Schulfach "Digitalkunde" gefordert

  • So wie nicht jeder plötzlich auf Schulenglisch unterrichten sollte, weil das Sprachbad ja so sinnvoll sei.

    Da hast Du vollkommen recht, finde ich. Und wahrscheinlich meinen wir im Grunde genommen das gleiche, haben aber gegenseitig zu wenig Vorstellung von den jeweiligen Gegebenheiten und Möglichkeiten. Schau ... wir führen an der Maturitätsabteilung pro Jahrgang zwei bilinguale Klassen, in denen neben dem Englischunterricht noch in drei weiteren Fächern auf Englisch unterrichtet wird. Der englischsprachige Unterricht wird aber ausschliesslich von Lehrpersonen erteilt, die entweder Englisch als Fach unterrichten oder die Muttersprachler sind.


    Beim sinnvollen Einsatz digitaler Medien und Endgeräte im nicht-Informatik-Unterricht sollten aber meiner bescheidenen Meinung nach eine ganze Menge mehr Lehrpersonen als beim englischsprachigen Unterricht kompetent sein. Denn wie ich weiter oben schon mal schrieb, haben wir schon lange Gelegenheit zu "üben". Wie ich ebenfalls schon mal schrieb, sind eine gute Infrastruktur und eine gute IT-Betreuung im Schulhaus (dauerhaft und bezahlt!) dafür aber absolute Grundvoraussetzung. Wenn das nicht gegeben ist - dann nicht, da sind wir uns absolut einig.

  • Gefordert war in dem Ausgangsartikel "Verständnis für Technik", das ist an der Grundschule i.W. nicht leistbar.

    Das ist aus meiner Sicht lediglich eine Frage der Abstraktion. Ich denke, man kann einiges auf GS-Niveau runterbrechen.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Das ist aus meiner Sicht lediglich eine Frage der Abstraktion. Ich denke, man kann einiges auf GS-Niveau runterbrechen.

    Das kannst Du sicher besser beurteilen als ich. Aber: Die Frage ist, was man dann dafür an der GS weglassen oder weniger intensiv machen müsste. Wir haben hier aktuell das ganz große Problem, dass die Basisbereiche Lesen - Schreiben - Rechnen bei den Schülern, die wir in Klasse 5 bekommen, oft wenig ausgeprägt sind.


    Gerade das Entwickeln einer flüssigen Handschrift ist aber ab einem gewissen Alter nicht mehr sinnvoll erlernbar (beziehungsweise motivierbar).


    Daher stellt sich bei manchen Dingen, die man in der Grundschule machen kann schon die Frage, ob man es auch tun sollte und was die Folgen auf anderen Gebieten sind.

  • Ich kann nicht für Niedersachsen sprechen aber mir erscheint auch die GS in RLP überfrachtet mit Dingen, die noch nicht mal originär etwas mit Unterricht zu tun haben müssen.


    Man könnte drüber diskutieren, ob eine Stunde integrierte Frendsprache in der Woche sein muss. Ob man die Kernfächer soweit ausdifferenzieren muss, dass 10 Leistungsnachweise allein in Deutsch pro Schuljahr notwendig sind - mit entsprechenden Abstrichen bei Übungs- und Vertiefungszeit. Die Sportler werden drauf bestehen, dass 3 Stunden Sport pro Woche als Minimum anzusehen sind und die Mathematiker werden ausführen, dass 5 Stunden für ihr Fach bei Arithmetik, Sachrechnen, Geometrie, Wahrscheinlichkeit/Kombinatorik und (rudimentärem) Beweisen/Argumentieren eh viel zu wenig sind.


    Die Künstler und Musiker noch nicht mal genannt und die Ethiker/Sozialkundler (als Ersatz für die Religiösen) auch nicht.


