Schulfach "Digitalkunde" gefordert

  • "Der BYOD-Ansatz" meint, die SuS bringen digitale Endgeräte mit an die Schule, mit denen sie dort *arbeiten* können. Handys haben sie sowieso, egal ob Du die im Unterricht zum arbeiten gebrauchst oder nicht. Also können sie mit diesen Handys auch jederzeit irgendeinen Blödsinn anstellen, "kontrollieren" kannst Du da also ohnehin nur sehr bedingt irgendetwas (per Handy-Verbot oder so).

  • Also können sie mit diesen Handys auch jederzeit irgendeinen Blödsinn anstellen, "kontrollieren" kannst Du da also ohnehin nur sehr bedingt irgendetwas (per Handy-Verbot oder so).

    Grundsätzliches (d.h. ausnahmemögliches) Handy-Verbot funktioniert wunderbar. Siehe meine Schule. Ob sinnvoll oder nicht, ob das überall geht oder nicht: andere Fragen.

    Lehrer werden nicht gefragt "Was braucht ihr?", sondern bekommen die Ansage "Hier! Ihr müsst das jetzt machen! Wie genau wissen wir auch nicht, aber ihr macht das schon irgendwie. Müsst ihr ja!".

    Mit dem Medienkonzept, wie es in Bayern durchgeführt wird, werden genau die Lehrer gefragt: Was würde ihr gerne machen? (Mediencurriculum), was braucht ihr dazu (Fortbildungs-, Ausstattungskonzept). Manche Schulen möchten Whiteboards, andere (meine) nicht. Dennoch der Tenor: Menno, warum müssen wir uns so einen Plan geben, warum legt das Kultusministerium nicht einfach alles fest? Anscheinend möchten gar nicht alle Lehrer immer gefragt werden.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Und wenn die SuS die Geräte nicht sowieso zuhause haben oder nur ein kleiner Teil der Klasse? (Hab gerade erst in einer Klasse schriftlich abgefragt wer ein internetfähiges Handy hat, damit wir ggf. übers Schul-WLAN damit arbeiten können, das waren in Klasse 8 gerade mal 2/3 der SuS, nur knapp die Hälfte kann dabei regelmäßig auch übers Handy verfügen, da bei den anderen das Handy ihrer Auskunft nach defekt ist/von den Eltern zur Strafe eingezogen wurde/Prepaid nicht aufgeladen ist und nur angerufen werden kann den halben Monat über...). Dazu kommt, dass der BYOD-Ansatz bedeutet, dass ich nicht kontrollieren kann, ob nicht am Ende doch SuS heimlich Fotos im Unterricht von Klassenkameraden anfertigen und verbreiten. Schulgeräte geben mir die Option bei Aufgaben mit Bildbearbeitung keine WLAN-Codes auszugeben, danach die Geräte einzusammeln und heimlich angefertigte Fotos direkt zu löschen.

    Irgendwie ist das für mich ein typisch deutscher Ansatz: Es werden erst einmal Gründe gesucht, warum etwas nicht funktionieren kann. Ich habe in meinem vorherigen Job viel mit US-Amerikanern zu tun gehabt, da läuft das komplett anders herum - es wird erstmal versucht etwas neues zu machen und ein mögliches Scheitern wird zum Anlass genommen, es nächstes mal besser zu machen. Es kommt nicht von ungefähr, warum die großen IT-Konzerne fast ausnahmslos aus den USA kommen. Manchmal würde ich mir da in Deutschland einfach mehr Mut wünschen.

  • Der amerikanische Ansatz ist tatsächlich genau andersrum: Schießen jetzt, fragen später. Kollateralschaden ist lediglich Anlass zur Verbesserung beim nächsten Mal. Ich bin ganz froh, wenn derlei Rücksichtslosigkeit jenseits des Teichs bleibt.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Mit dem Medienkonzept, wie es in Bayern durchgeführt wird, werden genau die Lehrer gefragt: Was würde ihr gerne machen? (Mediencurriculum), was braucht ihr dazu (Fortbildungs-, Ausstattungskonzept). Manche Schulen möchten Whiteboards, andere (meine) nicht. Dennoch der Tenor: Menno, warum müssen wir uns so einen Plan geben, warum legt das Kultusministerium nicht einfach alles fest? Anscheinend möchten gar nicht alle Lehrer immer gefragt werden.

