Als Gymnasiallehrer*in an die Grundschule gehen

  • Hallo!
    Auf mich kommt im Sommer nach mehreren Jahren an einem Gymnasium aus wahrscheinlich der Schulformwechsel an eine Grundschule zu. Die Arbeit am Gymnasium hat mir durchaus Spaß gemacht, jedoch freue ich mich inzwischen auch auf die jüngeren, (hoffentlich) etwas begeisterungsfähigeren Kids. ;)


    Mich würde interessieren, ob es hier ausgebildete Gymnasiallehrer gibt, die an einer Grundschule arbeiten. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wie hat sich der Wechsel gestaltet? Wie groß war die Umstellung beim Unterrichten? Wie hoch ist die Arbeitsbelastung im Vergleich?


    Ich würde mich sehr über Antworten freuen.


    Viele Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Wie groß war die Umstellung beim Unterrichten?

    Ich bin Grundschullehrerin und sehe derzeit viele Quereinsteiger. Ich kann dir sagen, was mir auffällt:
    Die Umstellung scheint groß zu sein. Die Kinder sind quirliger, die Stunden müssen kurzweilig sein, viele Wechsel enthalten. Du musst langsam, deutlich und akzentuiert / mit Körpersprache unterstützt sprechen, die Sprache muss einfach und verständlich sein. Die Sätze kürzer als am Gymnasium. Je mehr Kinder mit Migrationshintergrund oder Sprachrückständen und je jünger, desto seltener sollten Nebensätze vorkommen.
    Dazu sollte viel Visualisierung kommen.
    Du musst die bei euch vorgegebene Normschrift beherrschen und auch an der Tafel schreiben können. (Neben der Einarbeitung in den Lehrplan und die Lehrerbände der künftigen Unterrichtswerke ist das eine gute Vorbereitungsaufgabe für die nächsten Monate!)
    Du musst erziehen können. Das steht vor den Unterrichtsinhalten. Struktur, Struktur, Struktur, Regeln, Regeln, Regeln. Kein ständiger Wechsel der Strukturen und Regeln. (Wenn du dir das vorher überlegst / Kollegen fragst, wird es auch leichter: Wer soll wo sitzen? Wann darf sich jemand umsetzen? Wann darf wer auf das WC? Nie mehr als 2 gleichzeitig zum Beispiel, wenn du die Klassen noch nicht kennst.)
    Stelle dich darauf ein, am Anfang immer 150% Aufmerksamkeit geben zu müssen. In jeder Minute der Stunden und der Pausen. Wenn du Glück hast, arbeiten die Kinder dann mal 15 Minuten relativ selbstständig, aber das kannst du nicht voraussetzen. Du musst die Kinder z.B. auch dazu erziehen, die Unterrichtsmaterialien auszupacken, das musst du in der Pause ansagen. (Bestenfalls kennen sie es von der Vorgängerin.)
    Du bist die Ersatzmutti. Du hast Pflaster, Taschentücher, alles, was man an Arbeitsmaterialien vergessen kann und Trinkbecher für die Kinder. Du schaust in ihren Hals, wenn sie Halsweh haben, du bekommst Zahnreihen dargeboten, wenn sie Zahnweh oder Wackelzähne haben, du wirst angehustet und angeniest. Im besten Fall nicht mehr.


    Du solltest die Stunden nicht überfrachten. Der Stoff muss mehrere Male wiederholt werden, Sicherungen müssen immer mehrfach erfolgen. Es ist nicht sehr sinnvoll, in 5 Deutschstunden 4 Themen zu behandeln.


    Begeisterungsfähig ist aber wohl wahr - und das mag ich an der Grundschule so sehr. Zusätzlich kannst du viel fächerverbindend oder -übergreifend arbeiten, auch das ist ein besonderer Reiz. Und wenn ich mal eine Stunde verplant habe, sage ich: "Mensch Kinder, das habe ich wirklich nicht gesehen. Da war ich wohl schon müde beim Vorbereiten!" und die Kinder nehmen es total gelassen. Das stelle ich mir bei Pubertierenden unangenehmer vor.

  • ...du wirst angehustet und angeniest. Im besten Fall nicht mehr...

    :lach:


    Ich sag mal so: ich unterrichte normalerweise 12-16 jährige Förderschüler und musste neulich 8-Jährige vertreten. Ich war nach 2 Stunden bedient!