    Ich sage nicht, dass wir "Verständnis für Technik" in der Grundschule brauchen. Ich halte es nur nicht für undurchführbar, denn eigentlich ist es schon drin. Sachunterricht beschäftigt sich sehr viel mit Mechanik. Die schriftlichen Rechenverfahren sind nichts anderes als Algorithmen, die genauso auch vermittelt werden. Ablaufdiagramme hast du im Deutschen beim Texte verfassen fast ausschließlich und allein beim Thema Sortieren/Ordnen kannst du zig Methoden des vergleichsbasierten Sortierens praktisch erproben lassen ohne je den Begriff Rekursion in den Mund nehmen zu müssen.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Also ich persönlich wäre sehr für eigenständigen Informatikunterricht. Als kleinsten gemeinsamen Nenner zumindest ein Lernfeld „Programmieren und Algorithmen“ oder wie auch immer man das nennen mag, das per Lernspirale mit sowas wie Scratch anfängt und über die Schuljahre (der Entwicklung der Lernenden angepasst) formaler werden darf.
    Tatsächlich fände ich das eigentliche Programmieren an sich gar nicht mal so wichtig, sondern das damit transpotierte Verständnis, wie die Welt heute funktioniert.
    Die Themen der geforderten „Digitalkunde“ kann man ja in die Fächer integrieren, oder nicht? Das wäre auch spannend, finde ich jedenfalls: z.B. Fake News in Deutsch und Englisch; Handy/Tablet als Werkzeug mit Apps wie Geogebra, Desmos, Photomath in Mathe; Datenschutz und -sicherheit in Gemeinschaftskunde ... nein?

  • Also ich persönlich wäre sehr für eigenständigen Informatikunterricht.

    Habt ihr den nicht im Thurgau? Wir haben wenigstens in der 2. Klasse mal ein Semester lang Halbklassenunterricht für alle. Das Ergänzungsfach Informatik wird in der 4. Klasse immer gewählt, vor allem von SuS mit Profil A natürlich.

  • Habt ihr den nicht im Thurgau? Wir haben wenigstens in der 2. Klasse mal ein Semester lang Halbklassenunterricht für alle. Das Ergänzungsfach Informatik wird in der 4. Klasse immer gewählt, vor allem von SuS mit Profil A natürlich.

    Ich meinte, man sollte ihn überall flächendeckend einführen. :)

  • - Religion (ist m.E. Privatsache)
    - ein Teil des Wahlpflichtunterrichts

    Super Sache, dann machen wir alternativ halt den "Werte- oder Ethikunterricht" oder den Philosophieunterricht für alle verpflichtend. Andernfalls würde im Kanon der Fächer ein zentraler Baustein fehlen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Da ist was dran. Mir würde aber ein Jahr Informatik Pflichtunterricht (danach kann man ja nach Neigung weitermachen, wenn man möchte) reichen. Religion ist aktuell das einzige Kurzfach, das durchgehend 2 Stunden Unterrichtszeit hat, alle anderen Fächer sind zeitweise epochal oder beginnen nicht in Klasse 5.


    Wenn man sich also darauf einigen könnte, dass Ethikunterricht nicht durchgehend 2stündig von 5 bis 11 sein muss, dann bliebe da trotzdem eine Lücke.

  • Bei uns ist das Fass schon offen ob Informatik ein Pflichtfach für alle werden soll. Im Moment ist es kantonal geregelt, wir haben - wie bereits geschrieben - ein Semester lang Informatik für alle. Das kam im Zuge einer grösseren Reform, vor 5 Jahren wurde bei uns im Kanton die Schulzeit bis zur Matura von 12 1/2 auf 13 Jahre verlängert. Im Zusammenhang mit der Debatte, ob es im ganzen Land bald verpflichtenden Informatikunterricht geben soll, schrieb einer unserer Gewerkschaftsvorstände mal einen längeren Artikel in der Verbandszeitschrift. Darin hiess es, die wichtigsten Schulfächer im Sinne davon, dass sie den meisten Lebensweltbezug haben bzw. unverzichtbare Grundfertigkeiten vermitteln seien: Deutsch, Mathe, Englisch, Sport, Wirtschafts- und Rechtslehre, Politische Bildung (gibt es in dieser Form tatsächlich nur bei uns im Kanton!) und Informatik. Ich neige dazu dem zuzustimmen. Religion bzw. Ethik gibt es bei uns am Gymnasium sowieso nicht, da kann man also keine Stunden holen. Ich hätte aber nichts dagegen, könnten unsere Jugendlichen mit Eintritt ins Gymnasium eine Naturwissenschaft abwählen und hätten dafür Informatik als Pflichtfach.

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