    Das könnte schon so sein, dass Lehrer einfach gar nicht gefragt werden wollen.
    Vielleicht schmeckt ihnen aber auch die Art und Weise nicht, in der das KM "fragt".

  • Ging es hier mal nicht um das "Fach Digitalkunde"?


    "Digitalkunde" könnte man auch ohne Endgeräte unterrichten (schließlich unterrichtet man ja Sexualkunde auch ohne Sex).


    Aber, jetzt ebenfalls off-topic (knapp daneben ist ja auch vorbei):


    Der Wunsch, die Art und Weise, wie wir digitalisieren möge von oben diktiert werden, wurde aber auch auf Fortbildungen geäußert, die ich besucht habe.


    Einerseits ist es nicht sinnvoll, dass jeder das Rad immer wieder neu erfindet.


    Andererseits verwenden verschiedene Schulen ja auch verschiedene Schulbücher. Man wählt die Bücher so aus, dass sie zu den Kollegen, den Schülern und zur Schule insgesamt passen.


    Würde jetzt ein ganzes Bundesland vorschreiben, ein bestimmtes Schulbuch sei zu verwenden, dann würden die anderen Verlage mit Recht Sturm laufen. Von daher ist eine komplett einheitliche Linie, mit welchen Endgeräten und welcher Software zu arbeiten ist, vollkommen ausgeschlossen.


    Ich fand aber den alten Ansatz aus BaWü, verschiedene "Musterlösungen" anzubieten, sehr vielversprechend. Das könnte man noch weiterdenken (Endgeräte).


    Also, dann gäbe es z.B. eine IPad-Musterlösung, wenn man die komplett so übernehmen will, beauftragt der Schulträger eine Firma, die richtet Netzwerk + Server + MDM-Software ein und stellt Musterschreiben für die Eltern zur Verfügung, was sie zu kaufen haben. Ein paar verpflichtende Fortbildungen sind auch im Programm.


    Dann noch eine Windows-Musterlösung, eine Linux-Musterlösung, eine BYOD-Musterlösung (also heterogene Geräte), und dann dürfte für die meisten was dabei sein.


    Wenn man das nicht machen will (etwa, weil die eigene Kompetenz fehlt bei den Ministerien / Schulträgern), dann wäre es schön, wenn wenigstens stress- und bürokratiefrei Geld zur Verfügung stünde - etwa um Firmen für Support zu beauftragen, ferner mindestens einen voll beschäftigten voll bezahlten IT-Techniker pro 1000 Schüler, der die ganze Anlage vor Ort fortwährend wartet.

  • Ging es hier mal nicht um das "Fach Digitalkunde"?


    "Digitalkunde" könnte man auch ohne Endgeräte unterrichten (schließlich unterrichtet man ja Sexualkunde auch ohne Sex).

    Das wäre dann ein Ansatz, der sehr schön in das pädagogische Selbstverständnis so manchen deutschen Lehrers passen würde aber nicht in die Herausforderungen der wirklichen Welt.


    "Digitalkunde" ohne Endgeräte ist wie Trockenschwimmen auf dem Stuhl im Klassenraum.


    Sinnfrei.

  • Was ich damit eigentlich sagen wollte: Das Verwenden von irgendwelchen Endgeräten im Unterricht ist eine andere Ebene als ein Technikunterricht, bei dem es das Ziel ist, die Technik zu verstehen, die wir anwenden.