  • Conni hat schon einiges Wichtiges genannt.


    Zum von Krabappel herausgegriffenen Zitat: Vlt. hängt das auch vom Einzugsgebiet ab. Ich kann mich an ein entsprechendes Szenario in meinem letzten Praktikum nicht erinnern. Ich denke, dass das so eine Kompetenz ist, die man als Kind beim Eintritt in die Schule aber auch durchaus mitbringen kann und sollte.


    Woran ich mich noch erinnere: Gleich am ersten Tag griff die Schwester eines Kindes meiner Klasse (und Erstklässlerin) meine Hand und wollte mich auf dem Schulhof herumführen. Gerade junge Kinder (Kindergarten + 1./2.-Klasse Grundschule) haben noch einen hohen Bedarf an Körperkontakt und das ist 1. ungewohnt, wenn man das in der Form nicht kennt und 2. hört man mit einem Ohr die Unterstellungen der Pädophilie bei Männern in sozialen Berufen durch die Gesellschaft :tot: . Es kann also mal sein, dass ein Kind deine Hand halten oder sich im Sitzkreis auf deinen Schoß setzen will.


    Regeln ist, wie von Connie beschrieben, sicherlich das magische Stichwort! Was mich in meinem Praktikum etwas verunsicherte, worauf diese Schule aber zu dem damaligen Zeitpunkt keine in meinen Augen sinnvolle Antwort hatte: Was machst du, wenn du Ruhe möchtest, die Schüler selbst aber nicht unbedingt ;) ? Ein Token-System finde ich, auch aus eigener Ex-Schüler-Sicht, toll, und evtl. wird dir ja ein Instrument gestellt, mit dem du den Phasenwechsel einläutest.


    Bist du fachlich einigermaßen fit? Welche Fächer sollen es eigentlich überhaupt werden? Für Mathematik finde ich die einschlägigen Werke "Didaktik der Arithmetik" und "Didaktik der Geometrie" auf jeden Fall empfehlenswert; für Deutsch hätte ich jetzt nicht das Fachwerk im Kopf, aber man sollte gerade im Anfangsunterricht über etwas Hintergrundwissen im Bereich Schriftspracherwerb verfügen, um nicht allzu viel Mist den Kindern beizubringen ;) .



    Hast du sonst noch Fragen, die mir gerade nicht einfielen?



    Mit freundlichen Grüßen

  • Ich finde, es ist schon ein großer Unterschied, ob du Viertklässler oder Erstklässler unterrichtest. Ich empfinde den Unterricht mit den Kleinen viel anstrengender, bin mittags erstmal fertig. Dafür muss man bei den älteren Schülern doch mehr korrigieren.


    Conni hat das sehr gut beschrieben. Aber es kommt auch seehr viel zurück von den Kleinen. Die freuen sich morgens echt, wenn sie dich sehen, auch wenn du am Vortag streng warst. :)

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde, es ist schon ein großer Unterschied, ob du Viertklässler oder Erstklässler unterrichtest. Ich empfinde den Unterricht mit den Kleinen viel anstrengender, bin mittags erstmal fertig. Dafür muss man bei den älteren Schülern doch mehr korrigieren.


    Conni hat das sehr gut beschrieben. Aber es kommt auch seehr viel zurück von den Kleinen. Die freuen sich morgens echt, wenn sie dich sehen, auch wenn du am Vortag streng warst. :)

    Also einige meiner Viertklässler freuen sich nur mäßig, ich würde sagen, sie ziehen eine ziemliche Flappe. Die meisten freuen sich aber. Leider kommen sie auch in die Vorpubertät und zu den Symptomen zählt - neben plötzlichen, tinnitusgeeigneten spitzen Kreischern - chronische Intoleranz mit spontan im Unterricht ausschlagenden Händen und Füßen.
    Dafür muss ich weniger als andere Lehrer in anderen 4. Klassen korrigieren.

  • Ich kann allem nur beipflichten. Wir haben z. Zt. zwei Gymnasiallehrer an unserer Schule als Vertretung.
    Viele Dinge, die mir bzw. meinen Grundschulkollegen selbstverständlich sind, müssen diese erst "lernen".
    Mir passiert es auch noch, dass ich Dinge voraussetze, aber dann merke: "Mist, kann ja sp nicht gehen".
    Dann rudere ich zurück. Im Studium war ich aber auch im Praktikum an der GS sowie im REF.
    Egal wie, da hat man schon einges mitbekommen, was den GYMleuten fehlt.
    Meine Drittklässler freuen sich auch mich zu sehen, wenn ich auch am Vortag echt nicht "nett" war....
    Das ist dann immer wieder schön.

