag auch ständig irgendwelche Vorschriften, weil sonst die gesamte Unterrichtstätigkeit zum Erliegen kommen würde.

  • Ich antworte nochmal, nicht um dir das Projekt auszureden oder um anzudeuten, dass du falsch liegst, sondenr weil dieses übergeordnete Thema (Vorgaben, die man nicht einhalten kann, ohne andere Vorgaben zu brechen) tatsächlich sehr interessant ist.


    Die Lehrpläne für meine Fächer sehen seit ein paar Jahren auch die Filmanalyse vor. Allerdings ist es ja im höchsten Maße ungeklärt, unter welchen Bedingungen ich privat angeschaffte DVDs im Unterricht zeigen darf bzw. ob ich auf Streamingportale, die ich legal privat abonniert habe (Netflix etc.) im Unterricht zugreifen darf. Die Medienstellen/Landesbildstellen sind in meiner Umgebung dazu noch unglaublich schlecht ausgestattet, so dass ich mich im Prinzip entscheiden muss, ob ich den Lehrplan nicht einhalte oder ob ich im Zweifelsfall Urheberrechte verletze. In keinem der beiden Fällen würde ich mit dem Rückhalt des übergeordneten Behörde rechnen, da die Vorgaben für beide Fälle ja klar sind. Do or don't - either way you're f***ed.

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