    Und ich bin der Meinung, diesen Anspruch sollten wir haben: Die Hintergründe der Technik zu verstehen, wenigstens ein bisschen. Das aber eher nicht in der Grundschule, sondern, wie von mir im Eingangspost angedacht, eher so in Klasse 9.


    Und ob man nun in Klasse 9 einen Informatikunterricht einführt (in Niedersachsen gibt es keinerlei Informatik als Pflichtfach) ist unabhängig davon, ob man elternfinanzierte Endgeräte einführt, denn Informatikunterricht kann man auch gut im Fachraum machen ("Computerraum").


    Wenn man nun sagt, alle Fächer sollen die "neuen" (also eher die nicht ganz so alten) Medien einsetzen, dann erhöht das (wenn gut gemacht) die Medienkompetenz, aber kaum die Technikkompetenz.


    Ergänzung: Informatikunterricht ohne Computer ist lange nicht so sinnfrei wie Trockenschwimmen auf dem Stuhl. Das kann man sogar ein paar Wochen lang machen. Gerade Algorithmik ist häufig an Gegenständen (Kartenspiele usw.) viel greifbarer zu machen als direkt am Computer, es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele. Die Mischung macht's, natürlich setze ich Computer im Informatikunterricht (und auch in meinem sonstigen Unterricht) ein.


  • ob man nun in Klasse 9 einen Informatikunterricht einführt (in Niedersachsen gibt es keinerlei Informatik als Pflichtfach) ist unabhängig davon, ob man elternfinanzierte Endgeräte einführt, denn Informatikunterricht kann man auch gut im Fachraum machen ("Computerraum").

    +1


    These: mobile Endgeräte sind ungeeignet um hier den "Grundstein für ein tiefes Verständnis" zu legen und der Grund, weshalb die smarte Generation weniger Computerkenntnisse hat, als die mit der Brotkiste.

  • Stimmt...und dann ist der Ansatz zur Arbeit halt BYOD. Wenn die Schüler eh die Geräte zu Hause haben (und in die Schule mitbringen ;) ), kann dort auch gleich damit sinnvoll gearbeitet werden und natürlich auch über Nutzungsverhalten usw. gesprochen werden.

    Das hört sich wieder sehr nett und einfach an, ist es aber auch nicht. Wenn jeder sein eigenes Gerät mitbringt, muss die Lehrkraft auch in den ganzen Geräten fit sein. Das ist leider etwas utopisch. Das hatten wir auch schon bei einer blinden Schülerin in der Inklusion. Neue Technik sollte herbei und die Familie wünschte sich apple. Unsere Software läuft auf Windows und nur damit kennen sich unsere zwei/drei Kollegen auch wirklich aus. Ist eh schon genug Einarbeitung. Das kann man nicht für alles leisten.
    BYOD hat vor allem den Geburtsfehler, dass man auch ein Gerät haben muss. Die Dinger sind ja nicht unbedingt billig und wir sind wieder bei der Schere zwischen arm und reich. Ich glaube kaum, dass in Bälde ein Tablet in den Hartz IV-Satz eingerechnet wird.

  • Ich glaube kaum, dass in Bälde ein Tablet in den Hartz IV-Satz eingerechnet wird.

    Schon längst geschehen: z.B. Sozialgericht Hannover, Beschluss v. 06.02.2018 – S 68 AS 344/18 ER : "Der Antragsgegner wird einstweilen unter dem Vorbehalt der Rückforderung verpflichtet, der Antragstellerin zu 2) Leistungen für den Erwerb eines iPad 9,7 WiFi 32 in Höhe von 369,90 EUR zu erbringen." ;)



    Ja, ich bin bei dir, dass die Öffnung hin zu allen Geräteklassen/Betriebssystem ganz spezifische Probleme mit sich bringt, aber das hängt auch stark davon ab, was man nun mit Schülern machen will. Oft genug werden digitale Endgeräte derzeit nur für Online-Recherche, ggf. einige Lernplattformen, Textdarstellung und -bearbeitung und ggf. mal ein Video drehen benutzt. Das leisten mit kostenfrei verfügbarer Software/Apps quasi alle Geräte. Es gibt inzwischen auch Versuche, eine Sammlung von plattformübergreifender kostenfreier Software für diese Anwendungsfelder aufzubauen. Und mal Hand aufs Herz: Bei vielen Anwendungen sind die Schüler deutlich fitter als wir Lehrkräfte. Dann arbeiten eher die uns ein als andersherum.