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Hallo an alle... vielen lieben Dank für die ausführlichen und aussagekräftigen Antworten. :)


    Das, was ihr so geschrieben habt, entspricht im Groben meinen Vorstellungen. An die Kleinschrittigkeit muss ich mich ganz sicher erstmal gewöhnen, das läuft im Gymnasium ja nun doch ganz anders, auch wenn ich schon zweimal eine 5. Klasse in Deutsch unterrichtet habe. Ungewohnt wird sicherlich der große erzieherische Anteil! Ich finde es schon bei meinen Fünftklässlern manchmal schwierig, da das richtige Maß zwischen "Das klärst du jetzt bitte mal allein." und "Komm schnell her, ich helf dir!" zu finden. :D Ich kann nur hoffen, dass man uns dringend benötigte Quereinsteiger da ein wenig an die Hand nimmt und auch mal hospitieren lässt bzw. Materialien zur Verfügung stellt. Da habe ich leider bisher so gar nichts. Lehramtsstudent, die Mathe-Tipps habe ich mir gleich notiert, danke!


    Worin ich auch so gar nicht fit bin, sind Rituale. Könnt ihr da vielleicht Literaturtipps geben? Und muss jeder Grundschullehrer ein Instrument spielen und singen können? In meiner Vorstellung gibts immer erst einmal ein gemeinsames Morgenlied. :D


    Ich unterrichte übrigens auf jeden Fall Deutsch (zum Glück erst ab Klasse 2 und das ist auch mein studiertes Fach). Mein zweites Fach ist leider nicht grundschulrelevant, weshalb ich denke, dass ich sicherlich auch für Mathe oder Sachkunde eingesetzt werde. Hier in Sachsen wird einfach jeder für alles gebraucht.


    Was mich noch interessiert ist die Arbeitsbelastung. Mir ist klar, dass die wie auch am Gym sehr individuell ist, aber dennoch: Bis wann habt ihr im Schnitt Unterricht? Wie viel wird dann noch gearbeitet? Wie sehen die Wochenenden aus? Wie viele Elterngespräche hat man so? Ich muss sagen, dass gerade der Punkt Korrekturen mich am Ganztags-Gym schon sehr belastet hat. Ich arbeite derzeit jeden Sonntag, da fehlt einem dann oft schon der zweite Tag zur Erholung...

  • Zur Arbeitsbelastung: Mittlerweile habe ich mittags aus, und nachmittags mache ich ca. eine Stunde. Natürlich mehr, wenn ich Proben erstelle oder Zeugnisse schreibe. Ach so, ich arbeite aber Teilzeit, ca. 70%. Das kannst du also hochrechnen. Elterngespräche führe ich in meiner wöchentlichen Sprechstunde (im Stundenplan ausgeschrieben), oder auch mal zu anderen Zeiten. Ich führe ca. alle zwei Wochen ein intensiveres Gespräch, und bin sonst mit den Eltern über Notizen im Hausaufgabenheft oder kurze Telefonate in Kontakt, wenn nötig. Es kommt natürlich total auf die Klasse an, ob du damit mehr oder weniger zu tun hast. Ich habe derzeit echt Glück.
    Deine Arbeitsbelastung wird am Anfang sehr hoch sein, zu Beginn, als ich die Jahrgangsstufe das erste Mal hatte und mich einarbeiten musste, bin ich wahnsinnig lange gesessen und das auch an den Wochenenden. Deine Kollegen helfen dir sicher, werden dir aber den Großteil der Arbeit natürlich nicht abnehmen können und müssen es ja auch nicht. Es ist körperlich sehr anstrengend, mit den Kleinen zu arbeiten. Ich bin mittags oft total ausgelaugt. dafür sind die Korrekturen unglaublich schnell gemacht.


    Du musst kein Instrument können, es gibt tolle CDs, auch das Morgenlied könnte von der CD kommen, oder ihr macht etwas anderes (Erzählkreis, Morgen-Rap, Vorlesegeschichte, oder gar kein Morgenritual).


    Was sicher anders sein wird als am Gymnasium: wenn du Klassenlehrerin wirst, musst du dein Klassenzimmer irgendwie nett gestalten. Besorg dir also am besten schon Bücher für die Leseecke, Spiele für die Regenpause, ein paar Zimmerpflanzen und so weiter. Ich habe außerdem einen Vorrat an Pflastern, Taschentüchern, Desinfektionsspray und Gummihandschuhe (seit mir einer mal in die Klasse gekotzt hat). Außerdem wirst du die Geburtstage der Kinder feiern müssen, überleg dir wie du das machen wirst. Lied, Minigeschenk, Kind bringt Kuchen mit oder so... Das muss dann natürlich immer gleich ablaufen, diese "Geburtstagsfeier".
    Du bist quasi die Ersatzmama für vormittags ;) und sollst ihnen noch was beibringen.



    Was mich jetzt echt interessiert: Bekommst du dein Gymnasialgehalt dann weiter, oder sattelst du komplett um? Musst nicht antworten, wenn ich dir zu neugierig bin...


    Viel Glück jedenfalls und viel Spaß!


    Ein Tipp noch: Googel mal nach Grundschul-Blogs, die gibt es in Massen und da bekommst du sicher einen ganz guten Eindruck.

  • Hallo Kathie,


    danke für die vielen Impulse. Über Teilzeitarbeit habe ich auch schon nachgedacht, wäre vielleicht gerade am Anfang bzw. in den beiden Umgewöhnungsjahren eine gute Idee, damit man nicht gleich total ausgelaugt ist bzw. den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Von der Arbeitszeit her klingt das auf jeden Fall gut machbar.


    Das mit den kleinen Ritualen, der Klassenzimmergestaltung usw. wird mir bestimmt Freude machen - meine kreative Ader kam im Gym leider oft zu kurz. :) Aber ich kann mir vorstellen, dass das ganz schön ins Geld geht. Bezahlt ihr das ganze "Equipment", die Geschenke etc. dann aus eigener Tasche? Sicherlich, oder? Was kommt da so zusammen?


    Zur Gehaltssache: Ich bekomme erst einmal weniger, ab Januar aber das gleiche Gehalt wie Gymnasiallehrer, da GS-Lehrer dann hier gleichgestellt werden (totaler Notstand hier in dieser Schulform!).

  • Viele gute Tipps hast du schon bekommen. Ich würde erstmal nichts kaufen, bevor du nicht gesehen hast, was im Klassenzimmer schon vorhanden ist. Da gibt es mit Sicherheit einiges schon.
    Ja, die meisten Grundschullehrer zahlen einiges aus eigener Tasche, aber ich handhabe es so, dass die meisten dieser Dinge gespendet oder nach und nach aus der Klassenkasse angeschafft wurden. Das ist bei mir an der Schule auch üblich so. Ich kaufe einiges an Lehrermaterial oder sowas wie Magnetband, aber alles, was in Schülerhände geht zahle ich nicht! Weder Bücher für die Leseecke, noch Spiele, Pflaster oder Taschentücher (Gummihandschuhe und Desinfektionsspray hingegen schon).

  • Ich habe all meine Bücher und Spiele und Kissen und so Zeug entweder von meinen eigenen Kindern (da bin ich natürlich an guter Quelle), oder von Flohmärkten , wo die Leute auch oft etwas herschenken, wenn man sagt, man braucht es für seine Klasse. Auch unsere Bibliothek sortiert regelmäßig Bücher aus und überlässt sie einem gegen eine Spende, mit denen kann man auch reden. Ich hab für kein Buch mehr als 1€ bezahlt, viele waren kostenlos ;-). Und manche Eltern fragen auch gezielt, ob man etwas braucht, die wollen ja in der Regel auch, dass es ihr Kind in der Schule schön hat. Von Eltern lasse ich oft Bälle und Hüpfgummis für die Pause besorgen, das machen sie gerne und die Sachen gehen regelmäßig kaputt.


    Zum Geburtstag gibt es allerdings schon ein kleines Geschenk von mir, meistens aus dem Euro-Shop... Dieses Jahr sind es bunte Radiergummis und Schleckbrause, letztes Jahr gab es Armbänder.