  • +1
    These: mobile Endgeräte sind ungeeignet um hier den "Grundstein für ein tiefes Verständnis" zu legen und der Grund, weshalb die smarte Generation weniger Computerkenntnisse hat, als die mit der Brotkiste.

    Naja, nicht jedes mobile Endgerät ist dafür gleichermaßen ungeeignet. Handys + Tablets verstecken die Technik vor dem Nutzer, wenn man für jede Sache seine leicht zu bedienende App hat, dann lernt man dabei an technischer Kompetenz praktisch gar nichts (mir ist schon klar, dass es auch Informatik-Apps gibt, aber im Wesentlichen ist das trotzdem so).
    Wenn man hingegen ein Gerät mit "richtigen" Betriebssystem (Linux, Windows, OS-X) nimmt (diese gibt es ja auch mobil) und die Komplexität in Kauf nimmt, dann lernt man dabei quasi automatisch mehr (deswegen ist, wie Du ja auch sagst, die Generation Brotkasten so fit, weil diese Geräte noch erheblich schwerer zu bedienen waren).
    Also, mit mobilen Endgeräten, wo Linux oder Windows drauf ist, kann man jedenfalls auch Informatikunterricht machen (wobei ab einem gewissen Komplexitätsgrad ein richtig großer Monitor schon was Feines ist).

  • Wenn jeder sein eigenes Gerät mitbringt, muss die Lehrkraft auch in den ganzen Geräten fit sein. Das ist leider etwas utopisch.

    Das ist nicht utopisch sondern genau das, was bei uns läuft und zwar vollkommen problemfrei. Natürlich haben wir eine bessere Infrastruktur und wir haben auch einen dauerhaften und bezahlten IT-Support im Haus. Der hat nur wirklich kaum was zu tun. Ich habe gerade eben die Auswertung der ersten Evaluation unseres BYOD-Projekts bekommen und guess what, die meisten Ätz-Kommentare kommen von Lehrpersonen, die einfach keine Lust haben. Das Feedback der Jugendlichen ist mehr als positiv.

  • Das ist nicht utopisch sondern genau das, was bei uns läuft und zwar vollkommen problemfrei. Natürlich haben wir eine bessere Infrastruktur und wir haben auch einen dauerhaften und bezahlten IT-Support im Haus. Der hat nur wirklich kaum was zu tun. Ich habe gerade eben die Auswertung der ersten Evaluation unseres BYOD-Projekts bekommen und guess what, die meisten Ätz-Kommentare kommen von Lehrpersonen, die einfach keine Lust haben. Das Feedback der Jugendlichen ist mehr als positiv.

    Ich möchte das auf keinen Fall schlecht reden, was ihr macht. Man muss aber auch eure Altersgruppe bedenken. Bei jüngeren sieht das mitunter anders aus.
    Ich habe da noch eine Frage: Ist es eine freiwillige Nummer, in so eine BYOD-Klasse zu gehen oder war es Pflicht? Da tun sich ja dann auch nochmal enorme Unterschiede auf.

  • Stimmt...und dann ist der Ansatz zur Arbeit halt BYOD. Wenn die Schüler eh die Geräte zu Hause haben (und in die Schule mitbringen ), kann dort auch gleich damit sinnvoll gearbeitet werden und natürlich auch über Nutzungsverhalten usw. gesprochen werden.