    Aber Mara hat natürlich Recht, bevor du nicht weißt, wie dein Zimmer aussieht und ob du Klassenleitung wirst, warte lieber noch... Bei mir gab es damals nichts, keine Leseecke, keine Bücher, keine Spiele, keine Pausenspiele, keine Pflanze, keine Magnete, naja nix. Da bin ich immer überrascht, dass es an manchen Schulen anders ist. Vielleicht hast du ja Glück.


    Mir macht das Einrichten und auch das Umräumen vor einer neuen Klasse aber auch Spaß und das Kreative mag ich generell sehr gerne.
    Du könntest dir überlegen, ein Klassentier zu haben (Stofftier, Handpuppe), da fahren die Kleinen auch meistens total drauf ab!

  • Stell dich darauf ein, dass du wesentlich mehr mit "den Eltern zu tun hast". Wenn Eltern sich bei dir melden, sollte man eher schnell reagieren. An der weiterführende Schule meiner Kinder antworten Lehrer manchmal erst Wochen später.

  • Anja, das kann ich mir vorstellen. Die Elternarbeit am Gym ist tatsächlich nicht so ausgeprägt i.d.R.


    Können die anderen noch was zum Thema Arbeitszeit an der Grundschule sagen? Das würde mich sehr interessieren.

    • Offizieller Beitrag

    Worin ich auch so gar nicht fit bin, sind Rituale. Könnt ihr da vielleicht Literaturtipps geben? Und muss jeder Grundschullehrer ein Instrument spielen und singen können? In meiner Vorstellung gibts immer erst einmal ein gemeinsames Morgenlied. :D


    Was mich noch interessiert ist die Arbeitsbelastung. Mir ist klar, dass die wie auch am Gym sehr individuell ist, aber dennoch: Bis wann habt ihr im Schnitt Unterricht? Wie viel wird dann noch gearbeitet? Wie sehen die Wochenenden aus? Wie viele Elterngespräche hat man so? Ich muss sagen, dass gerade der Punkt Korrekturen mich am Ganztags-Gym schon sehr belastet hat. Ich arbeite derzeit jeden Sonntag, da fehlt einem dann oft schon der zweite Tag zur Erholung...

    Singen: Wie Kathie schrieb geht auch eine CD oder ein Morgenspruch oder so. Bei uns sage ich inzwischen einfach nur noch "Guten Morgen!", aber für die 2. ist ein kleiner Spruch oder ein Ritual schon besser.
    Einer meiner ersten Fauxpas als Klassenleiterin einer 1. Klasse: Stehkreis vor der Tafel am Morgen mit Morgenlied und Händedrücken. In den 25 Minuten, die es gedauert hat, die Kinder in eine eiförmige Rundung zu bewegen, zur Ruhe zu bringen und wieder zum Platz zu befördern, gab es zum Glück nie schwere Verletzungen, leichte aber schon mal. Nach ein paar verzweifelten Wochen habe ich die Tische von Gruppentischen in Frontalsitzordnung gestellt und nur noch "Guten Morgen" am Platz gewünscht mit einem 2zeiligen Morgenlied. Hat gereicht. Manchmal ist weniger mehr. (Und: Ich habe hier Brennpunkt und schwieriges Einzugsgebiet und so, vermutlich ist das nicht überall so.)
    Rituale in der Grundschule: Kannst du mal bei A...n eingeben, da kommen Literaturvorschläge. Ich habe keines der Bücher, sondern mir bei Praktika, im Referendariat und bei Kollegen abgeschaut.