    Und dann muß ich als Info-Pauke rmich spontan mit allen möglichen Geräten und Betriebssystemen auskennen? Wo finde ich dort die Einstellungen? Welche Schlupflöcher haben die Systeme?
    Das Theater habe ich schon, wenn es um den Info-Unterricht in der Sek2 geht. Da hatten sie auch diese grandiose Idee BYOD. Ist aber ganz schnell gestorben, weil es eben die gerade besprochene Software-Lösung nicht für alle Plattformen gibt oder weil da jeweils die Oberfläche etwas anders ist. Ganz nebenbei mutierte BYOD dann noch zu einem Notebook-Reparatur-Cafe. Der Pauker sollte also dafür sorgen, daß die Geräte überhaupt so richtig funktionieren. :daumenrunter:
    Oder wir müßten halt ganz klar sagen: Ihr dürft eure eigenen Geräte mitbringen, aber wir erwarten, daß ihr alle mit einem Microsoft Surface-Book Typ xyz kommt, auf das dann alle die gleichen Geräte haben und auch die gleiche Software intstallieren können. Im Grundschulbereich dann wahlweise: "Alle kommen mit einem iPad 4 Mini." ... und eben nicht mit irgendeinem Tablet und eben nicht mit Android-OS.

  • Man muss aber auch eure Altersgruppe bedenken. Bei jüngeren sieht das mitunter anders aus.

    Im Beitrag davor ging es Dir aber nicht um die Altersgruppe, sondern um was anderes:



    Wenn jeder sein eigenes Gerät mitbringt, muss die Lehrkraft auch in den ganzen Geräten fit sein. Das ist leider etwas utopisch.

    Wir erwarten von unseren Kindern und Jugendlichen jeden Tag, dass sie sich mit Dingen auseinandersetzen, die neu für sie sind und für die sie sich mitunter nicht die Bohne interessieren. Wir bekommen Geld für das was wir tun und meinen uns an dieser Stelle verweigern zu können? Sicher nicht. Selbstverständlich muss der Arbeitgeber für die nötige Infrastruktur sorgen und so ein Projekt sorgfältig planen was bei euch scheinbar nicht gegeben ist. Aber so grundsätzlich "find ich alles doof" ist für einen gut bezahlten Akademiker absolut nicht drin.



    Ich habe da noch eine Frage: Ist es eine freiwillige Nummer, in so eine BYOD-Klasse zu gehen oder war es Pflicht?

    Sie konnten aus administrativen Gründen nicht wählen, sind einfach zugeteilt worden. Für nächstes Schuljahr hätten wir vom Kanton prinzipiell die Freigabe alle 12 neuen 1. Klassen als BYOD zu führen, es wird aber nur 4 - 5 BYOD-Klassen geben. Ab dem Schuljahr 2021/22 ist eine flächendeckende Umstellung auf BYOD dann vom Kanton sowieso vorgesehen.

  • These: mobile Endgeräte sind ungeeignet um hier den "Grundstein für ein tiefes Verständnis" zu legen und der Grund, weshalb die smarte Generation weniger Computerkenntnisse hat, als die mit der Brotkiste.

    Die Generation mit der Brotkiste hat ein tieferes Verständnis, weil sie zu ihrer Zeit tiefer in die Materie einsteigen mußte, um die Kiste überhaupt ans Laufen zu bekommen. Werf der smarten Generation doch mal Begriffe wie "Interrupt, IRQ und DMA-Kanal" vor die Füße und warte ab, was passiert. Das sind für die alle böhmische Dörfer. Wobei sie ja nicht einmal mehr wissen wo Böhmen überhaupt liegt. ;)
    Oder, aktuelles Beispiel: Informationstechnische Assistenten, denen sollen wir die Fachhochschulreife + IT-Berufsausbildung bescheinigen, scheitern an der Installation eines Netzwerkdruckers. Am USB-Anschluß bekommen sie ihn zum Laufen, aber nicht am Netzwerk. Die unüberwindbare Hürde war, daß man beim Netzwerkdrucker den Treiber von Hand installieren muß. Plug&Play wie am USB-Anschluß gibt es da nicht. Wobei der Begriff "Treiber" ihnen auch schon nicht mehr bekannt ist. Das ist einfach alles nur "Die Software". Das man die aber auf allen Computern im Netzwerk installieren muß... komplettes Neuland. Die haben bisher wohl noch nie bemerkt, daß da das Betriebssystem automatisch Treiber installiert, wenn man am USB-Anschluß irgendein Gerät ansteckt.