    Arbeitsbelastung: Sehr unterschiedlich.
    Am Anfang war sie hoch: Ich habe oft bis 13 Uhr Schule gehabt, dann etwas Pause und dann weitergearbeitet bis in den späten Abend, am Wochenende 1 bis 2 Tage und in den Ferien habe ich anfangs 3 Wochen frei gemacht im Jahr. Das war sehr erschöpfend, weshalb ich dann angefangen habe, wegzufahren und komplett abzuschalten.
    Dann hatten wir jahrgangsübergreifendes Unterrichten, da haben wir an 3 Tagen bis 17 Uhr in der Schule vorbereitet, einmal bis 16 Uhr Konferenz, am 5. Tag bis 14 Uhr und am Wochenende zu Hause Berge von Arbeitsblättern aus den Wochenplänen korrigiert.
    Nach ca. 5 Jahren hatte ich eine ziemliche Krise und habe daraufhin hinterfragt, was wirklich nötig ist und was nicht und viel "pillepalle" reduziert. Wir haben einvernehmlich das jahrgangsübergreifende Unterrichten wieder abgeschafft - wegen dieser extremen Belastung (nicht nur zeitlich, da kam ja noch mehr dazu) und der Misserfolge.
    Anschließend wurde es einige Jahre deutlich besser, ich habe dann konsequent einen Tag freigemacht am Wochenende (manchmal sogar beide) und in den Ferien jedes Mal einige Tage frei. Meine Stunden habe ich insgesamt schon abgeleistet, aber eben nicht mit einem Korrekturfach am Gymnasium zu vergleichen.
    Seit ein paar Jahren haben wir eine neue Schulleiterin und sind nun mehr mit der Schulentwicklung beschäftigt als je zuvor. Durch die vielen Konferenzen verschiebt sich die Unterrichtsvorbereitung dann z.T. in die späten Abend- und frühen Nachtstunden und wieder auf's Wochenende. Am Anfang des Schuljahres habe ich manchmal Aufgaben, die bis zu 8 Wochen auf die Bearbeitung warten müssen, weil so viel zu tun ist. Auch Schwellendidaktik ist zeitweise von Nöten, weil mehr einfach nicht geht. Von November bis April geht es deutlich besser. Dann kommt die Zeugniszeit. Das finde ich mit Zensuren deutlich entspannter. Als ich noch Klasse 1/2 hatte, waren die verlängerten Wochenenden im Mai immer dem Schreiben dieser Berichtszeugnisse gewidmet.


    Was mir noch einfällt: Du hast an der Grundschule vermutlich eine deutlich größere Heterogenität als am Gymnasium.


    Taschentüchern, Desinfektionsspray und Gummihandschuhe (seit mir einer mal in die Klasse gekotzt hat). ...Ein Tipp noch: Googel mal nach Grundschul-Blogs, die gibt es in Massen und da bekommst du sicher einen ganz guten Eindruck.

    Katzenstreu saugt ungemein auf. Und ein Satz Ersatzklamotten im Schrank ist auch hilfreich.
    Grundschul-Blogs: Zum Teil wird da auch extrem viel gebastelt und gesaltet. Wenn ich das sehe, denke ich immer, ich bin die unkreativste und faulste Grundschullehrerin Deutschlands. Denke immer dran: Das ist in vielen Jahren Arbeit entstanden. Im "Osten" wird es eventuell (ich bin ja nicht in Sachsen, aber in Ost-Berlin) etwas nüchterner aussehen.


    Für Geburtstage habe ich eine Kiste mit verschiedenen Spielzeugen / Ketten / Mini-Knete, die Geburtstagskinder dürfen sich was aussuchen.

  • Das alles was Conni schreibt ist bei mir fast ganz genau so. Nach 4 Jahren Jahrgangsmischung hatte ich ein Burnout. Ich habe fast 2 Jahre gebraucht, bis ich wieder die Alte war, während ich bis auf ein paar Wochen Auszeit weitergearbeitet habe. Mit dem Hamburger Modell wieder eingestiegen. Jahrgangsmischung haben wir auch wieder abgeschafft.


    Die Arbeit in der Grundschule lässt einen aber nie wirklich in Ruhe, weil ständig eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.


    Die Unterrrichtsvorbereitung wird anfangs ziemlich intensiv sein, auch wegen der Heterogenität der Schüler. Du solltest darauf gefasst sein, dass nicht alle das gleiche Arbeitsblatt schaffen werden und dass du immer sehr kluge SuS haben wirst, die du sinnvoll beschäftigen solltest. Die fangen sonst schnell an zu stören, wenn sie nicht ausgelastet sind.


    Einen schulfreien Wochenendtag solltest du dir vornehmen, das ist wichtig und müsste bei jedem drin sein. Notfalls bleibt was liegen.


    Man muss für alles Elternbriefe herausgeben und dann die Kenntnisnahme kontrollieren.

  • noch was zum Thema Heterogenität, auch wenn ich nicht an der GS unterrichte, aber das kann sich auch nachher (ziemich ätzend) auswirken, wenn es nicht beachtet wird:


    lerne den Unfug zu unterscheiden!


    Es gibt ganz grob zwei Sorten Quatsch, den SuS so anstellen. Und die Sorte lässt sowohl auf den Grund dafür als auch auf den Schüler schließen...