    Wegen solch eklatanden Wissenslücken hat mein Kollege der ganzen Klasse im Halbjahrszeugnis die Note 6 gegeben und schreibt gerade fleißig an den Begründungen. Es gibt wirklich nicht eine 5. Er hatte auch schon das ganze Halbjahr über per eMail alle gewarnt (auch die SL), die haben diese Warnungen aber alle als Spaß abgetan. Und ich muß zugeben, daß er leider recht hat. Bei den Berufsabschlüssen geht es halt darum was die Schüler am Ende können und nicht wie toll die Methoden sind. Ein Systemintegrator, der keinen Drucker installieren kann, hat eindeutig seinen Beruf verfehlt.

  • Nutze Digitales zwar viel und gerne und schon immer, wenn auch mehr, weil das MIR und meiner Arbeitsweise/öknonomie entspricht - Zettelkram macht mich irre (wobei es bei mir im Unterricht auch Tafelbilder, Schreibaufgaben, Papierübungen und überhaupt alles Traditionelle gibt).. .
    Hier jetzt aber: https://www.zdf.de/nachrichten…es-klassenzimmer-106.html


    Ich glaube, das ist wichtig zu verstehen: Digitales ist da und muss in Schule integriert werden - aber (siehe auch pattyplus Einlassungen) "Hardware muss da sein" reicht halt nicht.
    Es müssen mit und an den Geräten (vor allem auch) die skills vermittelt werden, die erstmal nichts mit der Bedieneroberfläche und den Programmanwendungen zu tun haben.


    Frage ich meine Schüle/innen, was ein Proxyserver ist, ob sie TOR kennen, was ein VPNschutz am Handy ist, welche Verschlüsselungstechniken ihnen bekannt sind und welche Anbieter welche nutzen (oder auch wie mit ihren Daten umgehen): Leere. Keine/kaum Ahnung. Ohne Witz: von 25 wissen 3 oder 4 was darüber. Aber via Stadtschülerrat offenes Wlan an allen Schulen fordern... :/
    Weiter bei der politischen Dimension von Internet, die in meinen Fächern halt recht relevant ist - von social bots über digitale Wehrhaftigkeit in Bezug auf fake news - rudimentärste Ahnung. "Das stand im Internet" ist auch in der Oberstufe noch eine gängige Begründung für angenommene Wahrheit.


    Das sind aber die absoluten basics, die VOR der Gerätenutzung da sein müssen. Ich glaube schon, dass ein Schulfach Digitales Lernen sinnvoll sein kann/wird. Ich glaube aber auch, dass das Thema inzwichen so komplex geworden ist, dass es als grundständiges Fach zu studieren ist. Lehrer, die Geschichte und Kunst oder Englisch und Deutsch studiert haben, sollten zwar, wie jeder erwachsne Nutzer, die o.g. absoluten basics kennen/können, schon zum Selbstschutz, aber die Gesamtheit der Vernetzung von technischen Möglichkeiten und sozialem/asozialem/politischem/kriminellen Potential, pädagogischen Möglichkeiten und soialen und (massen/individual-)psychologischen Auswirkungen mal eben "nebenher" mit zu unterrichten, halte ich für abwegig. Da kann ich KollegInnen verstehen, die sagen "was denn bitte noch alles??".


    Und ich VERZWEIFELE an Zeitunsgartikeln, die behaupten, die SchülerInnen seien im Gegensatz zu ihren Lehrern in der digitalen Welt so fit. Digital natives: ja, sie sind da "reingeboren", aber viele sind digitale Ureinwohner ohne Kenntnis des Nachbarstammes... Wischen und Tippen auf dem Smarthpne in abartiger Geschwindigkeit ist nicht die Kompetenz, die wichtig ist - die aber viele Journalisten mit "fit" verwechseln. Und dann rufschädigende Artikel schreiben.


    Seufz.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Also ich erinnere mich an den Informatikunterricht, den ich vor 25 Jahren genossen habe... Leute, wirklich, alles was ihr jetzt euren Schülern beibringen wollt ist doch in 10 Jahren veraltet wie ein Grammophon.


    Kinder müssen wissen, wie man Informationen auswertet, wie man einen Text richtig verfasst und wo man was findet. Das lernen sie sowieso in der Schule.


    Programmieren lernen ist bestimmt fetzig, dafür brauchts aber Fachlehrer, wir erwarten auch nicht, dass alle Lehrer fachfremd Politik oder Physik unterrichten.


    Und bitte hört mit irgendwelchen Endgeräten für alle auf! Das macht mir echt Sorgen, dass irgendein Heinz in irgendeinem Schulministerium "ganz schnell" irgendwas zu kaufen anordnet, was längst kaputt und nicht mehr aktuell ist, bis es in den Schulen und Lehrplänen ankommt, die in 6 Jahren neu gedruckt werden.


    Das ist einfach alles zu schnelllebig für die Institution Schule. Und Schule muss auch nicht Versicherungsvergleich, Führerschein und Wasserrohreflicken unterrichten, obwohl das sehr brauchbare Fertigkeiten sind.


    Schule soll Kindern Grundlagen vermitteln und zwar die, deren Halbwertszeit über der Lebensdauer einer Generation liegt.

  • Das ist einfach alles zu schnelllebig für die Institution Schule. Und Schule muss auch nicht Versicherungsvergleich, Führerschein und Wasserrohreflicken unterrichten, obwohl das sehr brauchbare Fertigkeiten sind.


    Schule soll Kindern Grundlagen vermitteln und zwar die, deren Halbwertszeit über der Lebensdauer einer Generation liegt.

    Moin,
    und genau da sehe ich das Hauptproblem bei allem, was vom Ministerium auf die Berufsschule so herabregnet, wie Mana vom Himmel. Die Politiker denken bei ihren Erlassen beim Schlagwort "Schule" wohl immer nur an die Klassen 1-10. Bei uns an der Berufsschule paßt das alles nicht. Ein kaufmännischer Angestellter muß einen Versicherungsvergleich hinbekommen und ein Versorgungstechniker, so heißen heute die Klempner, muß ein Wasserrohr flicken können. Kann er das nicht, hat er eindeutig seinen Beruf verfehlt und da helfen auch keine noch so schön gemalten Plakate, da zählt ausschließlich das Ergebnis.


    Aber auch beim Versorgungstechniker gilt heute: Wissen, dessen Halbwertszeit über der Lebenserwartung des Azubis liegt, gibt es nicht. Vor einem Menschenalter wurden für die Wasserversorgung noch die letzten Bleirohre eingesetzt und man ging dazu über verzinkte Stahlrohre zu verschrauben. Zwischendurch gab es dann noch verlötete Kupferrohre und verklebte Plastikrohre. Im Heizungsbau wurden Stahlrohre verschweißt. Heute werden bei einer Hausinstallation die Kunststoff/Alu-Verbundrohre verpreßt.
    Das sind alles komplett unterschiedliche Techniken (Schrauben, Schweißen, Kleben, Verpressen) und der Versorgungstechniker muß die drauf haben. Oder würdest Du es akzeptieren, wenn auf einmal in deiner Wohnung kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn kommt, weil die Halbwertszeit der eingesetzten Technik so kurz ist, daß der Klempner nie gelernt hat wie es geht, weil es ja nicht Aufgabe der Schule bzw. des Lehrherren war ihm das beizubringen? :teufel:

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