    - destruktiver Unsinn. Spontan, laut, wenig originell, vielleicht nicht mal von SuS selbst verstanden. Diese SuS sind frustriert, weil ihnen irgendwas zu schnell geht, zu schwer ist, usw. Diese SuS legen auch Wert auf "Publikum". Vielleicht - wenn das wiederholt vorkommt - Kandidaten für die Förderschule.


    - kreativer Quatsch. Überraschend, "geplant", wo du dich fragst "wie zur Hölle...". Das sind SuS, die sich langweilen, weil (ggf massiv) unterfordert. Geht häufig mit eher geringem Sozialverhalten einher (andere Kinder werden als "zu doof" empfunden). Dringend beschäftigen,wenn das trotzdem "dauernd" vorkommt, ggf mal auf Hochbegabung testen.


    Beides nicht rechtzeitig zu erkennen ist fatal.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

    Einmal editiert, zuletzt von Miss Jones ()

  • Oh je, das ermutigt mich ja nun nicht gerade. Ich sollte also Reißaus nehmen, wenn man mir eine Schule mit jahrgangsübergreifendem Konzept zuweist?


    Eine Freundin hat an einer freien GS gearbeitet, die das hatte, da gab es glaube ich nur Werkstattarbeit - und die war total happy, nachdem sie an zwei "Brennpunktschulen" fast ins Burn-out getrieben wurde...


    Ich hoffe halt auch ganz stark auf die Kollegen, dass man als Gymnasial-Quereinsteiger ein bisschen unterstützt wird, gerade was Materialien und Tipps für Differenzierung und Klassenführung etc. angeht...

    • Offizieller Beitrag

    Oh je, das ermutigt mich ja nun nicht gerade. Ich sollte also Reißaus nehmen, wenn man mir eine Schule mit jahrgangsübergreifendem Konzept zuweist?
    Eine Freundin hat an einer freien GS gearbeitet, die das hatte, da gab es glaube ich nur Werkstattarbeit - und die war total happy, nachdem sie an zwei "Brennpunktschulen" fast ins Burn-out getrieben wurde...


    Ich hoffe halt auch ganz stark auf die Kollegen, dass man als Gymnasial-Quereinsteiger ein bisschen unterstützt wird, gerade was Materialien und Tipps für Differenzierung und Klassenführung etc. angeht...

    Es kann funktionieren, wenn die Schülerschaft stimmt. An einer freien Schule (Privatschule) sind zahlende, interessierte Eltern, die hinter dem Schulkonzept stehen. Da geht es vermutlich eher als im Brennpunkt.


    Hilfe und Unterstützung: Es gibt dafür keine Zeitanrechnung. Sei dir bewusst, dass es die Freizeit der Kollegen ist. Ich habe die Kraft und die Zeit für Unterstützung in den letzten Jahren am Schuljahresanfang kaum gehabt. Klar, Arbeitsblätter oder so, aber jetzt 3mal die Woche eine Stunde mit dir hinsetzen eher nicht.

  • Ich habe bisher nur jahrgangsübergreifend unterrichtet, an meiner RefSchule und auch danach. Und hab noch kein Burnout sondern arbeite sogar überzeugt und gern so. Ich glaube der Schritt von jahrgangsbezogen zu jahrgangsübergreifend kann sehr hart sein (vor allem, wenn die Lehrer da völlig ohne Erfahrung rangehen und die Kinder es anfangs dann ja auch noch nicht kennen). Aber wenn das jahrgangsübergreifende Arbeiten seit Jahren an einer Schule etabliert ist, ist es vom Arbeitsaufwand nicht anders als jahrgangsbezogenes Arbeiten. Ich habe zum Beispiel den großen Vorteil, dass ich jedes Jahr um großen und ganzen das gleiche mache bzw. manche Themen zumindest alle zwei Jahre, d.h. ich bin immer drin. Wenn ich eine Klasse von 1 bis 4 begleiten würde, hätte ich nach vier Jahren vieles nicht mehr so parat und müsste mich wieder neu einarbeiten. Außerdem muss ich durch unsere Planarbeit nicht jede Unterrichtsstunde detailliert vorbereiten und vieles läuft selbstverständlich.


    An den Schulen, die ich kennenlernt habe, wurden Neueinsteiger auch immer sehr unterstützt. Insofern kann ich nur Mut zusprechen, was jahrgangsübergreifendes Arbeiten angeht zumindest sofern man nicht der Frontalunterticht-Typ ist.

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